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Amtsgericht Berlin-Mitte Urteil vom 22.09.2014 - 21 C 3073/14 - Angemessenheit der Vergütungshöhe für ein Kfz-SV-Gutachten

AG Berlin-Mitte v. 22.09.2014: Angemessenheit der Vergütungshöhe für ein Kfz-Sachverständigen-Gutachten


Das Amtsgericht Berlin-Mitte (Urteil vom 22.09.2014 - 21 C 3073/14) hat entschieden:
  1. Hinsichtlich der Methode zur Abrechnung der Grundgebühr des Sachverständigen ist der Rückgriff auf die BVSK-Honorarbefragung zulässig.

  2. Die Angemessenheit von Nebenkosten, insbesondere Fotokosten ist unter Berücksichtigung der Erwägungen des JVEG zu bestimmen.

Tatbestand:

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die geltend Ansprüche gemäß §§ 115 VVG, 398 BGB zu.

In der Sache und in der Höhe sind die geltend gemachten Gutachtenkosten (Grundgebühr und Nebenkosten) nicht zu beanstanden, da sie mit nachfolgenden Grundsätzen, die im Wesentlichen auch nach Abtretung der Forderung an den Sachverständigen gelten, vereinbar sind.

Ein Verkehrsunfallgeschädigter kann grundsätzlich einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und von dem Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Verkehrsunfallgeschädigten machen würde. Gleichwohl ist unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) der Verkehrsunfallgeschädigte gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies verlangt von ihm jedoch nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift vernachlässigt werden, dass nämlich dem Verkehrsunfallgeschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Verkehrsunfallgeschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Verkehrsunfallgeschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Allgemein darf sich der Verkehrsunfallgeschädigte bei der Beauftragung eines Kraftfahrzeugsachverständigen aber schon damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urt. v. 11.02.2014 - VI ZR 225/13; Urt. v. 22.07.2014 - VI ZR 357/13). Bei der durch das Gericht vorzunehmenden Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO bildet der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Aufwandes. Hierin schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (BGH, Urt. v. 22.07.2014 - VI ZR 357/13).

Hinsichtlich der Methode zur Abrechnung der Grundgebühr muss sich der Verkehrsunfallgeschädigte vom Schädiger gerade nicht auf eine bestimmte Abrechnungsmethode verweisen lassen (BGH, Urt. v. 11.02.2014 - VI ZR 225/13). Hingegen ist der Rückgriff auf die BVSK-​Honorarbefragung durch den Verkehrsunfallgeschädigten ohne weiteres zulässig.

Die Berechnung der Grundgebühr ist nicht unangemessen hoch. Denn nur wenn der Verkehrsunfallgeschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche. Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH, Urt. v. 11.02.2014 - VI ZR 225/13). Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Grundgebühr und gutachterlicher Leistung ist nicht festzustellen. Die Berechnung einer Grundgebühr von 406,00 € für die Begutachtung eines Schadens (netto) von 1.908,56 € stellt mit einem Prozentsatz von 21,27 % kein vergleichsweise überhöhtes Honorar dar. Die Höhe dieser Grundgebühr bewegt sich noch im Rahmen der in Berlin und Brandenburg üblichen Sachverständigenvergütungen.

Es unterliegt keinen grundsätzlichen Bedenken, dass neben einer Grundgebühr noch Nebenkosten abgerechnet wurden. Auch hinsichtlich der Art der einzelnen Nebenkostenpositionen ist der Kläger im Wesentlichen frei. Schließlich existiert keine Honorarordnung für Sachverständige und eine Preiskontrolle findet als solche nicht statt.

Die Höhe der Nebenkosten ist ebenso nicht zu beanstanden. Dass der Verkehrsunfallgeschädigte von vornherein erkannt haben müsste, dass die Nebenkosten unangemessen hoch oder gänzlich unbegründet seien, die in der Branche üblichen Preise also deutlich überstiegen würden, erschließt sich nicht. Eine geradezu willkürliche Festsetzung dieser Positionen oder ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Honorar hat sich dem Verkehrsunfallgeschädigten hier jedenfalls nicht aufdrängen müssen.

Insbesondere die Fotokosten von 2,55 € bzw. 1,67 € pro Bild sind nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung der Erwägungen in § 7 Abs. 3 JVEG a.F., wonach ein vom Gericht bestellter Sachverständiger für Digitalfotos je Ausdruck einer Datei 2,50 € berechnen konnte, sind Fotokosten in unangemessener Höhe nicht erkennbar.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 511 ZPO nicht vorliegen.



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