Der Haftpflichtversicherer des Schädigers kann die Erforderlichkeit der Anmietung eines Mietwagens als solche und die Mietdauer nicht mehr bestreiten, wenn er aufgrund der ihm vorgelegten Rechnung des Autovermieters dem Geschädigten ein Abrechnungsschreiben übersendet und in diesem lediglich die Mietkosten als überhöht kürzt.
Siehe auch Regulierungsverhalten und Zahlungen der Versicherung als deklaratorisches Schuldanerkenntnis? und Ersatz der unfallbedingten Mietwagenkosten
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen, § 313a ZPO.
Entscheidungsgründe:
Die in der Hauptsache auf § 115 VVG i.V.m. § 398 BGB gestützte Klage ist bis auf einen Teil der Zinsforderung im Klageantrag zu 2. begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Ersatz der restlichen Mietwagenkosten für den von der Geschädigten Frau R. anlässlich des Unfalls vom 10.7.2012 gemieteten Ersatzwagen gemäß Rechnung vom 20.7.12 Anlage K1 Bl. 15 d.A.
Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist außer Streit.
Hinsichtlich der teilweise noch offenen Mietwagenkosten gilt:
Der Geschädigte kann nach § 249 Abs.2 Satz 1 BGB als sog. Herstellungsaufwand (nur) den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (std. Rechtsprechung. vgl. z.B. BGH NJW 07, 2916 und BGH NJW 08, 1519f).
Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Ermittlung des Mietpreises, der dem Wirtschaftlichkeitsgebot (noch) entspricht, kann das Gericht auf den sog. Modus im Schwacke-Automietpreisspiegel zurückgreifen, der hierfür eine zuverlässige Schätzgrundlage darstellt (vgl. dazu auch BGH NJW 07, 2916; BGH NJW 08, 1519), und der in den Erhebungen ab 2008 den Kriterienkatalog noch einmal erweitert hat und insbesondere auch Internettarife berücksichtigt (vgl. auch BGH vom 19.1.2010 -VI ZR 112/09 - z.B. in NZV 2010, 239 ff).
Zwar bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden, dann (aber auch nur dann) der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass konkret dargelegte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. nur BGH v. 17.5.11 - VI ZR 142/10 - z.B. in NZV 11, 431 f, zitiert nach juris). Derartige Mängel sind jedoch seitens der Beklagten nicht in einem entscheidungserheblichen Maße aufgezeigt. Die "Schwacke-Liste" ist nicht schon deswegen ungeeignet, weil die "Fraunhofer-Liste" deutlich geringere Werte aufweist. Der Bundesgerichtshof sieht grundsätzlich jede Liste als geeignete Schätzungsgrundlage an und zwar gerade in Kenntnis ihrer Unterschiedlichkeit (z.B. BGH vom 12.4.11 - VI ZR 300/09 - zitiert nach juris).
Hiernach berechnet sich die im Sinne des § 249 BGB erforderliche Miete anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels 2012, Mietwagengruppe 4 im Postleitzahlengebiet 448.. im Modus wie folgt:
3 Tage-Pauschale 336,00 € 2 Tage 112,00 € Kasko mit Selbstbeteiligung gem. Nebenkostentabelle im Modus 5 x 21 € 105,00 € Navigationsgerät gem. Nebenkostentabelle im Modus 5 x 10 € 50,00 € brutto 715,00 €
Der geltend gemachte Mietpreis von 607,79 € übersteigt diese Summe nicht.
Hinsichtlich der Einwendungen der Beklagten gilt weiter:
Mietwagengruppen 4/5, ersparte Aufwendungen
Der Wagen der Geschädigten war der Mietwagengruppe 5 zuzuordnen (vgl. Anl. K10 Bl. 112). Bei der Berechnung der Erforderlichkeit der angesetzten Mietwagenkosten sind auch die vom Geschädigten ersparten Aufwendungen hinsichtlich des eigenen Fahrzeuges während der Mietzeit anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Dies kann nach der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Abteilung u.a. dadurch geschehen, dass die Erforderlichkeit anhand eine niedrigeren Mietwagenklasse, hier also der Gruppe 4 ermittelt wird.
Die Beklagte kann mit ihren Einwendungen hinsichtlich des in Frage gestellten Nutzungswillens und der entsprechenden Nutzungsmöglichkeit sowie der berechtigten Nutzungsdauer nicht mehr gehört werden. Die Beklagte hat durch ihre vorprozessuale Zahlung gemäß Abrechnungsschreiben vom 23.08.2012 in Höhe von immerhin 348,67 (für 5 Tage Gruppe 4 Normaltarif) mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass sie keine Einwendungen gegen die Notwendigkeit der Anmietung des Ersatzfahrzeuges erhebt, sondern dass sie sich lediglich gegen die Höhe der Mietkosten verwahrt, die sie deswegen auf den "Normaltarif für Selbstzahler" kürzte. Der Haftpflichtversicherer des Schädigers kann aber u.a. die Erforderlichkeit der Anmietung eines Mietwagens als solche und die Mietdauer nicht mehr bestreiten, wenn er aufgrund der ihm vorgelegten Rechnung des Autovermieters dem Geschädigten ein Abrechnungsschreiben übersendet und in diesem lediglich die Mietkosten als überhöht kürzt (vgl. insoweit auch OLG Karlsruhe vom 1.2.13 - 1 U 130/12; vgl. ferner KG vom 11.2.2010 - 12 U 92/09; jeweils zitiert nach juris). Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte ihre Erkenntnisse über den Zustand des Geschädigten erst erlangte, nachdem sie bereits mehr als die Hälfte der Mietkosten bezahlt hatte.
Nebenkosten
Kasko mit Selbstbeteiligung
Es ist unerheblich, ob die Geschädigte ihre eigenes Fahrzeug mit einer Kaskoversicherung incl. 150,00€ Selbstbeteiligung geschützt hat. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, kann der Geschädigte bei der Inanspruchnahme eines Mietwagens die Kosten für eine Vollkaskoversicherung schon deswegen verlangen, weil er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist (dazu etwa BGH v. 15.2.05 - VI ZR 74/04, zitiert nach juris). Unabhängig davon war der Wagen der Geschädigten entsprechend versichert, wie sich aus der vorgelegten Police Anl. K11 Bl.113 ergibt.
Navigationsgerät
Auch der Wagen der Geschädigten war mit einem Navigationsgerät ausgestattet (vgl. die Auflistung der Sonderausstattung des Fahrzeuges gemäß Gutachten L. Anl. K9 Bl. 104 d.A.). Die Geschädigte kann daher auch im Mietwagen ein "Navi" verlangen.
sog. Unfallersatztarif
Auf die Frage, ob im konkreten Fall ein sog. Unfallersatztarif berechnet werden könnte, kommt es nach dem oben Gesagten nicht mehr an, da auch der sog. Normaltarif die geltend gemachte Fahrzeugmiete nicht übersteigt.
Aktivlegitimation
Die Klägerin ist auch aktivlegitimiert. Sie ist infolge der Abtretungsvereinbarung mit der Geschädigten vom 11.7.2012 Anl. K5 Bl.23 Inhaberin des Schadensersatzanspruchs der Geschädigten gegen die Beklagte geworden.
Soweit die Beklagte im Hinblick auf die (Un)lesbarkeit der Unterschrift bestreitet, dass die Zession von der Geschädigten R. unterschrieben wurde ist die schon deswegen unsubstantiiert, weil die Unterschrift mit derjenigen auf dem Mietvertrag übereinstimmt, der unstreitig von der Geschädigten unterschrieben wurde.
Bedenken gegen die Wirksamkeit der Zession bestehen auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH (z.B. vom 7.6.2011 - VI ZR 260/10 zitiert nach juris), nicht. Insbesondere ergibt sich aus der Zession klar, welche einzelnen Schadensersatzforderungen abgetreten worden sind. Schließlich bestehen auch nach den Vorschriften des RDG keine Bedenken gegen eine Geltendmachung des Anspruchs. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin bei der Einziehung einer erfüllungshalber an sie abgetretenen Forderung überhaupt in einer fremden Angelegenheit i.S.d. § 2 RDG tätig wird. Denn jedenfalls würde es sich bei der Einziehung um eine erlaubte Nebenleistung im Sinne des § 5 Abs.1 RDG handeln (vgl. nur BGH vom 31.1.12 - VI ZR 143/11, zitiert nach juris).
Verzinsung der Gerichtskosten
Die Klägerin hat darüberhinaus einen Anspruch auf Verzinsung der als Vorschuss eingezahlten Gerichtsgebühren, da im Rahmen der Rückzahlung keine Verzinsung erfolgt, § 5 Abs. 4 GKG (dazu etwa AG Norderstedt vom 4.11.11 - 46 C 103/11; AG Hamburg-St. Georg vom 29.6.11 - 915 C 123/11; zitiert nach juris). Mangels entsprechender Inverzugsetzung ist der Anspruch indessen erst ab Rechtshängigkeit verzinslich, § 291 BGB, hier also ab 2.1.2014.
Nebenentscheidungen
Diese finden ihre Grundlage in den §§ 91, 708 Ziff. 11, 713 ZPO.