Das Verkehrslexikon
Amtsgericht Frankenthal Urteil vom 05.08.2016 - 3a C 143/16 - Misslungener Anscheinsbeweis und Haftungsverteilung bei Parkplatzunfall
AG Frankenthal v. 05.08.2016: Misslungener Anscheinsbeweis und Haftungsverteilung bei Parkplatzunfall
Das Amtsgericht Frankenthal (Urteil vom 05.08.2016 - 3a C 143/16) hat entschieden:
Zwar spricht gegen den Rückwärtsfahrenden auch bei dem Ausparken auf Parkplätzen ein Anscheinsbeweis der schuldhaften Unfallverursachung, wenn feststeht oder bewiesen ist, dass die Kollision beim Rückwärtsfahren des Verkehrsteilnehmers stattgefunden hat. Kann der Anspruchsteller diesen ihm obliegenden Beweis nicht führen und bleibt der Unfallhergang somit unaufklärbar, so haften die Unfallbeteiligten jeweils zur Hälfte.
Siehe auch Rückwärts Ausparken aus Parklücken und Stichwörter zum Thema Halten und Parken
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Eigentümer und Halter des vollkaskoversicherten PKW VW Passat, amtliches Kennzeichen DÜW-... von dem Beklagten zu 1. als Fahrer des bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten PKW Mercedes Benz, amtliches Kennzeichen PF-... restlichen Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aufgrund eines Verkehrsunfalles am 02.02.2015 auf dem Parkplatz des Penny-Marktes in Frankenthal (Pfalz) in der Benderstraße. Der Kläger befuhr den Parkplatz, um in eine rechtsgelegene Parkbucht einzufahren und schlug zunächst nach links ein, als er mit dem aus einer links gelegenen Parkbucht rückwärts ausparkenden Fahrzeug des Beklagten zu 1. zur Kollision kam. Die Einzelheiten stehen zwischen den Parteien in Streit, insbesondere ob der Beklagte im Zeitpunkt der Kollision stand. Außergerichtlich bezifferte der Kläger seinen Schaden, den er zu 100 % geltend macht, auf Reparaturkosten in Höhe von 4.283,45 € gemäß der Rechnung der Firma Volkswagen Automobile Rhein-Neckar vom 21.12.2015, einer Wertminderung gemäß dem Dekra-Gutachten vom 07.12.2015 in Höhe von 200,00 € sowie einem Nutzungsaufall für die Dauer der Reparatur vom 14. - 21.12.2015 (8 Tage) zuzüglich 4 Tage Überlegungszeit und Erstellung des Gutachtens, insgesamt 12 Tage á 50,00 €, mithin 600,00 € neben einer Kostenpauschale von 25,00 €, auf insgesamt 5.108,95 €. Die Beklagte zu 2. hat außergerichtlich insgesamt 2.254,48 € unter Zugrundelegung einer 50 %igen Haftungsquote auf die Positionen Reparaturkostenrechnung, Wertminderung sowie Kostenpauschale gezahlt, daneben hat die Beklagte zu 2. vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 334,75 € brutto gezahlt.
Der Kläger trägt vor, der Beklagte zu 1. sei plötzlich und unerwartet rückwärts aus der Parkbucht unter Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO gefahren und sei mit dem berechtigter Weise nach links ausholenden Klägerfahrzeug, das vorwärts in die Parklücke einfahren wollte, kollidiert. Die Beklagten haften daher alleine, gegen den Beklagten zu 1. spreche der Anscheinsbeweis der schuldhaften Sorgfaltspflichtsverletzung.
Der Kläger hatte die Rechtsanwälte am 10.12.2015 beauftragt,
die Beklagten seien gesamtschuldnerisch zur Zahlung restlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 236,69 € verpflichtet,
hilfsweise
werde deren Freistellung beantragt.
Nachdem der Kläger seinen Kaskoversicherer in Anspruch nahm, der 2.141,09 € gezahlt habe, werde der Rechtsstreit in der Hauptsache von 2.141,98 € für erledigt erklärt und beantragt:
- Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 457,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2016, zu bezahlen.
- Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 236,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zu bezahlen,
hilfsweise,
- die Beklagten zu verurteilen, dem Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 236,39 € gegenüber den Rechtsanwälten St. & U., F., freizustellen.
Die Beklagten widersprechen der Erledigungserklärung und beantragen,
die Klage abzuweisen
und vertreten die Auffassung, dass der Kläger den Unfall allein verursacht habe, die Beklagten müssten sich allenfalls eine Mithaftung in Höhe von 50 % entgegen halten lassen.
Der Beklagte zu 1. habe sein Fahrzeug langsam in Richtung Parkplatzfahrbahn zurückgesetzt, als aus seiner Sicht von links das klägerische Fahrzeug angefahren gekommen sei, woraufhin der Beklagte zu 1. sein Fahrzeug zum Stehen gebracht habe, um dem Kläger das Vorbeifahren zu ermöglichen. Der Kläger habe jedoch offensichtlich das Fahrzeug des Beklagten übersehen und sei mit diesem kollidiert. Der Kläger habe dabei gegen das Rechtsgebot verstoßen.
Die weiter geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren seien unschlüssig.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Parteien persönlich angehört gemäß § 141 ZPO und daneben Beweis erhoben durch Einholung eines mündlich erstatteten Gutachtens des Kfz-Sachverständigen Dipl. Ing. B. B.; wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 28.07.2016 (Bl. 43 ff. der Akten) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagten als Gesamtschuldner keine weitergehenden Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren über die durch die Beklagte zu 2. vorgerichtlich regulierten 2.254,48 € auf die Reparaturkostenrechnung vom 21.12.2015 in Höhe von 4.283,95 € sowie der Wertminderung gemäß Gutachten der Dekra vom 07.12.2015 in Höhe von 200,00 € und der Kostenpauschale von 25,00 € unter Berücksichtigung einer Mithaftungsquote von 50 % zu, §§ 7, 17, 18 StVG, § 2 Abs. 1, Abs. 2 StVO, §§ 249 ff. BGB, § 115 Abs. 1 VVG.
Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Unfallhergang nicht mehr aufklärbar, so dass der Haftung eine Haftungsquote von jeweils 50 : 50 zugrunde zu legen ist (vgl. OLG Zweibrücken Urteil vom 30.07.2008 - 1 U 19/08).
Zwar spricht gegen den Rückwärtsfahrenden auch bei dem Ausparken auf Parkplätzen ein Anscheinsbeweis der schuldhaften Unfallverursachung, § 9 Abs. 5 StVO, wenn feststeht oder bewiesen ist, dass die Kollision beim Rückwärtsfahren des Verkehrsteilnehmers stattgefunden hat (BGH Urteil vom 15.09.2015 - VI ZR 615). Diesen, ihm obliegenden Nachweis, vermochte der Kläger nicht mit der zur Überzeugung des Amtsgerichts erforderlichen Sicherheit führen.
Der Kläger hat bei seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO angegeben, dass er nach rechts in eine Parklücke habe einparken wollen und daher nach links seiner Erinnerung nach im Schritttempo fuhr, um in die Parklücke einzufahren, als der Beklagte zu 1. mit seinem Fahrzeug rückwärts gefahren sei. Ob er den Blinker gesetzt habe, vermochte der Kläger nicht mehr anzugeben, auch dazu, ob er noch gebremst habe im Zeitpunkt der Kollision vermochte er keine sicheren Angaben zu machen.
Der Beklagte zu 1. hat demgegenüber erklärt, er habe rückwärts ausparken wollen, nach links gesehen und das Fahrzeug des Klägers erkannt, er habe dann angehalten als es zum Anstoß gekommen sei. Seiner Erinnerung nach habe er ca. einen halben bis einen Meter aus der Parklücke herausgeragt. Er habe im Zeitpunkt des Anstoßes gestanden. Der Sachverständige Dipl. Ing. B. B. hat bei seinem mündlich erstatteten Gutachten widerspruchsfrei festgestellt, dass die Angaben des Klägers plausibel seien, dass er zum Kollisionszeitpunkt mit Schrittgeschwindigkeit gefahren sei aufgrund der an dem Fahrzeug vorhandenen Kontaktspuren, welche auch dafür sprächen, dass das Beklagtenfahrzeug bei Kollision bei einer minimalen Geschwindigkeit in einer Rückwärtsbewegung gewesen sei. Die Verbreiterung der Kontaktspuren könne allerdings auch dadurch verursacht worden sein, dass die Front des PKW Passat gerundet ist. Der Sachverständige konnte nicht vollständig ausschließen, dass das Beklagtenfahrzeug unmittelbar vor Kollision zum Stillstand gekommen sei. Die Angaben des Beklagten seien nach den sachverständigen Feststellungen grundsätzlich möglich, jedoch aus technischer Sicht nicht nachweisbar. Aufgrund der dokumentierten Position der Fahrzeuge müsse das Beklagtenfahrzeug zum Kollisionszeitpunkt etwas mehr als 0,5 m aus der Parklücke herausgefahren sein. Eine weitere Aufklärung des Verkehrsunfallgeschehens war dem Sachverständigen nicht möglich.
Nach dem Vorgenannten ist daher von einer Haftungsquote von jeweils 50 : 50 bei nicht mehr aufklärbaren Verkehrsunfallgeschehen auf einem Parkplatzgelände auszugehen, so dass es unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren bei einer hälftigen Haftungsquote verbleibt. Ausgehend von der durch die Beklagte zu 2. vorgerichtlich geleisteten Zahlungen unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 50 : 50 die auf die Reparaturkostenrechnung, die Wertminderung, sowie die allgemeine Kostenpauschale erfolgten, bestehen daneben keine weitergehende Ansprüche des Klägers.
Soweit ein Nutzungsausfall in Rede steht, so sind die hierfür erforderlichen Tatsachendarlegungen durch den Kläger nicht erfolgt, die eine Schätzung, § 287 ZPO ermöglichen, so dass die Klage insoweit unschlüssig ist. Soweit der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, § 264 ZPO, da sein Kaskoversicherer Zahlung geleistet hat, haben die Beklagten dem widersprochen, so dass in der Sache zu entscheiden war, ob die ursprüngliche Klage zulässig und begründet war.
Der Kläger hat daneben auch keinen Anspruch auf Erstattung weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren über die durch die Beklagte zu 2. vorgerichtlich gezahlten 334,75 € brutto, denn ausgehend von einem Gegenstandswert von 2.454,48 € ist eine 1,3 Geschäftsgebühr, §§ 2, 13 RVG, VV 2300 in Höhe von 261,30 € nebst Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 €, VV 7001, 7002 neben 19 % Mehrwertsteuer VV 7008, 53,45 € begründet, angesichts der Haftungsquote ist der weitergehende Anspruch unbegründet, ohne dass es darauf ankommt, ob der Kläger Zahlung an sich oder Freistellung verlangen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.599,30 € festgesetzt.