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VGH München Beschluss vom 03.12.2015 - 11 ZB 15.2085 - Keine hinreichend stabile Verhaltensänderung zur Wiedererlangung der Fahreignung
VGH München v. 03.12.2015: Notwendigkeit einer hinreichend stabilen Verhaltensänderung zur Wiedererlangung der Fahreignung nach Konsum diverser Drogen
Der VGH München (Beschluss vom 03.12.2015 - 11 ZB 15.2085) hat entschieden:
Kommt ein Fahreignungsgutachten nachvollziehbar zu dem Schluss, dass der Fahrerlaubnisinhaber nach jahrelangem voraufgegangenem Konsum diverser Drogen keine hinreichend stabile Verhaltensänderung erworben habe und zu einer drogenfreien Lebensweise nicht genügend motiviert sei, ist unabhängig vom Erfordernis einer einjährigen Abstinenz davon auszugehen, dass die fehlende Fahreignung nicht wiedererlangt worden ist.
Siehe auch Wiedererteilung der Fahrerlaubnis - Wiedererlangung der Fahreignung und Stichwörter zum Thema Drogen
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Mit Strafbefehl vom 13. Januar 2012, geändert durch Beschluss vom 16. Februar 2012, sprach das Amtsgericht Schwabach den Kläger des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Methamphetamin „Crystal Speed“) in zwei Fällen schuldig. Auf Anforderung des Landratsamts Roth (im Folgenden: Landratsamt) legte der Kläger ein fachärztliches Fahreignungsgutachten des Instituts für Beratung - Begutachtung - Kraftfahrereignung GmbH (IBBK) vom 28. August 2012 vor. Dem Gutachten zufolge wurden bei einem Urin-Drogenscreening vom 16. August 2012 keine Drogen nachgewiesen. Der Kläger habe angegeben, mit 16 Jahren erstmals Cannabis probiert und von da an bis zum 19. Lebensjahr ca. zweimal pro Monat sowie nochmals im Jahr 2005 während eines Urlaubs konsumiert zu haben. Von 1992 bis 1994 habe er alle zwei Wochen am Wochenende Amphetamine/Speed und Kokain eingenommen. Crystal/Methamphetamin habe er einmal im Sommer 2011 probiert und lebe seitdem drogenfrei. Ein daraufhin von Landratsamt angefordertes und vom Kläger vorgelegtes medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten der IBBK vom 28. Mai 2014 kommt zu dem Ergebnis, es lägen zwar keine körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen vor, die mit der Einnahme von Betäubungsmitteln in Zusammenhang gebracht werden könnten. Es sei jedoch zu erwarten, dass der Kläger zukünftig Betäubungsmittel einnehme. Mit Bescheid vom 18. Juni 2014 entzog das Landratsamt dem Kläger daraufhin die Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, CE, L, M, S und T.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 8. Mai 2015, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 7. August 2015, abgewiesen. Das Landratsamt habe vom Kläger zur Klärung der Frage, ob er seine Fahreignung wiedererlangt habe, die Vorlage von Abstinenznachweisen und eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangen können. Das vorgelegte Gutachten komme schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass der Kläger hinsichtlich seines Drogenkonsums und der insoweit erforderlichen stabilen Verhaltensänderung noch kein ausreichendes Problembewusstsein entwickelt habe. Das Landratsamt habe ihm die Fahrerlaubnis daher zu Recht entzogen.
Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers, die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zuzulassen. Der Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGH 59, 47/52; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 54), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Unabhängig von der nicht entscheidungserheblichen Frage, ob der Kläger den für die Wiedererlangung der Fahreignung allein nicht ausreichenden Nachweis für eine einjährige Abstinenz erbracht hat, gehen sowohl die Gutachten der IBBK als auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach übereinstimmend davon aus, dass der Kläger letztmals im Sommer 2011 nachgewiesenermaßen Drogen (Methamphetamin) konsumiert hat. Lediglich aufgrund der seither verstrichenen Zeit hat das Landratsamt von einer ansonsten ohne Einholung eines Gutachtens erforderlichen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 46 Abs. 1, § 11 Abs. 7 und Anlage 4 Nr. 9.1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr [Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV] vom 13.12.2010 [BGBl I S. 1980], im Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 16.4.2014 [BGBl I S. 348]) abgesehen und den Kläger gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens aufgefordert. § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV sieht die Beibringungsanordnung zwingend vor. Die Fahrerlaubnisbehörde hat insoweit ebenso wie bei der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen erwiesener Ungeeignetheit gemäß § 46 Abs. 1 FeV kein Ermessen.
Das vom Kläger vorgelegte Gutachten der IBBK vom 28. Mai 2014 kommt auch nach Auffassung des Senats schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass der Kläger zu einer drogenfreien Lebensweise nicht motiviert sei und deshalb eine erhöhte Wiederauffallenswahrscheinlichkeit weiterhin bestehe. Für eine Voreingenommenheit des Gutachters gegenüber dem Kläger sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Kläger hat beim Explorationsgespräch angegeben, seit seinem 16. Lebensjahr immer wieder verschiedene Betäubungsmittel konsumiert zu haben. Hierzu gehören neben Cannabis mit Amphetamin, Methamphetamin und Kokain auch solche Betäubungsmittel, deren Konsum nach § 11 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Anlage 4 Nr. 9.1 unmittelbar zum Verlust der Fahreignung führt. Die Wiedererlangung der Fahreignung setzt neben einer nachgewiesenen einjährigen Abstinenz (Anlage 4 Nr. 9.5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung) eine hinreichend stabile Verhaltensänderung voraus, die auf einem grundlegenden Einstellungswandel beruht (st. Rspr., vgl. nur BayVGH, B.v. 4.1.2010 – 11 CS 09.2608 – juris Rn. 21, B.v. 3.11.2006 – 11 CS 06.1196 – juris Rn. 15; OVG NW, B.v. 2.4.2012 – 16 B 356/12 – juris Rn. 8; B.v. 28.1.2004 – 19 B 29/04 – juris Rn. 17-19). Der Kläger hat jedoch gegenüber dem Gutachter am 6. Mai 2014 angegeben, er habe illegale Drogen genommen, „weil er es mal ausprobieren habe wollen“. „Alles Verbotene sei interessant gewesen“. Nach seiner ersten MPU im Jahr 1994 oder 1995 habe er sich im Hinblick auf Drogenkonsum vorgenommen, seinen Führerschein nicht mehr zu verlieren. Gleichwohl habe er 2005 im Urlaub Cannabis geraucht und im Sommer 2011 auch Crystal/Methamphetamin konsumiert, „weil er alles mal probieren habe wollen“. Er könne erneuten Drogenkonsum zukünftig zwar vermeiden, indem er „Nein sage“, könne sich aber Cannabiskonsum im Urlaub durchaus vorstellen.
Dass der Gutachter aufgrund dieser Äußerungen eine hinreichend gefestigte Verhaltensänderung zum Drogenkonsum verneint, ist nachvollziehbar. Dem Kläger scheint es zwar zu gelingen, längere Zeit abstinent zu bleiben. Gleichwohl schließt er jedoch Cannabiskonsum im Urlaub für die Zukunft nicht aus und scheint ohnehin dazu zu neigen, auch andere Betäubungsmittel bei entsprechender Gelegenheit ausprobieren zu wollen. Entgegen der Antragsbegründung ergibt sich jedenfalls aus den Äußerungen des Klägers nicht, dass er seine Lebensweise ab Mitte 2011 „extrem geändert“ und ein ausreichendes Problembewusstsein bezüglich seines Drogenkonsums entwickelt hat. Daher bestand für das Verwaltungsgericht auch keine Veranlassung, die Frage der Fahreignung des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung im Wege der Beweisaufnahme durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens (§ 86 Abs. 1, § 98 VwGO i.V.m. §§ 402 ff. ZPO) zu klären.
b) Rechtswidrig ist der Entziehungsbescheid des Landratsamts auch nicht deshalb, weil in den Gründen unter II.3. an einer Stelle statt des Namens des Klägers der Name einer anderen Person genannt ist. Zum einen handelt es sich dabei um eine offenbare Unrichtigkeit (Art. 42 Satz 1 BayVwVfG), die sich auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids nicht auswirkt. Vielmehr gilt der Verwaltungsakt in solchen Fällen mit dem Inhalt, den er bei gedanklicher Korrektur der offensichtlichen Unrichtigkeit hat (BayVGH, B.v. 29.3.2012 – 22 ZB 12.452 – juris Rn. 12). Zum anderen betreffen die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid die Begründung für den angeordneten Sofortvollzug und nicht die Begründung für die Entziehung der Fahrerlaubnis als solche.
2. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nrn. 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14). Die dem Kläger entzogene Fahrerlaubnis der Klasse CE war von der früheren Fahrerlaubnis der Klasse 3 umfasst und auf Zugfahrzeuge der Klasse C1 beschränkt (§ 6 Abs. 6 FeV i.V.m. Anlage 3 Abschnitt A I. Nr. 18 und Anlage 9 Abschnitt B I. Nr. 48). Sie wirkt sich nach der Rechtsprechung des Senats nicht streitwerterhöhend aus (BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 11 CS 13.2342 – BayVBl 2014, 373 Rn. 23 f., B.v. 15.12.2014 – 11 CS 14.2202 – juris Rn. 7). Für die Klassen B, BE und C1, C1E sind nach dem Streitwertkatalog (Nrn. 46.3 und 46.5) jeweils 5000,- Euro vorgesehen. Der Senat macht daher von seiner Befugnis gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG Gebrauch, die Wertfestsetzung des Ausgangsgerichts zu Gunsten des Klägers von Amts wegen zu ändern.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).