Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Gelnhausen Urteil vom 06.07.2012 - 44 OWi - 2575 Js 6195/12 - Anwendung des Lasermessgeräts Leivtec XV3

AG Gelnhausen v. 06.07.2012: Ausschluss von Fehlmessungen bei Anwendung des Lasermessgeräts Leivtec XV3


Das Amtsgericht Gelnhausen (Urteil vom 06.07.2012 - 44 OWi - 2575 Js 6195/12) hat entschieden:
Sind im Beweisbild zum Messende zwei Fahrzeuge im Messrahmen, im Beweisbild zum Beginn der Messung aber ausschließlich das Fahrzeug des Betroffenen zu sehen, kann sich die Messung lediglich auf das Fahrzeug des Betroffenen beziehen.

Selbst wenn das Messgerät bei Messende ein Fahrzeug, welches unmittelbar hinter dem Betroffenen fuhr, aufgenommen hätte, kann die gemessene Geschwindigkeit des Betroffenen hierdurch nicht größer als die tatsächliche sein.


Siehe auch Das Messgerät Leivtec und Geschwindigkeitsverstöße - Nachweis - standardisierte Messverfahren


Gründe:

I.

Die 50 Jahre alte Angeklagte ist deutsche Staatsangehörige und verheiratet. Das Verkehrszentralregister enthält über die Betroffene keine Eintragungen.

II.

Die Breslauer Straße/L3216 führt aus Richtung Wächtersbach-​Aufenau kommend nach Bad Soden-​Salmünster. Dort führt sie zunächst in den Stadtteil Salmünster. Aus Richtung Wächtersbach-​Aufenau kommend wird schon weit vor der Ortstafel Bad Soden-​Salmünster (Zeichen 310 StVO) die Geschwindigkeit durch Zeichen 274 StVO auf zunächst 70 km/h beschränkt. Einige 100m weiter wird sodann erneut durch Zeichen 274 StVO die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf nur 50 km/h beschränkt. Grund für die Geschwindigkeitsbeschränkung ist unter anderem die Tatsache, dass noch vor der Ortstafel Bad Soden-​Salmünster eine Straße auf die Breslauer Straße mündet. Aus dieser Straße fahren unter anderem Fahrzeuge des städtischen Bauhofs, es ereigneten sich dort schon mehrmals Unfälle.

Am 15.11.2011 nahm der Zeuge ... gemeinsam mit dem Zeugen ... in der Zeit von 11:55 Uhr bis 13:40 Uhr noch vor der Ortstafel im Bereich der oben erwähnten einmündenden Straße Geschwindigkeitsmessungen vor. Die Messstelle befand sich ca. 200m hinter dem Zeichen 274 StVO, welches die Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h beschränkte. Die oben aufgeführte Beschilderung war am Messtag vor Beginn der Messung von den Messbeamten geprüft worden und gut sichtbar vorhanden.

Vor der Messung prüfte der Zeuge ... gemeinsam mit dem weiteren Messbeamten ... die Eich- und Sicherungsmarken (Plomben), es wurden keine Schädigungen festgestellt. Weiterhin hielt der Zeuge gemeinsam mit dem Messbeamten ... auch die Vorgaben der Gebrauchsanleitung ein. Anhaltspunkte für eine Fehlmessung zeigten sich nicht.

Zur Anwendung kam das Lasergeschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV3, für welches der Zeuge ... sowie der weitere Messbeamte ... in der Zeit vom 23.03. bis 24.03.2011 von der Polizeiakademie Hessen gesondert geschult wurden.

Das Messgerät funktioniert dergestalt, dass der Sensor infrarote Lichtimpulse aussendet, die am gemessenen Fahrzeug reflektiert werden und nach einer vom der Entfernung abhängigen Zeit wieder am Sensor eintreffen. Die Laufzeit der Lichtimpulse wird gemessen. Mit Hilfe der bekannten Lichtgeschwindigkeit wird daraus die Entfernung berechnet. Eine Folge von Entfernungen wird in kurzen, gleichmäßigen Zeitabständen gemessen. Aus der Distanzverringerung während der Messzeit ergibt sich die Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeugs.

Die Kamera der Messeinheiten nimmt ständig Bilder auf. Beim Beginn einer Messung wird das darauf folgende Bild als Mess- und Startbild zwischengespeichert. Wenn das gemessene Fahrzeug ab dem Beginn der Messung eine Fahrstrecke von etwa 6m zurückgelegt hat, spätestens aber nach etwa 1,3 Sekunden, wird das Laufbild der Kamera angehalten und eingefroren um dann zeitwegs synchron bei Beendigung der Messung im Falle einer Überschneidung das Mess- und Endbild aufzunehmen. Beide Bilder mit Messtafel werden als Falldaten gespeichert. Auf den Beweisbildern ist der korrekte Ablauf der Messung nachvollziehbar.

In dem Messzeitraum am Tattag fuhren insgesamt ca. 400 bis 500 Fahrzeuge an der Messstelle vorbei. Davon waren 105 Fahrzeuge als zu schnell gemessen.

Die Betroffene passierte am Tattag gegen 12:07 Uhr die oben genannte Beschilderung und sodann die Messstelle in Fahrtrichtung Bad Soden-​Salmünster. Sie fuhr mit dem PKW ..., amtliches Kennzeichen ..., ihre Geschwindigkeit wurde dabei von dem Messgerät mit 78 km/h gemessen. Abzüglich Toleranz betrug die festgestellte Geschwindigkeit mithin 75 km/h.

Bei Beachtung der erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt als Kraftfahrzeugführerin hätte die Betroffene die Beschilderung wahrnehmen und auch ihre Geschwindigkeit dementsprechend ausrichten können.

III.

Die Betroffene ließ über ihren Verteidiger einräumen, dass sie das Fahrzeug zur Tatzeit gesteuert hat. Dies wird auch durch einen Abgleich des Messbildes Blatt 5 der Akte oben mit dem Passfoto in der Akte, Blatt 17, bestätigt.

Der Verteidiger widersprach in der Hauptverhandlung der Verwertung der Messung und er bezweifelte insbesondere die Korrektheit der Messung. So sei im Messrahmen auch ein anderes Fahrzeug als das der Betroffenen zu sehen.

Die oben (II.) dargestellte Beschilderung wurde nicht in Zweifel gezogen und auch nachvollziehbar vom glaubwürdigen Zeugen ... bekundet.

Auch hat das Gericht keinen Zweifel an der Korrektheit und der Verwertbarkeit der konkreten Messung. Zum einen handelt es sich hier um ein standardisiertes Messverfahren.

Zum anderen konnte anhand der insofern glaubhaften Bekundungen des Zeugen ... festgestellt werden, dass er das Messgerät gemäß der Gebrauchsanleitung betrieben hat und keine Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vorliegen. Dies konnte insbesondere auch anhand des Messprotokolls (Blatt 8 der Akte), der Schulungsbescheinigung (Blatt 9, 10 der Akte) sowie dem Eichschein (Blatt 11, 12 der Akte) nachvollzogen werden. Das Gerät ist bis Ende 2012 geeicht, wie sich aus dem Eichschein vom 15.03.2011 ergibt. Das Gerät wurde ausweislich des Eichscheins am 02.07.2009 von der physikalisch technischen Bundesanstalt zur innerstaatlichen Eichung zugelassen.

Der Antrag des Verteidigers ein Sachverständigengutachten bezüglich der Korrektheit der Messung einzuholen war gemäß § 77 Abs. 2 OWiG abzulehnen, weil der Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme hinreichend geklärt und nach pflichtgemäßen Ermessungen eine weitere Beweiserhebung zur Erfassung der Wahrheit nicht erforderlich ist.

Zwar ist in der Tat auf dem Messbild Blatt 5 unten im Auswerterahmen hauptsächlich das Fahrzeug der Betroffenen aber auch ein weiteres Fahrzeug zu sehen. Jedoch kommt es maßgeblich auf das Messbild zu Beginn der Messung, hier Blatt 6 der Akte, an. Dort umfasst der Messrahmen ausschließlich das Fahrzeug der Betroffenen. Deshalb kann sich die vorliegende Messung lediglich auf das Fahrzeug der Betroffenen beziehen. Selbst wenn das Messgerät bei Messende plötzlich das Fahrzeug, welches hinter der Betroffenen fuhr, aufgenommen hätte, kann sich hieraus kein Nachteil für die Betroffene ergeben. Denn auf Grund der Messbilder kann ausgeschlossen werden, dass dieses andere Fahrzeug auch schon bei Messbeginn gemessen wurde. Wenn tatsächlich also bei Messbeginn das Fahrzeug der Betroffenen aber bei Messende das Fahrzeug, welches hinter ihr fuhr, gemessen worden sein sollte und das Gerät hieraus eine angebliche gefahrene Geschwindigkeit des Fahrzeugs der Betroffenen ausrechnen sollte, so müsste diese Geschwindigkeit zwingend niedriger als die tatsächlich von der Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit sein. Denn wenn das Messgerät zunächst das Fahrzeug der Betroffenen misst und bei Messende dann (fehlerhaft) auch das hinter ihr fahrende Fahrzeug abstellt, dann resultiert daraus zwangsläufig eine geringe Fahrstrecke innerhalb des Messzeitraums als die tatsächlich von der Betroffenen in diesem Zeitraum zurückgelegte Fahrtstrecke. Daraus wiederum resultiert zwangsläufig eine geringe Geschwindigkeit, als die, welche das Fahrzeug der Betroffenen tatsächlich gefahren wäre.

Insbesondere weil also das Bild zu Beginn der Messung ausschließlich das Fahrzeug der Betroffenen umfasste, die Vorgaben der Bedienungsanleitung eingehalten wurde und auch den Naturgesetzen folgend selbst bei einer Vermischung der Messung eine Fehlmessung zu Lasten der Betroffenen auszuschließen ist, war eine weitere Beweiserhebung nicht geboten.

IV.

Danach ist die Betroffene der fahrlässigen Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften gemäß § 41, § 49 StVO; § 24 StVG; Nr. 11.3.4 BKat schuldig.

Der Bußgeldkatalog sieht hierfür regelmäßig eine Geldbuße in Höhe von 70,00 € vor. Vorliegend waren keine Gründe zu erkennen, hiervon abzuweichen. Es handelt sich um ein nicht ganz geringfügigen Verstoß. Dem Zeichen 274 StVO, welches die Geschwindigkeit auf 50 km/h beschränkte, ging noch ein Zeichen mit „70 km/h“ zuvor. Zwar befindet sich die Messstelle noch vor der Ortstafel. Jedoch befindet sich dort auch gerade eine Einmündung, so dass auch unabhängig von der Beschilderung durchaus ein Grund für eine Drosselung der Geschwindigkeit erkennbar ist. Hinzukommt, dass sich an dieser Stelle, wie der Zeuge nachvollziehbar bekundete, bereits einige Unfälle ereigneten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 464 Abs. 1 und Abs. 2, § 465 Abs. 1 StPO. Da die Betroffene verurteilt worden ist, hat sie die Kosten des Verfahrens und ihre Auslagen zu tragen.