Das Verkehrslexikon

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VGH München Beschluss vom 24.02.2015 - 11 CS 15.120 - Einnahme von amphetaminhaltigem Arzneimittel Medikinet

VGH München v. 24.02.2015: Einnahme von amphetaminhaltigem Arzneimittel Medikinet (Methylphenidat) und Fahreignung


Der VGH München (Beschluss vom 24.02.2015 - 11 CS 15.120) hat entschieden:
Der Konsum des verschreibungspflichtigen Medikaments Medikinet mit dem Wirkstoff Methylphenidat ohne ärztliche Verschreibung erfüllt den Tatbestand der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV. Bei imehrmaliger Einnahme ist eine gutachterliche Überprüfung der Fahreignung gerechtfertigt.


Siehe auch Krankheiten und Fahrerlaubnis und Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein


Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A18, A1, B, BE, L, M und S.

Bei einer Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume im April 2014 fand die Polizei 9 Gramm Amphetamin, Marihuana, Haschisch, eine Ecstasy-​Tablette und Gebrauchsutensilien. Mit Schreiben vom 2. Juli 2014 forderte die Fahrerlaubnisbehörde ihn daraufhin auf, bis 2. September 2014 ein ärztliches Gutachten mit mindestens zwei Urinscreenings beizubringen. Das Gutachten sollte zu der Frage Stellung nehmen, ob der Antragsteller Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder andere fahreignungsrelevante psychoaktiv wirkende Stoffe im Sinne des StVG einnahm bzw. einnimmt, die die Fahreignung nach Anlage 4 FeV in Frage stellen.

Nachdem das Gutachten nicht fristgereicht beigebracht wurde, entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 die Fahrerlaubnis (Nr. 1), ordnete die Abgabe des Führerscheins spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheids (Nr. 2) und die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 des Bescheids an (Nr. 3).

Über den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Regierung von Unterfranken nach Aktenlage noch nicht entschieden. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren legte der Antragsteller ein ärztliches Attest des Dr. R..., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 23. September 2014 vor. Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller seit ca. 2,5 Monaten das Medikament Medikinet eines anderen Patienten einnehme. Die Erstverordnung dieses Medikaments an den Antragsteller sei am 18. September 2014 erfolgt. Weiter legte er ein ärztliches Gutachten der pima mpu GmbH vom 23. Oktober 2014 vor. Dabei wurden in drei Urinproben vom 11. August 2014, 16. September 2014 und 7. Oktober 2014 jeweils Amphetamine festgestellt. Der Antragsteller gab bei der Untersuchung am 16. September 2014 an, er nehme an Medikamenten seit 2009 täglich 10 mg Abilify, da er unter einer schizo-​affektiven Psychose leide. Seit ca. einem Jahr werde ihm von der Praxis Dr. ..., Würzburg, gegen Depressionen auch das Medikament Methylphenidat (Handelsnamen: Medikinet, Ritalin) verschrieben. Entgegen der ärztlich vorgeschlagenen täglichen Einnahme nehme er das Medikament aber nur alle 2 bis 3 Tage. Das ärztliche Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller ein einmaliger Haschisch- bzw. Marihuana-​Probierkonsum vorliege. Gegenwärtig bestehe aber eine nicht ausreichend reglementierte Einnahme von fahreignungsrelevanten psychoaktiv wirkenden Stoffen, die die Fahreignung nach Anlage 4 FeV in Frage stellten, da der Antragsteller das amphetamin-​haltige Medikament Medikinet einnehme.

Den Eilantrag hat das Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 22. Dezember 2014 abgelehnt. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die Frage im Schreiben vom 2. Juli 2014 unzulässig gewesen sei. Nachdem der Antragsteller ein Gutachten vorgelegt habe, könne dieses aber gleichwohl verwertet werden. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs seien offen. Es bestehe jedoch Anlass, zunächst die Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen erneut begutachten zu lassen. Die Interessenabwägung falle zu seinen Lasten aus.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Der Antragsteller macht geltend, es würden keinerlei konkrete Umstände ins Feld geführt, aus welchen Gründen den öffentlichen Interessen der Vorrang eingeräumt werden müsse. Es sei nicht nachvollziehbar, dass eine jahrzehntelange unfallfreie Teilnahme am Straßenverkehr keine Bedeutung habe. Der Bescheid sei auf einen Verdacht des Betäubungsmittelkonsums und die Nichterfüllung der Vorlage eines Gutachtens gestützt. Beide Vorwürfe würden nicht zutreffen. Nunmehr stehe plötzlich die angeblich nicht ordnungsgemäße Beachtung einer ärztlichen Verordnung von Medikinet im Raum. Der Antragsteller legte eine gutachterliche Stellungnahme von Dr. ..., Ärztin für Neurologie – Psychiatrie – Psychotherapie vom 8. Dezember 2014 vor. Daraus ergibt sich, dass die letzte Medikation 10 mg Abilify beträgt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.


II.

Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.

Nach summarischer Prüfung wird der Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Oktober 2014 voraussichtlich erfolglos bleiben, weil der Antragsgegner dem Antragsteller zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen hat. Der Antragsteller ist fahrungeeignet, denn er hat ohne Nachweis einer ärztlichen Verschreibung ein Medikament mit dem Wirkstoff Methylphenidat, bei dem es sich nach Anlage III zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) um ein verkehrsfähiges und verschreibungs-​pflichtiges Betäubungsmittel handelt, über einen längeren Zeitraum eingenommen. Dieser Umstand ist von der Widerspruchsbehörde auch zu berücksichtigen.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-​Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).

Der Konsum eines verschreibungspflichtigen Betäubungsmittels ohne ärztliche Verschreibung erfüllt den Tatbestand der Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2014 – 11 CS 14.288 – juris Rn. 7; B.v. 31.5.2007 – 11 C 06.2695 – juris Rn. 18). Der Antragsteller hat das verschreibungspflichtige Medikament Medikinet nach seinen eigenen Angaben seit ca. September 2013 eingenommen, ohne eine ärztliche Verschreibung nachzuweisen. Bei seiner Begutachtung am 16. September 2014 im Rahmen der Erstellung des ärztlichen Gutachtens durch die pima mpu GmbH hat er angegeben, das Medikament werde ihm seit einem Jahr von der Praxis Dr. ... verschrieben, er nehme es aber nur alle zwei bis drei Tage. Dies stimmt mit dem Inhalt der vorliegenden Stellungnahmen der Praxis Dr. ... nicht überein. Mit gutachterlichen Stellungnahmen vom 16. Dezember 2013 und 8. Dezember 2014 wird jeweils nur die Medikation mit 10 mg Abilify bestätigt. Nur das ärztliche Attest des Dr. R... vom 23. September 2014 bestätigt eine Verschreibung von Medikinet seit 18. September 2014. In dem Attest des Dr. R... wird aber auch ausgeführt, dass der Antragsteller angegeben habe, seit ca. 2,5 Monaten die Hälfte der Dosis des Medikaments Medikinet eines anderen Patienten eingenommen zu haben. Dies wäre wohl nicht erforderlich gewesen, wenn ihm tatsächlich von Dr. ... Methylphenidat verschrieben worden wäre.

Selbst wenn man davon ausginge, dass der Antragsteller den Nachweis der ärztlichen Verordnung für die Zeit vor dem 18. September 2014 noch nachträglich erbringen könnte, wäre ein Wegfall der Fahreignung durch die Medikation gemäß Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV anzunehmen. Wie das vorgelegte Gutachten der pima mpu GmbH vom 23. Oktober 2014 zutreffend feststellt, erfolgte die Einnahme des Medikaments offensichtlich nicht entsprechend einer ärztlichen Verordnung, sondern im Belieben des Antragstellers.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5, 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).