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Verwaltungsgericht Köln Urteil vom 08.01.2016 - 18 K 3513/15 - Geschwindigkeitsbegrenzung aus Lärmschutzgründen

VG Köln v. 08.01.2016: Geschwindigkeitsbegrenzung aus Lärmschutzgründen


Das Verwaltungsgericht Köln (Urteil vom 08.01.2016 - 18 K 3513/15) hat entschieden:

   Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 StVO können die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken. Nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dürfen abgesehen von Tempo-30-Zonen nach Abs. 1 c oder Zonengeschwindigkeitsbeschränkungen nach Abs. 1 d Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Grenzwerte sind zwar nicht bindend, haben aber zur Folge, dass bei Überschreitung der Grenzwerte der 16. BImSchV und der Lärmschutz-Richtlinie-StV ein Einschreiten der Behörde geboten sein kann.

Siehe auch
Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen
und
Lärmschutz

1

Tatbestand:


Mit einem nicht unterschriebenen Schreiben vom 24.2.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Bezugnahme auf einen Antrag vom 6.11.2014 die ermessensfehlerfreie Prüfung und Bescheidung eines Antrages auf Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h auf der X.-​straße in Leverkusen zwischen Deichtorstraße und Solinger Straße aus Lärmschutzgründen.

Dieser Antrag blieb zunächst unbeschieden.

Am 17.6.2015 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er geltend macht, die maßgeblichen Lärmschutzwerte an den Wohngrundstücken auf der X.-​straße seien überschritten. Die Lärmüberschreitung führe zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei den Anwohnern. Dem gegenüber ergebe sich für den Straßenverkehr durch die Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/ h nur eine geringfügige Verzögerung bei der Durchfahrt. In der Abwägung müsse der Gesundheit der Anwohner der Vorrang gegeben werden.

Mit Bescheid vom 8.7.2015 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung machte sie geltend, gemäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dürften Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage bestehe, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung wichtiger Rechtsgüter erheblich übersteige. Die hier festgestellte Lärmbelastung rechtfertige die Anordnung der begehrten Geschwindigkeitsbeschränkung nicht. Am Grundstück des Klägers sei überhaupt keine Überschreitung der maßgeblichen Lärmgrenzwerte von 70 dB(A) tags und 60 dB (A) nachts feststellbar. Dort seien tagsüber Lärmwerte zwischen 62 und 67 dB (A) und nachts Werte von 54 bis 59 dB (A) errechnet worden. Lediglich vereinzelt seien an einigen untersuchten Wohngebäuden die Immissionsrichtwerte tagsüber erreicht und nachts um 1 dB (A) überschritten worden. Die Untersuchung habe zudem ergeben, dass die Überschreitungen nur an zwei Gebäuden feststellbar gewesen seien, die sich allerdings an der Südseite der X.-​straße , also auf der dem Grundstück des Klägers gegenüber liegenden Straßenseite befänden.




Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h sei hier nicht geeignet, denn die X.-​straße sei sehr gut ausgebaut. Deshalb sei für den motorisierten Verkehr eine derartige Geschwindigkeitsbegrenzung nicht plausibel. Im Rahmen einer Informationsveranstaltung habe ein Fachgutachter nochmals verdeutlicht, dass Geschwindigkeitsreduzierungen zur Lärmreduzierung nur dann zielführend seien, wenn die örtlichen Gegebenheiten die eingeführte Geschwindigkeitsregelung untermauerten und so eine breite Akzeptanz der Verkehrsteilnehmer zu erwarten sei. Dem stünden das Erscheinungsbild der X.-​straße und auch ihr Ausbauzustand entgegen.

Die X.-​straße
  -  sei Im Teilabschnitt zwischen Solinger Straße und Deichtorstraße bereits seit mehreren Jahrzehnten als Landesstraße (L108) klassifiziert,
  -  vermittle weder den Charakter einer Wohnstraße noch den einer untergeordneten Nebenstraße,
  -  sei als Ortsdurchfahrt eine wichtige Hauptverkehrs- und Durchgangsstraße mit übergeordneter Verbindungs- , Durchgangs- und Erschließungsfunktion und den damit verbundenen Ziel- und Quellverkehren,
  -  führe verschiedene Linien des ÖPNV,
  -  weise an üblichen Verkehrstagen ein Kfz-​Aufkommen von 13.500 Fahrzeugen auf,
  -  weise nach Mitteilung der Polizei seit Jahren keine besondere, über das normale Maß hinausgehende Gefahrenlage auf.

Angesichts dieser Funktion und dieses Erscheinungsbildes sei es nicht sachgerecht, hier eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h anzuordnen. Eine solche Geschwindigkeitsreduzierung sei angesichts der nur geringfügigen Überschreitung der Lärmgrenzwerte um 1 dB (A) auch nicht geboten.

Der Kläger tritt dem entgegen. Er ist der Auffassung, die Überschreitung der maßgeblichen Lärmgrenzwerte betrügen an zwei Gebäuden auf der Höhe des 1. OG 7 dB (A) am Tag und 8 dB (A) in der Nacht. Die daraus folgenden gesundheitsschädlichen Wirkungen müssten höher gewichtet werden als die Nachteile für die Verkehrsteilnehmer durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nicht nachgewiesen sei, dass es bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h zu Staubildungen oder zu einer sonstigen Beeinträchtigung der Flüssigkeit des Verkehrs komme. Wegen der von der Beklagten unbeachtet gebliebenen Bushaltestellen im hier betroffenen Streckenabschnitt seien auch keine merklichen Beeinträchtigungen des ÖPNV durch eine solche Geschwindigkeitsbeschränkung zu erwarten. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung dürfe eine von der Behörde befürchtete mangelnde Akzeptanz der Autofahrer in die Ermessenserwägungen nicht eingestellt werden. Nachteilig für die Verkehrsteilnehmer sei lediglich ein Zeitverlust von weniger als 15,6 Sekunden bei einer 325 m langen Strecke.

Der Kläger beantragt,

   die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8.7.2015 zu verpflichten, über seinen Antrag vom 24.2.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu scheiden.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie vertieft die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.




Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags vom 24.2.2015. Dabei kann außer Betracht bleiben, dass der Kläger diesen Antrag nicht unterschrieben hat, denn die Beklagte hat den Antrag als wirksam gestellt angesehen und beschieden. Außerdem hatte der Kläger auch auf einen Antrag vom 6.11.2014 Bezug genommen.

Der Bescheid vom 8.7.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 StVO können die Straßenverkehrsbehörden den Verkehr zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken. Nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dürfen abgesehen von Tempo-​30-​Zonen nach Abs. 1 c oder Zonengeschwindigkeitsbeschränkungen nach Abs. 1 d Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensentscheidung über den Antrag des Klägers nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO sind hier erfüllt. Denn nach den vorliegenden Berechnungen der Fa. Argus vom 12.2.2014 werden die Grenzwerte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-​Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) am Grundstück des Klägers überschritten. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung

   Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.6.2005 - 8 A 2350/04 -; Bay VGH, Urteil vom 221.3.2012 - 11 B 10.1657 -




ist bezüglich der hier in Rede stehenden Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV und der Grenzwerte in Nr. 2 der Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-​Richtlinie-​StV) im Rahmen der Lärmsanierung folgendes zu beachten: Zwar stellen die genannten Grenzwerte für die Gerichte keine bindenden Vorschriften dar. Denn im Fall der Verkehrslärmschutzverordnung können sie keine unmittelbare Anwendung finden, weil diese unmittelbar nur für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen gilt. Bei der Lärmschutz-​Richtlinie- StV handelt es sich um eine ermessensbindende Richtlinie für die Straßenverkehrsbehörden, an die die Gerichte rechtlich nicht gebunden sind. Jedoch ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Werte in beiden genannten Vorschriften bei Fragen der Lärmsanierung auch von den Gerichten als Orientierungshilfen herangezogen werden können.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.12.1993 - 11 C 45/92 - , Juris; Bay VGH, Urteil vom 21.3.2005 - 11 B 10.1657 - Juris Rdnr. 28.

Die obergerichtliche Rechtsprechung sieht deshalb eine Prüfung in folgenden Schritten vor:

Werden die Grenzwerte der 16. BImSchV nicht überschritten, besteht regelmäßig schon kein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO, weil dann davon auszugehen ist, dass die Tatbestandsvoraussetzung der genannten Norm, dass nämlich auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt, nicht erfüllt ist. Werden schon die "Vorsorgewerte" der 16. BImSchV nicht überschritten, gibt es regelmäßig keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahrenlage bezogen auf Lärmimmissionen.

Werden dagegen die Grenzwerte der 16. BImSchV am Grundstück des Klägers überschritten, besteht regelmäßig ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO. Bei der Frage, ob ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO besteht, werden diese Grenzwerte als Orientierungshilfe herangezogen werden können.

Werden darüber hinaus die Grenzwerte in Nr. 2 der Lärmschutz-​Richtlinie-​StV am Grundstück des Klägers überschritten, kann es zu einer Verdichtung des der Behörde eingeräumten Ermessens des Inhalts kommen, dass ein Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde geboten ist.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 4.6.1986 - 7 C 76/84 -, Juris.

Nach den Feststellungen der Firma Argus vom 12.2.2014 ist für das Grundstück des Klägers bei einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ein Immissionswert von 62 bis 67 dB (A) tags und von 54 bis 59 dB (A) nachts anzunehmen. Bedenken gegen die Richtigkeit der zugrundeliegenden Berechnungen sind von den Beteiligten nicht vorgetragen worden und auch für das Gericht nicht ersichtlich.

Die für die Entscheidung des vorliegenden Falles allein maßgebliche Immissionsbelastung am Grundstück des Klägers stellt sich deshalb so dar, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Ermessensentscheidung nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO erfüllt sind, weil die maßgeblichen Werte § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV von 59 dB (A) tags und 49 dB (A) nachts überschritten werden. Umgekehrt werden am Grundstück des Klägers die Grenzwerte in Nr. 2 der Lärmschutz-​Richtlinie-​StV von 70 dB (A) tags und 60 dB (A) nachts nicht überschritten, so dass eine Verdichtung des der Beklagten eingeräumten Ermessens allein wegen der Überschreitung der zuletzt genannten Grenzwerte nicht anzunehmen ist.




Unter Berücksichtigung dieser Grundstückssituation hat der Kläger einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. Im Rahmen dieser Entscheidung ist zu prüfen, ob verkehrsbeschränkende Maßnahmen anzuordnen sind, weil Lärmeinwirkungen vorhanden sind, die jenseits dessen liegen, was im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs als ortsüblich hingenommen werden muss.

   Vgl. BVerwG, Urteil vom 4.6.1986 - 7 C 76/84 -, Juris.

Die Ermessensentscheidung der Beklagten in dem Bescheid vom 8.7.2015 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist das Gericht bei der Überprüfung einer Ermessensentscheidung nicht befugt, die Entscheidung der Behörde umfassend zu überprüfen. Vielmehr ist die gerichtliche Prüfung dieser Ermessensentscheidung darauf beschränkt, ob die Behörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, alle maßgeblichen Umstände in ihre Entscheidung eingestellt und sie entsprechend dem ihnen zukommenden Gewicht bewertet, die Entscheidung sachgerecht begründet und keine sachfremden Erwägungen angestellt hat.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte ist bei ihrer Entscheidung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Ferner hat die Beklagte auch alle maßgeblichen Umstände in ihre Erwägung eingestellt. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang rügt, die Behörde habe bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt, dass eine ganz erhebliche Überschreitung der Grenzwerte § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV vorliege, trifft dies nicht zu. Vielmehr ist die Beklagte entsprechend dem Wortlaut der genannten Vorschrift davon ausgegangen, dass die dort genannten Grenzwerte nur für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen gelten, die hier nicht in Rede stehen. Die tatsächliche Immissionsbelastung des Grundstücks des Klägers hat die Beklagte zutreffend berücksichtigt.

Ferner hat die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts auch alle maßgeblichen Umstände in ihre Erwägungen einbezogen. Dabei hat sie auf der einen Seite die Klassifizierung der X.-​straße als Landesstraße, ihre Verkehrsbedeutung, ihren optischen Charakter, ihre Bedeutung für den ÖPNV sowie das tägliche Kfz-​Verkehrsaufkommen berücksichtigt. Auf der anderen Seite hat sie die erhebliche Lärmbelastung des klägerischen Grundstücks in die Erwägung eingestellt.

Ohne Rechtsfehler ist die Beklagte bei ihrer Ermessensentscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die gegen eine Geschwindigkeitsreduzierung sprechenden Umstände hier die für eine Geschwindigkeitsreduzierung streitende Lärmbelastung des klägerischen Grundstücks überwiegen.


Dass die Klassifizierung einer Straße als Landesstraße ein erheblicher Gesichtspunkt für das Absehen von einer Geschwindigkeitsbeschränkung ist, ergibt sich zum einen Nr. 3.3 der Lärmschutz-​Richtlinien- StV. Danach bündelt sich auf den Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-​, Landes- und Kreisstraßen) und weiteren Hauptverkehrsstraßen der weiträumige und der innerörtliche Verkehr und entlastet gleichzeitig die Wohngebiete. Einer Geschwindigkeitsbeschränkung steht auf diesen Straßen in der Regel deren besondere Verkehrsfunktion entgegen.

Zum anderen ist auch die gesetzgeberische Wertung des § 45 Abs. 1 c Satz 2 StVO zu beachten, wonach den Straßenverkehrsbehörden die Anordnung einer Tempo- 30- Zone auf Straßen des überörtlichen Verkehrs ausdrücklich untersagt ist. Zwar hat der Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass vorliegend nicht die Anordnung einer Tempo- 30- Zone in Rede stehe. Die gesetzgeberische Wertung, dass sich die Klassifizierung einer Straße als Landesstraße als ein gewichtiger Gesichtspunkt gegen die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung darstellt, lässt sich dieser Vorschrift aber dennoch entnehmen. Die Tatsache, dass das Grundstück des Klägers an einer Landesstraße gelegen ist, darf auch im Rahmen der Abwägung Berücksichtigung finden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist maßgeblich darauf abzustellen, welche Lärmeinwirkungen vorhanden sind, die jenseits dessen liegen, was im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs als ortsüblich hingenommen werden muss. Im Rahmen der Ortsüblichkeit darf auch die Klassifizierung und Verkehrsbedeutung der Straße und die sich daraus ergebende Vorbelastung des Grundstücks berücksichtigt werden.

Ferner hat die Beklagte in ihre Erwägungen eingestellt, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h angesichts der Verkehrsbedeutung und des Ausbauzustandes voraussichtlich von den Verkehrsteilnehmern nicht durchgängig eingehalten werde und deshalb nicht davon auszugehen sei, dass die angestrebte Verringerung der Lärmimmission um 3 dB (A) durch diese Maßnahme realisiert werden könne. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Berechnungen der Fa. Argus davon ausgehen, dass vor dem Grundstück des Klägers eine Verringerung um 3 dB (A) dann zu erzielen ist, wenn alle Verkehrsteilnehmer maximal 30 km/h fahren.

Auch diese Erwägung der Beklagten ist sachgerecht und tragfähig. Zwar ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung die schlichte Erwägung, Verkehrsteilnehmer würden sich nicht an Geschwindigkeitsbeschränkungen halten, mit dem Argument beanstandet worden ist, es sei in erster Linie Aufgabe der Straßenverkehrsbehörden, dafür zu sorgen, dass die Geschwindigkeitsbeschränkungen tatsächlich eingehalten werden.

   Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.6.2005 - 8 A 2350/04 -, Juris Rdnr. Rdnr.79.



Die Argumentation der Beklagten war vorliegend aber differenzierter. Denn sie hat vorgetragen, es sei aufgrund des zeitweilig sehr hohen Verkehrsaufkommens, des Straßencharakters und des Ausbauzustandes der X.-​straße davon auszugehen, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h nicht durchgängig eingehalten werde, weil diese für die Kraftfahrzeugführer nicht plausibel sei. Bei einer nur teilweisen Befolgung der Geschwindigkeitsbeschränkung könne die angestrebte Reduzierung der Lärmimmission um 3 dB (A) nicht erreicht werden. Diese Erwägung ist zur Überzeugung des Gerichts demgegenüber tragfähig. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass am Grundstück anders als in dem der Entscheidung des

   OVG NRW, Urteil vom 1.6.2005 - 8 A 2350/04 -

zugrunde liegenden Fall keine Überschreitung der Lärmgrenzwerte der Nr. 2 der Lärmschutz-​Richtlinie-​StV festgestellt wurde und dass hier auch der Fahrbahnbelag erst in jüngerer Vergangenheit erneuert wurde, so dass nicht davon auszugehen ist, dass die tatsächliche Lärmbelastung wegen Fahrbahnschäden höher liegt als von der Firma Argus errechnet.

Auch die gesamte Situation des Grundstücks des Klägers und die diesbezügliche Vorbelastung seines Grundstücks gaben der Beklagten keine Veranlassung, hier ausnahmsweise eine Geschwindigkeitsbeschränkung anzuordnen. Zu der Vorbelastung des Grundstücks hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Lärmbelastung des Grundstücks bestehe schon seit 30 Jahren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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