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Amtsgericht Castrop-Rauxel Beschluss vom 12.07.2016 - 6 OWi - 252 Js 234/16 - 23/16 - Strenge Prüfung von Terminsverlegungswünschen bei drohendem Fahrverbot
AG Castrop-Rauxel v. 12.07.2016: Strenge Prüfung von Terminsverlegungswünschen bei drohendem Fahrverbot
Das Amtsgericht Castrop-Rauxel (Beschluss vom 12.07.2016 - 6 OWi - 252 Js 234/16 - 23/16) hat entschieden:
Terminsverlegungsanträge in Ordnungswidrigkeitensachen, bei denen ein Fahrverbot droht, sind besonders kritisch zu prüfen. Vom Verteidiger kann deswegen verlangt werden, substantiiert zu den Gründen eines Terminsverlegungsantrages vorzutragen, insbesondere substantiiert vorzutragen und glaubhaft zu machen, in den gesamten Sommerferien über sechseinhalb Wochen wegen Urlaubsabwesenheit keine Gerichtstermine wahrnehmen zu können.
Siehe auch Terminsverlegung und Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren
Gründe:
Der Antrag des Verteidigers auf Terminsverlegung ist unbegründet.
Nach § 213 StPO wird der Termin zur Hauptverhandlung von dem Vorsitzenden des Gerichts anberaumt. Über § 46 Abs. 1 OwiG findet § 213 StPO auch im Ordnungswidrigkeitenrecht Anwendung. Auf eine Verlegung des Termins haben die Prozessbeteiligten grundsätzlich keinen Anspruch. Der Vorsitzende entscheidet über solche Anträge nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der Terminsplanung des Gerichts (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 213 Rn. 7 mit weiteren Nachweisen insbesondere zur Rechtsprechung). Zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ist dabei dem Verteidiger zuzumuten, substantiiert zu einem kollidierenden Termin vorzutragen und das Gericht so in die Lage zu versetzen, nicht nur den Termin zu überprüfen, sondern überdies weitere abwägungsrelevante, entscheidungserhebliche Tatsachen in Erfahrung zu bringen, etwa ob die Terminskollision aufgrund einer kurzfristigen Mandatierung des Verteidigers in anderer Sache nach der eigenen Terminsladung entstanden ist (OLG Schleswig, Beschluss vom 15.07.2014 - Aktenzeichen 1 Ss OWi 116/14 (133/14), BeckRS 2015, 04651, beck-online). Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass der Verteidiger ohne weitere Substantiierung behauptet, sechseinhalb Wochen in den Sommerferien urlaubsabwesend zu sein. Weil der Verteidiger hier lediglich mit Schriftsatz vom 07.07.2016 ohne nähere Begründung anwaltlich versichert hat, in den Sommerferien urlaubsabwesend sein, war der Terminsverlegungsantrag zurückzuweisen.
Das Gericht hat bei seiner Ermessensentscheidung folgende Aspekte berücksichtigt:
Im vorliegenden Verfahren geht es um einen so genannten „qualifizierten“ Rotlichtverstoß, d.h. das Rotlicht dauerte möglicherweise länger als eine Sekunde. Als mögliche Rechtsfolge droht dem Betroffenen im Falle einer Verurteilung ein einmonatiges Fahrverbot. Es wurde bereits ein Sachverständigengutachten durch den Sachverständigen G. eingeholt. Der Sachverständige G. ist Sachverständiger im Sachverständigenbüro S. und B.. Dieses Büro und auch der Sachverständige G. sind gerichtsbekannt überregional tätig, was zu langen Bearbeitungszeiten bei diesem Büro führen kann. Aufgrund der Terminsdichte des Sachverständigen G. muss bei einer erneuten Verlegung des Hauptverhandlungstermins mit einem Terminsverlegungsantrag des Sachverständigen und in der Folge mit einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens gerechnet werden. Das wird schon daran deutlich, dass der Sachverständige G. bzgl. des Termins am 15.07.2016 mit Schreiben vom 24.06.2016 wegen eines Termins am Landgericht Münster um Terminsverlegung bitten musste (vgl. Bl. 159 d.A.).
Ferner ist zu berücksichtigen, dass zum Hauptverhandlungstermin neben dem Sachverständigen G. auch noch die drei beteiligten Polizeibeamten als Zeugen zu laden sind, bei denen gegebenenfalls auch mit Terminsverlegungsanträgen zu rechnen ist. Für den Termin am 29.07.2016 wäre hingegen allen drei Zeugen und dem Sachverständigen das Erscheinen zum Gerichtstermin möglich.
Bei dem Terminverlegungsantrag hat das Gericht zudem die Terminslage des Spruchkörpers berücksichtigt. Der erkennende Richter befindet sich in der Zeit vom 22. August bis einschließlich 09.09.2016 in Urlaub. Es sind deswegen schon Termine ab dem 20.09.2016 anberaumt, zur Zeit terminiert das Gericht für den 30.09.2016. Eine Verlegung des Termins würde also eine weitere erhebliche Verzögerung mit sich bringen. Diese ist schon deswegen nicht angezeigt ist, weil der Verteidiger mit Schriftsatz vom 16.06.2016 (Bl. 154 d.A.) dargelegt hat, dass aus seiner Sicht der Sachverständige die ihm gestellte Beweisfrage bislang nicht beantwortet hat. Es muss also davon ausgegangen werden, dass weitere Beweisanträge durch die Verteidigung gestellt werden und ggf. nach dem erneuten Hauptverhandlungstermin die Sache noch nicht entscheidungsreif ist. Insoweit muss bei der Terminierung aber auch den kurzen Verjährungsfristen im Ordnungswidrigkeitenrecht und den Besonderheiten der Rechtsprechung zur Angemessenheit von Fahrverboten Rechnung getragen werden. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist anerkannt, dass bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat (Datum der möglichen Tat hier: August 2015) und Urteil der erzieherische Sinn und Zweck des Fahrverbots an sich infrage gestellt sein kann (vergleiche OLG Celle, Beschluss vom 18.07.2012, Aktenzeichen: 311 SsBs 82/12; Krumm, Das Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Auflage 2014, § 6 Rn. 164 m.w.N.). Regelmäßig wird daher in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte postuliert, dass bei einer Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren ein Fahrverbot in der Regel nicht mehr angeordnet werden kann. Vor diesem Hintergrund sind Terminsverlegungsanträge in Ordnungswidrigkeitensachen, bei denen ein Fahrverbot droht, besonders kritisch zu prüfen. Vom Verteidiger kann gerade deswegen verlangt werden, substantiiert zu den Gründen eines Terminsverlegungsantrages vorzutragen.
Demgegenüber war die anwaltliche Versicherung des Verteidigers, dass er tatsächlich die gesamten Sommerferien, d.h. sechseinhalb Wochen, urlaubsabwesend sei und keinen Gerichtstermin wahrnehmen könne, einer Ermessensprüfung nicht zugänglich. Nach der oben genannten Rechtsprechung, insbesondere des Oberlandesgerichts Schleswig, ist dem Verteidiger zuzumuten, substantiiert darzulegen, dass er über einen Zeitraum der gesamten Ferien urlaubsabwesend ist und keine Termine wahrnehmen kann. Folgte man der Rechtsansicht des Verteidigers, so hätte es die Verteidigung in der Hand, über die schlichte anwaltliche Versicherung ohne konkreten Vortrag dafür zu sorgen, dass innerhalb der Sommerferien keine Gerichtstermine in Strafsachen stattfinden könnten. Damit würde quasi „durch die Hintertür“ eine dem § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO (Ehemalige Gerichtsferien) entsprechende Regelung in die StPO eingeführt. Das hat der Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt, eine dem § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO entsprechende Regelung findet sich in der StPO nicht.
Im Übrigen kommt eine Terminsverlegung zum jetzigen Zeitpunkt auch deshalb nicht in Betracht, weil der Betroffene ausweislich der Vollmacht vom 20.10.2015 hier zwei Wahlverteidigern, nämlich Herrn Rechtsanwalt X. und Herrn Rechtsanwalt Y. Vollmacht erteilt hat (vgl. die Vollmacht Bl. 14 d.A.).
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass nach einem Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung eine anwaltliche Versicherung zur Glaubhaftmachung des Hinderungsgrundes ausreichend sein soll. Hier ist aber bereits eine Prüfung der Hinderungsgründe des Verteidigers durch das Gericht nicht möglich, weil der Hinderungsgrund nicht substantiiert vorgetragen wird. Insofern kommt es auf die Art der Glaubhaftmachung hier nicht an.