Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Beschluss vom 13.01.2011 - 8 U 97/10 - Wertverlust durch die Standzeit eines Fahrzeugs vor der Erstzulassung

KG Berlin v. 13.01.2011: Zur Bedeutung eines etwaigen Wertverlustes durch die Standzeit eines Fahrzeugs vor der Erstzulassung


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 13.01.2011 - 8 U 97/10) hat entschieden:
Ist ein Gebrauchtwagen bei Verkauf bereits drei Jahre und 5 Monate zugelassen und weist dabei eine Leistung von 35.240 km auf, tritt die Bedeutung eines etwaigen Wertverlustes durch die Standzeit von 14 ½ Monaten vor der Erstzulassung insgesamt zurück gegenüber anderen Kriterien, wie insbesondere dem tatsächlichen Erhaltungszustand und der Kilometerleistung. Allein die lange Standzeit vor Erstzulassung führt in einem derartigen Fall nicht dazu, dass ein Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB anzunehmen ist.


Siehe auch Zeitablauf zwischen Herstellung und Zulassung des Fahrzeugs und Autokauf - Gewährleistung und Garantie beim Neuwagenkauf


Gründe:

Die Berufung war durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert (§ 522 Absatz 2 Satz 1 ZPO). Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf den Hinweis nach § 522 Absatz 2 Satz 2 ZPO vom 13. Dezember 2010 verwiesen, der im Einzelnen wie folgt lautet:
“Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den in jeder Hinsicht zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

I.

Nach § 513 Absatz 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Kläger nicht wirksam von dem am 24. Juli 2009 geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten ist, weil der streitgegenständliche PKW P. frei von Sachmängeln im Sinne von § 434 Abs.1 Satz 1 BGB war, da er bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hatte.

Bei dem verkauften Fahrzeug handelte es sich entsprechend der vertraglichen Vereinbarung um ein gebrauchtes Kraftfahrzeug mit dem Erstzulassungsdatum 23. Februar 2006 und einem abgelesenen Tachostand von 35.240 km. Zugunsten des Klägers hat das Landgericht als wahr unterstellt, dass das Fahrzeug am 6. Dezember 2004 hergestellt worden ist.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass der Kläger für die Behauptung, ihm sei die Übereinstimmung von Bau- und Zulassungsjahr zugesagt worden, beweisfällig geblieben ist. Soweit sich der Kläger in der Berufungsinstanz zum Beweis dieser Behauptung auf Parteivernehmung bezieht, ist er mit diesem Beweisantritt gemäß § 531 Abs.2 Ziffer 3 ZPO ausgeschlossen. Der Kläger hätte diesen Beweis bereits in der mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2010 antreten können, in der er erstmals behauptet hat, der Verkäufer habe seine Frage, ob Erstzulassungsjahr und Baujahr gleich seien, mit “ja” beantwortet. Der Beklagtenvertreter, der laut Protokoll mit einer Terminsvollmacht gemäß § 141 Abs.3 ZPO versehen war und die Beklagte, deren persönliches Erscheinen angeordnet war, damit wirksam vertreten hat, hat diese Behauptung bestritten. Bei diesem Bestreiten handelt es sich nicht um ein Bestreiten ins Blaue hinein, denn der Beklagtenvertreter hat es hinreichend begründet.

Zutreffend hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der verkaufte PKW auch dann, wenn er bereits 14 ½ Monate vor der Erstzulassung hergestellt worden sein sollte, den vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Der Senat schließt sich den in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, das sich seinerseits im Wesentlichen auf die sehr ausführliche und mit einem nahezu identischen Sachverhalt befasste Entscheidung des OLG Schleswig (NZV 2009, 241) stützt, an. Ist ein Gebrauchtwagen – wie im vorliegenden Fall - bei Verkauf bereits drei Jahre und 5 Monate zugelassen und weist dabei eine Leistung von 35.240 km auf, tritt die Bedeutung eines etwaigen Wertverlustes durch eine Standzeit von 14 ½ Monaten vor der Erstzulassung insgesamt zurück gegenüber anderen Kriterien, wie insbesondere dem tatsächlichen Erhaltungszustand und der Kilometerleistung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Fahrzeug, da es nach dem 1.10. des Jahres 2004 gebaut worden ist, um ein Fahrzeug des Baujahres 2005 handelt (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Auflage, Rdnr.263). Das Fahrzeug weist also genau das Baujahr auf, das nach dem Zeitpunkt der Erstzulassung zu erwarten war (Reinking/Eggert, a.a.O., Rdnr.1253, wonach bei einer Erstzulassung im Februar 2004 auf das Baujahr 2003 zu schließen ist).

Zwar hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 15. Oktober 2003 – VI ZR 227/02 – veröffentlicht in NJW 2004, 160) zum Neuwagenkauf entschieden, dass ein unbenutztes, als “fabrikneu” verkauftes Fahrzeug nicht mehr fabrikneu und damit mangelhaft ist, wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages mehr als 12 Monate liegen. Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof jedoch mit Urteil vom 15. September 2010 – VIII ZR 61/09 – (BGH, BB 2010, 2848) ausdrücklich dann für nicht einschlägig erklärt, wenn ein gebrauchtes Fahrzeug verkauft wird. Ebenso ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Kauf von Jahreswagen (Urteil vom 7. Juni 2006 – VIII ZR 180/05 veröffentlicht in NJW 206, 2694) im vorliegenden Fall nicht einschlägig, denn der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, dass aus der Sicht eines verständigen Käufers die Bezeichnung eins Fahrzeuges als Jahreswagen dem Zweck dient, das Fahrzeug einerseits von fabrikneuen Neufahrzeugen und andererseits von älteren Gebrauchtwagen, denen nach der Verkehrsanschauung regelmäßig eine geringere Wertschätzung zukommt, abzugrenzen.

Auch die Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urteil vom 26. Mai 2004 – 1 U 10/04 veröffentlicht in NJW 2004, 2456) stützt die Auffassung des Klägers, dass das streitgegenständliche Fahrzeug im Hinblick auf die zeitliche Differenz zwischen Herstellung und Zulassung nicht frei von Sachmängeln sei, nicht. Das OLG Karlsruhe hat ausgeführt, dass ein Käufer darauf vertrauen kann, dass zwischen Herstellung und Erstzulassung ein relativ überschaubarer Zeitraum liegt, hat aber dahin gestellt sein lassen, welche zeitliche Differenz gerade noch zulässig wäre. Es hat ausgeführt, dass ein Unterschied von 5 Jahren und sechs Monaten nicht mehr im Rahmen dessen liege, womit ein Käufer redlicherweise rechnen muss. Diese Rechtsauffassung ist zweifelsohne richtig, stützt aber diejenige des Klägers in keiner Weise.

II.

Im Übrigen hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.

III.

Es wird daher angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.”
Der Senat sieht auch nach erneuter Beratung keinen Anlass, davon abzuweichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 16.100,00 € festgesetzt.



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