Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Köln Urteil vom 12.01.2016 - 643 Ls 308/15 10 Js 22/15 - Verbotenes Straßenrennen mit Todesfolge

AG Köln v. 12.01.2016: Verurteilung wegen Teilnahme an einem verbotenen Straßenrennen mit Todesfolge


Das Amtsgericht Köln (Urteil vom 12.01.2016 - 643 Ls 308/15 10 Js 22/15) hat entschieden:
Bei der Teilnahme an einem Straßenrennen mit tödlichem Ausgang kann es sich um eine typische Jugendverfehlung handeln.


Siehe auch Verbotene Straßenrennen - ungenehmigte Rennveranstaltungen und Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen


Tenor:

Die Angeklagten sind der Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit einer fahrlässigen Tötung und in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig.

Der Angeklagte G. wird deshalb zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten verurteilt.

Die Vollstreckung der Jugendstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Dem Angeklagten G. wird die Fahrerlaubnis entzogen. Der Führerschein wird eingezogen. Die Verwaltungsbehörde darf vor Ablauf von 12 Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilen.

Der Angeklagte H. wird zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr verurteilt.

Die Vollstreckung der Jugendstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

Dem Angeklagte H. wird die Fahrerlaubnis entzogen. Der Führerschein wird eingezogen. Die Verwaltungsbehörde darf vor Ablauf von 12 Monaten kein neue Fahrerlaubnis erteilen.

Hinsichtlich beider Angeklagten gilt:
Von der Erhebung von Kosten und Auslagen wird abgesehen.

Ihre notwendigen Auslagen tragen die Angeklagten selbst.

§§ 222, 315c I Nr. 2a und b, III Nr. 1, 229, 69, 69a, 52 StGB



Gründe:

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)

Der Angeklagte G. ist 20 Jahre alt und ledig. Er hat keine Kinder. Der Angeklagte G. absolvierte im Sommer 2015 sein Abitur. Anschließend war er für zweieinhalb Monate in Australien, um seine Englischkenntnisse zu erweitern. Er plant demnächst ein Studium für ...-​wesen zu beginnen. Dazu braucht er noch ein Praktikum. Eine entsprechende Stelle hat er in Aussicht. Im Februar soll dieses Praktikum beginnen. Der Angeklagte lebt mit zwei Schwestern im Haushalt der Eltern. Er erhält dort ein monatliches Taschengeld von 70 Euro. Der Angeklagte hat zusätzlich einen Nebenjob, wo er monatlich etwa 350 Euro verdient.

Die Jugendgerichtshilfe Köln hat über den Angeklagten G. wie folgt berichtet:

Familiärer Hintergrund / Entwicklungsgeschichte

O.G. wuchs stets in der Obhut seiner Eltern, der Eheleute T. und N. G., auf, in deren Haushalt er bis heute wohnhaft ist. Der Vater, 50 Jahre alt, führt ein Taxiunternehmen, die Mutter, 47 Jahre alt, ist Hausfrau und geht keiner außerhäuslichen Beschäftigung nach. Os Zwillingsschwester jobbt zur Zeit als Aushilfe in der Gastronomie und wird demnächst ein BWL-​Studium beginnen. Eine weitere Schwester, 24 Jahre alt, ist von Beruf Zahnarztfachangestellte und wohnt seit kurzem im eigenen Haushalt.

O.G. hat nach eigenen Angaben ein gutes und vertrautes Verhältnis zu seinen Eltern. Auch mit seinen Schwestern verstehe er sich sehr gut. Zu einer Tante und zur Großmutter, die beide in der Nähe wohnen, stehe er ebenfalls in guter Beziehung.

Besonderheiten in der Familiensituation oder der Entwicklungsgeschichte des Heranwachsenden wurden hier im Übrigen nicht bekannt. O.erklärte sinngemäß, dass die nun zur Verhandlung stehende Straftat, v.a. der tödliche Ausgang für den Geschädigten, einen tief greifenden Einschnitt in seinem Leben darstelle, dessen vielfältige Auswirkungen er noch gar nicht übersehen könne. Er sei sehr froh, dass er von seiner gesamten Familie viel Unterstützung und Beistand erfahre. Unmittelbar nach dem Geschehen sei sein erster Impuls gewesen, seinen Vater anzurufen, der auch sofort zur Stelle gewesen sei. Schule/Beruf

Nach der Grundschule besuchte O. die Realschule in Köln-​..., auf der er im Jahre 2012 die Fachoberschulreife erlangte. Anschließend war er Schüler des ...-​gymnasiums in der M-​straße, das er im Jahre 2015 nach der 13. Klasse mit dem Fachabitur verließ. Zum Zeitpunkt der nun zur Verhandlung stehenden Straftat, habe er sich mitten in den Abi-​Vorbereitungen befunden. Es sei nicht leicht für ihn gewesen, unter den gegebenen Umständen die notwendige Konzentration aufzubringen. Geplant ist die Aufnahme eines Studiums im Fach x-​wesen an der Rheinischen Fachhochschule in Köln-​..., das O. ggf. im März antreten wird. Zugangsvoraussetzung dafür ist ein 6-​wöchiges Praktikum, das der Heranwachsende voraussichtlich ab Januar 2016 bei einem Gebrauchtwagenhändler absolvieren wird.

In den Monaten Juli und August 2015 arbeitete der Angeklagte im Rahmen eines Minijobs bei einer Tankstelle. Das dort verdiente Geld investierte er vor allem in eine seit langem geplante Reise nach Australien. Der finanzielle Grundstock für diese Reise sei durch den Vater gelegt worden. Ursprünglich sei ein 8-​monatiger Aufenthalt im Rahmen von "work & travel" geplant gewesen, der sich unter den gegebenen Umständen jedoch nicht realisieren ließ. Aufgrund des ursprünglich für Dezember avisierten Hauptverhandlungstermins beendete Herr G. seine im September angetretene Reise vorzeitig und hielt sich nur bis Ende November in Australien auf. Die beiden Freunde, mit denen er die Reise geplant und angetreten hatte, waren im ursprünglich geplanten Rahmen weitergereist.

Herr G. äußerte diesbezüglich, dass es für ihn Priorität gehabt habe, für den Hauptverhandlungstermin zur Verfügung zu stehen; auch um damit das ihn psychisch stark belastende Strafverfahren abzuschließen und Klarheit für seine weitere Zukunftsgestaltung zu gewinnen. Den Aufenthalt in Australien habe er ohnehin nicht genießen können, weil sein Gemütslage aufgrund der gegebenen Umstände entsprechend eingetrübt und überschattet gewesen sei.

Freizeitverhalten

O.G. berichtete hier, dass er in der Vergangenheit viel Sport getrieben habe; er habe Fußball gespielt und später auch regelmäßig ein Fitness-​Studio besucht. Im Oktober 2014 habe man bei ihm aber im Zuge eines Herzanfalls einen angeborenen Herzfehler erkannt, seither habe er seine sportlichen Aktivitäten entsprechend einschränken müssen.

Seit dem nun zur Verhandlung stehenden Vorfall sei er jedoch insgesamt in seiner Freizeitgestaltung weniger aktiv, da er an den meisten Aktivitäten aufgrund seiner Stimmungslage gar keine Freude mehr habe.

Er verbringe viel Zeit mit seiner Freundin, diese sei noch Schülerin und stehe kurz vor dem Abitur.

In Bezug auf den Konsum von Alkohol und Betäubungsmitteln gab der Angeklagte hier an, dass er bis zu dem nun zur Verhandlung stehenden Vorfall gelegentlich, ca. 2 mal im Monat "gekifft" habe, seither aber überhaupt nicht mehr. Alkohol trinke er nur im Rahmen von Festivitäten oder ähnlichen Anlässen.

Der Heranwachsende erhält von seinen Eltern ein Taschengeld in Höhe von 100,- Euro monatlich.

Persönlicher Eindruck/Abschließende Stellungnahme

Der Angeklagte zeigte sich im hier geführten Gespräch aufgeschlossen, reflektiert und zugewandt. Insgesamt wirkte er leicht deprimiert und insbesondere bei der Erörterung des Tatvorwurfes und dessen Folge deutlich belastet und bedrückt.

Zusammenfassen kann festgestellt werden, dass es sich bei dem Angeklagten um einen jungen Mann handelt, der in geordneten und fürsorglichen Familienverhältnissen aufwuchs und der seine schulische Laufbahn zielgerichtet und erfolgreich verfolgt hat. Das ihm vorgeworfene Fehlverhalten mit tödlichem Ausgang für einen Geschädigten, stellt eine scharfe Zäsur in der Lebensgeschichte des Heranwachsenden dar, mit deren Auswirkungen er sich auch jenseits des Strafverfahrens in verschiedener Hinsicht konfrontiert sieht.

Nach Aktenlage der Jugendgerichtshilfe musste Herr G. sich bislang noch nicht vor dem Jugendrichter verantworten.

Der Angeklagte H. ist heute ebenfalls 20 Jahre alt und ledig. Auch er hat keine Kinder. Der Angeklagte H. erlangte im Jahre 2015 seine Fachhochschulreife. Er plant, ein Studium der x-​technik aufzunehmen. Der Angeklagte lebt derzeit mit einem Bruder im Haushalt der Eltern und erhält kein Taschengeld. Er arbeitet zurzeit als Barkeeper, wo er monatlich etwa 600 Euro verdient. Davon gibt er 70 - 100 Euro im Haushalt der Eltern ab.

Die Jugendgerichtshilfe Köln hat über den Angeklagten H. wie folgt berichtet:

Familiärer Hintergrund / Entwicklungsgeschichte

B. ist das jüngere von 2 Kindern der Eheleute D. und S. H, in deren Obhut er stets aufgewachsen und in deren Haushalt er bis heute wohnhaft ist. Der ältere Bruder F., 25 Jahre alt, lebt ebenfalls noch im Haushalt der Eltern und studiert. Bs Eltern wurden beide in L. geboren; sie seien als junge Erwachsene nach Deutschland eingewandert. In der Familie werde deutsch und französisch gesprochen. Nach L. gebe es noch vielfältige Verbindungen. Auch B. habe das Herkunftsland der Eltern schon mehrfach bereist.

Die Familie sei christlichen Glaubens und sehr religiös.

Der Vater, heute 61 Jahre alt, sei Taxifahrer, die Mutter, 64 Jahre alt, arbeite im Zimmerservice eines Hotels.

Zu seinen Eltern hat der Heranwachsende nach eigenen Angaben ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis. Auch im Rahmen des laufenden Strafverfahrens habe er von den Eltern viel Unterstützung erfahren.

Besonderheiten in Bezug auf die familiäre Situation oder die Entwicklungsgeschichte des Angeklagten wurden hier nicht bekannt.

Schule / Beruf

Nach dem Besuch einer bilingualen (deutsch-​französischen) Grundschule sei B. auf die Realschule in .... gewechselt, wo er 2013 die Fachoberschulreife erlangt habe. Die 7. Klasse habe er einmal wiederholen müssen. Er habe wegen einer Adipositas an einer mehrmonatigen Kur teilnehmen müssen und sei auch im Vorfeld häufiger krank gewesen. Nach der FOR habe er das Berufskolleg U., Fachbereich ...., besucht und dort im Mai 2015 das Fachabitur erlangt.

Wie sich während des Besuchs des Berufskollegs herausgestellt habe, sei .... nicht das richtige Fach für Herrn H., es sei ihm zu "trocken". Er sei vielmehr technisch interessiert, daher wolle er ab dem Sommersemester 2016 auch Y. an der FH oder, vorzugsweise,...-​technik an der RWTH in .... studieren.

Seit dem Sommer habe B. einen Job als Barkeeper in einem .... Lokal. Er arbeite dort derzeit noch ca. 30 Stunden die Woche und verdiene netto monatlich etwa 700 Euro; ab Silvester werde er aber voraussichtlich nur noch einmal die Woche dort tätig sein, um wieder in einen normalen Tag/Nach-​Rhythmus zu finden.

Von seinen Einkünften gebe er bisher monatlich rund 150 Euro als Kostgeld an die Eltern ab.

Freizeitverhalten

Wie Herr H. berichtete, war er über Jahre in diversen Fußballvereinen aktiv, derzeit pausiere er allerdings. Eventuell könne er demnächst bei ,,,-​Köln spielen. Seine Freizeit verbringe er aktuell viel am PC oder er lese. Persönlicher Eindruck / Abschließende Stellungnahme

B. H. zeigte sich hier aufgeschlossen, freundlich und reflektiert. Bei der Besprechung der Tatvorwürfe war dem Heranwachsenden seine tiefe Betroffenheit über den Tod des Tatopfers deutlich anzumerken.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es sich bei dem Angeklagten um einen jungen Mann handelt, der aus stabilen und liebevollen Familienverhältnissen stammt, in denen er offensichtlich in seiner Entwicklung gut gefördert wurde. Seinen schulischen Werdegang hat er bislang zielstrebig verfolgt und mit dem geplanten Studium liegen klare Perspektiven für die nächste Zukunft vor.

Diese Feststellungen zu den Personen beruhen auf den Angaben der Angeklagten sowie auf den in der mündlichen Verhandlung verlesenen Auszügen aus den Erziehungsregistern sowie den Erläuterungen der Jugendgerichtshilfe Köln.

In der Sache haben sich aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2016 folgende Feststellungen ergeben:

Am 26.03.2015 gegen 00.30 Uhr befuhr der Angeklagte G. mit dem Kraftfahrzeug der Marke .... mit dem amtlichen Kennzeichen K-​... unter anderem die ...-Straße in Köln. Er hatte den Abend unter anderem zusammen mit dem Mitangeklagten H. verbracht. Dieser befuhr mit einem Mietfahrzeug der Marke 2.mit dem amtlichen Kennzeichen M-​... ebenfalls die E-​Straße in gleicher Fahrtrichtung.

Beide Angeklagten beschlossen, ein Autorennen im Stadtgebiet zu fahren. Sie wählten u.a. die E-​Straße als Rennstrecke aus. Diese befuhren sie in Fahrtrichtung I- Straße mit stark überhöhter Geschwindigkeit im Bereich von mindestens 85 km/h bis 115 km/h, um festzustellen, wer von ihnen der Schnellere sei. Dabei war beiden Angeklagten bewusst, dass die Straße von anderen Verkehrsteilnehmern frequentiert wird. Dennoch versuchten sie, einander wechselseitig zu überholen.

Der Zeuge T. befuhr mit seinem Taxi der Marke 3. mit dem amtlichen Kennzeichen K... die I- Straße und wollte die Kreuzung zur ...-​Straße an der für ihn "Grün" zeigenden Lichtanlage überqueren. Sein Taxi war mit vier Fahrgästen, den Zeugen 4,5,6 sowie 7 besetzt.

Um schneller voran zu kommen und das Rennen zu gewinnen, ignorierte der Angeklagte G. die für seine Fahrtrichtung "Rot" zeigende Lichtzeichenanlage und überquerte die Kreuzung E- Straße/I- Straße. Dabei kollidierte er mit dem Taxi des Zeugen T.

Die Insassen des Taxis wurden durch die Kollision verletzt. Während es bei den Zeugen 4,5 und 6 bei leichteren Verletzungen blieb, erlitt der 49 Jahre alt gewordene 7 aufgrund der Kollision und der anschließenden Drehbewegung ein massives Schädel-​Hirn-​Trauma, dem er im Folgenden erlag.

Der Geschädigte 4 hat einen Strafantrag gestellt, im Übrigen hatte die Staatsanwaltschaft Köln das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bzgl. der fahrlässigen Körperverletzung bejaht.

Diese Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Geständnissen der Angeklagten, die den gegen sie erhobenen Vorwurf in der mündlichen Verhandlung vollumfänglich eingeräumt haben sowie dem dort verlesenen Strafantrag.

Die Angeklagten haben sich damit durch ihr Verhalten wie im Tenor aufgeführt schuldig gemacht. Beide Angeklagte waren zur Tatzeit Heranwachsende i.S. § 1 Abs. 2 JGG.

Beide Angeklagte standen jedoch nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleich (§ 105 Abs. 1 S. 2 JGG). Die hier in Rede stehende, von den Angeklagten begangene Tat, ist nach Art, Umständen und Beweggründen als typische Jugendverfehlung anzusehen. Unter völliger Überschätzung ihrer Fähigkeiten als Autofahrer haben sie, einem spontanen Entschluss folgend, ein für den Straßenverkehr völlig überhöhtes Risiko gesetzt. Dabei hat der Angeklagte G. die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren.

Beide Angeklagte haben zudem ihre berufliche Entwicklung noch in keiner Weise abgeschlossen und sind nach wie vor moralisch und wirtschaftlich auf die Unterstützung der Eltern, in deren Haushalt sie immer noch leben, angewiesen.

Der Angeklagte G. war zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Straftat noch Schüler. Er ist noch derart fest in den elterlichen Haushalt integriert. Eigenständige Lebensführung ist für die nähere Zukunft noch nicht angedacht.

Der Angeklagte H. war zur Tatzeit ebenfalls noch Schüler. Auch er ist noch in den elterlichen Haushalt integriert.

Insgesamt sind daher hinsichtlich beider Angeklagter Entwicklungsrückstände nicht auszuschließen. Beide stehen einem ausgereiften und eigenverantwortlichen Erwachsenen noch nicht gleich.

Damit finden die Vorschriften des Jugendstrafrechts Anwendung.

Bei der Frage, wie auf diese Straftat der Angeklagten erzieherisch zu reagieren ist, war zunächst festzustellen, dass vorliegend wegen der Schwere der Schuld nach § 17 JGG eine Jugendstrafe zu verhängen war. Besonders schwere Straftaten haben ein solches Gewicht, dass es für das Rechtsempfinden schlechthin unverständlich wäre, wenn auf eine Jugendstrafe verzichtet würde. Dies gilt insbesondere für Straftaten schwerster Kriminalität, insbesondere dann, wenn ein Kapitalverbrechen begangen wurde. In derartigen Fällen erfordert die Gerechtigkeit die Verhängung einer Jugendstrafe.

Für die von den Angeklagten begangenen Delikte gilt dieser Gedanke nicht ohne weiteres. Sowohl eine Straßenverkehrsgefährdung als auch eine fahrlässige Tötung können auf ganz unterschiedliche Weise, und mit ganz unterschiedlichem Schuldgehalt verwirklicht werden.

In dem hier in Rede stehenden und zu beurteilenden Fall trifft die beiden Angeklagten jedoch ein ganz besonderes Maß an vorwerfbarer Schuld mit der Folge, dass der vorgenannte Aspekt der Schwere der Schuld in den Tathandlungen der Angeklagten verwirklicht ist.

Zu dem Verkehrsunfall und seinen tragischen Folgen ist es nicht gekommen, weil die Angeklagten unaufmerksam waren bzw. unaufmerksam gefahren sind. Die Angeklagten haben vielmehr ganz bewusst und völlig bedenken- und rücksichtslos ein unkalkulierbares Risiko gesetzt, das sich dann in ganz besonders tragischer und auch nicht wiedergutzumachender Weise realisiert hat. Für das Setzen dieses Risikos und die damit einhergehende mögliche Gefährdung Dritter gab es nicht den geringsten erkennbaren Anlass, vielmehr diente das durchgeführte Wettrennen alleine der Befriedigung egoistischer Motive und mögliche Konsequenzen haben die Angeklagten eigenem Bekunden nach überhaupt nicht nachgedacht.

Bei der Strafzumessung im engeren Sinne war zu Gunsten der Angeklagten ihr umfassendes Geständnis zu berücksichtigen, mit dem sie den Opfern bzw. deren Angehörigen, die von einer Teilnahme an der Hauptverhandlung aus Gründen der Trauerbewältigung abgesehen haben, eine Aussage ersparten. Zu Gunsten der Angeklagten war auch zu berücksichtigen, dass sie bislang nicht vorbestraft sind, dass die Tat nicht geplant war sondern sich aus einer spontanen Situation heraus ergeben hat und dass dem Geschädigten 7 ein erhebliches Mitverschulden an seinem eingetretenen Tod trifft. Insoweit war zu berücksichtigen, dass der Geschädigte 7 nicht angeschnallt war und in den Ausführungen des Gutachters 8 in seinem Gutachten vom 27.05.2015 lediglich nicht auszuschließen ist, dass die tödlichen Verletzungen auch im angeschnallten Zustand hätten eintreten können und die tödlichen Verletzungen nicht zwingend darauf zurückzuführen sind, dass der Geschädigte nicht angeschnallt war.

Hinsichtlich des Angeklagten G. war zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass ein Verhalten zu der schlimmst denkbaren Tatfolge geführt hat und das er völlig bedenkenlos vorgegangen ist und die für ihn geltende Ampel auch noch überquerte, nachdem diese bereits sechs Sekunden Rotlicht zeigte, er also in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, zu einem Zeitpunkt, zu dem er unter keinem Gesichtspunkt mehr darauf vertrauen durfte, dass ein Gegenverkehr nicht vorhanden sein wird.

Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten G. sprechenden Umstände hielt das Jugendschöffengericht heute eine Jugendstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten für tat- und schuldangemessen.

Hinsichtlich des Angeklagten H. war zu seinen Lasten ebenfalls zu berücksichtigen, dass durch die hier in Rede stehende Tat der Tod des Geschädigten 7 eingetreten ist und das auch er völlig bedenkenlos an dem Rennen teilgenommen hat. Im Gegensatz zu dem Angeklagten G.ist der Angeklagte H. indes nicht bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren sondern konnte sein Fahrzeug, ohne das es zu einem Verkehrsunfall gekommen wäre, noch rechtzeitig abbremsen.

Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten H. sprechenden Umstände hielt das Jugendschöffengericht daher heute eine Jugendstrafe von 1 Jahr für tat- und schuldangemessen.

Hinsichtlich beider Angeklagter konnte die verhängte Jugendstrafe heute zur Bewährung ausgesetzt werden. Nach Überzeugung des Jugendschöffengerichts ist aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass sich die Angeklagten die Verurteilung alleine, sowie die während der Bewährungszeit jederzeit bestehende Möglichkeit eines Bewährungswiderrufes, zur Warnung dienen lassen und künftig keine Straftaten mehr begehen werden.

Durch ihr Verhalten haben sich die Angeklagten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Ihnen war daher die Fahrerlaubnis zu entziehen, der Führerschein einzuziehen und die Verwaltungsbehörde anzuweisen, vor Ablauf von 12 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 74, 109 Abs. 2 JGG