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OLG Celle Beschluss vom 21.04.2016 - 2 Ss (OWi) 82/16 - Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtbeiziehung der Rohmessdaten

OLG Celle v. 21.04.2016: Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtbeiziehung der Rohmessdaten


Das OLG Celle (Beschluss vom 21.04.2016 - 2 Ss (OWi) 82/16) hat entschieden:
  1. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Anforderungen an eine Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs bei beantragter Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung eines Messgerätes sind auch auf die Herausgabe von Rohmessdaten zu übertragen. Danach muss sich der Betroffene bis zum Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist um die Herausgabe und ggf. Entschlüsselung der Rohmessdaten bemühen und vortragen, welche Anstrengungen er insoweit bis zum Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist unternommen hat (OLG Celle, 21. März 2016, 2 Ss (OWi) 77/16).


    Der Betroffene muss sich außerhalb der Hauptverhandlung und ggf. auch unter Einsatz finanzieller Mittel darum bemühen, Anhaltspunkte für eine Fehlmessung zu ermitteln. Wenn das Amtsgericht es aus Amtsaufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich erachtet, selbst in die Rohmessdaten Einsicht zu nehmen bzw. dazu ein Sachverständigengutachten einzuholen, weil keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vorliegen, ist dies nicht zu beanstanden.

Siehe auch Akteneinsichtsrecht in die Bedienungsanleitungen und Geschwndigkeitsmessungen


Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um 89 km/h zu einer Geldbuße von 400,00 € verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet der Betroffene sich mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Sachrüge und mehrere Verfahrensrügen erhebt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen bleibt ohne Erfolg. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft Bezug. Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen:

1. Die Verfahrensrüge zur Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtbeiziehung der Rohmessdaten erweist sich als unzulässig. Der Senat hat bereits entschieden, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Anforderungen an eine Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs bei beantragter Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung eines Messgerätes auf die Herausgabe von Rohmessdaten zu übertragen sind. Danach muss sich der Betroffene bis zum Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist um die Herausgabe und ggf. Entschlüsselung der Rohmessdaten bemühen und vortragen, welche Anstrengungen er insoweit bis zum Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist unternommen hat (vgl. dazu Beschl. des Senats v. 21. März 2016, 2 Ss (OWi) 77/16). Der Betroffene muss sich außerhalb der Hauptverhandlung und ggf. auch unter Einsatz finanzieller Mittel darum bemühen, Anhaltspunkte für eine Fehlmessung zu ermitteln (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, NZV 2016, 140). Wenn das Amtsgericht es aus Amtsaufklärungsgesichtspunkten nicht für erforderlich erachtet, selbst in die Rohmessdaten Einsicht zu nehmen bzw. dazu ein Sachverständigengutachten einzuholen, weil keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vorliegen, ist dies nicht zu beanstanden.

2. Soweit gerügt wurde, dass ein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens wegen der Verwendung eines Kabels mit mehr als drei Metern Länge abgelehnt wurde, erweist sich diese Rüge als unbegründet. Es ist unzutreffend, dass die physikalisch-​technische Bundesanstalt in ihrer Stellungnahme vom 22. Mai 2015 ausschließlich als Privatunternehmen für den Gerätehersteller tätig gewesen ist, die Firma L. den Prüfauftrag an ein damals noch nicht akkreditiertes Labor vergeben hat und die P. die Auswirkungen der Kabellänge daher nicht sorgfältig geprüft habe. Die Generalstaatsanwaltschaft weist zutreffend darauf hin, dass das von der Firma L. beauftragte Labor über eine Akkreditierung u. a. für EMV-​Prüfungen zum fraglichen Zeitpunkt verfügte. Die P. ist auch nicht ausschließlich als Privatunternehmen tätig geworden. Vielmehr ist die P. nach Inkrafttreten des Gesetzes über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie über Fertigverpackungen (Mess- und Eichgesetz) am 1. Januar 2015 gemäß §§ 13 ff. als anerkannte behördliche Konformitätsbewertungsstelle gem. § 14 Abs. 3 MessEG tätig geworden, in § 14 Abs. 3 MessEG ist die Physikalisch Technische Bundesanstalt im Zusammenhang mit ihr angegliederten Konformitätsbewertungsstellen ausdrücklich erwähnt. Mit dem Inkrafttreten des neuen Mess- und Eichgesetzes sind Art und Umfang der technischen Prüfungen von Verkehrsmessgeräten im Vergleich zum früheren Zulassungsverfahren für die innerstaatliche Bauartzulassung unverändert geblieben, lediglich der formale Rahmen des Verfahrens hat sich geändert (vgl. dazu Stellungnahme zu technischen Grundsatzfragen der P., abrufbar im Internet). Vor diesem Hintergrund ist es nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Amtsgericht sich aufgrund der Stellungnahme der P. vom 22. Mai 2015 die Überzeugung davon verschafft hat, dass bei der hier im Raum stehenden Überschreitung der Kabellänge kein Einfluss auf das Messergebnis zu erwarten ist.

3. Hinsichtlich der unterbliebenen Beiziehung der Eichakten kann auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil und der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft verwiesen werden. Ausweislich der Gebrauchsanweisung für das Messgerät sind die Kabel nicht eichpflichtig, sodass sich die Eichung des Gerätes auch nicht auf die Eichung der Kabel bezog. Damit kann aus dem Umfang der Eichung kein Rückschluss auf eine fehlerhafte oder unsorgfältige Durchführung des Eichvorganges gezogen werden.

4. Auch die Sachrüge erweist sich als unbegründet. Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Fahreridentifikation entsprechen, wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, den Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung.



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