Das Verkehrslexikon
OVG Berlin-Brandenburg Urteil vom 16.06.2016 - OVG 1 B 37.14 - Entziehung der Fahrerlaubnis ohne Gutachtenanforderung bei Cannabiskonsum
OVG Berlin-Brandenburg v. 16.06.2016: Entziehung der Fahrerlaubnis ohne Gutachtenanforderung bei Cannabiskonsum
Das OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 16.06.2016 - OVG 1 B 37.14) hat entschieden:
- Nach der - von anderen Obergerichten geteilten - Überzeugung des Senats ist der „Risikogrenzwert“ bei einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml Blutserum anzusetzen. Bei diesem empfohlenen Grenzwert handelt es sich um einen sog. „analytischen Grenzwert“, d.h. einen Wert, der angibt, ab welcher Konzentration ein sicherer Nachweis und eine exakte Quantifizierung von THC bei Anwendung der Richtlinien der Gesellschaft für toxikologische und forensische Chemie möglich ist.
- Eine ausreichende Trennung zwischen Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme liegt nur vor, wenn der Betroffene Konsum und Fahren in jedem Fall in einer Weise trennt, dass durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann.
- Einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten ist die Fahrerlaubnis wegen eines Trennungsverstoßes im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu entziehen, wenn er mit einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml (oder mehr) im Blutserum am Straßenverkehr teilgenommen hat. Ein vorheriges Eignungsgutachten ist in einem solchen Falle nicht erforderlich.
Tatbestand:
Der 1988 geborene Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen einer sog. „Drogenfahrt“.
Hinsichtlich der Vorgeschichte seines Cannabisgebrauchs ist der Kläger wie folgt aktenkundig: In einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens nach § 29 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gab er bei der Vernehmung an, er habe am Vorabend des 13. Juni 2007 seine Restbestände von Marihuana konsumiert. Bei dem anschließend vom Landkreis Gifhorn für die Führerscheinerteilung geforderten ärztlichen Gutachten vom 3. Dezember 2007 gab er gegenüber dem Amtsarzt an, er habe vor der Überprüfung vom 13. Juni 2007 nur zweimal Cannabis konsumiert, anschließend nicht mehr. Der Kläger erhielt die Fahrerlaubnis der Klassen B, M, S und L am 12. August 2008. Im Zusammenhang mit Ermittlungen zu einem Brandgeschehen gab er bei einer weiteren polizeilichen Vernehmung am 12. Dezember 2009 an, am Vorabend Marihuana geraucht zu haben. Mit Urteil vom 3. November 2010 verurteilte das Amtsgericht Gifhorn den Kläger wegen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Ausweislich der Urteilsgründe hatte der Kläger in dem Verfahren angegeben, der Anbau habe allein seinem Eigenkonsum gedient. Früher habe er regelmäßig konsumiert, nun aber den Konsum eingestellt. In einem vom Landkreis Gifhorn angeforderten - im Ergebnis positiven - Gutachten zur Fahreignung des Klägers vom 16. März 2011 hatte der Kläger zu seiner Drogenanamnese angegeben, er habe das erste Mal mit 15 Jahren Cannabis geraucht. Zu Beginn habe er probiert, später meistens nur am Wochenende ein bis zwei Joints geraucht. Vom 12. Dezember 2009 bis Juni 2010 habe er nicht konsumiert. Zuletzt habe er am 23. Februar 2011 einen Joint geraucht, seither bestehe jedoch Drogenabstinenz. In der gutachterlichen Abschlussbewertung heißt es, der Kläger habe im Verlauf der Drogenanamnese einen gelegentlichen Cannabiskonsum eingeräumt. Ein aktueller Konsum sei allerdings hinreichend sicher auszuschließen; Anhaltspunkte für einen aktuellen, gelegentlichen oder regelmäßigen Cannabiskonsum hätten sich nicht ergeben.
Am 24. August 2012 geriet der Kläger in eine allgemeine Verkehrskontrolle. Die nach einem positiven Urin-Schnelltest bei ihm durchgeführte Blutanalyse ergab laut dem ärztlichen Untersuchungsbefund vom 31. August 2012 eine Cannabis-Konzentration von 1,2 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) sowie 18,1 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH); körperliche Auffälligkeiten wurden nicht festgestellt. Nach vorhergehender Anhörung entzog der Beklagte dem Kläger mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 4. Dezember 2012 die Fahrerlaubnis, weil er – der Kläger - sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Er sei als gelegentlicher Cannabiskonsument anzusehen und habe am 24. August 2012 unter Einfluss von Cannabis mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen. Seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr stehe aufgrund der über der Grenze von 1,0 ng/ml THC liegenden THC-Konzentration ohne weiteren Klärungsbedarf fest. Den dagegen am 21. Dezember 2012 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2013 als unbegründet zurück.
Mit der am 23. Mai 2013 erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, ihm könne aus dem Vorfall vom 24. August 2012 nicht mehr als der von ihm eingestandene einmalige Konsum vom 19. August 2012 zur Last gelegt werden, denn ein zeitlicher Zusammenhang zu dem Konsum im Jahr 2011 könne nicht mehr hergestellt werden. Ein fehlendes Trennungsvermögen zwischen der Teilnahme am Straßenverkehr und dem Cannabiskonsum könne bei ihm auch nicht angenommen werden, denn dies sei erst ab einem Wert von 2,0 ng/ml THC gegeben. Jedenfalls habe der Beklagte zuvor ein ärztliches Gutachten anfordern müssen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. Oktober 2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei als gelegentlicher Cannabiskonsument anzusehen, weil er mindestens zweimal Cannabis in voneinander unabhängigen Konsumsakten eingenommen habe. Dies habe er im Gesundheitszeugnis vom 11. Dezember 2007 eingeräumt, wie auch im Jahr 2010 vor dem Amtsgericht Gifhorn sowie bei der Begutachtungsstelle für Fahreignung im Jahr 2011. Schließlich habe er bei der Verkehrskontrolle angegeben, am 19. August 2012 zuletzt Cannabis konsumiert zu haben. Hieraus ergebe sich ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang der Konsumsakte. Für das Vorliegen des fehlenden Trennungsvermögens seien keine zusätzlichen cannabisbedingten Beeinträchtigungen erforderlich, denn wer bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis einen Gefahrentatbestand setze, verfüge über das notwendige Trennungsvermögen nur, wenn er nach dem Konsum so viel Zeit verstreichen lasse, dass eine psychoaktive Beeinflussung des Fahrverhaltens zuverlässig ausgeschlossen sei.
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 11. September 2014 zugelassenen Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Selbst wenn bei ihm von einem gelegentlichen Cannabiskonsum auszugehen sei, sei das fehlende Trennungsvermögen jedenfalls nicht allein durch den ermittelten Blutwert von 1,2 ng/ml THC erwiesen. Nach der Rechtsprechung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (Beschluss vom 11. November 2004 – 11 CS 04.2348 – juris und Beschluss vom 25. Januar 2006 - 11 CS 05.1711 - juris) könne nicht grundsätzlich schon ab einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blut von einer „Drogenfahrt“ ausgegangen werden, sondern bei Werten unter 2,0 ng/ml sei davon auszugehen, dass keine Risikoerhöhung für den Straßenverkehr vorläge. Ein wissenschaftlich gesicherter Grenzwert, ab dem von einem Drogeneinfluss ausgegangen werden müsse, der die Verkehrssicherheit beeinträchtige, existiere nicht. Gemäß einer Studie hätten sich bei einer THC-Konzentration von 2,0 ng/ml nur bei etwa 50 % der Cannabiskonsumenten verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Auswirkungen feststellen lassen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis habe daher allenfalls nach vorheriger negativer medizinisch-psychologischen Begutachtung des Klägers erfolgen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Oktober 2013 zu ändern und den Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 4. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 22. April 2013 einschließlich der Gebührenforderung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil und meint, das Bundesverwaltungsgerichts habe mit seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2014 (3 C 3.13) bestätigt, dass ein fehlendes Trennungsvermögen bereits bei einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml gegeben sei. Auch sei der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mittlerweile von seiner Rechtsprechung abgerückt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen, der vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid vom 4. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtsgrundlage der Ordnungsverfügung vom 4. Dezember 2012 ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV. Danach ist die Fahrerlaubnis demjenigen zu entziehen, der sich als nicht befähigt oder ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ungeeignet ist unter anderem derjenige, der die notwendigen körperlichen und geistigen Voraussetzungen nicht erfüllt, welches gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere (auch) der Fall ist, wenn Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen. Ein solcher Mangel ist nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV gegeben, wenn gelegentlich Cannabis eingenommen wird und der Konsument nicht zwischen Konsum und Fahren trennen kann. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt. Im Einzelnen:
1. Der Kläger ist gelegentlicher Konsument von Cannabis. Ein gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt (in Abgrenzung zum „regelmäßigen“ und zum „einmaligen bzw. Probierkonsum“) vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3.13 –, 1. Leitsatz, Rn. 20 ff m.w.N., juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2009 – OVG 1 S 17.09 –, Rn. 5, juris). Ob ein zeitlicher Zusammenhang oder eine relevante Zäsur zwischen zwei Konsumakten anzunehmen ist, lässt sich nicht durch schematisch bestimmte Zeiträume festlegen, sondern bedarf einer Beurteilung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3.13 –, 1. Leitsatz, Rn. 21, juris).
Vorliegend kann unproblematisch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang zwischen den vom Kläger eingeräumten wiederholten Konsumakten hergestellt werden. Die vom Kläger eingestandene Konsumhistorie zeugt von einem über Jahre andauernden wiederkehrenden Konsummuster, welches im Grunde durchgehend verlief und nur - gleichsam umgekehrt - von abstinenten Phasen unterbrochen worden ist. So hat der Kläger einen ersten (Probier-) Konsum mit bereits 15 Jahren eingeräumt, also beginnend im Jahr 2003, und eine später anschließende, etwa wöchentliche Einnahme, unterbrochen von einer Abstinenzphase vom 12. Dezember 2009 bis Juni 2010. Zuletzt habe er dann am 23. Februar 2011 einen Joint geraucht. Seither bestehe Drogenabstinenz. Die Zeitspanne, über die sich die wöchentliche Einnahme hinzog, hat der Kläger zwar nicht benannt. Weiteren Cannabisgenuss hat er jedoch ausdrücklich für den Vorabend des 13. Juni 2007 eingestanden, an dem er „seine Restbestände“ von Marihuana aufbrauchte, sowie zweimalig für den Vorabend des 12. Dezember 2009. Erschwerend kommt hinzu, dass er bis Dezember 2009 eine sog. Indoorplantage zur Aufzucht von Cannabispflanzen betrieben hat, die seiner Aussage nach allein seinem Eigenkonsum gedient hat. Ein Anbau zum Eigenkonsum impliziert indes zwangsläufig einen einhergehenden wiederholten Cannabisgebrauch. Dieser Verlauf zeigt, dass der Kläger seinen Cannabiskonsum nach etwaigen Pausen mehrfach wieder aufgenommen hat. Der nur behauptete relativ kurze Abstinenzzeitraum von 18 Monaten kann deshalb keine Abkehr von diesem Konsummuster belegen, zumal dieser Zeitraum auch nicht gutachterlich nachgewiesen ist. Eine hinreichende, den gelegentlichen Konsum unterbrechende Zäsur ist dadurch nicht bewirkt werden.
2. Dem Kläger fehlt auch das Trennungsvermögen zwischen der gelegentlichen Einnahme von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges.
Cannabisbedingte Ausfallerscheinungen bzw. Verhaltensauffälligkeiten, welche für sich genommen bereits ein fehlendes Trennungsvermögen belegen, waren bei ihm nicht zu erkennen. Das fehlende Trennungsvermögen ist hier jedoch schon infolge der erreichten THC-Konzentration von 1,0 ng/ml (und mehr) im Blutserum anzunehmen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
a) Die Entziehung einer Fahrerlaubnis dient dem legitimen Zweck, den fahrungeeigneten Erlaubnisinhaber davon abzuhalten, aktiv mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen, um dadurch von ihm ausgehende Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs und damit verbundene Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Bürger abzuwenden (zur insoweit vergleichbaren Vorgängervorschrift des § 3 StVG, § 46 FeV: BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 –, Rn. 48, juris).
Ein verfassungsrechtlich tragfähiger Anlass zur Entziehung einer Fahrerlaubnis besteht danach u.a., wenn charakterlich-sittliche Mängel die Fahreignung ausschließen. Solche Mängel bestehen, wenn der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines solchen charakterlich-sittlichen Mangels ist die unzureichende Trennungsbereitschaft, die besteht, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit ist, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen (unzureichende Trennungsbereitschaft) (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 –, Rn. 49, juris; BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3.13 -, Rn. 30, juris).
Aus dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Normzweck des Fahrerlaubnisentzugs hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2014 (3 C 3.13) den für das Trennungsvermögen anzuwendenden Gefährdungsmaßstab entwickelt und dazu ausgeführt:
„Im Hinblick auf die schwerwiegenden Gefahren, die von in ihrer Fahrtüchtigkeit beeinträchtigten Kraftfahrzeugführern für Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer ausgehen können, ist es auch vor dem Hintergrund der staatlichen Pflicht, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, geboten, solche Risiken soweit wie möglich auszuschließen. Dementsprechend ist die Grenze eines hinnehmbaren Cannabiskonsums nicht erst dann überschritten, wenn mit Gewissheit eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit anzunehmen ist oder es - wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof fordert (vgl. u.a. VGH München, Beschluss vom 4. Juni 2007 - 11 CS 06.2806 - juris Rn. 20 m.w.N.) - zu einer signifikanten Erhöhung des Unfallrisikos kommt, sondern bereits dann, wenn die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht. ... Dieser Gefährdungsmaßstab deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es lässt - wie bereits erwähnt - in seinem (Kammer-) Beschluss vom 20. Juni 2002 für die Annahme fehlender Trennungsbereitschaft und damit eines charakterlich-sittlichen Eignungsmangels genügen, dass eine drogenbedingte Fahruntüchtigkeit jedenfalls nicht auszuschließen ist (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 a.a.O. S. 2380). In Übereinstimmung damit hält es für die Erfüllung des Tatbestandes des Führens eines Kraftfahrzeuges unter Cannabiseinfluss nach § 24a Abs. 1 und 2 StVG für erforderlich, aber auch für ausreichend, dass eine THC-Konzentration im Blut festgestellt wird, die eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit des am Straßenverkehr teilnehmenden Kraftfahrzeugführers möglich erscheinen lässt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - NJW 2005, 349). Diese Erwägungen sind auf das auf Prävention und Gefahrenabwehr zielende Vorgehen der Fahrerlaubnisbehörden auf der Grundlage der Fahrerlaubnis-Verordnung ohne Weiteres übertragbar“
(BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3.13 –, Rn. 33 - 36, juris).
Aus denselben Normzweckerwägungen hat das Bundesverwaltungsgericht für die Bestimmung des Grenzwertes abgeleitet, dass es sich dabei um einen „Risikogrenzwert“ handelt. Insofern führt es aus:
„Das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Normgeber zu Recht verfolgte Ziel, Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs durch Cannabiskonsum unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes so weit wie möglich auszuschließen, ist auch für die Bestimmung des im Rahmen der Nr. 9.2.2 Anlage 4 maßgeblichen THC-Grenzwertes von Bedeutung. Abzustellen ist daher darauf, ab welchem THC-Wert eine cannabisbedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit möglich ist oder - negativ formuliert - nicht mehr ausgeschlossen werden kann; insoweit handelt es sich um einen ‚Risikogrenzwert‘ “
(BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3.13 –, Rn. 37, juris).
Für die Bestimmung des hier maßgeblichen „Risikogrenzwertes“ kommt es folglich nicht darauf an, ab wann mit Gewissheit eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit anzunehmen ist bzw. ab wann eine signifikante Erhöhung des Unfallrisikos vorliegt, sondern ab wann die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht.
aa) Nach der - von anderen Obergerichten geteilten - Überzeugung des Senats ist der „Risikogrenzwert“ bei einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml Blutserum anzusetzen (vgl. z.B. BVerfG, Urteil vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 -, Rn. 29, juris [zu § 24a StVG]; VGH Mannheim, Urteil vom 22. November 2012 - 10 S 3174/11 -, Rn. 47 ff., juris, nicht beanstandet durch BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 3 C 3.13 -, Rn. 39, juris; OVG Münster, Urteile vom 1. August 2014 - 16 A 2806/13 -, Rn. 31, juris und vom 21. März 2013 - 16 A 2006/12 -, Rn. 34 ff., juris, jeweils m.w.N., Beschlüsse vom 23. Februar 2016 – 16 B 45/16, Rn. 11, juris, vom 5. Februar 2015 - 16 B 8/15 -, Rn. 5 f., juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2009 - 1 S 17.09 -, Rn. 6, juris; OVG Weimar, Beschluss vom 6. September 2012 - 2 EO 37/11 -, Rn. 16 ff., juris; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 - 2 B 341/11 -, Rn. 14 ff., juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 3 Bs 214/05 -, Rn. 20, juris; VGH Mannheim, Beschluss vom 27. März 2006 - 10 S 2519/05 -, Rn. 7, juris; OVG Schleswig, Urteil vom 17. Februar 2009 - 4 LB 61/08 -, Rn. 35 f., juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Juli 2003 - 12 ME 287/03 -, Rn. 7, juris; VGH München, Beschluss vom 23. Mai 2016 - 11 CS 16.690 -, Leitsatz, Rn. 15, juris, unter Aufgabe seiner vorherigen Rechtsprechung, diese grundlegend im Beschluss vom 25. Januar 2006 - 11 CS 05.1711 -, Rn. 45, juris).
Diese Grenzwertbestimmung stützt sich auf den Beschluss der gemeinsamen Arbeitsgruppe für Grenzwertfragen und Qualitätskontrolle (sog. Grenzwertkommission) vom 20. November 2002 - aktualisiert durch Beschluss vom 22. Mai 2007 (Blutalkohol 44 [2007], 311) und bekräftigt durch Empfehlung aus September 2015 (Blutalkohol 44 [2007], 311) - wonach der Grenzwert für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG bei einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml Blutserum liege. Bei der Grenzwertkommission handelt es sich um eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, die von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Gesellschaft für Forensische und Toxikologische Chemie im Jahr 1994 gegründet wurde und - paritätisch - mit hoch qualifizierten Wissenschaftlern besetzt ist (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 23. Februar 2016 - 16 B 45/16 -, Rn. 15, juris).
Bei diesem empfohlenen Grenzwert handelt es sich um einen sog. „analytischen Grenzwert“, d.h. einen Wert, der angibt, ab welcher Konzentration ein sicherer Nachweis und eine exakte Quantifizierung von THC bei Anwendung der Richtlinien der Gesellschaft für toxikologische und forensische Chemie möglich ist (vgl. Erläuterung im Beschluss der Grenzwertkommission vom 22. Mai 2007, (Blutalkohol 44 [2007], 311).
bb) Dieser „Risikogrenzwert“ bedarf keiner Korrektur durch die im September 2015 von der Grenzwertkommission veröffentlichte “Empfehlung für die Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) im Blutserum zur Feststellung des Trennungsvermögens von Cannabiskonsum und Fahren“ (Blutalkohol 44 [2007], 311), denn diese Empfehlung beruht auf einem begrifflichen Fehlverständnis des Tatbestandsmerkmals „Trennungsvermögen“. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
In der Empfehlung der Grenzwertkommission aus September 2015 heißt es:
„Als Voraussetzung für die Fahreignung gelegentlicher Cannabiskonsumenten wird die Einhaltung ausreichender Wartezeiten zwischen Konsum und Fahrtantritt gefordert (Trennungsvermögen, vergleiche Nr. 9.2.2 der Anl. 4 zur Fev).
Eine Leistungseinbuße ließ sich in experimentellen Studien frühestens ab 2 ng THC/ml Serum nachweisen ...; Ein erhöhtes Unfallrisiko ab einer THC-Konzentration im Serum von 4 ng/ml ... . Pharmakokinetische Studien zeigen, dass bei Konzentrationen ab 2 ng THC/ml Serum ... davon auszugehen ist, dass der letzte Konsum innerhalb weniger Stunden vor der Blutentnahme stattgefunden hat.
...
Die Grenzwertkommission empfiehlt daher auf der Grundlage dieser Ausführungen bei Feststellung einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum bei gelegentlich Cannabis konsumierenden Personen eine Trennung von Konsum und Fahren ... zu verneinen.
...
Eine Neubewertung des analytischen Grenzwertes von THC (1,0 ng/ml) gemäß der Empfehlung der Grenzwertkommission zur Anlage des § 24 Abs. 2 StVG ist nicht veranlasst.“
(Hervorhebungen durch den Senat).
(1) Bereits dem Empfehlungswortlaut selbst lässt sich entnehmen, dass die Grenzwertkommission das Tatbestandsmerkmal des Trennungsvermögens (irrtümlich) dahin versteht, dass damit (nur) eine „ausreichende Wartezeit“ zwischen Konsum und Fahrtantritt gefordert werde. Im Übrigen begründet sie die Grenzwertbestimmung mit der (positiven) Feststellung von „Leistungseinbußen“.
Beide Kriterien verkennen indes die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum „Risikogrenzwert“, denn für die rechtliche Beurteilung des Trennungsvermögens kommt es weder auf eine bestimmte Wartezeit noch auf bereits erkennbare Leistungseinbußen an. Vielmehr liegt nach dem dargelegten Gefährdungsmaßstab eine ausreichende Trennung nur vor, wenn der Betroffene Konsum und Fahren in jedem Fall in einer Weise trennt, dass durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3.13 –, Rn. 32, juris).
(2) Dass der heraufgesetzte Grenzwert auf einem aus dem Fehlverständnis des Trennungsbegriffs resultierenden Bezugspunkt basiert und sich auf das Verhältnis zwischen Blutwert und Wartezeit zum letzten Konsumakt bezieht, wird durch die erläuternden Ausführungen des Vorsitzenden der Grenzwertkommission in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vom 20. Januar 2016 (Urteil vom 20. Januar 2016 – 9 K 4303/15 -) bestätigt. Danach wollte sich die Grenzwertkommission (nur) dazu äußern, ab welchem (insofern erhöhten) Grenzwert ein hinreichend sicherer Rückschluss auf den Zeitpunkt des letzten Konsumaktes möglich ist, da bei einem Wert von 1 ng THC/ml Blutserum (noch) nicht zwingend darauf geschlossen werden könne, dass der letzte Konsum innerhalb weniger Stunden erfolgt sein müsse. Entsprechend hat der Sachverständige in den im Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen wörtlich wiedergegebenen Erläuterungen ausgeführt (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 – 9 K 4303/15 –, Rn. 78 ff, juris):
"Bezüglich des Sachverhalts, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 3 C 3.13 zugrunde lag, ist darauf hinzuweisen, dass die Aussage des Konsumenten, der angibt, vor 24 Stunden letztmalig konsumiert zu haben, und bei dem die Blutuntersuchung ergibt, dass noch THC im Blut von über 1 ng/ml vorhanden ist, nicht zwingend die Schlussfolgerung erlaubt, dass es einen weiteren Konsumakt zwischen dem zugestandenen Konsum und der Abnahme der Blutprobe gegeben haben muss. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, wie hoch konzentriert/dosiert der einen Tag zuvor aufgenommene Wirkstoff war."
Ergänzend hierzu hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass aufgrund der Halbwertzeiten, die im Laufe des Abbauprozesses stetig höher würden und am Ende auf bis zu 24 Stunden ansteigen könnten, zwar 2 ng THC/ml Blutserum relativ schnell unterschritten würden, gerade im Bereich von 1 ng THC/ml Blutserum die Kurve aber sehr lang quasi parallel zu diesem Wert verlaufen könne. Das Zeitfenster sei dementsprechend nicht so eng zu setzen. Selbst bei einem "normalen Joint" müssten 24 Stunden angesetzt werden, um sicher zu sein, dass der Wert wieder unter 1 ng THC/ml Blutserum liege (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 – 9 K 4303/15 –, Rn. 81, juris).
Aufbauend auf diese Erkenntnis hat die Grenzwertkommission den erhöhten Grenzwert von 3,0 ng/ml THC im Blutserum vorgeschlagen, bei dessen Vorliegen auf mangelndes Trennungsvermögen - im Sinne der Nichteinhaltung ausreichender Wartezeiten - geschlossen werden könne. Dieser (fehlgehende) Sinngehalt spiegelt sich im Wortlaut der Empfehlung, wo es eingangs heißt:
"Als Voraussetzung für die Fahreignung gelegentlicher Cannabiskonsumenten wird die Einhaltung ausreichender Wartezeiten zwischen Konsum und Fahrtantritt gefordert (Trennungsvermögen, vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV)."
Entsprechend hat auch der Sachverständige a.a.O. erläutert:
"Wenn das Trennvermögen so definiert wird, dass ein solches nicht vorliegt, wenn nach 4 bis 6 Std. Abstinenz ein bestimmter Grenzwert immer noch nicht unterschritten ist, so müsste dieser auf 3 ng THC/ml Blutserum festgesetzt werden. Dies entspricht der Empfehlung der Grenzwertkommission.“
"Die Grenzwertkommission ist nicht dazu berufen, den Begriff des Trennens zu definieren. Wir haben in unserer Empfehlung das Verständnis vom Trennungsvermögen aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 3 C 3.13 herausgelesen. Unter Zugrundlegung dieses Verständnisses haben wir dann unsere Empfehlung herausgegeben. Bei einer anderen Definition könnte es beim Wert von 1 ng THC/ml Blutserum verbleiben."
Und weiter:
"Bereits bei 1 ng THC/ml Blutserum kann es zu einer Verkehrsbeeinträchtigung kommen. Bezüglich des fehlenden Trennvermögens stellt die Grenzwertkommission hingegen auf 3 ng THC/ml Blutserum ab. Läge ein Trennen von Konsum und Fahren dann noch vor, wenn der Fahrer damit rechnen muss bzw. kann, dass noch wirkaktives THC in seinem Körper ist, dann würde derselbe Grenzwert wie der, der für § 24a StVG von der Grenzwertkommission festgelegt wurde, gelten."
(VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 – 9 K 4303/15 –, Rn. 86 ff., juris) (Hervorhebungen durch das Gericht).
Demzufolge ging es der Grenzwertkommission bei ihrer Empfehlung offensichtlich nicht um eine Korrektur des „Risikogrenzwertes“, sondern um die Bestimmung eines „Zeitgrenzwertes“. Dies bestätigt auch der letzte Satz der veröffentlichten Empfehlung. Darin heißt es:
"Eine Neubewertung des analytischen Grenzwertes von THC (1 ng/ml) gemäß der Empfehlung der Grenzwertkommission zur Anlage des § 24a Absatz 2 StVG ist nicht veranlasst."
(3) Der „Risikogrenzwert“ liegt nach Auffassung der Kommission indes auch weiterhin bei 1,0 ng/ml Blutserum. Insofern hat der Sachverständige nämlich erläutert, dass die Empfehlung aus September 2015 nicht auf grundlegenden neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhe, vielmehr habe man sich (nur) aus wissenschaftlicher Sicht zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2014 äußern wollen (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 – 9 K 4303/15 –, Rn 57 ff. juris).
So hat er ausgeführt (Hervorhebungen durch den Senat):
"Aufgrund der sog. Maastricht-Studie kann bei dem Wert von 2,0 ng THC/ml Blutserum gesagt werden, dass es bei bestimmten verkehrsrelevanten Parametern zu einer signifikanten Verschlechterung der Leistung kommt. ... Auch bei gemessenen Werten von unter 2 ng THC/ml Blutserum ist es nicht ausgeschlossen, dass es zu einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit kommt“.
Diese Aussage deckt sich mit den Zusammenfassungen der Ergebnisse der Studie selbst durch die beteiligten Wissenschaftler:
"Bei Werten von 5-30 ng/ml waren signifikante Beeinträchtigungen der Probanden in allen Tests feststellbar. Im Bereich von 2-5 ng/ml waren signifikante Beeinträchtigungen nur noch im feinmotorischen Test (CCT) messbar. Zwischen 1-2 ng/ml waren Beeinträchtigungen im feinmotorischen Bereich auch hier nicht mehr signifikant. ( ... ) Beim CCT war unter 2 ng/ml lediglich noch eine nicht signifikante Tendenz zu einer Beeinträchtigung zu erkennen. Unter 1 ng/ml ließen sich keine Unterschiede in der Leistung zwischen THC-Konsum und Placebo feststellen."
(Möller/Kauert/Tönnes/Schneider/Theunissen/Ramaekers, Leistungsverhalten und Toxikokinetik der Cannabinoide nach inhalativer Marihuanaaufnahme, in: Blutalkohol 43 [2006], 361, 368) (vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 – 9 K 4303/15 –, Rn. 68, juris).
Dementsprechend hat der Sachverständige weiter ausgeführt:
"Wie auch bereits bei meinen Ausführungen zum Beschluss der Grenzwertkommission zu § 24a StVG dargelegt, ist unter Umständen auch bereits bei 1 ng THC/ml Blutserum eine cannabisbedingte verkehrssicherheitsrelevante Leistungseinbuße nicht ausgeschlossen."
Die Grenzwertkommission hat eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit bei THC-Konzentrationen von unter 2,0 ng/ml also gerade nicht ausschließen können, sondern stellt die Möglichkeit solcher Beeinträchtigungen bei 1,0 ng/ml THC ersichtlich weiterhin fest.
cc) Die Anlehnung an die Empfehlungswerte zu § 24a Absatz 2 StVG ist sachgerecht. In der Sache handelt es sich nämlich ebenfalls um einen „Risikogrenzwert“ im Sinne der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, denn insoweit deckt sich der Sanktionsgrund des § 24a StVG mit dem gefahrenabwehrrechtlichen Entzugsgrund der §§ 3 StVG, 46 FeV. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungskonformen Auslegung des § 24a StVG, der vom Gesetzgeber unter Annahme einer - später nicht mehr haltbaren „Nullwertgrenze“ - eingeführt worden war, darf der Ordnungswidrigkeitentatbestand nur solche THC-Konzentrationen erfassen, die es als möglich erscheinen lassen, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. In seiner entsprechenden Entscheidung vom 21. Dezember 2004 (stattgebender Kammerbeschluss - 1 BvR 2652/03 -, juris, in der es um die Verurteilung eines Cannabiskonsumenten mit 0,5 ng/ml THC ging) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
„Allerdings kann die Regelung inzwischen auch zu Ergebnissen führen, die dem Einzelnen nicht mehr zugemutet werden können und vom Gesetzgeber auch nicht gewollt sind. Nach Satz 1 des § 24 a Abs. 2 StVG handelt ordnungswidrig nur, wer "unter der Wirkung" eines der in der Anlage zu der Vorschrift genannten berauschenden Mittel wie Cannabis im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung soll nach Satz 2 vorliegen, wenn im Blut eine in dieser Anlage genannte Substanz - bei Cannabis THC - nachgewiesen wird. Diese Regelung beruht auf der Annahme, dass bei einem solchen Nachweis die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Verkehrsteilnehmers gegeben ist, der durch das Verbot des § 24 a Abs. 2 StVG entgegengewirkt werden soll (vgl. BTDrucks 13/3764, S. 4 f.). Dabei ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass "die Wirkungs- und Nachweisdauer bei den einzelnen Mitteln übereinstimmen", weil die Feststellung der in der Anlage genannten Substanzen im Blut im Hinblick darauf, dass sie dort nur wenige Stunden nachgewiesen werden könnten, eine Aussage über den erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Einnahme des berauschenden Mittels und Blutentnahme gestatte (vgl. BTDrucks 13/3764, S. 5). Solange im Blut Substanzen eines der vom Gesetzgeber genannten Rauschmittel nachweisbar sind, sollte also nach dieser Vorstellung angenommen werden können, dass dieses Rauschmittel auf den Kraftfahrzeugführer so einwirkt, dass die der Ordnungswidrigkeitenvorschrift zugrunde liegende Annahme einer abstrakten Verkehrsgefährdung eingetroffen und eine Sanktionierung nach dieser Vorschrift gerechtfertigt ist.
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme unter Hinweis auf neueres Schrifttum (insbesondere Bönke, BA 2004, Supplement 1, S. 4 <6>) ausgeführt hat, haben sich insoweit infolge des technischen Fortschritts inzwischen die Verhältnisse geändert. Danach hat sich die Nachweisdauer für das Vorhandensein von THC aufgrund von Blutproben wesentlich erhöht. Spuren der Substanz ließen sich nunmehr über mehrere Tage, unter Umständen sogar Wochen nachweisen. Die Annahme des Gesetzgebers von der Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit treffe deshalb für Cannabis nicht mehr zu. Dies hat zur Folge, dass auch dann noch ein positiver Drogenbefund bei der Blutuntersuchung festgestellt werden kann, wenn der Konsum des Rauschmittels schon längere Zeit vor der Fahrt erfolgte und von der Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit deshalb nicht mehr ausgegangen werden kann (vgl. Bönke, wie vor). Der Vorstellung des Gesetzgebers, die in der Anlage zu § 24 a StVG aufgeführten Wirkstoffe seien nur in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Genuss des berauschenden Mittels im Blut nachweisbar (vgl. BTDrucks 13/3764, S. 5), ist damit für THC die Grundlage entzogen.
Mit Rücksicht darauf kann nicht mehr jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG ausreichen. Festgestellt werden muss vielmehr eine Konzentration, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdelikts als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war.“
(BVerfG Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 -, Rn. 26 ff., juris) (Hervorhebungen durch den Senat).
Da der Grenzwert des § 24a Abs. 2 StVG nach dieser Auslegung auch den „Risikogrenzwert“ markiert, ab dem die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht mehr ausgeschlossen werden kann, darf und muss für die Annahme des Trennungsverstoßes derselbe Maßstab zugrunde gelegt werden.
dd) Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht den „Risikogrenzwert“ von 1,0 ng/ml THC in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2014 (- 3 C 3.13 -, Rn. 39 ff., juris) gebilligt, denn es hat den vorinstanzlich aus der tatsachengerichtlichen Würdigung sachverständiger Erkenntnisse entnommenen Grenzwert nicht beanstandet.
ee) Schließlich ist ein - vom Kläger allerdings nicht geltend gemachter -Toleranzabzug von der gemessenen THC-Konzentration im Blut nicht vorzunehmen. Etwaige Messwertschwankungen würden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nämlich zu Lasten des Betroffenen gehen, weil es sich im vorliegenden Gefahrenabwehrrecht um ein diesem zuzurechnendes Risiko handelt (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3.13 –, Rn. 47, juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.