Das Verkehrslexikon

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Landgericht Dessau-Roßlau (Beschluss vom 23.12.2014 - 8 Qs 694 Js 19521/14 (196/14) - Indizien für Fahruntüchtigkeit

LG Dessau-Roßlau v. 23.12.2014: Fehlen ausreichender Indizien für Fahruntüchtigkeit ohne Fahrfehler


Das Landgericht Dessau-Roßlau (Beschluss vom 23.12.2014 - 8 Qs 694 Js 19521/14 (196/14)) hat entschieden:
Wird etwa eine Stunde nach dem Tatgeschehen ein Probenmittelwert von 0,65 Promille Blutalkoholkonzentration festgestellt und geht aus dem ärztlichen Bericht unter anderem hervor, dass der Beschuldigte die Finger-Fingerprobe sowie die Nasen-Fingerprobe jeweils sicher habe durchführen können, seine Sprache deutlich, sein Bewusstsein klar, die Denkabläufe geordnet, sein Verhalten beherrscht und seine Stimmung unauffällig gewesen seien, fehlt es an ausreichenden Indizien, von einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit ausgehen zu können, so dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nicht in Betracht kommt.


Siehe auch Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und Relative Fahruntüchtigkeit


Gründe:

1. Zur Darstellung des Sachverhalts wird voll umfänglich Bezug genommen auf die Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss.

Dieser Beschluss ist der Staatsanwaltschaft Dessau-​Roßlau am 26.09.2014 zugegangen. Mit Verfügung vom 20.10.2014 wurde die Herausgabe des Führerscheins veranlasst. Mit Schreiben vom 05.11.2014 legte die Staatsanwaltschaft sodann Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss des Amtsgerichts ein.

Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft aus, der Auffassung des Amtsgerichts könne nicht gefolgt werden. Aus dem ärztlichen Untersuchungsbericht gehe hervor, dass der Beschuldigte nach Einschätzung des untersuchenden Arztes leicht unter Alkoholeinfluss zu stehen schien. Die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten hätten bei dem Beschuldigten eine verzögerte Reaktion und Unruhe feststellen können. Zudem habe er einen verwirrten Eindruck gemacht. Nach der Schilderung des Zeugen G... will dieser gerade über die Kreuzung gefahren sein, als der Beschuldigte in die Kreuzung ungebremst einfuhr, weshalb er bereits auf die linke Fahrspur ausgewichen sei. Bei dem vom Geschädigten geführten Fahrzeug handele es sich um ein großes und farblich auffälliges Auto. Die Kollisionsstelle habe sich im hinteren Bereich befunden. All diese Kriterien lassen darauf schließen, dass die Reaktionsfähigkeit und Wahrnehmbarkeit des Beschuldigten zur Unfallzeit derart eingeschränkt gewesen sei, dass dessen Fahrsicherheit eben nicht mehr gegeben gewesen sei.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift ergänzend Bezug genommen.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Dessau-​Roßlau vom 12.11.2014 wurde der Beschwerde nicht abgeholfen.

2. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die Voraussetzungen einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a Abs. 1 und Abs. 3 StPO liegen nicht vor. Es besteht kein dringender Tatverdacht einer alkoholbedingten Straßenverkehrsgefährdung.

Bei dem Betroffenen wurde bei einer Blutentnahme etwa eine Stunde nach dem Tatgeschehen ein Probenmittelwert von 0,65 Promille Blutalkoholkonzentration festgestellt. Aus dem ärztlichen Untersuchungsbericht des Dr. med. W... geht unter anderem hervor, dass der 1,85 m große und 76 Kilo schwere Beschuldigte von hagerer Konstitution sei, er die Finger-​Fingerprobe sowie die Nasen-​Fingerprobe jeweils sicher habe durchführen können und seine Sprache deutlich gewesen sei. Sein Bewusstsein sei klar gewesen, die Denkabläufe geordnet, sein Verhalten beherrscht und seine Stimmung unauffällig. Er habe sich weder erbrochen noch sei er durch Narkosemittel oder Transfusionen bzw. Infusionen beeinträchtigt gewesen. Auch ein Drogenkonsum habe nicht festgestellt werden können. Insgesamt schien der Beschuldigte dem Mediziner leicht unter Alkoholeinfluss zu stehen.

Der Polizeibeamte POK K... traf folgende Feststellungen: Die Reaktion sei verzögert, er zeige eine Unruhe, sei bedingt der deutschen Sprache mächtig, dies aber mit einer deutlichen Aussprache, sein Gang sei sicher, seine Stimmung aufgeregt und hinsichtlich des Kriteriums der Ansprechbarkeit/Orientierung sei er verwirrt gewesen.

Diese Beobachtungen, insbesondere die des medizinisch geschulten Personals, lassen keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Wahrnehmung und der Reaktionsfähigkeit des Beschuldigten erkennen. Insbesondere liegen in der Gesamtschau aller Umstände keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Unfall durch einen alkoholtypischen Fahrfehler verursacht wurde, der in symptomatischer Weise auf die nach Alkoholgenuss typischerweise auftretenden physiologischen und physischen Veränderungen (Beeinträchtigung des Gleichgewichtssinns, Einengung des Gesichtsfeldes, Müdigkeit, Verlängerung der Reaktionszeit, Kritiklosigkeit, erhöhte Risikobereitschaft und Selbstüberschätzung) zurückzuführen ist. Auch der Polizeibeamte stellte bei dem Beschuldigten eine deutliche Aussprache und einen sicheren Gang fest. Die von ihm im Übrigen festgestellte Unruhe und Aufgeregtheit lässt sich auch mit dem gerade von ihm erlebten Unfallgeschehen erklären. Andere maßgebliche körperliche oder psychische Ausfallerscheinungen sind von dem Mediziner nicht festgestellt worden.

Letztlich lassen auch die Umstände des Verkehrsunfalls nicht den Schluss zu, dass in dem späteren Hauptverfahren mit einem Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund einer alkoholbedingten Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c StGB oder einer Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 StGB zu rechnen ist. Da sich der Unfall zur Nachtzeit auf einer größeren Kreuzung ereignete, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Beschuldigte durch die zu dieser Uhrzeit oft festzustellende geringere Verkehrsdichte sowie die Abwesenheit von Fußgängern oder Radfahrern dazu hat verleiten lassen, zügig die Heimfahrt durchzuführen und dabei den vereinzelten Verkehrsteilnehmern nicht mehr die Aufmerksamkeit zu widmen, die ein größeres Verkehrsaufkommen sonst automatisch erfordert. Diese Unaufmerksamkeit ist aber nicht zwingend auf die leichte Alkoholisierung des Beschuldigten zurückzuführen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.



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