Das Verkehrslexikon
Landgericht Duisburg Beschluss vom 21.08.2015 - 7 S 11/15 - Darlegungs- und Beweislast für den Wiederbeschaffungswert
LG Duisburg v. 21.08.2015: Zur Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des Wiederbeschaffungswerts
Das Landgericht Duisburg (Beschluss vom 21.08.2015 - 7 S 11/15) hat entschieden:
Erfolgt im Rahmen der Schadensabwicklung aus einem Verkehrsunfall die Abrechnung auf der Basis der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert, obliegt es dem Geschädigtem, den Wiederbeschaffungswert des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs schlüssig darzulegen und zu beweisen.
Siehe auch Totalschaden - Wiederbeschaffungswert und Der Restwert des unfallbeschädigten Fahrzeugs bei Totalschaden
Gründe:
Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung der Kammer aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung der Kammer auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Die Ausführungen in der Berufungsbegründung führen nicht zu einer anderen Beurteilung.
Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat den Schaden der ihm bei dem Unfall vom 09.04.2012 um 19:50 Uhr in Duisburg auf der Mercatorstraße entstanden ist, nicht hinreichend dargelegt. Die Berufung gibt allerdings Anlass zu folgenden Ergänzungen:
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Berufung nicht deswegen begründet, weil das erstinstanzliche Urteil überraschend ergangen sei. Denn der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör wurde nach seinem eigenen Vorbringen dadurch gewahrt, dass ein entsprechender Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2014 gegeben wurde, und er daher im Rahmen der Verhandlung Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen.
Die Klage ist mangels Darlegung des dem Kläger entstandenen Schadens nicht begründet. Erfolgt - wie im vorliegenden Fall - im Rahmen der Schadensabwicklung aus einem Verkehrsunfall die Abrechnung auf der Basis der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert, obliegt es dem Kläger als Geschädigtem, den Wiederbeschaffungswert des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs schlüssig darzulegen und zu beweisen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.08.2001; Az. 10 U 242/00; LG Essen, Urt. v. 17.12.2012, Az. 2 O 126/12; Urt. v. 047.02.2014; Az. 11 O 202/13 - sämtlich zitiert nach juris). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.
Zunächst stellt das vom Kläger vorgelegte Gutachten des Sachverständigen K, TÜV Rheinland, vom 16.04.2012 (Bl. 11 d. A.) schon deswegen keine schlüssige Darlegung des Wiederbeschaffungswerts dar, weil es - unstreitig - zwar nicht reparierte Vorschäden an den Stoßfängern vorne und hinten sowie am Kotflügel vorne rechts aufführt, den zwischenzeitlich unstreitigen Vorschaden an der linken Fahrzeugseite, von dem nach dem Bekundungen des Zeugen S zumindest ein "kleiner Knick” zu sehen war, indes nicht berücksichtigt. Schon der - wenn auch geringfügige - Mangel nach der durchgeführten Reparatur an der linken Fahrzeugseite lässt zweifeln, ob diese Reparatur ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Jedenfalls diente dieser Umstand dem Kläger nach der Aussage des Zeugen S. neben dem Schaden an Turbolader und Getriebe als Argument, den Kaufpreis zu drücken und war daher auch nach seiner Auffassung bei der Wertermittlung des Fahrzeugs zu berücksichtigen.
Darüber hinaus bestehen durchgreifende Zweifel an dem im Privatgutachten K. benannten Wiederbeschaffungswert von 6.900,00 EUR deswegen, weil das Fahrzeug vom Zeugen S ursprünglich für 4.750,00 EUR angeboten, vom Kläger letztlich jedoch zum Preis von nur 2.950,00 EUR erworben worden ist. Die bestehende Differenz zum durch Gutachten ermittelten Wiederbeschaffungswert lässt sich nicht allein mit der nach dem Vorbringen des Klägers von ihm selbst durchgeführten Reparatur an Kupplung und Getriebe erklären, zumal weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass der Kläger in der Lage ist, eine derartige Reparatur unter Einhaltung der Qualitätsstandards einer Fachwerkstatt durchzuführen.
Darüber hinaus sieht sich die Kammer an die Feststellung des Amtsgerichts, eine sach- und fachgerecht durchgeführte Reparatur sei nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellbar, gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Insbesondere gebieten keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen. Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Aussage des Zeugen E insoweit letztlich unergiebig geblieben ist. Der Zeuge konnte lediglich die Angaben des Klägers während der durchgeführten Arbeiten wiedergeben, ohne aus eigener Anschauung und Kenntnis schildern zu können, welche Arbeiten konkret durchgeführt worden sind. Auch konnte der Zeuge mangels eigener Fachkenntnis keinerlei Angaben dazu machen, ob eine ordnungsgemäße Reparatur erfolgt ist. Insoweit konnte der Zeuge trotz der nach seiner Bekundung durchgeführten Probefahrt keine Angaben dazu machen, ob die Reparatur erfolgreich war. Auch verbietet sich aus der vom Zeugen geschilderten Probefahrt der Rückschluss auf den Erfolg der Reparatur. Denn der Zeuge hat bekundet, dass er schon den vom Kläger beanstandeten Fehler des Fahrzeugs, namentlich die unzureichende Leistung, nicht selbst festgestellt, sondern vom Kläger mitgeteilt bekommen habe. Auch die Aussage des Zeugen D bestätigte die Behauptung des Klägers, es sei eine ordnungsgemäße Reparatur erfolgt, nicht. Denn der Zeuge konnte lediglich bekunden, dem Kläger zur Durchführung von Reparaturarbeiten seine Garage zur Verfügung gestellt zu haben. Der vom Kläger angeregten und bereits in erster Instanz angebotenen Vernehmung des Zeugen B bedurfte es insoweit nicht mehr, weil der Zeuge zu Art und Umfang der Reparatur keine Angaben machen kann, es aber für die Wertermittlung nicht lediglich darauf ankommt, ob Getriebe und Turbolader "funktionstüchtig” waren, sondern vielmehr darauf, ob vor dem Unfall eine ordnungsgemäße, den Regeln des Kfz-Handwerks entsprechende Reparatur erfolgt war.
Vor dem Hintergrund dieser offenen Fragen zum Fahrzeugzustand, der vom Kläger im Verlauf des vorliegenden Verfahrens auch nur sukzessive und auf jeweiligen Vorhalt der Beklagten zugestanden wurde, sieht sich die Kammer nicht in der Lage, einen wie auch immer gearteten Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs, und sei es unter Einholung des vom Kläger angebotenen Sachverständigengutachtens, auch nur annähernd zu beziffern. Dies selbst dann, wenn man die streitigen Vorschäden des Fahrzeugs als vorhanden bei der Wertermittlung berücksichtigen wollte. Für eine Beurteilung des Fahrzeugwerts zum Unfallzeitpunkt fehlt es an einer hinreichenden Tatsachengrundlage.
Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich über diese vom Amtsgericht in seinem Urteil bereits zugrunde gelegten Zweifel an dem vom Kläger bezifferten Wiederbeschaffungswert hinaus, auch aus der vom Kläger vorgelegten Verkaufsanzeige in der Internetplattform mobile.de Zweifel an der Richtigkeit des Wiederbeschaffungswerts ergeben. Denn dort hat der Zeuge S als Verkäufer angegeben, dass der Airbag des Fahrzeugs im Fahrersitz fehle und daher aktuell keine TÜV Zulassung möglich sei (Bl. 113 d. A.). Dieser - weitere - Fahrzeugschaden war bislang nicht Gegenstand des Verfahrens. Eines gesonderten Hinweises bedurfte es insoweit jedoch nicht mehr, da bereits die zuvor geschilderten Gesichtspunkte die Abweisung der Klage stützen.
Die Kammer weist vorsorglich darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung gegenüber der Zurückweisung durch Beschluss kostenrechtlich privilegiert ist.