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OVG Bautzen Beschluss vom 19.05.2016 - 3 B 37/16 - Tattagsprinzip für das Erreichen von 8 Punkten
OVG Bautzen v. 19.05.2016: Zur Anwendung des Tattagsprinzips für das Erreichen von 8 Punkten
Das OVG Bautzen (Beschluss vom 19.05.2016 - 3 B 37/16) hat entschieden:
Für die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens der Punkteschwelle von acht Punkten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 5 StVG kommt es maßgeblich auf den Tag der Begehung der letzten zum Erreichen der Punkteschwelle führenden Tat an.
Siehe auch Das Fahreignungs-Bewertungssystem - neues Punktsystem und Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 23. September 2015 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 17. September 2015 wiederherzustellen oder anzuordnen. Mit diesem Bescheid entzog der Antragsgegner der Antragstellerin die Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L (Nr. 1), verpflichtete sie zur Abgabe des Führerscheins (Nr. 2), drohte ihr für den Fall nicht fristgerechter Abgabe ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- € an (Nr. 3) und ordnete zu der Abgabeverpflichtung die sofortige Vollziehung an (Nr. 4).
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also der Zeitpunkt des noch ausstehenden Widerspruchsbescheids (SächsOVG, Beschl. v. 7. Juli 2015 - 3 B 118/15 -, juris Rn. 6). Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung ist mithin § 4 StVG in der ab 5. Dezember 2014 anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 28. November 2014 (BGBI. 1 S. 1802).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens der Punkteschwelle von acht Punkten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 5 StVG maßgeblich auf den Tag der Begehung der letzten zum Erreichen der Punkteschwelle führenden Tat ankommt, die Antragstellerin daher durch die Ordnungswidrigkeit vom 13. Februar 2014 mit Eintritt ihrer Rechtskraft am 24. November 2014 die Punkteschwelle von acht Punkten erreicht hatte und ihr bezogen auf den Tattag die Fahrerlaubnis zu entziehen war. Soweit die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde geltend macht, die Berechnung der Punkte sei nicht nachvollziehbar, verweist der Senat auf die ausführliche Darstellung des Verwaltungsgerichts in seinem angefochtenen Beschluss, denen gegenüber die Antragstellerin keine konkreten Einwände erhoben hat.
Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge nicht den in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO niedergelegten formellen Anforderungen, da die Begründung zur Sofortvollzugsanordnung formularmäßig und vollkommen allgemein gehalten sei. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Notwendig und zugleich ausreichend ist dafür, dass die Begründung erkennen lässt, dass und warum die Behörde dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt (SächsOVG, Beschl. v. 10. Dezember 2014 - 3 B 148/14 -, juris Rn. 6). Dies ist hier der Fall. Die drohende weitere Verkehrsteilnahme von Fahrzeugführern, die sich durch Erreichen der Schwelle von acht Punkten kraft Gesetzes als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet darstellen, stellt eine Gefahrenlage dar, in der sich die Begründung der Ordnungsverfügung selbst und diejenige für deren sofortige Vollziehung typischerweise weitgehend decken. Daher reicht es aus, wenn sich die Behörde - wie hier - zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung auf die allgemeine Gefährdung durch ungeeignete Kraftfahrer abstellt, ohne dabei ausdrücklich eine Verbindung zum Fall des Betroffenen herzustellen. Ob die Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen, dem Betroffenen die Fahrerlaubnis zu entziehen, ist keine Frage des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Nr. 1 VwGO, sondern vielmehr eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Fahrerlaubnisentziehung (SächsOVG, a. a. O.).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist auch nicht ersichtlich, dass der Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis an einem formellen Begründungsmangel leiden könnte. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Die Antragstellerin meint, der angegriffene Bescheid enthalte weder eine Darstellung des Sachverhalts, von denen die Behörde ausgegangen sei, noch die Erwägungen, die sie ihrer Anordnung zugrunde gelegt habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Unter Ziffer I. der Begründung des Bescheids ist der zugrunde gelegte Sachverhalt unter Bezeichnung der berücksichtigten Verkehrsverstöße der Antragstellerin und unter Bezugnahme auf eine in der Anlage beigefügte Auflistung der Zuwiderhandlungen dargestellt, wodurch dem Begründungserfordernis zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis genügt wird. Nähere Erwägungen zur Rechtsfolge dieses Tatbestands waren in dem Bescheid nicht darzulegen. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich im Fahreignungsregister acht Punkte oder mehr angesammelt haben. In diesem Fall hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis - zwingend - zu entziehen. Hierauf wurde die Antragstellerin in dem angefochtenen Bescheid unter Ziffer II. der Begründung hingewiesen.
Soweit die Antragstellerin für die Begründung ihrer Beschwerde auf ihre Ausführungen im Antragsverfahren verweist, ist dem nicht weiter nachzugehen, da sie mit dieser Bezugnahme nicht dem Darlegungserfordernis aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt. Insoweit fehlt es an einer notwendigen Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung.
Auch die Behauptung der Antragstellerin, aus beruflichen Gründen dringend auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Hierzu hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die gesetzliche Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis allein an die Ungeeignetheit des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen anknüpft und die persönliche Situation des Betroffenen im Übrigen nicht weiter berücksichtigt wird. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Hiernach sind die Auswirkungen des Verlusts der Fahrerlaubnis auf die persönliche Situation des Betroffenen, insbesondere sein berufliches Angewiesensein auf die Fahrerlaubnis, für die Feststellung fehlender Fahreignung und die daran geknüpfte, nicht im Ermessen der Behörde stehende Rechtsfolge der Fahrerlaubnisentziehung unerheblich (SächsOVG, a. a. O. Rn. 22 m. w. N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und folgt im Übrigen der Streitwertsetzung des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Verfahren, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).