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VGH München Beschluss vom 13.10.2015 - 11 C 15.2037 - Entziehung der Fahrerlaubnis bei psychischer Störung

VGH München v. 13.10.2015: Facharztgutachten und Entziehung der Fahrerlaubnis bei psychischer Störung


Der VGH München (Beschluss vom 13.10.2015 - 11 C 15.2037) hat entschieden:
Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung zum Führen von Kfz bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FeV). Hierzu zählen auch psychische (geistige) Störungen (Anlage 4 Nr. 7 zur Fahrerlaubnis-Verordnung) - hier eine bipolare affektive Störung. Ob ausreichende Tatsachen vorliegen, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 FeV), ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen.

Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr zu Recht geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sie ihn hierauf bei der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens hingewiesen hat.


Siehe auch Facharztgutachten im Fahrerlaubnisrecht und Krankheiten und Fahrerlaubnis


Gründe:

Die Beschwerde, mit der die Klägerin ihren Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das Klageverfahren hinsichtlich der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis weiter verfolgt, ist unbegründet.

1. Die Beklagte hat von der Klägerin mit Schreiben vom 24. September 2014 die Beibringung eines fachärztlichen Fahreignungsgutachtens verlangt. Sie habe am 22. Juli 2014 über Notruf zwei Vorfälle (Zimmerbrand und Unfall) mitgeteilt, die tatsächlich nicht stattgefunden hätten. Bei Eintreffen der Polizei habe sie nicht reagiert und unaufhörlich mit sich selbst geredet. Laut ihrem Betreuer liege eine psychische Störung vor. Da die Klägerin das Gutachten innerhalb der gesetzten Frist nicht vorgelegt hatte, entzog ihr die Beklagte mit Bescheid vom 12. Dezember 2014 unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis und forderte sie zur Abgabe des Führerscheins auf.

Über die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg noch nicht entschieden. Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. August 2015 abgelehnt. Die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die näheren Umstände der Vorfälle am 22. Juli 2014, ein Polizeibericht über eine Befragung der Klägerin am 31. Juli 2014 zu einem von ihr verursachten Unfall sowie weitere aktenkundige Vorkommnisse am 11. Juli 2012, bei denen sich die Klägerin sehr auffällig verhalten und zu denen ihr Betreuer geäußert habe, sie leide an psychischen Störungen und habe schizophrene Wahnvorstellungen, seien ausreichender Anlass für die Anordnung der Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens. Außerdem habe das Amtsgericht Regensburg die für die Klägerin angeordnete Betreuung mit Beschluss vom 27. Oktober 2014 wegen einer bipolaren affektiven Störung erweitert und verlängert.

2. Hinreichende Erfolgsaussichten der Klage ergeben sich weder aus der Begründung der Beschwerde gegen diesen Beschluss noch sonst aus dem Akteninhalt.

a) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr [Fahrerlaubnis-​Verordnung – FeV] vom 18.12.2010 [BGBl I S. 1980], zuletzt geändert durch Verordnung vom 16.12.2014 [BGBl I S. 2213]). Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FeV). Hierzu zählen auch psychische (geistige) Störungen (Anlage 4 Nr. 7 zur Fahrerlaubnis-​Verordnung). Ob ausreichende Tatsachen vorliegen, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 FeV), ist nach den gesamten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr zu Recht geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sie ihn hierauf bei der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens hingewiesen hat (§ 11 Abs. 8 FeV).

b) Die Beschwerdebegründung macht geltend, es sei zwar zutreffend, dass die Klägerin seit 1986 an einer psychischen Erkrankung leide. Sie habe jedoch trotz dieser Erkrankung im Jahr 2007 die Fahrerlaubnis erworben. Seither sei keine neue Erkrankung hinzugekommen. Die Vorfälle vom 11. Juli 2012 und vom 22. Juli 2014 hätten mit der Fahreignung der Klägerin nichts zu tun. Ihr Betreuer habe mit Schreiben vom 6. März 2015 eingeräumt, die Diagnose gegenüber der Führerscheinstelle und anderen Behörden falsch angegeben zu haben.

Damit kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Zum einen ist unklar, ob die Beklagte bei Erteilung der Fahrerlaubnis im Jahr 2007 überhaupt Kenntnis von der psychischen Erkrankung der Klägerin hatte und ob die Erkrankung zu diesem Zeitpunkt akut oder (vorübergehend) abgeklungen war. Zum anderen begründen die nach diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Vorfälle vom 11. Juli 2012 und vom 22. Juli 2014 ebenso wie der Betreuungsbeschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 27. Oktober 2014 wegen einer bipolaren affektiven Störung der Klägerin neue Zweifel an ihrer Fahreignung, die die angeordnete Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens rechtfertigen. Diese Zweifel hat die Klägerin auch nicht durch das auszugsweise vorgelegte Schreiben ihres Betreuers vom 6. März 2015 entkräftet. Aus diesem Schreiben ergibt sich lediglich, dass der Betreuer meint, die Diagnose „möglicherweise“ nicht korrekt wiedergegeben zu haben. Weitere drei Absätze dieses Schreibens sind jedoch aufgrund von Schwärzungen nicht lesbar. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat es trotz der Aufforderung des Gerichts ausdrücklich abgelehnt, das Schreiben ohne Schwärzungen vorzulegen. Es ist daher anzunehmen, dass der Betreuer, der bereits vor Erlass des Bescheids ohne Erfolg versucht hatte, die Klägerin zum Verzicht auf die Fahrerlaubnis zu bewegen, darin trotz seiner „möglicherweise“ nicht korrekt wiedergegebenen Diagnose seine grundsätzlichen Bedenken bekräftigt hat. Schließlich beruhen die Zweifel der Beklagten hinsichtlich der Fahreignung der Klägerin auch nicht allein auf den Äußerungen ihres Betreuers vom 7. Oktober 2014, sondern vor allem auf den von der Polizei geschilderten Vorkommnissen, denen die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten ist.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil für die Zurückweisung der Beschwerde nach dem hierfür maßgeblichen Kostenverzeichnis eine Festgebühr anfällt (§ 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Anlage 1 Nr. 5502).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).



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