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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss vom 28.01.2016 - 3 L 4/16.NW - Kein zwingendes Facharztgutachten bei Schwerhörigkeit
VG Neustadt v. 28.01.2016: Kein zwingendes Facharztgutachten bei Schwerhörigkeit
Das Verwaltungsgericht Neustadt (Beschluss vom 28.01.2016 - 3 L 4/16.NW) hat entschieden:
Allein das Tragen eines Hörgerätes durch einen Fahrerlaubnisinhaber berechtigt die Fahrerlaubnisbehörde nicht zur Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens. Auch bei einer hochgradigen Schwerhörigkeit (Hörverlust von 60 % und mehr) ein- oder beidseitig sowie bei Gehörlosigkeit ein- oder beidseitig besteht eine Fahreignung für Fahrerlaubnisinhaber sowohl der Gruppe 1 als auch der Gruppe 2, wenn nicht gleichzeitig andere schwerwiegende Mängel (z. B. Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen) vorliegen.
Siehe auch Krankheiten und Fahrerlaubnis und Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis Klasse 3.
Der im Jahre 1930 geborene Antragsteller erschien am 14. Juli 2015 bei der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin und beantragte die Umstellung seiner im Jahre 1962 erworbenen Fahrerlaubnis Klasse 3 in die neuen Führerscheinklassen AM+A2+A+BE+C1E+L. Anlass dieser Vorsprache war, dass das alte Führerscheindokument aus dem Jahre 1962 nicht die aktuelle Wohnadresse des Antragstellers wiedergab und außerdem aufgrund des Alters der Urkunde unansehnlich war. Anlässlich dieser Vorsprache stellte eine Mitarbeiterin der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller ein Hörgerät trug. Sie fragte den Antragsteller, ob er mit dem Hörgerät gut zurechtkomme, was der Antragsteller bejahte.
Die Mitarbeiterin der Fahrerlaubnisbehörde forderte den Antragsteller formlos zur Vorlage eines ärztlichen Attestes darüber auf, dass der Antragsteller aufgrund des Hörgerätes ausreichend hört. Daraufhin legte der Antragsteller am 14. September 2015 der Antragsgegnerin ein ärztliches Attest des ihn regelmäßig behandelnden HNO-Arztes vom 11. September 2015 vor, wonach beim Antragsteller eine Innenohrschwerhörigkeit vorliege. Es bestehe eine hochgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit links sowie eine mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts. Er trage ein Hörgerät. Nach Abschluss der hörprothetischen Versorgung würden beim Antragsteller eine normale Diskrimination und ein altersnormales Hörvermögen erreicht. Beeinträchtigungen im Straßenverkehr seien nicht zu erwarten.
Mit Schreiben vom 14. September 2015 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, das von ihm vorgelegte ärztliche Attest sei nicht ausreichend. Das Attest müsse den Hörverlust in Prozent nach der Tabelle von Röser enthalten. Nur dann könne das Attest als Nachweis für die Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen verwertet werden. Ansonsten müsse die Beibringung eines Gutachtens eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation angeordnet werden.
Der Antragsteller legte daraufhin der Antragsgegnerin am 17. September 2015 ein weiteres ärztliches Attest des ihn behandelnden HNO-Arztes vor, worin neben den bereits im Attest vom 11. September 2015 bescheinigten Diagnosen auch der prozentuale Hörverlust anhand der Tabelle nach Bönninghaus und Röser angegeben wurde. Danach betrage dieser rechts 56 und links 100. Mit Hörgeräten werde bei 65 dB eine 80-prozentige Diskrimination von Sprache erzielt. Nach Abschluss der hörprothetischen Versorgung würden eine normale Diskrimination und ein altersnormales Hörvermögen erreicht. Beeinträchtigungen im Straßenverkehr seien nicht zu erwarten.
Die Antragsgegnerin ordnete mit Datum vom 9. Oktober 2015 gegenüber dem Antragsteller aufgrund dieser Tatsachen die Beibringung eines Gutachtens eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung an und führte aus, Einschränkungen des Hörvermögens könnten zur Einschränkung der Fahreignung führen. Die vom Gutachter zu klärende Frage, der Hinweis auf § 11 Abs. 6 und Abs. 8 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – waren in der Gutachtensanordnung enthalten. Der Antragsteller wurde gebeten, bis zum 27. Oktober 2015 eine Untersuchungsstelle zu benennen und das Gutachten bis zum 15. Dezember 2015 vorzulegen.
Der Antragsteller benannte daraufhin am 15. Oktober 2015 gegenüber der Antragsgegnerin die von ihm ausgewählte Untersuchungsstelle, an die die Antragsgegnerin die Fahrerlaubnisakte des Antragstellers übersandte. Am 20. November 2015 sandte die Untersuchungsstelle die Fahrerlaubnisakte an die Antragsgegnerin zurück.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2015 bat die Antragsgegnerin den Antragsteller um Gutachtensvorlage bis zum 18. Dezember 2015, ansonsten gemäß § 11 Abs. 8 FeV i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnis entzogen und der Sofortvollzug angeordnet werde.
Mit dem Antragsteller am 29. Dezember 2015 zugestellten Bescheid vom 21. Dezember 2015 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis Klasse 3 (Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 21. Dezember 2015). Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller trage ein Hörgerät. Ausweislich des von ihm vorgelegten ohrenärztlichen Attestes vom 11. September 2015 liege ein Hörverlust von 56 % des rechten und 100 % des linken Hörvermögens vor. Deshalb bestünden an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen Bedenken, weshalb gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV und Nr. 2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV die Beibringung eines Gutachtens eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung angeordnet worden sei. Die vom Antragsteller benannte Begutachtungsstelle habe die Fahrerlaubnisakte ohne Gutachten zurückgesandt. Trotz Aufforderung an den Antragsteller, das Gutachten vorzulegen, sei dies nicht erfolgt, weshalb von der Weigerung des Antragstellers zur Vorlage des Gutachtens ausgegangen werde. Es sei daher von der Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, weshalb ihm die Fahrerlaubnis entzogen werde. Der Sofortvollzug sei im öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs anzuordnen, weil durch die Weigerung des Antragstellers, die Kraftfahreignung durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen bzw. durch die nicht fristgerechte Vorlage des Gutachtens seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen feststehe.
Der Antragsteller gab am 4. Januar 2016 entsprechend der in Ziffer 3 des Bescheides vom 21. Dezember 2015 seinen Führerschein ab und erhob durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 30. Dezember 2015 am 5. Januar 2016 Widerspruch.
Zugleich hat er am 5. Januar 2016 einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – gestellt. Zur Begründung trägt er vor, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs sei wiederherzustellen, weil die Fahrerlaubnisentziehung wegen Nichtbeibringung des angeordneten Gutachtens rechtswidrig sei. So sei die Gutachtensanordnung rechtswidrig gewesen. Allein aufgrund der Tatsache des Tragens eines Hörgerätes habe die Gutachtensanordnung nicht erfolgen dürfen. So sei nach Nr. 2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV auch bei hochgradiger Schwerhörigkeit von der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, wenn nicht gleichzeitig andere schwerwiegende Mängel (z. B. Sehstörungen etc.) vorlägen. Ausweislich des Attestes seines behandelnden HNO-Arztes seien aufgrund der bei ihm bestehenden Schwerhörigkeit keine Beeinträchtigungen im Straßenverkehr zu erwarten.
Der Antragsteller beantragt,
- die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2015, zugegangen am 28. Dezember 2015, Az. 2-153, in Ziff. 1 und 2 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 30. Dezember 2015 wiederherzustellen,
- der Antragsgegnerin aufzugeben, seinen am 4. Januar 2016 abgegebenen Führerschein unverzüglich wieder an ihn herauszugeben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie führt im Wesentlichen aus, der Eilantrag des Antragstellers habe keinen Erfolg. Die Fahrerlaubnisentziehung sei rechtmäßig. Die Verwaltungsbehörde sei verpflichtet, Betroffene hinsichtlich ihrer Fahreignung überprüfen zu lassen, wenn Einschränkungen oder Erkrankungen bekannt seien, die sich auf die Fahreignung auswirken könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakten gereichten Schriftsätze sowie die vorliegenden Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Der Antrag des Antragstellers, der gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO sachdienlich als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 30. Dezember 2015 gegen die für sofort vollziehbar erklärte Fahrerlaubnisentziehungsverfügung der Antragsgegnern in Ziffer 1 des Bescheides vom 21. Dezember 2015 auszulegen ist, ist zulässig und begründet.
Bei der vom Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt hier das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse daran, ihn mit sofortiger Wirkung von der weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Denn die angefochtene Verfügung erweist sich bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV, wonach die Behörde die Fahrerlaubnis zu entziehen hat, wenn sich ihr Inhaber als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Insbesondere darf aus der Nichtvorlage des mit Anordnungsschreiben der Antragsgegnerin vom 9. Oktober 2015 – die von der Antragsgegnerin zuvor jeweils mit Datum vom 17. September 2015 und 30. September 2015 versandten Anordnungsschreiben waren wegen falscher Adressierung (Adresse des Antragstellers war dort mit Eichenstraße 4 statt Eichenstraße 14 angegeben) jeweils an die Antragsgegnerin als unzustellbar zurückgegangen – geforderten Gutachtens eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung nicht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden. Diese Schlussfolgerung ist nämlich nur dann zulässig, wenn die Gutachtensanordnung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 2008 – 3 B 99/07 –, NJW 2008, 3014). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Gutachtensanordnung vom 9. Oktober 2015 ist materiell rechtswidrig, weil keine Tatsachen vorliegen, die klärungsbedürftige Zweifel an der Kraftfahreignung des Antragstellers aufwerfen. Sie ist nicht von § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 und Nr. 2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV gedeckt.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die an einen Fahrerlaubnisbewerber bzw. -inhaber zu stellenden notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zu §§ 11, 13 und 14 FeV vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Klärung der Eignung eines Betroffenen zum Führen eines Kraftfahrzeuges ein Gutachten, z.B. eines Arztes in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV) anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung begründen.
Eine Begutachtungsanordnung nach § 11 Abs. 2 FeV dient der Klärung von Eignungszweifeln, so dass für die auf § 11 Abs. 2 FeV gestützte Anordnung, ein ärztliches Gutachten vorzulegen, erforderlich aber auch ausreichend ist, dass aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des Betroffenen bestehen. Die tatsächlichen Feststellungen müssen den Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen. "Bedenken" in diesem Sinne verlangen tatsächliche Hinweise auf Umstände, die für die Verkehrssicherheit in so hohem Maße bedeutsam sind, dass die bisher für die Eignungsbeurteilung zugrunde liegenden Tatsachen fachlich überprüft werden müssen (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 11. April 2005 – 12 ME 540/04 –, ZfS 05, S. 575; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Oktober 2004 – 10 S 475/04 –, VRS 108, S. 127 ff.). Andererseits reicht ein bloß entfernter Verdacht eines körperlichen oder geistigen Mangels für die Tatbestandsmäßigkeit des § 11 Abs. 2 FeV nicht aus (keine Anordnung einer Untersuchungsmaßnahme "ins Blaue hinein", vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 – 3 C 13/01 –, NJW 2002, 78 f. und juris).
Hiervon ausgehend erweist sich die Gutachtensanforderung vom 9. Oktober 2015 gegenüber dem Antragsteller als materiell rechtswidrig. Es bestanden zum damaligen Zeitpunkt – wie im Übrigen auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – keine tatsächlichen hinreichenden Anhaltspunkte, die bei vernünftiger Einschätzung hier die ernsthafte Besorgnis begründeten, dass beim Antragsteller ein körperlicher Mangel i. S. der Nr. 2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV vorliegt, der Bedenken an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen vermochte.
Die von der Antragsgegnerin in der Gutachtensanordnung vom 9. Oktober 2015 angeführten Tatsachen, nämlich eine ohrenärztlich attestierte Schwerhörigkeit mit einem Verlust von 56 % des rechten und 100 % des linken Hörvermögens, weswegen der Antragsteller ein Hörgerät trägt, vermögen die auf § 11 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV gestützte Gutachtensanforderung nicht zu rechtfertigen. So besteht nach Nr. 2 der Anlage 4 zu §§ 1, 13 und 14 FeV bei einer hochgradigen Schwerhörigkeit (Hörverlust von 60 % und mehr) ein- oder beidseitig sowie bei Gehörlosigkeit ein- oder beidseitig eine Fahreignung für Fahrerlaubnisinhaber sowohl der Gruppe 1 als auch der Gruppe 2, wenn nicht gleichzeitig andere schwerwiegende Mängel (z. B. Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen) vorliegen. Damit gelten selbst eine hochgradige Schwerhörigkeit oder gar Gehörlosigkeit nicht als Mangel, der generell und allein für das Führen von Fahrzeugen ungeeignet macht (s. a. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, gültig ab 1. Mai 2014, Seite 13 ff., dort Ziffer 3.2). Die Orientierung im motorisierten Straßenverkehr erfolgt überwiegend über das optische System, da verkehrsrelevante Informationen maßgeblich über visuelle Signale vermittelt werden. (s. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, a. a. O.). Da durch eine vorhandene Hörminderung eine Steigerung anderer sensorischer Leistungen erreicht werden kann, sind hörgeminderte oder gehörlose Fahrer in der Lage, durch besondere Umsicht, Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit sicher am Straßenverkehr teilzunehmen (s. Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, a. a. O.).
Nach dem vom Antragsteller der Antragsgegnerin am 17. September 2015 auf deren Aufforderung vom 14. September 2015 vorgelegten ärztlichen Attest des HNO-Arztes Dr. …, bei dem sich der Antragsteller in regelmäßiger ambulanter Behandlung befindet, wird durch die hörprothetische Versorgung bei dem bei dem Antragsteller vorliegenden prozentualen Hörverlust nach Bönninghaus und Röser (rechts 56, links 100) eine normale Diskrimination und ein altersnormales Hörvermögen erreicht.
Dass bei dem Antragsteller neben der bei ihm fachärztlich attestierten Beeinträchtigung der Hörleistung, wegen der er ein Hörgerät trägt, gleichzeitig andere schwerwiegende gesundheitliche Mängel vorliegen, ist nicht ersichtlich und auch von der Antragsgegnerin nicht ansatzweise behauptet. Auch das Auftreten des Antragstellers in den Räumen der Antragsgegnerin anlässlich seines Antrags auf Umstellung seiner alten Fahrerlaubnis Klasse 3 (graue Führerschein-Urkunde) in eine Fahrerlaubnis der aktuellen Klassen AM+A2+A+BE+C1E+L am 14. Juli 2015 sowie auch seine weiteren Vorsprachen bei der Antragsgegnerin im September 2015 war nach Aktenlage völlig unauffällig. Anzeichen für das gleichzeitige Vorliegen weiterer gesundheitlicher Mängel neben der Beeinträchtigung der Hörleistung des Antragstellers sind dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakte nicht zu entnehmen und auch von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden. Es liegt daher nahe, dass die Antragsgegnerin allein auf Grund des Alters des Antragstellers eine weitere Untersuchung angeordnet hat.
Im Übrigen geht auch die Antragsgegnerin davon aus, dass lediglich das Vorliegen einer hochgradigen Schwerhörigkeit für sich allein nicht bereits die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 in Frage stellt. Dementsprechend hatte sie in ihrem Schreiben an den Antragsteller vom 14. September 2015 ausgeführt, dass sie das erbetene ärztliche Attest, das den Hörverlust in Prozent nach der Tabelle von Röser enthalten müsse, für diesen Fall als Nachweis für seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen werten könne. Auch in der Stellungnahme des Bereichs Straßenverkehr, Zulassung von Personen vom 7. Januar 2016 an die Vorsitzende des Stadtrechtsausschusses (s. Bl. 60 und 61 der Verwaltungsakte) teilt die Antragsgegnerin mit, dass gemäß Nr. 2 der Anlage 4 zur FeV bei Vorliegen einer hochgradigen Schwerhörigkeit derjenige zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 geeignet sei, bei dem nicht gleichzeitig andere schwerwiegende Mängel vorlägen.
Da nach alledem die Gutachtensanordnung vom 9. Oktober 2015 rechtswidrig war, durfte die Antragsgegnerin aus der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens nicht gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und deshalb auch nicht dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entziehen.
Der Ausspruch über die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Herausgabe des (sich in der vorliegenden Verwaltungsakte befindlichen) Führerscheins des Antragstellers beruht auf § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 GKG i. V m. Nr. 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 18. Juli 2013 (NVwZ 2013, Beilage S. 58).