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OLG Naumburg Urteil vom 02.02.2015 - 12 U 105/14 - Auffahrunfall nach Spurwechsel des Vorausfahrenden

OLG Naumburg v. 02.02.2015: Auffahrunfall nach Spurwechsel des Vorausfahrenden und Anscheinsbeweis


Das OLG Naumburg (Urteil vom 02.02.2015 - 12 U 105/14) hat entschieden:
Bei einem Auffahrunfall mit einem Spurwechsler kommt es wegen der hohen Anforderungen des § 7 Abs. 5 StVO kraft Anscheinsbeweises grundsätzlich zu einer Vollhaftung des Spurwechslers. Die Betriebsgefahr des auffahrenden Fahrzeugs tritt in diesem Fall vollständig zurück, soweit nicht ein Mitverschulden des Auffahrenden festzustellen ist.


Siehe auch Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden und Auffahrunfall und Stichwörter zum Thema Auffahrunfälle


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz seiner materiellen Schäden aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 29. April 2011 gegen 16:10 Uhr auf der L. Chaussee in Fahrtrichtung L. ereignete.

Der Kläger befuhr am Unfalltag mit dem Pkw BMW M 5, an dem ein rotes Überführungskennzeichen ... des Kfz-​Händlers D. C. angebracht war, die rechte Einfädelfahrspur der L. Chaussee von H. kommend in Fahrtrichtung L. und beabsichtigte, auf die linke Fahrspur zu wechseln. Auf dem linken Fahrstreifen für die Geradeausfahrt näherte sich zu dieser Zeit von hinten der von dem Beklagten zu 1. gelenkte Lkw Sattelzug, der bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert ist. Im Zusammenhang mit dem Einfädeln des Klägers von der rechten auf die linke Fahrspur fuhr der von dem Beklagten zu 1. geführte Lkw auf das Heck des Pkw BMW auf. Die Sattelzugmaschine prallte mit ihrem rechten Frontseitenteil gegen die linke Heckseite des Pkw BMW, an dem ein nicht unerheblicher Sachschaden entstand. Als Fahrzeughalter des unfallgeschädigten Pkw BMW führten die den Verkehrsunfall aufnehmenden Polizeibeamten in der Verkehrsunfallanzeige den am Unfallort anwesenden Zeugen C. auf, weil dieser angegeben hatte, dass er der Inhaber des roten Überführungskennzeichens sei. Der Kläger stellte am 03. Mai 2011 den beschädigten BMW dem Kfz-​Sachverständigen Dipl.-​Ing. G. zur Begutachtung vor, der ein Gutachten gegenüber dem Kläger erstattete und mit Rechnung vom 16. Mai 2011 sein Honorar in Höhe von 743,16 Euro geltend machte.

Der Kläger beziffert seinen Sachschaden auf Gutachtenbasis wie folgt:

Reparaturkostenaufwand auf Gutachtenbasis nach Abzug „neu für alt“ in Höhe von netto 4.534,03 Euro
Sachverständigenhonorar laut Rechnung des Kfz-Sachverständigen G. vom 16. Mai 2011 in Höhe von 743,16 Euro
allgemeine Bearbeitungspauschale in Höhe von 30,00 Euro
Nutzungsausfallentschädigung für eine Ausfallzeit laut Gutachten von fünf Tagen in Höhe von insgesamt 295,00 Euro
Gesamtschaden: 5.602,19 Euro


Die Beklagten lehnten eine Schadensregulierung hingegen ab.

Der Kläger hat behauptet, er sei der Eigentümer des unfallgeschädigten Pkw BMW M 5, den er am Unfalltage von dem Zeugen D. C. käuflich erworben habe. Der Verkehrsunfall habe sich nach Abschluss des Kaufvertrages und Übergabe des Fahrzeuges bei der Überführungsfahrt ereignet, die er unter Verwendung der Überführungskennzeichen des Fahrzeughandels C. angetreten habe. Nach Vorlage des Kfz-​Fahrzeugbriefes im Original auf die richterliche Verfügung des Landgerichts hin hat er ergänzend vorgetragen, dass der Kfz-​Brief zwar Frau A. C., seine Lebensgefährtin, als Fahrzeughalterin ausweise. Diese habe den Pkw auch tatsächlich am 11. April 2011 auf ihren Namen zugelassen, um Versicherungsrabatte für sich in Anspruch nehmen zu können. Am Folgetag, den 12. April 2011 habe sie das Fahrzeug aber sogleich wiederum abgemeldet und außer Betrieb gesetzt. Der Pkw sei anschließend in das Eigentum des Zeugen C. gelangt, wobei dem Kläger Details des Eigentumserwerbers durch den Voreigentümer C. selbst nicht bekannt seien. Er selbst habe den Pkw jedenfalls mit Kaufvertrag vom 29. April 2011 vor dem streitbefangenen Unfallereignis von dem Zeugen C. gekauft und den Kaufpreis in bar entrichtet. Da der Pkw seinerzeit noch nicht über eine gültige Zulassung verfügt habe, habe das Autohaus C. ihm das rote Kennzeichen zur Überführung des Fahrzeuges zur Verfügung gestellt. Der Wagen befinde sich weiterhin in seinem Besitz, er habe es allerdings nach dem Unfall nicht wieder zugelassen. Zu dem Verkehrsunfallgeschehen hat der Kläger behauptet, dass er sich unter Beachtung seiner Sorgfaltspflichten und rechtzeitiger Ankündigung des Spurwechsels durch Betätigen des linken Fahrtrichtungsanzeigers nach doppelter Rückschaupflicht auf den linken Fahrstreifen vollständig eingeordnet habe, ohne die übrigen Verkehrsteilnehmer hierdurch zu gefährden. Da allerdings neben dem Kläger auch noch weitere Fahrzeuge auf die L. Chaussee in Fahrtrichtung L. aufgefahren seien, habe der Kläger seine Fahrtgeschwindigkeit wegen des Einfädelverkehrs verkehrsbedingt verringern müssen. Das Abbremsen seines Vordermannes habe der Beklagte zu 1. offensichtlich nicht rechtzeitig wahrgenommen und sei deshalb infolge Unachtsamkeit mit dem von ihm geführten Sattelauflieger auf den vorausfahrenden Pkw BMW M 5 des Klägers aufgefahren. Der Kläger ist deshalb der Meinung gewesen, dass den Beklagten zu 1. die alleinige Verantwortung an dem Auffahrunfall treffe und die Beklagten seinen Schaden zu 100 % zu erstatten hätten. Dem Kläger könne ein Mitverschuldensvorwurf an dem Verkehrsunfallgeschehen jedenfalls nicht angelastet werden, da er sich bereits nach dem Fahrspurwechsel auf die linke Fahrspur vollständig eingeordnet habe. Der Verursachungsanteil des Beklagten zu 1. sei jedenfalls so weit überwiegend, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges dahinter zurücktreten müsse. Im Hinblick auf die Höhe des geltend gemachten Sachschadens ist der Kläger der Ansicht gewesen, dass er sich nicht auf eine Reparatur durch eine freie Kfz-​Werkstatt habe einlassen müssen, zumal freie Werkstätten in der Regel nicht in der Lage seien, die erforderlichen Reparaturarbeiten nach den Herstellerangaben durchzuführen. Bei dem unfallgeschädigten Pkw BMW M 5 habe es sich im Übrigen um ein limitiertes Sondermodell gehandelt, das Sammlerwert besitze und aufgrund seines hohen Wertes und aufgrund seiner Langlebigkeit „scheckheftgepflegt“ gewesen sei.

Gegen den Kläger, der im Termin der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2012 vor dem Landgericht keinen Sachantrag stellte, erging am 19. September 2012 ein klageabweisendes Versäumnisurteil, das dem Kläger am 01. Oktober 2012 zugestellt wurde. Hiergegen hat er mit einem am 02. Oktober 2012 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt und zuletzt beantragt,
das am 19. September 2012 verkündete Versäumnisurteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 5.602,19 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08. März 2012 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
das Versäumnisurteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 19. September 2012 aufrechtzuerhalten.
Sie haben bestritten, dass der Kläger Halter und Eigentümer des unfallgeschädigten Pkw BMW M 5 zur Unfallzeit gewesen sei. Insbesondere haben sie in Abrede genommen, dass der Kläger das Fahrzeug zuvor von dem Fahrzeughandel D. C. käuflich erworben habe. Hiergegen würden bereits die Angaben des Klägers und des Zeugen C. bei der Verkehrsunfallanzeige gegenüber den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten sprechen. Außerdem sei zu würdigen, dass an dem verunfallten Pkw ein rotes Überführungskennzeichen, das ein Autohändler lediglich für die innerbetriebliche Überführung nutzen dürfe, angebracht gewesen sei. Es sei deshalb davon auszugehen, dass sich der Kläger seinerzeit auf einer Probefahrt mit dem Pkw des Autohauses C. befunden habe. Sie haben überdies bestritten, dass der Kläger den Kaufpreis an das Autohaus C. für den Pkw bar gezahlt habe und haben behauptet, dass der Kaufvertragsabschluss lediglich fingiert worden sei. Insgesamt sei die Sachdarstellung des Klägers zum Kfz-​Erwerb vor dem Unfallereignis widersprüchlich und von der Sache her unplausibel. Zum Unfallhergang haben die Beklagten behauptet, dass es sich keinesfalls so verhalten habe, dass der Kläger den Spurwechsel bereits vollständig abgeschlossen und den Pkw BMW auf die linke Geradeausfahrspur komplett eingeordnet habe, als der Beklagte zu 1. mit dem von ihm geführten Lkw auf ihn aufgefahren sei. Vielmehr sei der Kläger am Ende der rechten Einfädelfahrspur gerade erst im Begriff gewesen, von dem rechten auf den linken Fahrstreifen zu wechseln, ohne auf den auf der linken Fahrspur herannahenden Fahrzeugverkehr zu achten. Er habe sich am Ende der rechten Einfädelfahrspur plötzlich unmittelbar vor dem Lkw des Beklagten zu 1. gesetzt, so dass dieser nicht mehr in der Lage gewesen sei, noch rechtzeitig sein Gefährt abzubremsen und eine Kollision zu vermeiden. Noch während des Einordnungsvorganges sei es mithin zu dem Zusammenstoß gekommen, was auch durch das Schadensbild an beiden verunfallten Fahrzeugen belegt werde. Die Anstoßstelle bei dem Lkw am vorderen rechten Heck und bei dem klägerischen Pkw am hinteren linken Heck sei typisch für ein zu dichtes Einscheren vor dem auf der linken Fahrspur von hinten herannahenden Fahrzeug. Insoweit haben die Beklagten die Ansicht vertreten, dass gegen den Kläger als Spurwechsler ein Anscheinsbeweis streite. Der Unfall sei dagegen für den Beklagten zu 1. unvermeidbar gewesen, da das klägerische Fahrzeug unvermittelt und ohne ausreichenden Sicherheitsabstand in die Fahrspur des Beklagtenfahrzeuges hineingefahren sei. Der Kläger müsse daher für sein grob verkehrswidriges Verhalten alleine haften. Im Hinblick auf den geltend gemachten Schaden haben die Beklagten die Erforderlichkeit der Reparaturkosten in Abrede genommen und sind insoweit der Meinung gewesen, dass sich der fiktiv abrechnende Kläger auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer freien Kfz-​Werkstatt verweisen lassen müsse. Dies sei ihm deshalb zumutbar, weil das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt bereits 16 Jahre alt gewesen sei und zuvor auch nicht ausschließlich in einer BMW-​Vertragswerkstatt gewartet und repariert worden sei. Sie sind darüber hinaus der Meinung gewesen, dass der Kläger eine Nutzungsausfallentschädigung nicht beanspruchen könne, da das Fahrzeug nach dem Unfall weiterhin fahrbereit gewesen sei und der Kläger es unstreitig bislang nicht habe reparieren lassen.

Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 25. Februar 2013 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen D. C. und J. M. . Wegen des Ergebnisses dieser erstinstanzlichen Beweisaufnahme verweist der Senat auf die Sitzungsniederschrift vom 19. Juni 2013. Mit dem am 11. Juni 2014 verkündeten Urteil hat es sodann die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen des Verkehrsunfalles nicht zustünde, da er seine Eigentümerstellung am geschädigten Fahrzeug nicht nachzuweisen vermocht habe. Zwar habe der Kläger den Kfz-​Kaufvertrag vom 29. April 2011 vorgelegt, für den auch die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit streite. Diese Vermutungsfolge sei hier indessen widerlegt. Nach Würdigung des klägerischen Vorbringens und im Ergebnis der Beweisaufnahme habe das Landgericht vielmehr die Überzeugung gewonnen, dass der Kaufvertrag lediglich fingiert worden sei. Das eigene prozessuale Verhalten des Klägers spreche bereits gegen die Richtigkeit der Vertragsurkunde. Einen käuflichen Erwerb des Fahrzeuges habe der Kläger nämlich erstmals mit seinem Einspruchsschriftsatz vorgetragen, ohne jedoch auf die Umstände des Kaufvertragsabschlusses einzugehen. Darüber hinaus habe der Kläger auch nicht die Voreintragung seiner Lebensgefährtin A. C. im Kfz-​Brief überzeugend und nachvollziehbar erklären können. Insgesamt sei aufgefallen, dass der Kläger sein Vorbringen zur Aktivlegitimation fortlaufend angepasst habe an den Gegenvortrag der Beklagten. Im Hinblick darauf, dass die im Kfz-​Brief voreingetragene Schwester des Zeugen D. C. seine Lebensgefährtin sei, sei es nicht glaubhaft, dass der Kläger von dem Eigentumswechsel von Frau A. C. auf Herrn D. C. nichts gewusst haben wolle. Seine Erklärungen zum Kaufvertragsabschluss seien nicht nur nicht plausibel, sondern auch widersprüchlich. Der Kläger habe den Eigentumserwerb schließlich auch nicht auf der Grundlage der Aussage des Zeugen C. beweisen können. Denn die Bekundungen des Zeugen C. seien hierzu nicht glaubhaft gewesen. Eine Bewertung der gesamten festgestellten Umstände lege vielmehr nahe, dass der Zeuge C. und der Kläger den Kaufvertrag lediglich fingiert hätten und sich der Unfall während einer Probefahrt des Klägers zugetragen habe. Hierfür spreche insbesondere, dass der Kläger die Fahrt mit rotem Überführungskennzeichen angetreten habe. Außerdem hätten die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten aufgrund der Angaben des Klägers und des Zeugen C. offensichtlich ebenfalls den Eindruck gewonnen, dass lediglich eine Probefahrt des Klägers stattgefunden habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt.

Er rügt die Tatsachenfeststellungen des Landgerichtes und ist insoweit der Ansicht, dass das Landgericht zu Unrecht und ohne greifbare Anhaltspunkte davon ausgegangen sei, dass er seinen Sachvortrag stets an die veränderten Gegebenheiten und den Gegenvortrag der Beklagten angepasst und wiederholt gewechselt habe. Er habe vielmehr durchgehend und insbesondere auch bereits in der Klageschrift behauptet, dass er das Fahrzeug am Unfalltag von dem Zeugen C. käuflich erworben habe. Darüber hinaus habe er auf das Bestreiten der Beklagten hin sowohl den Fahrzeugbrief im Original als auch den Kfz-​Kaufvertrag vorlegen können. Das Landgericht habe dagegen nicht ansatzweise erläutert, aus welchem Grund es die Eintragungen in dem Kfz-​Brief für merkwürdig erachte und den Vortrag des Klägers zu dem Kaufgeschäft für widersprüchlich halte. Der Kläger greift überdies die von dem Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen C. an und beanstandet hierzu, dass das Landgericht etwaige Unstimmigkeiten der Aussage nicht durch gesonderte Nachfrage im Beweisaufnahmetermin aufgeklärt habe. Das Landgericht habe in dem angefochtenen Urteil schlicht unterstellt, dass sich der Unfall während einer Probefahrt des Klägers mit dem Pkw des Zeugen C. ereignet habe, weil der BMW rote Kennzeichen aufgewiesen habe. Diese Wertung sei aber keinesfalls zwingend gewesen.

Der Kläger beantragt,
das am 11. Juni 2014 verkündete Einzelrichterurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 5.602,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08. März 2012 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvorbringens. Ergänzend tragen sie vor, dass sich der Kläger auch nicht auf die Vermutungsregelung des § 1006 Abs. 1 BGB stützen könne. Denn nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast sei er zunächst gehalten gewesen, zu den Umständen seines Besitz- und Eigentumserwerbes konkret vorzutragen. Letztlich sei die Eigentumsvermutung hier aber auch im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme widerlegt worden.

Wegen des weitergehenden Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Verkehrsunfallanzeige des Polizeikommissariats H.-​S. zur Geschäftsnummer ... zu Informationszwecken beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.


II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner (§ 115 Abs. 1 S. 4 VVG) wegen des Verkehrsunfalls, der sich am 29. April 2011 in H. auf der L. Chaussee in Fahrtrichtung L. zugetragen hat, ein Anspruch auf Ersatz seiner materiellen Fahrzeugschäden aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 3, 18 Abs. 1 StVG in Verbindung mit 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG nicht zu.

1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts war die Schadensersatzklage allerdings nicht schon deshalb abzuweisen, weil der Kläger seine Aktivlegitimation, nämlich seine Eigentümerstellung an dem unfallgeschädigten Pkw BMW M 5 im Unfallzeitpunkt nicht hat nachweisen können. Denn das Landgericht hat die Reichweite der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB verkannt.

Für das Eigentum des Klägers streitet hier bereits die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB, da dieser zum Zeitpunkt des Unfalls unstreitig den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug inne hatte. Diese Vermutung haben die Beklagten im Streitfall auch nicht widerlegen können.

a) Die gesetzliche Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB knüpft an dem bloßen unmittelbaren Besitz der beweglichen Sache an und stellt insofern die widerlegliche Vermutung auf, dass der Besitzer bei dem Besitzerwerb Eigenbesitz und damit zugleich unbedingtes Eigentum erworben habe. Sie enthebt den Besitzer dabei im Grundsatz nicht nur der Beweis-​, sondern auch der Darlegungslast dafür, dass und auf welcher Grundlage er oder derjenige, von dem er sein Besitzrecht ableitet, mit dem Besitzerwerb Eigentum erworben hat (BGHZ 156, 310, 319; BGH, NJW 2002, 2101, 2102; OLG Saarbrücken, NJW-​RR 2013, 1498; OLG Saarbrücken MDR 2014, 1257), so dass der Kläger weitere Einzelheiten zum Eigentumserwerb grundsätzlich nicht vorzutragen braucht. Den Beklagten hat vielmehr der Nachweis oblegen, dass der den Pkw besitzende Kläger nie Eigentümer des unfallgeschädigten Fahrzeuges geworden ist. Selbst im Konflikt zwischen dem Besitzer des Fahrzeuges und dem Besitzer des Kraftfahrzeugbriefes (Zulassungsbescheinigung Teil II) spricht § 1006 BGB zu Gunsten des Besitzers des Kraftfahrzeuges. Der Besitz am Kraftfahrzeugbrief sowie die Eintragung des Briefbesitzers als Halter des Fahrzeuges reichen als solches nicht aus, um die Vermutung zu Gunsten des aktuelle Besitzers zu widerlegen. Vielmehr wird der Besitzer des Fahrzeuges in der Regel auch als Eigentümer des Kraftfahrzeugbriefes vermutet (BGHZ 156, 310). Der Kfz-​Brief stellt ein bloßes Hilfspapier dar. Die Eintragung im Kfz-​Brief bildet damit allenfalls ein Indiz, das bei der Würdigung der gesamten Umstände zu berücksichtigen ist (vgl. BGHZ 156, 310; OLG Saarbrücken NJW-​RR 2013, 1498). Dies steht auch nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung, wonach der Erwerber eines gebrauchten Kraftfahrzeuges regelmäßig grob fahrlässig im Sinne von § 932 Abs. 2 BGB handelt, wenn er sich nicht anhand des Briefes über das Eigentum des Veräußerers vergewissert (BGHZ 119, 75, 90). Für die Frage der Gutgläubigkeit kommt es auf den Erkenntnishorizont des Erwerbers an. Für diesen begründet der Besitz des Kfz-​Briefes den Rechtsschein der Verfügungsmacht des Veräußerers über das Fahrzeug. Dabei geht es um Fälle, in denen das Eigentum des im Brief eingetragenen Halters feststeht. Eine Beweisregel für den Streit über das Eigentum am Kraftfahrzeug zwischen altem und neuem Besitzer lässt sich aus dieser Rechtsprechung indessen nicht ableiten. Gegenüber dem Besitzer der Kraftfahrzeuges, zu dessen Gunsten die Vermutung des § 1006 BGB streitet, hat dementsprechend sogar eine Person, die den Kraftfahrzeugbrief besitzt und dort als Halter eingetragen ist, den Nachweis ihres Eigentums zu führen (vgl. BGHZ 156, 310; OLG Saarbrücken NJW-​RR 2013, 1498).

Derjenige, der sich auf die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB stützen kann, muss danach lediglich die Vermutungsbasis beweisen, d.h. er muss seinen unmittelbaren Besitz nachweisen, darüber hinaus muss er die Rechtsbehauptung aufstellen, Eigentümer des Kfz zu sein (vgl. OLG Saarbrücken NJW-​RR 2013, 1498; Baumgärtel in Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Rdn. 9 zu § 1006 BGB).

b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hatte den unmittelbaren Besitz an dem unfallgeschädigten Fahrzeug unstreitig zur Unfallzeit inne. Er verfügte über die Fahrzeugschlüssel und hat den Pkw gefahren. Das beschädigte Fahrzeug hat er nach dem Unfallgeschehen bei einem Kfz-​Sachverständigen zur Begutachtung vorgestellt, was ebenfalls auf seine tatsächliche Sachherrschaft über das Fahrzeug hinweist (OLG Saarbrücken NJW-​RR 2013, 1498 m. w. N.). Denn er erteilte seinerzeit unstreitig als Unfallgeschädigter den Auftrag für das Haftpflichtschadensgutachten und veranlasste die Vorführung des Pkw zu dessen Besichtigung. Im Übrigen haben die Beklagten auch nicht die Behauptung des Klägers in Abrede genommen, dass der Pkw auch nach wie vor in seiner Garage auf seinem Grundstück stünde und sich damit in seinem Besitz befinde. Darüber hinaus war er im Besitz des Kraftfahrzeugbriefes, auch wenn er darin nicht als Halter eingetragen war, und hat diesen im Original dem Landgericht im Termin der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2012 vorgelegt.

Auf welche Weise der Kläger den Pkw erworben hat, hat er dagegen grundsätzlich nicht vortragen brauchen, denn die Vorschrift des § 1006 BGB soll den Besitzer gerade des Nachweises der Erwerbstatsachen entheben. Er ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet gewesen, aufzuklären, wie er den Eigenbesitz und das Eigentum konkret erlangt hat (st. Rspr. BGH NJW 2002, 2101; BGHZ 156, 310).

Damit wäre nicht vereinbar, eine „erfolgreiche Berufung auf die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB“ erst dann zu erlauben, wenn „der Besitzer seiner sekundären Darlegungslast zu den Umständen seines Besitz- und Eigentumserwerbs genügt habe“; sofern sich der fragliche Eigentumswechsel in seiner Sphäre abgespielt haben sollte (z. B. OLG Hamm, MDR 2014, 403 m. w. N.). Vielmehr genießt der Besitzer die Rechtswohltat des § 1006 Abs. 1 BGB bereits dann, wenn er seinen unmittelbaren Besitz nachweist und die Rechtsbehauptung aufstellt, Eigentümer der Sache zu sein (Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 1006 Rdnr. 9; OLG Saarbrücken NJW-​RR 2013, 1498; OLG Saarbrücken MDR 2014, 1257).

Von diesem materiellen Gehalt der Darlegungs- und Beweislast ist allerdings die Frage zu unterscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Besitzer in Anwendung der zu § 138 ZPO entwickelten prozessualen Grundsätze zur sog. sekundären Darlegungslast (z. B. Zöller/ Greger, Rdn. 8 ff. zu § 138 ZPO) gehalten ist, seinerseits zu den Umständen des Eigentumserwerbs vorzutragen. Um einen inneren Widerspruch zum materiellen Inhalt der Beweisvermutung des § 1006 BGB zu vermeiden, überzeugt es allerdings nicht, den Besitzer bereits dann sekundäre Darlegungslasten zu den Umständen seines Eigentumserwerbs aufzuerlegen, wenn der Beweisgegner diesen schlicht bestreitet. Der Sinn der gesetzlichen Beweisvermutung liegt nämlich gerade darin, die Rechtsanwendung bei streitiger Eigentumslage zu erleichtern. Mithin ist eine sekundäre Darlegungslast des Besitzers nur dann anzuerkennen, wenn die Gegenpartei ihrerseits qualifizierten Vortrag zu dem Erwerbsvorgang hält, der eine fehlende Eigentümerstellung des Besitzers zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit nahelegt (vgl. OLG Saarbrücken MDR 2014, 1257).

Die prozessualen Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Besitzers braucht der Senat im zur Entscheidung stehenden Fall allerdings auch nicht zu vertiefen, nachdem der Kläger Vortrag zu dem Erwerbsvorgang gehalten hat. Denn er hat in Erfüllung einer etwaigen sekundären Darlegungsobliegenheit bereits in seiner Klageschrift dargelegt, dass er den unfallgeschädigten Pkw BMW M 5 am Unfalltag, den 29. April 2011 von dem Zeugen C. käuflich erworben habe und sich der Verkehrsunfall nach Kaufvertragsabschluss und Übergabe der Fahrzeugschlüssel bei der Überführungsfahrt des Pkw ereignet habe. Später hat er unter Vorlage der Kaufvertragsurkunde (Band I Blatt 104 d. A.) noch ergänzend vorgetragen, dass er den Pkw von dem Kfz-​Händler C. zu einem vereinbarten Kaufpreis von 6.000,- Euro gekauft und den Kaufpreis sogleich in bar an der Verkäufer entrichtet habe.

Damit aber hat er eine Übereignung des Fahrzeuges in Vollzug des Kaufvertrages behauptet. Denn es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Verkäufer in Erfüllung seiner kaufvertraglichen Verpflichtung den in der Kaufvertragsurkunde bezeichneten Käufer das Eigentum an dem Pkw verschaffen will, weil er ansonsten von seiner vertraglichen Leistungspflicht nicht frei wird (z. B. OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Januar 2008, 25 U 220/08 zitiert nach Juris). Die außerhalb des maßgeblichen Erwerbsvorgangs stehenden Beklagten sind durch diesen klägerischen Vortrag zu dem Erwerbsvorgang ausreichend in die Lage versetzt worden, den Beweis des Gegenteils nach § 292 ZPO anzutreten.

Da dem Kläger ersichtlich die Autoschlüssel und Fahrzeugpapiere von dem Zeugen C. ausgehändigt worden sind und er sich zur Unfallzeit im unmittelbaren alleinigen Besitz des Pkw befunden hat, greift die Vermutungsfolge des § 1006 BGB durch.

c) Die demnach für den Kläger sprechende gesetzliche Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB kann nur durch den Beweis des Gegenteils nach § 292 ZPO zu voller - nach § 286 Abs. 1 ZPO allerdings auch aus den Gesamtumständen zu gewinnender - Überzeugung des Gerichts widerlegt werden (z. B. BGHZ 156, 310; BGH NJW 2002, 2101; OLG Saarbrücken MDR 2014, 1257). Da die Vermutung auch den Eigenbesitz des Besitzers umfasst, ist die Vermutung erst dann widerlegt, wenn die Beklagten den Beweis erbracht haben, dass der Kläger entweder nur Fremdbesitzer war oder aber trotz Erwerb zu Eigenbesitz aus anderen Rechtsgründen kein Eigentum erlangen konnte bzw. es wieder verloren hat (vgl. OLG Saarbrücken MDR 2014, 1257).

Diesen Nachweis haben die Beklagten indessen nicht geführt. Insbesondere ist ihnen der positive Beweis nicht gelungen, dass der Kaufvertrag nur fingiert gewesen und damit auch das daraus resultierende Verfügungsgeschäft nach den Rechtsgrundsätzen des § 117 BGB als Scheingeschäft nichtig sei.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat der Kläger durch sein eigenes Prozessverhalten die aus dem unmittelbaren Eigenbesitz des Fahrzeuges resultierende gesetzliche Vermutungsfolge nicht komplett in Frage stellen können. Das eigene Prozessverhalten des Klägers ist zwar in die nach § 286 ZPO gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen, hierauf lässt sich jedoch der Beweis des Gegenteils nicht stützen.

Der Kläger mag im Verlaufe des Rechtsstreites seinen Vortrag zu dem käuflichen Erwerb des streitbefangenen Pkw BMW M 5 auf das Bestreiten der Beklagten hin konkretisiert und in gewisser Weise an die veränderte Sachlage angepasst haben. Das klägerische Vorbringen hat sich aber hierzu keineswegs als derart widersprüchlich und unplausibel dargestellt, dass dies nur den Schluss zulasse, der Kaufvertragabschluss mit dem Zeugen C. sei fingiert gewesen. Wie der Kläger mit seiner Berufungsbegründung zu Recht einwendet, trifft es nicht zu, dass er sich im Termin der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht noch nicht auf einen Kauf des Fahrzeuges berufen habe, sondern seine Eigentümerstellung ausschließlich aus dem Fahrzeugbrief hat ableiten wollen. Denn bereits mit seiner Klageschrift vom 02. Februar 2012 hat er vorgetragen, dass er den Wagen am Tage des Verkehrsunfalls, den 29. April 2011 käuflich erworben habe. Nachdem die Beklagten unter Bezugnahme auf die Angaben in der Verkehrsunfallanzeige seine Eigentümerstellung bestritten haben, hat er sodann mit Schriftsatz vom 11. Juni 2012 zum Beweis seines Fahrzeugeigentums die Vorlage des Kfz-​Briefes angekündigt und diesen auch im Termin der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2012 vorgelegt, aus dem sich ergab, dass seine Lebensgefährtin A. C. als Halterin des Fahrzeuges eingetragen war. Nach Verkündung des Versäumnisurteils hat der Kläger in der Einspruchsschrift darauf hin zum Abschluss eines Gebrauchtwagenkaufvertrages mit dem Autohändler D. C. ergänzend vorgetragen und die Vorlage des Originalkaufvertrages im Fortsetzungstermin in Aussicht gestellt. Eine Ablichtung dieses Kaufvertrages, der ihn als Käufer des Fahrzeuges ausweist, hat er sodann mit Schriftsatz vom 08. Januar 2013 nachgereicht und ferner Beweis zur Übereignung des Fahrzeuges durch Benennung des Zeugen D. C. angetreten.

Die Tatsache, dass in dem von dem Kläger vorgelegten Kfz-​Brief die Lebensgefährtin des Klägers als Halterin verzeichnet war, vermag die Vermutungsfolge des § 1006 BGB gleichfalls nicht zu erschüttern. Die Vorlage von Fahrzeugschein und Fahrzeugbrief oder gar eine Auskunft der Zulassungsstelle über den Halter ist für die hier entscheidende Frage des Eigentums im Unfallzeitpunkt nicht von Relevanz. Denn das Eigentum am Kfz ergibt sich nicht aus der Eintragung im Kfz-​Brief (vgl. § 12 Abs. 6 S. 1 FZV). Dieser dokumentiert als verwaltungsrechtliche Urkunde ohne öffentlichen Glauben lediglich, auf welche Person ein Kfz bei der Zulassungsstelle zugelassen war oder ist (vgl. KG Berlin VRS 116, 421 ff). Wie bereits ausgeführt, bildet die Eintragung im Kfz-​Brief allenfalls eine Indiztatsache, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist (vgl. BGHZ 156, 310).

Dem Landgericht ist zwar darin beizupflichten, dass die Umstände des Kaufvertragsabschlusses ungewöhnlich anmuten und durchaus Anlass zu Zweifeln an der Sachdarstellung des Klägers bieten. Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass zunächst die Lebensgefährtin des Klägers und Schwester des Zeugen D. C. vom 11. April bis zum 12. April 2011 angeblich aus versicherungstechnischen Gründen im Kfz-​Brief kurzzeitig als Halterin verzeichnet war und das Fahrzeug anschließend am 29. April 2011 an den Kläger zu einem Kaufpreis von 6.000,- Euro veräußert worden sein soll. Zweifel an der Richtigkeit der klägerischen Behauptung zum Erwerbsvorgang reichen indessen für den Beweis des Gegenteils, der hier nach § 292 ZPO zu erbringen ist, noch nicht aus, da dieser den Vollbeweis nach § 286 ZPO erfordert.

Soweit sich das Landgericht auf weitere Plausibilitätsdefizite und Unstimmigkeiten im Sachvortrag des Klägers stützt, hat es diese allerdings nicht konkret bezeichnet, so dass sie einer Würdigung durch den Senat nicht zugänglich sind.

Die Aussage des Zeugen D. C., der bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht die Behauptungen des Klägers zum Kaufvertragsabschluss inhaltlich bestätigt hat, mag das Landgericht zwar zu Recht für wenig glaubhaft angesehen haben. Denn sie weist, wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, inhaltliche Ungereimtheiten und Unsicherheiten auf, die deren Überzeugungskraft erschüttern können. Auch ist dem Landgericht darin beizupflichten, dass der Zeuge nur schwerlich in der Lage war, die zeitlichen Abläufe des 29. April 2011 bis zum Unfallereignis plausibel und in sich geschlossen zu schildern.

Selbst wenn den Bekundungen des Zeugen ein Beweiswert nicht beizumessen ist und der Kläger auf dieser Grundlage den Beweis für den Kauf des Pkw allein nicht hätte erbringen können, besagt dies allerdings noch nicht im Umkehrschluss, dass die Beklagten dadurch den Beweis des Gegenteils geführt hätten. Sie tragen aber die volle Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Scheinabrede. Dieser Beweis wird nicht allein dadurch erbracht, dass die von dem Kläger angebotenen Beweise entkräftet werden.

Die Angaben des Klägers und des Zeugen C. gegenüber den den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten und die hieraus von der Zeugin POM M. gezogene Schlussfolgerung rechtfertigen ebenfalls kein anderes Ergebnis.

In der Verkehrsunfallanzeige vom 29. April 2011 ist zwar der Zeuge C. als Halter des Fahrzeugs aufgeführt. Auch hat die Zeugin Polizeiobermeisterin J. M. im Rahmen ihrer Vernehmung hierzu bekundet, dass sich der Zeuge C. bei der Verkehrsunfallaufnahme ihnen gegenüber als Fahrzeughalter ausgegeben, woraus die Zeugin geschlossen habe, dass er auch der Eigentümer des Wagens war.

Dass die Polizeibeamten den Zeugen C. als Fahrzeughalter aufgenommen haben, war hier dem Umstand geschuldet, dass der Pkw im Unfallzeitpunkt - berechtigt oder nicht - die roten Überführungskennzeichen des Zeugen C. aufwies. Das Fahrzeug galt aufgrund der roten Überführungskennzeichen im Unfallzeitpunkt als auf den Zeugen C. zugelassen. Die Verwendung der roten Kennzeichen lässt überdies die Annahme naheliegend erscheinen, dass es sich um eine bloße Probefahrt gehandelt haben könnte. Dies ist aber damit noch keinesfalls bewiesen. Selbst wenn die roten Kennzeichen des Autohändlers C. für die klägerseits behauptete Überführungsfahrt nach Verkauf des Fahrzeuges nicht mehr hätten verwendet werden dürfen, kann aus der Tatsache, dass sie an dem Pkw gleichwohl angebracht waren, nicht zwingend geschlossen werden, dass ein Verkauf deshalb noch nicht stattgefunden haben kann.

Schließlich kann auch eine Gesamtschau sämtlicher festgestellter und unstreitiger Umstände und Indiztatsachen nicht genügen, um den Beweis des Gegenteils als geführt anzusehen. Die Sachdarstellung des Klägers zum Erwerbsvorgang lässt zwar durchaus Zweifel aufkommen, diese reichen aber weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit aus, um die gesetzliche Vermutungsfolge des § 1006 Abs. 1 BGB zu widerlegen. Dass der Kläger und der Zeuge C. den Kaufvertrag und das im Vollzug der Eigentumsübertragung vereinbarte Verfügungsgeschäft nur zum Schein geschlossen haben, ist aufgrund der festgestellten Umstände jedenfalls noch nicht bewiesen.

Der Kläger ist nach alledem aus § 7 Abs. 1 StVG und § 18 Abs. 1 StVG anspruchsberechtigt.

2. Ungeachtet dessen muss eine Schadensersatzhaftung der Beklagten wegen des Verkehrsunfalls vom 29. April 2011 hier jedoch im Ergebnis ausscheiden. Denn die anspruchsbegründenden Voraussetzungen einer straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung nach §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG bzw. einer Fahrerhaftung des Beklagten zu 1) nach Maßgabe des § 18 Abs. 1 StVG lassen sich bereits nach dem eigenen Sachvorbringen des Klägers nicht feststellen.

a) Dem Kläger ist an dem Pkw BMW Modell M 5 allerdings unfallbedingt ein Sachschaden entstanden, der sich bei Betrieb der Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr ereignete. Denn der Verkehrsunfall stand in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit den Betriebsvorgängen des von dem Beklagten zu 1) geführten Lkw und in dem Auffahrunfall realisierte sich die betriebstypische Gefahr der beiden unfallbeteiligten Kraftfahrzeuge im gleichgerichteten Verkehr beim Einfädeln auf eine Fahrspur.

Die Einstandspflicht des Beklagten zu 1) ist hier auch nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Dass die Kollision für ihn auf höherer Gewalt beruhte, behaupten die Beklagten selbst schon nicht.

b) Auf die dem Grunde nach gegebene straßenverkehrsrechtliche Gefährdungshaftung muss sich der Kläger jedoch im Ergebnis der hier nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und Verschuldensanteile sowie wechselseitigen Betriebsgefahren der unfallbeteiligten Fahrzeuge einen so gewichtigen Eigenhaftungsanteil anrechnen lassen, so dass die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges sowie ein etwaiger Mitverursachungsanteil dahinter vollständig zurücktreten.

Ein schadensrechtlicher Ausgleich kommt hier nach Maßgabe des § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG in Betracht, weil auch der Kläger seinerseits als Halter und Fahrer des unfallgeschädigten Pkw BMW für den Unfall grundsätzlich gemäß § 7 Abs. 1 StVG einstandspflichtig ist und sich der Auffahrunfall für ihn nicht als ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte.

Unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG ist ein Unfallereignis, das selbst bei Beachtung der äußerst möglichen und gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit eines idealtypisches Fahrzeugführers in der konkreten Verkehrssituation nicht vermieden werden kann. Dies erfordert in der Regel sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, wozu auch gehört, dass der Idealfahrer naheliegende Gefahrenlagen erkennt und in seine Gefahrenprognose dabei zugleich auch erhebliche fremde Fahrfehler einstellt, auf die er mit der gebotenen Vorausschau und Umsicht unfallverhütend reagiert (z. B. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Rdn. 22 zu § 17 StVG m.w.N.).

Diesen an einen idealtypischen Fahrzeugführer zu stellenden gesteigerten Sorgfaltsanforderungen hat der klägerische Fahrzeugführer hier indessen nicht entsprochen.

Ihm ist vielmehr - unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens - in jedem Fall ein Verstoß gegen die gesteigerten Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO im Zusammenhang mit dem vollzogenen Spurwechsel anzulasten. Nach § 7 Abs. 5 StVO darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies erfordert äußert mögliche Sorgfalt (z. B. Hentschel / König / Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Rdn. 17 zu § 7 StVO). Der Fahrspurwechsel setzt ausreichende Rückschau voraus und ist rechtzeitig und deutlich durch Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen. Ereignet sich der Unfall in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass dieser die ihm nach § 7 Abs. 5 StVO obliegende Sorgfaltspflicht bei einem Fahrspurwechsel nicht in ausreichenden Maße beachtet und den Unfall verursacht und verschuldet habe (vgl. KG Berlin NJW-​RR 2011, 28; OLG München Schadens-​Praxis 2013, 387, OLG Hamm VersR 2001, 206). Soweit es um das Einordnen am Ende eines markierten Fahrstreifen im sog. Reißverschlussverfahren geht, enthält § 7 Abs. 4 StVO eine Vorrangregelung dahingehend, dass derjenige, der den durchgehenden Fahrstreifen befährt, Vorrang hat vor demjenigen, der auf seinem eigenen Fahrstreifen - wie hier der Kläger - nicht weiter fahren kann. Schätzungsfehler hinsichtlich des Abstandes zum bevorrechtigten Fahrzeug beim Einordnen gehen zu Lasten des Wartepflichtigen (z. B. KG VRS 115, 279; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Rdn. 57 zu § 8 StVO).

Der gegen den Kläger streitende Anscheinsbeweis ist auch nicht erschüttert worden. Dass er einen Fahrstreifenwechsel von der rechten Fahrspur auf die linke Geradeausspur vollzogen hat, auf der sich der von dem Beklagten zu 1) geführte Lkw näherte, steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Der Kläger trägt zwar in seiner Klageschrift unter Beweisantritt vor, dass er bereits vollständig in die linke Fahrspur eingeschert gewesen sei und seine Fahrtgeschwindigkeit verkehrsbedingt reduzieren musste, wodurch es zur Kollision gekommen sei.

Diese Unfallschilderung des Klägers steht allerdings schon nicht im Einklang mit seinen eigenen Angaben in der Verkehrsunfallanzeige gegenüber den den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten. Denn ausweislich der zu Informationszwecken beigezogenen Verkehrsunfallanzeige hat der Kläger damals angegeben, dass er mit seinem Pkw den von dem Beklagten zu 1) geführten Sattelauflieger, der die linke Geradeausspur befuhr, rechts habe überholen wollen, um sich am Ende der rechten Fahrspur vor ihn einzuordnen. Er habe sodann am Ende des rechten Fahrstreifens den Fahrspurwechsel vollzogen und sei vor dem Lkw gefahren, wobei es zum streitgegenständlichen Zusammenstoß gekommen sei. Unter Zugrundelegung dieser Angaben aus der Verkehrsunfallanzeige war der Kläger aber gerade im Begriff gewesen ist, den Spurwechsel zu vollziehen und sich einzuordnen, als der Lkw auffuhr.

Aber selbst wenn der Senat auf das Sachvorbringen des Klägers in der Klageschrift abstellen wollte und zu seinen Gunsten unterstellt, dass er bereits auf die rechte Fahrspur gewechselt war, als sich der Unfall ereignet hat, rechtfertigt dies keine abweichende Wertung. Denn auch nach dieser Unfallschilderung wäre der räumlich - zeitliche Zusammenhang mit dem Spurwechsel noch keineswegs beseitigt. Denn der Kläger behauptet schon selbst nicht, dass er sich auf der linken Fahrspur bereits vollständig in den Verkehrsfluss eingeordnet und schon so gelange gefahren sei, dass sich der Hintermann auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hat einstellen können und einen Sicherheitsabstand hätte aufbauen können (z. B. KG Berlin NJW-​RR 2011, 28; KG Berlin VRS 113, 418). Der Kläger bestreitet lediglich, dass es während des Spurwechsels zur Kollision gekommen sei. Dass er den linken Fahrstreifen aber schon einige Zeit befahren habe und ein direkter Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Fahrstreifenwechsel räumlich - zeitlich gar nicht mehr herzustellen sei, lässt sich seiner Sachdarstellung gerade nicht entnehmen. Eine Gefährdung des bevorrechtigten Beklagtenfahrzeuges als Nachwirkung des Spurwechsels war demzufolge aber auch nach der Unfallschilderung des Klägers nicht auszuschließen, weil dem herannahenden Hintermann keine ausreichende Zeit und Gelegenheit verblieb, einen angemessenen Sicherheitsabstand zu dem in die Fahrspur hineinwechselnden Vordermann aufzubauen. Es kann mithin nicht davon ausgegangen werden, dass sich die beteiligten Fahrzeuge schon längere Zeit in gleicher Richtung fahrend auf einer Fahrspur befunden hätten.

Wie auch schon die Beklagten zu Recht ausgeführt haben, weist auch das Schadensbild an beiden verunfallten Fahrzeugen darauf hin, dass sich die Kollision im Zusammenhang mit dem Spurwechsel zugetragen hat. Ausweislich der Verkehrsunfallanzeige lagen die Beschädigungen an dem Klägerfahrzeug im hinteren linken Heckbereich, während der von dem Beklagten zu 1) geführte Lkw Schäden im vorderen rechten Eckbereich der Fahrzeugfront Kollisionsspuren aufwies. Eine vollflächige Überdeckung von Heck und Front, die für einen Auffahrunfall sprechen würde (ebenso KG BerlinVRS 113, 418), hat hier mithin gerade nicht vorgelegen. Die Tatsache, dass anhand der Schadensbilder lediglich eine Teilüberdeckung der Stoßflächen belegt ist, ist zwar für sich betrachtet noch nicht geeignet, einen typischen Auffahrunfall auszuschließen, weil sich hintereinanderfahrende Pkw auf der überschießenden Breite eines Fahrstreifens unterschiedlich einrichten können. Eine versetzte Kollision kann aber durchaus als Indiz für einen Schrägaufprall gewertet werden (vgl. OLG Köln Schadens-​Praxis 2003, 336; KG MDR 2001, 808), der hier im Zusammenhang mit dem Spurwechsel steht. Die festgestellten Beschädigungen mit einer bloßen Teilüberdeckung der Anstoßstelle sprechen jedenfalls nicht für die Behauptung des Klägers, dass er sich mit dem Pkw BMW M 5 bereits vollständig auf die linke Fahrspur eingeordnet habe, als der von dem Beklagten zu 1) gelenkte Sattelauflieger aufgefahren sei.

Sein von Seiten der Beklagten qualifiziert bestrittener Vortrag, der Zeuge C. (gemeint wohl der Kläger) habe sich unter Beachtung seiner Sorgfaltspflichten wie rechtzeitiges Ankündigen des Spurwechsels durch Blinken sowie Beachtung der doppelten Rückschaupflicht unter Beachtung eines Sicherheitsabstandes auf die linke Fahrspur eingeordnet, ist dagegen formelhaft und unsubstantiiert.

Der Senat kann im Ergebnis dahin gestellt sein lassen, ob sich der Verkehrsunfall für den Beklagten zu 1) als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte.

Denn die allgemeine Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges und ein etwaiger Mitverursachungsbeitrag werden hier jedenfalls durch das weit überwiegende Verschulden des Klägers verdrängt.

Die Schadensabwägung nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG ist aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, wobei in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang ist, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden stellt ein weiterer, in die Abwägung einzustellender Faktor dar. Nach ständiger Rechtsprechung sind dabei nur solche Umstände zu berücksichtigen, die zugestanden, unstreitig oder nach § 286 ZPO bewiesen und darüber hinaus nachweislich schadensursächlich geworden sind (z. B. BGH NJW 2000, 3069; OLG Saarbrücken NZV 2009, 556; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 17 StVG Rdn. 4, 5 m. w. N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lassen sich zu Lasten der Beklagten keine betriebsgefahrerhöhende Mitverschuldensbeiträge in die nach § 17 Abs. 1 StVG gebotene Abwägung einstellen. Insbesondere streitet gegen sie nicht ihrerseits ein für das Verschulden des Auffahrenden sprechender Anscheinsbeweis, dass der Beklagte zu 1) den Unfall durch Unachtsamkeit, zu geringen Abstand oder überhöhte Geschwindigkeit verursacht habe. Denn die für einen Auffahrunfall entwickelten Rechtsgrundsätze können zu Lasten des Beklagten zu 1) keine Anwendung finden.

Im Fall eines Auffahrunfalls spricht der Beweis des ersten Anscheins zwar in der Regel dafür, dass der Auffahrende den Unfall sorgfaltswidrig verursacht habe (vgl. BGH NZV 2007, 354). Um eine typische Auffahrsituation mit der Folge eines Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden handelt es sich hier indessen nicht.

Bei der Heranziehung der Grundsätze des Anscheinsbeweises ist nach der Rechtsprechung (z. B. BGHZ 192, 84) im Allgemeinen Zurückhaltung geboten, weil er es erlaubt, bei typischen Geschehensabläufen aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze auf einen ursächlichen Zusammenhang oder ein schuldhaftes Verhalten zu schließen, ohne dass im konkreten Fall die Ursache bzw. das Verschulden tatsächlich festgestellt ist. Deswegen kann ein Anscheinsbeweis nur dann angenommen werden, wenn das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür ist, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Beweis des ersten Anscheins eingreift, schuldhaft gehandelt hat. Eine solche Typizität fehlt indessen, wenn - wie hier - feststeht, dass vor dem Auffahrunfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeuges statt gefunden hat und zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Führer des vorausfahrenden Fahrzeuges unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO den Fahrstreifenwechsel vollzogen hat (vgl. BGHZ 192, 84; KG Berlin NJW-​RR 2011, 28; OLG München Schadens-​Praxis 2013, 387; OLG Naumburg VRS 104, 4127). Davon ist aber auch im Streitfall auszugehen. Denn der Kläger behauptet selbst nicht, dass er nach Beendigung des Fahrstreifenwechsels schon einige Zeit auf der linken Fahrspur gefahren sei, bevor der Beklagte zu 1) auf den vorausfahrenden Pkw aufgefahren sei. Dass die beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge schon so lange auf einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangene Fahrtbewegung hätten einstellen können und der Beklagte zu 1) dadurch in der Lage war, einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu dem einscherenden Kläger aufzubauen, lässt sich der eigenen Unfallschilderung des Klägers vielmehr gerade nicht entnehmen. Aufgrund des beiderseitigen Vorbringens der Parteien ist zugrunde zu legen, dass der rechtliche Zusammenhang zwischen dem Spurwechsel und dem Auffahren im Streitfall noch nicht unterbrochen war, da sich der Unfall zumindest kurz nach dem Einscheren des Klägers auf die linke Fahrspur ereignete und sich der Kläger als Fahrstreifenwechsler erst kurz in der Fahrspur des auffahrenden Beklagten befunden hat. Steht aber fest, dass sich der Auffahrunfall in zeitlichem und räumlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel ereignet hat, liegt eine Verkehrssituation vor, die sich von derjenigen, die den Schluss auf das Verschulden des Auffahrenden zulässt, grundlegend unterscheidet (vgl. BGH VersR 2011, 234).

Darüber hinaus lag hier ausweislich der festgestellten Schadensbilder an den unfallbeteiligten Fahrzeugen ein Schräganstoß mit einer Teilüberdeckung der Anstoßstellen vor, bei dem der Lkw vorne rechts und der Pkw BMW M 5 an der hinteren linken Heckseite beschädigt wurden. Soweit der Kläger dagegen meint, dass die Beschädigungen an beiden Fahrzeugen belegen würden, dass ein schuldhaftes Anfahren des Beklagten zu 1) vorgelegen habe, ist dies nicht nachzuvollziehen. Allenfalls eine vollflächige Überdeckung der Anstoßstellen an Heck und Front würden eindeutig auf einen Auffahrunfall hinweisen können. Bei der hier vorliegenden Situation kann der Erfahrungssatz, dass der Auffahrende diesen Unfall infolge zu hoher Geschwindigkeit, Unaufmerksamkeit und / oder unzureichenden Sicherheitsabstand unter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO verschuldet habe, hingegen nicht mehr herangezogen werden (vgl. BGH VersR 2011, 234).

Auch im Übrigen ist ein Mitverursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) an dem Verkehrsunfallgeschehen weder schlüssig dargetan, noch nach den Umständen des Falles ersichtlich.

Eine Mithaftung käme etwa in Betracht, wenn der Beklagte zu 1) mit einem Einfädeln des Klägers unmittelbar vor ihm unter Verkürzung des Sicherheitsabstandes konkret hätte rechnen müssen, wenn er also die Gefahr einer Kollision aufgrund konkreter Anhaltspunkte rechtzeitig hätte erkennen und hierauf noch angemessen reagieren können, weil sich für ihn konkret abzeichnete, dass der Kläger ihm den Vortritt nicht gewähren werde. In einem solchen Fall könnte eine Sorgfaltspflichtverletzung des bevorrechtigten Beklagten zu 1) in Form des Verstoßes gegen das verkehrsrechtliche Rücksichtnahmegebot aus §§ 1 Abs. 2, 11 Abs. 3 StVO vorliegen. Dafür ist nach dem eigenen Vortrag des Klägers jedoch nichts ersichtlich. Insbesondere behauptet er selbst nicht, dass er am Ende des rechten Fahrstreifens bereits nach dem vor ihm fahrenden, nach links gewechselten Pkw ein anderes Fahrzeug auf der linken Fahrspur hat durchfahren lassen, also nach dem sog. Reißverschlussverfahren gemäß § 7 Abs. 4 StVO an sich an der Reihe war, sich noch vor dem Beklagtenfahrzeug nach links in die Fahrspur einzufädeln. Der Kläger legt nicht ansatzweise dar, wie die tatsächlichen Verhältnisse in Bezug auf den Ablauf des Reißverschlussverfahrens gewesen wären.

Wie bereits im einzelnen ausgeführt, streitet dagegen allerdings der Beweis des ersten Anscheins gegen ein Verschulden des Klägers, weil sich das Unfallgeschehen, selbst nach der für den Kläger günstigsten Betrachtung, in zeitlichem und engen räumlichen Zusammenhang mit dem Wechsel von der rechten Einfädelspur auf die linke Geradeausspur ereignete. Danach ist zulasten des Klägers davon auszugehen, dass er bei Vollzug des Spurwechsels zuvor gegen die gesteigerten Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO verstoßen und sich in einem so geringen Abstand vor den auf dem Geradeausfahrstreifen herannahenden Lkw gesetzt hat, so dass der Beklagte zu 1) den Sicherheitsabstand nicht mehr rechtzeitig vergrößern konnte und dieser beim plötzlichen Abbremsen des Klägers nicht mehr ausreichen konnte.

Die Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und Verschuldensanteile sowie der Betriebsgefahren der unfallbeteiligten Fahrzeuge führt hier zu einer alleinigen Haftung des Klägers. Denn bei einem Auffahrunfall mit einem Spurwechsler kommt es wegen der hohen Anforderungen des § 7 Abs. 5 StVO kraft Anscheinsbeweises grundsätzlich zu einer Vollhaftung des Spurwechslers, die Betriebsgefahr des auffahrenden Fahrzeuges tritt in diesem Fall vollständig zurück (vgl. OLG München Schadens-​Praxis 2013, 387; KG Berlin VRS 113, 418; KG NJW-​RR 2011, 28; KG VRS 115, 279; OLG Hamm DAR 2005, 285; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Rdn. 16 zu § 17 StVG). Eine Mithaftung des anderen Unfallbeteiligten käme nur dann in Betracht, wenn der Fahrstreifenwechsler Umstände nachweisen kann, die ein Mitverschulden des Auffahrenden belegen können. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat auch weder dargetan, noch ist hier nach Lage der Akten ersichtlich, dass sich der Beklagte zu 1) sein Vorfahrtsrecht auf der linken Fahrspur in irgendeiner Form erzwungen und dem Kläger ein Einordnen nach dem Reißverschlussprinzip unmöglich gemacht habe. Er trägt selbst gar nicht vor, dass er nach dem Reißverschlussverfahren an der Reihe gewesen wäre, nach links zu wechseln.

Der Verursachungsanteil des unter Verletzung der gesteigerten Sorgfaltspflicht aus § 7 Abs. 5 StVO auf die linke Fahrspur einscherenden Klägers überwiegt hier nach alledem derart, dass ein etwaiger Mitverursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) dadurch vollständig verdrängt wird. Allein die Betriebsgefahr des unfallbeteiligten Lkw rechtfertigt jedenfalls noch keine Mithaftung des Beklagten zu 1). Das Gefährdungsverbot bei Vornahme eines Fahrstreifenwechsels (§ 7 Abs. 5 StVO) stellt eine Kernregel dar, deren Beachtung für den Straßenverkehr von grundlegender Bedeutung ist und deren Missachtung die Betriebsgefahr des betreffenden Kraftfahrzeuges daher ganz entscheidend erhöht (vgl. OLG Hamm DAR 2005, 285). Es kommt hinzu, dass der Kläger durch seinen Fahrfehler die kritische Situation überhaupt erst geschaffen hat, während dem Beklagten zu 1) nur vorgeworfen werden könnte, diese von ihm vorgefundene Situation nicht angemessen bewältigt zu haben. Diese völlig unterschiedlich zu gewichtenden Kausalbeiträge rechtfertigen eine alleinige Verantwortlichkeit des Klägers.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 S. 1, 39 Abs. 1, 38 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.