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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss vom 07.01.2015 - 77 L 1967/14 - Nicht fristgerechte Vorlage des MPU-Gutachtens

VG Gelsenkirchen v. 07.01.2015: Nicht fristgerechte Vorlage des MPU-Gutachtens


Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Beschluss vom 07.01.2015 - 77 L 1967/14) hat entschieden:
Gemäß § 2a Abs. 5 Satz StVG hat die Behörde in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen, sobald der Inhaber einer Fahrerlaubnis innerhalb der nach einer vorherigen Entziehung der Fahrerlaubnis laufenden neuen Probezeit erneut eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Überschreitet der Fahrerlaubnisinhaber nach vorherigem Entzug der Fahrerlaubnis innerhalb der neuen Probezeit die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h, rechtfertigt dies die Anordnung einer MPU. Wird das Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt, ist die Fahrerlaubnis zu entziehen.


Siehe auch MPU - medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten und Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)


Gründe:

Der Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 4557/14 des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 11. September 2014 wiederherzustellen und gegen den Gebührenbescheid vom 11. September 2014 anzuordnen,
ist zulässig, wegen des vorherigen behördlichen Antrages des Antragstellers im Schreiben vom 13. Oktober 2014 (vgl. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO) auch hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid.

Er ist jedoch unbegründet. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder zumindest eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollziehungsinteresses (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) kommt nicht in Betracht. Formale Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Bei evidenten Eignungsmängeln bedarf es wegen der Gefahr für höchste Rechtsgüter keiner differenzierten, auf die Umstände des Einzelfalles eingehenden Begründung der sofortigen Vollziehung.
Vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 3 Bs 214/05, juris.
Diesen Anforderungen genügt die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung, aus der fehlenden Mitwirkung des Antragstellers an der Aufklärung des Sachverhaltes sei davon auszugehen, dass dieser einen kraftfahreignungsrelevanten Mangel verschweigen wolle; daher müsse ab sofort die Teilnahme am Straßenverkehr untersagt werden.

Die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO hängt ferner von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits ab. Hierbei sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfes zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig und besteht - für den Fall des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung - ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit.

Nach dieser Maßgabe fällt die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung in beiden Fällen zu Lasten des Antragstellers aus. Mit Blick auf die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, überwiegt das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an ihrer sofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers an einem Vollziehungsaufschub, weil sie bei summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig ist.

Die Entziehungsverfügung findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Die Antragsgegnerin durfte die Annahme der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV stützen. Danach darf die Fahrerlaubnisbehörde im Falle einer rechtmäßigen Gutachtenaufforderung auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei demjenigen schließen, der sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der das Gutachten nicht rechtzeitig beibringt. Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig sowie hinreichend bestimmt ist,
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-​Westfalen - OVG NRW -, Beschluss vom 14. November 2013 - 16 B 1146/13 - m.w.N.
Diese Voraussetzungen lagen vor. Zudem hat die Antragsgegnerin den Antragsteller bei ihrer Gutachtenaufforderung entsprechend § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Folgen der Verweigerung der Mitwirkung hingewiesen.

Materiell beruht die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens auf § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG. Danach hat die zuständige Behörde in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen, sobald der Inhaber einer Fahrerlaubnis innerhalb der nach einer vorherigen Entziehung der Fahrerlaubnis laufenden neuen Probezeit erneut eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat.

Dem Antragsteller ist die Fahrerlaubnis durch das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts E. - 607 Ds-​131 Js 1763/09-​401/09 - entzogen worden. Die neue Probezeit endet am 2. Dezember 2016. Am 28. Februar 2014 und damit innerhalb dieser Probezeit hat der Antragsteller eine schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen, indem er innerhalb geschlossener Ortschaften die Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h überschritt. Gemäß Buchstabe A, Ziffer 2.1 der Anlage 12 zu § 34 FeV sind Geschwindigkeitsverstöße schwerwiegende Zuwiderhandlungen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers durfte die Antragsgegnerin von einem Regelfall iSd § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG ausgehen und die Beibringung des Gutachtens anordnen. Denn Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall hat der Antragsteller nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht für die Annahme eines Regelfalls, dass dem Antragsteller die erstmalige Fahrerlaubnis auf Probe auch ohne das Urteil des Amtsgerichts E. entzogen worden wäre, da er die Teilnahmebescheinigung am Aufbauseminar nicht beigebracht hatte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits vor seiner erstmaligen Erteilung der Fahrerlaubnis verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten war, indem er im Jahre 2006 ein Kraftfahrzeug ohne Fahrerlaubnis geführt hatte. Vor diesem Hintergrund kann auch dem Vorbringen des Antragstellers, die Anordnung eines Kraftfahreignungsgutachtens sei unverhältnismäßig gewesen, nicht näher getreten werden.

Nachdem der Antragsteller das angeforderte medizinisch-​psychologische Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nicht innerhalb der ihm bis zum 26. August 2014 gesetzten Frist beigebracht hatte, durfte die Antragsgegnerin auf dessen mangelnde Kraftfahreignung schließen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen.

Aufgrund der rechtlichen Verpflichtung der Behörde ohne Ermessensspielraum zur Entziehung der Fahrerlaubnis ist insoweit rechtlich unschädlich, dass in der angefochtenen Ordnungsverfügung nicht einschlägige Vorschriften zitiert werden.

Die gegen das Gutachten vorgebrachten inhaltlichen Einwendungen können nicht berücksichtigt werden, da der Antragsteller das Gutachten, das offenbar für ihn negativ ausgegangen ist, nicht vorgelegt hat.

Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt auch hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid vom 11. September 2014 zu Lasten des Antragstellers aus. Aufgrund der nicht zu beanstandenden Entziehung der Fahrerlaubnis durfte die Antragsgegnerin für die Amtshandlung Gebühren nach der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr und dem Gebührentarif Straßenverkehr Nr. 206 zzgl. Auslagen verlangen. Die erhobene Gebühr bewegt sich im eröffneten Gebührenrahmen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides oder eine mit der sofortigen Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung von 192,30 EUR verbundene unbillige Härte (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO) sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 iVm 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz und orientiert sich an der Rechtsprechung des OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 - (nrwe.de, juris). Danach sind wegen der Fahrerlaubnisentziehung 2.500 EUR anzusetzen, wegen des Gebührenbescheides unter Berücksichtigung von Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ¼ des verlangten Betrages - 48,08 EUR -.