Das Verkehrslexikon
VGH München Urteil vom 25.04.2017 - 11 BV 17.33 - Cannabiskonsum und erstmaliger Trennungsverstoß
VGH München v. 25.04.2017: Fahrerlaubnisentziehung bei gelegentlichem Cannabiskonsum und erstmaligem Trennungsverstoß erst nach MPU?
Der VGH München (Urteil vom 25.04.2017 - 11 BV 17.33) hat entschieden:
Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten kann die Fahrerlaubnisbehörde nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis grundsätzlich nicht gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen. Vielmehr sieht § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV hierfür die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege vor.
Siehe auch Das Vorgehen der Fahrerlaubnisbehörde bei gelegentlichem Cannabiskonsum und Nachweis von fehlendem Trennvermögen zwischen gelegentlichem Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme - auch durch den aktiven THC-Wert
Tatbestand:
Der 1994 geborene Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, AM, B und L.
Am 28. April 2014 gegen 18.00 Uhr stellte die Polizei bei einer Verkehrskontrolle fest, dass der Kläger, der das Kraftfahrzeug führte, 1,7 Gramm Marihuana bei sich trug. Er gab an, er habe ca. 45 Minuten zuvor mit zwei Freunden einen kleinen Joint geraucht. Das Institut für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Ulm stellte mit Gutachten vom 9. Mai 2014 in der entnommenen Blutprobe 3,7 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 55,2 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH) und 1,9 ng/ml 11-Hydroxy-THC (11-OH-THC) fest.
Mit Bußgeldbescheid vom 23. Mai 2014, rechtskräftig seit 11. Juni 2014, verhängte die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt gegen den Kläger wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG eine Geldbuße und ein Fahrverbot von einem Monat. Von der Verfolgung des Vergehens nach § 29 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) sah die Staatsanwaltschaft München II mit Verfügung vom 3. November 2014 nach § 45 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG ab.
Nach Anhörung entzog das Landratsamt Starnberg (im Folgenden: Landratsamt) dem Kläger mit Bescheid vom 4. Dezember 2014 die Fahrerlaubnis aller Klassen und ordnete die Vorlage des Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids an. Zur Begründung führte das Landratsamt aus, der Kläger sei nach § 11 Abs. 7 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da er gemäß Nr. 9.2.1 und 9.2.2 der Anlage 4 nicht in der Lage sei, den Konsum von Cannabis vom Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen. Am 5. Dezember 2014 gab der Kläger seinen Führerschein ab.
Den gegen den Bescheid vom 4. Dezember 2014 erhobenen Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2015 zurück. Der Kläger sei gelegentlicher Cannabiskonsument und habe unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt. Er sei daher nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Er habe seine Fahreignung auch nicht wiedererlangt. Dafür sei nach Nr. 9.5 der Anlage 4 der Nachweis einer einjährigen Abstinenz oder zumindest der Übergang zu einem für die Fahreignung nicht mehr relevanten Konsum erforderlich.
Die gegen den Bescheid vom 4. Dezember 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 18. März 2015 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 21. November 2016 abgewiesen. Der Kläger sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei daher rechtmäßig.
Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung, der der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger geltend, er sei nicht ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Er habe zwar vor der Fahrt unter Cannabiseinfluss schon einmal Cannabis eingenommen. § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV sei aber nicht einschlägig, da er nur eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen habe. Er müsse genauso behandelt werden wie Kraftfahrer, die unter dem Einfluss von Alkohol ein Kraftfahrzeug führten. Dort werde erst bei der zweiten Ordnungswidrigkeit ein medizinisch-psychologisches Gutachten angefordert. Der Gleichheitssatz sei verletzt.
Er beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. November 2016 und den Bescheid des Landratsamts Starnberg vom 4. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 18. März 2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Angesichts der unterschiedlichen Wirkungsweise von Alkohol und Cannabis sei es gerechtfertigt, schon nach der ersten Fahrt unter Cannabiseinfluss die Fahrerlaubnis zu entziehen. Der Verordnungsgeber habe mit der Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung im Jahr 2008 nur eine Gleichbehandlung von wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss und unter Betäubungsmitteleinfluss herstellen wollen. § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV habe auch weiterhin einen Anwendungsbereich, wenn eine Verkehrsordnungswidrigkeit unter Alkoholeinfluss und eine Verkehrsordnungswidrigkeit unter Cannabiseinfluss im Rahmen eines einmaligen Probierkonsums zusammentreffen würden. Bei § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV handele es sich auch nicht um eine Ermessensvorschrift, sondern es sei zwingend eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen, da nicht erkennbar sei, welcher Entscheidungsspielraum der Behörde zustehen könnte. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2014 (3 C 3.13) zwar die Frage nach dem Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nicht unmittelbar beantwortet. Es sei aber davon ausgegangen, dass schon bei einem erstmaligen Verstoß gegen das Trennungsgebot Ungeeignetheit nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 vorliege.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist begründet. Der Bescheid vom 4. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger ist zwar gelegentlicher Cannabiskonsument und hat den Konsum von Cannabis einmal nicht vom Führen eines Kraftfahrzeugs getrennt. Damit steht aber nicht fest, dass er ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Das Urteil des Verwaltungsgerichts und die Behördenentscheidungen sind daher aufzuheben.
1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 Rn. 13). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2015 (BGBl I S. 186), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 2014 (BGBl I S. 2213), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 liegt Kraftfahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG begangen wurden. Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt nach § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens.
2. Der Kläger ist gelegentlicher Cannabiskonsument i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (stRspr. zuletzt BVerwG, U.v. 23.10.2014 a.a.O. Rn. 20 ff.; BayVGH, B.v. 18.4.2016 – 11 ZB 16.285 – juris Rn. 11). Der Kläger hat zugestanden, dass er in zeitlichem Zusammenhang zu der Fahrt unter Cannabiseinfluss ein weiteres Mal Cannabis eingenommen hatte.
3. Der Kläger hat auch einmal gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 verstoßen. Gemäß dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Ulm vom 9. Mai 2014 hat er mit einer Konzentration von 3,7 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 55,2 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH) und 1,9 ng/ml 11- Hydroxy-THC (11-OH-THC) im Blut am Straßenverkehr teilgenommen. Dabei war eine durch den Drogeneinfluss bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 a.a.O. Rn. 28 ff.). Dieser Sachverhalt steht aufgrund der rechtskräftigen Bußgeldentscheidung vom 23. Mai 2014 fest und der Kläger muss die Feststellungen im Bußgeldverfahren gegen sich gelten lassen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 3 StVG Rn. 56).
4. Es steht damit jedoch nicht i.S.d. § 11 Abs. 7 FeV fest, dass der Kläger ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Das Landratsamt war nicht berechtigt, dem Kläger nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen die Fahrerlaubnis zu entziehen. Es hätte zuerst von den Aufklärungsmöglichkeiten des nach § 46 Abs. 3 FeV im Entziehungsverfahren entsprechend anzuwendenden § 14 FeV Gebrauch machen und im Ermessenswege darüber entscheiden müssen, ob es nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnet.
Die anlassbezogene Überprüfung der Kraftfahreignung ist zwar ebenso wie die Entziehung der Fahrerlaubnis eine (präventive) Sicherungsmaßnahme, die dazu dient, die Allgemeinheit vor Gefährdungen durch ungeeignete Kraftfahrer zu schützen. Da der Straßenverkehr hohe Risiken für Leben, Gesundheit und Eigentum der Verkehrsteilnehmer in sich birgt, müssen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hohe Anforderungen gestellt werden. Um dies sicherzustellen, ist eine präventive Kontrolle von Kraftfahrern verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (vgl. BVerfG, B.v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 – NJW 2002, 2378 und 24.6.1993 – 1 BvR 689/92 – BVerfGE 89, 69; BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – BVerwGE 99, 249). Gleichwohl lagen hier die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne Aufklärungsmaßnahmen nicht vor.
4.1. Nach dem Wortlaut des § 14 FeV mit der amtlichen Überschrift "Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel" begründen die dort genannten Umstände Eignungszweifel, bei denen die vorgesehenen Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen sind. § 14 FeV betrifft damit keine Sachverhalte, bei denen ohne weiteres von Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen und die Fahrerlaubnis entzogen werden kann.
Begründen Tatsachen die Annahme, dass Betäubungsmittelabhängigkeit, Betäubungsmitteleinnahme oder missbräuchliche Einnahme von psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt, ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 FeV zur Vorbereitung der zu treffenden Entscheidung im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung aufzuklären, ob tatsächlich Abhängigkeit oder Einnahme der genannten Substanzen besteht. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Bei Verwirklichung der in § 14 Abs. 2 FeV aufgeführten Tatbestände steht nach dem Wortlaut der Vorschrift ebenfalls nicht fest, dass der Betreffende ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, sondern es ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen. Darüber hinaus kann nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet werden, wenn weitere Umstände Zweifel an der Eignung begründen.
Hiervon ausgehend liegt hier ein Fall des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV vor, denn der Kläger ist gelegentlicher Cannabiskonsument und ist am 28. April 2014 einmal bei der Teilnahme am Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss aufgefallen, wodurch Zweifel an seiner Eignung begründet sind, die mit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege aufgeklärt werden können. Erst bei einer zweiten Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG ist nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zwingend.
4.2 Auch die Entstehungsgeschichte des § 14 FeV spricht dafür, § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Bei §§ 13 und 14 FeV handelt es sich um Spezialvorschriften zu § 11 FeV, die der Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik und im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel dienen (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 256). Mit §§ 13 und 14 FeV wollte der Verordnungsgeber die Anlässe für eine Eignungsbegutachtung verbindlich festlegen (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 2) und normieren, welche Aufklärungsmaßnahmen in diesen Fällen zu ergreifen sind (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 260 und 262). Nach der Verordnungsbegründung zu § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV können weitere Umstände z.B. dann gegeben sein, wenn der Konsum im Zusammenhang mit dem Fahren erfolgte, wenn Kontrollverlust oder Störungen der Persönlichkeit vorliegen oder wenn zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 262 f.). Die Verordnungsbegründung bietet demgegenüber keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Verordnungsgeber bereits bei der ersten Verkehrsordnungswidrigkeit unter Cannabiseinfluss von feststehender Ungeeignetheit i.S.d. § 11 Abs. 7 FeV ausgegangen ist, sondern spricht vielmehr dafür, dass bei solchen Fällen die Fahreignung durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten abgeklärt werden kann.
Eine verbindliche Regelung, in welchen Fällen welche Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen sind, war zum Zeitpunkt des Erlasses der Fahrerlaubnis-Verordnung veranlasst, da unter der Geltung der Vorgängerregelung des § 15b der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO) erhebliche Unsicherheiten insbesondere hinsichtlich der zulässigen Aufklärungsmaßnahmen bei Cannabisbesitz und -konsum aufgetreten waren (vgl. z.B. zu § 15b StVZO BVerfG, B.v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 – NJW 2002, 2378; B.v. 30.1.2003 – 1 BvR 866/00 – Blutalkohol 41, 459 und B.v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92 – BVerfGE 89, 69). Die Rechtsprechung vertrat zu § 15b StVZO zum Teil die Auffassung, nur bei konkreten Anhaltspunkten für fehlendes Vermögen eines Cannabiskonsumenten, Konsum und Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen, sei die Behörde zur Aufklärung der dadurch hervorgerufenen Eignungszweifel berechtigt, ein Fahreignungsgutachten anzufordern (BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78; BayVGH, U.v. 12.10.2000 – 11 B 98.632 – juris; B.v. 10.12.1997 – 11 CS 97.3062 – ZfSch 1998, 156). Andererseits wurde aber auch die Auffassung vertreten, schon der bloße Besitz oder Konsum von Cannabis rechtfertige die Anordnung von Aufklärungsmaßnahmen.
4.3. Für eine Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV auf den vorliegenden Fall spricht auch die Systematik der §§ 11, 13 und 14 FeV i.V.m. Anlage 4.
Als Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis wird in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 StVG, § 11 FeV die erforderliche Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers definiert und abschließend festgelegt, in welchen Fällen zur Klärung von Eignungszweifeln ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 FeV), ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 11 Abs. 3 FeV) oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (§ 11 Abs. 4 FeV) gefordert werden kann (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, § 11 FeV Rn. 24, 28).
Nach § 11 Abs. 3 Satz 2 FeV bleiben medizinisch-psychologische Untersuchungen nach §§ 13 und 14 FeV unberührt. Bei §§ 13 und 14 FeV handelt es sich hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anordnung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens um abschließende Spezialvorschriften zu § 11 FeV (Dauer a.a.O. § 11 FeV Rn. 35, § 13 FeV Rn. 15, 17, § 14 FeV Rn. 10).
4.3.1 Mit §§ 13 und 14 FeV wird geregelt, in welchen Fällen bei einer Alkohol- oder Drogenproblematik Zweifel an der Fahreignung vorliegen und welche Aufklärungsmaßnahmen jeweils zu ergreifen sind. Dabei sind die Vorschriften vergleichbar aufgebaut. Bei Eignungszweifeln, die nur einer medizinischen Abklärung bedürfen (Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Einnahme von anderen Betäubungsmitteln außer Cannabis, Abklärung des Konsumverhaltens bei Cannabisgebrauch), muss die Behörde nach § 13 Satz 1 Nr. 1 und § 14 Abs. 1 Satz 1 FeV ein ärztliches Gutachten anordnen. Bei Eignungszweifeln, die auch einer psychologischen Begutachtung bedürfen, ist nach § 13 Satz 1 Nr. 2 und § 14 Abs. 2 FeV in den dort geregelten Fällen zwingend ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen.
Angesichts des unterschiedlichen Gefahrenmaßstabs bei Fahrten unter Einfluss von Drogen und Alkohol (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13 – NJW 2015, 2439 Rn. 33 ff.) wird der Fahrerlaubnisbehörde in § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet, bei widerrechtlichem Betäubungsmittelbesitz im Ermessenswege ein ärztliches Gutachten anzuordnen, um zu klären, ob der Betreffende Betäubungsmittel einnimmt. Des Weiteren kann bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten schon bei Vorliegen weiterer Tatsachen, die Zweifel an der Eignung begründen, nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege erfolgen.
4.3.2 Bei der Aufklärung der Eignungszweifel nach § 13 Satz 1 Nr. 2 und § 14 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 FeV ist anhand des bekannt gewordenen Verhaltens des Betreffenden prognostisch zu untersuchen, ob eine Wiederholungsgefahr besteht, und daher in Zukunft mit weiteren entsprechenden Verkehrsverstößen zu rechnen ist (vgl. Nr. 1 Buchst. f der Anlage 4a und Fragenkatalog in den Beurteilungskriterien - Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 62 f.). In den Beurteilungskriterien wird als Fragestellung des § 14 Abs. 1 FeV bei gelegentlichem Cannabiskonsum und zusätzlichen Eignungszweifeln in Form eines Verstoßes nach § 24a StVG formuliert: "Kann Herr/Frau … trotz der Hinweise auf gelegentlichen Cannabiskonsum sowie der bekannten Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1/2 sicher führen?" (Beurteilungskriterien, S. 63). Diese Fragestellung impliziert, dass in diesem Fall eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet und nicht nach § 11 Abs. 7 FeV von Ungeeignetheit ausgegangen wird. Die Entscheidung, ob in diesen Fällen Eignung vorliegt, kann die Fahrerlaubnisbehörde regelmäßig nicht aus eigener Sachkenntnis, sondern nur auf der Grundlage einer medizinisch-psychologischen Begutachtung treffen.
Nach § 11 Abs. 7 FeV kann demgegenüber nur dann auf Aufklärungsmaßnahmen verzichtet werden, wenn die Fahrerlaubnisbehörde aus schon vorliegenden Erkenntnissen die Fahrungeeignetheit selbst feststellen kann. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn Drogen- oder Alkoholabhängigkeit (Nrn. 8.3 und 9.3 der Anlage 4) bereits ärztlich diagnostiziert worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 11 CS 17.23, B.v. 16.11.2016 – 11 CS 16.1957 – beide juris) oder wenn die Einnahme harter Drogen, die ohne weiteres nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Ungeeignetheit führt, sicher festgestellt oder von dem Betreffenden zugestanden worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 11 CS 16.1649, B.v. 13.9.2016 – 11 ZB 16.1565 – beide juris).
4.3.3 Aus Anlage 4 ergibt sich keine andere Beurteilung. Mit dieser Anlage wurde der frühere Mängelkatalog in die Fahrerlaubnis-Verordnung übernommen (vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – BVerwGE 99, 249). Sie enthält eine Auflistung verschiedener Erkrankungen und Mängel, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen längere Zeit beeinträchtigen oder aufheben können (vgl. Nr. 1 der Vorbemerkung zur Anlage 4) und gibt Hilfestellung bei der Frage, ob ein Anlass zur Begutachtung gegeben ist, da die Fahrerlaubnisbehörde in aller Regel nicht die notwendigen Fachkenntnisse bei der Eignungsbeurteilung hat (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 254). Nach Nr. 2 der Vorbemerkung zur Anlage 4 ist Grundlage der im Rahmen der §§ 11, 13 oder 14 FeV vorzunehmenden Beurteilung, ob im Einzelfall Eignung oder bedingte Eignung vorliegt, in der Regel ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr.
Die Nr. 9.2.2 und Nr. 8.1 der Anlage 4 legen keine Grenzwerte fest, bei denen automatisch von Ungeeignetheit wegen fehlenden Trennungsvermögens auszugehen ist, sondern es bedarf stets einer psychologischen Beurteilung, ob aus dem bekannt gewordenen Verhalten des Betreffenden prognostisch der Schluss gezogen werden kann, dass auch in Zukunft keine Trennungsbereitschaft besteht (vgl. Nr. 1 Buchst. f der Anlage 4a). Nr. 9.2.2 der Anlage 4 bestimmt zwar, dass nur derjenige zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, der zwischen Cannabiskonsum und Fahren trennt, legt aber nicht fest, dass bereits ein einmaliger Verstoß zur Ungeeignetheit führt. Vielmehr ergibt sich aus der Regelungssystematik des § 14 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 und der Vorbemerkung Nr. 2 der Anlage 4, dass dieser Frage im Regelfall durch die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nachzugehen ist (vgl. auch § 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 7, Abs. 8 StVG).
4.3.4 Auch aus den unterschiedlichen Formulierungen in Nr. 8.1 und Nr. 9.2.2 der Anlage 4 ergibt sich nicht, dass einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten bereits beim ersten Verstoß gegen das Trennungsgebot die Fahrerlaubnis zu entziehen wäre. Zwar fällt auf, dass Nr. 8.1 der Anlage 4 eine Definition des fahrerlaubnisrechtlichen Alkoholmissbrauchs enthält und für diesen Fall die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppen 1 und 2 verneint, während Nr. 9.2.2 der Anlage 4 bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis grundsätzlich Fahreignung bejaht, wenn der Betreffende Konsum und Fahren trennt und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol erfolgt. Ein Grund für diese abweichenden Formulierungen ist der Verordnungsbegründung nicht zu entnehmen. Dass damit unterschiedliche Anforderungen gestellt werden und deshalb im Falle von einmalig fehlendem Trennen von Cannabiskonsum und Fahren anders als bei Anhaltspunkten für fehlende Trennungsbereitschaft bei Alkoholkonsum ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen Ungeeignetheit angenommen werden soll, ist aber nicht ersichtlich.
4.3.5 Bei diesem Normverständnis verbleibt auch für § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV ein sinnvoller Anwendungsbereich, wenn zwei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a Abs. 2 StVG unter Cannabiseinfluss oder je eine Verkehrsordnungswidrigkeit unter Alkohol- und Cannabiseinfluss begangen worden sind. Würde demgegenüber bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten stets bei dem ersten Verstoß gegen das Trennungsgebot von Fahrungeeignetheit ausgegangen und die Fahrerlaubnis entzogen, wären kaum Fallgestaltungen denkbar, in denen § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV überhaupt Anwendung finden könnte.
Die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV spricht dafür, dass diese Vorschrift einen breiteren Anwendungsbereich haben sollte. Bei der Einführung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2008 (BGBl I S. 1338) wurden verschiedene Änderungen an der Fahrerlaubnis-Verordnung vorgenommen, um eine Gleichbehandlung von Alkohol- und Drogenkonsumenten zu erreichen. Zum einen wurden die Vorschriften bei Alkohol- und Drogenabhängigkeit angeglichen. Dies erfolgte nach der Verordnungsbegründung, um die nach der damaligen Rechtslage unterschiedliche Handhabung bei der Beurteilung von früherer Alkoholabhängigkeit und früherer Drogenabhängigkeit einheitlich zu regeln, da es im Hinblick auf die Verkehrssicherheit nicht ersichtlich sei, aus welchem Grund diese unterschiedliche Beurteilung gerechtfertigt erscheint (vgl. BR-Drs. 302/08, S. 62). Zum anderen wurde eine Gleichbehandlung bei fehlendem Trennungsvermögen zwischen Fahren und Konsum von Alkohol oder Cannabis hergestellt, indem in beiden Fällen beim zweiten Verstoß zwingend eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen ist (vgl. BR-Drs. 302/08, S. 57 f., 63). Daraus ergibt sich, dass der Verordnungsgeber eine bestehende Ungleichbehandlung bei mehrfachen Alkohol- oder Cannabisverstößen gesehen hat und diese beseitigen wollte. Hätte sich aus der damals schon wortgleich gefassten Nr. 9.2.2 der Anlage 4 ergeben, dass bei der ersten Fahrt eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten unter Cannabiseinfluss die Fahrerlaubnis ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen zu entziehen ist, hätte die Einführung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV nicht zu der beabsichtigten Gleichbehandlung bei dem zweiten Verstoß führen können. Dass der Verordnungsgeber im Jahr 2008 eine Vorschrift einführen wollte, die nur sehr selten anzutreffende Fallgestaltungen betrifft, ist nicht anzunehmen und ergibt sich auch nicht aus der Verordnungsbegründung.
4.3.6 Der dargelegten Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Nr. 3 FeV steht auch nicht die Annahme entgegen, dass § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV auch auf Fälle des Konsums anderer Drogen als Cannabis anzuwenden wäre.
§ 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV kann trotz seines allgemeinen Verweises auf § 24a StVG, der auch andere berauschende Mittel und Substanzen erfasst, nur bei Cannabiskonsumenten angewendet werden, denn bei der Einnahme von anderen Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz besteht nach Nr. 9.1 der Anlage 4 ohnehin Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 262 unten). Dass dies aus der Verordnungsbegründung zu der Vierten Änderungsverordnung nicht explizit hervorgeht, ist unschädlich. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber von der Annahme der Ungeeignetheit bei Einnahme von Betäubungsmitteln außer Cannabis mit der Vierten Änderungsverordnung abrücken wollte.
4.3.7 Ob die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung auch bei der Teilnahme am Straßenverkehr kurz nach dem Konsum von Cannabis und mit hohen THC-Konzentrationen im Blut, die nur als Ordnungswidrigkeit geahndet worden ist, noch einer Ermessensausübung der Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV bedarf oder ob in solchen Fällen eine Ermessenreduzierung in Betracht kommt, sodass dann regelmäßig eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet werden muss, bedarf hier keiner Entscheidung. Insoweit bleibt es dem Normgeber überlassen, zum Schutz der Sicherheit im Straßenverkehr etwaige Grenzwerte und deren fahrerlaubnis- oder strafrechtliche Relevanz festzulegen.
4.4 Auch Sinn und Zweck der Vorschrift legen die oben dargelegte Auslegung des § 14 FeV nahe. §§ 11 bis 14 FeV dienen der Aufklärung von Eignungszweifeln. Damit soll die Sicherheit des Straßenverkehrs gewahrt werden, indem ungeeignete Kraftfahrer von der Teilnahme am motorisierten Verkehr ausgeschlossen und damit zukünftige Gefahren für die übrigen Verkehrsteilnehmer verhindert werden. Darüber hinaus dienen sie angesichts der nicht unbeträchtlichen Belastungen, die für den Betroffenen mit der Begutachtung verbunden sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 37), aber auch der Gleichbehandlung der Fahrerlaubnisbewerber und -inhaber.
Orientiert an diesen Zwecken erscheint es nicht gerechtfertigt, im Falle eines erstmalig fehlenden Trennens zwischen Cannabiskonsum und Teilnahme am Straßenverkehr in Form einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG keine Aufklärungsmaßnahmen anzuordnen, sondern unmittelbar die Fahrerlaubnis zu entziehen. Es ist nicht ersichtlich, dass gelegentliche Cannabiskonsumenten, die erstmals gegen das Trennungsgebot verstoßen und hierdurch den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt haben, eine größere Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs darstellen als Alkoholkonsumenten, die das Trennungsgebot im Rahmen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis d FeV nicht beachtet haben und dann "nur" eine medizinisch-psychologische Begutachtung durchführen lassen müssen. Im Übrigen sieht die Fahrerlaubnis-Verordnung bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt, die den Tatbestand des § 24a Abs. 1, Abs. 3 StVG erfüllt, im Unterschied zu § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht vor. Insoweit erweisen sich die Regelungen bei gelegentlichem Cannabiskonsum auch in der hier dargelegten Auslegung im Vergleich zu Trunkenheitsfahrten als "strenger".
4.5 Gegen die gefundene Auslegung spricht auch nicht, dass der Verordnungsgeber nicht eine der in letzter Zeit erfolgten Änderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung zum Anlass genommen hat, insoweit korrigierend oder klarstellend tätig zu werden (so aber VGH BW, B.v. 7.3.2017 – 10 S 328/17 – juris Rn. 4).
Nachdem die Auslegung des § 14 FeV anhand seines Wortlauts, seiner Entstehungsgeschichte, der Systematik der §§ 11 bis 14 FeV und seines Sinn und Zwecks ergibt, dass bei dem erstmaligen Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Trennungsgebot § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV einschlägig ist, ist nicht ersichtlich, welche Änderungen oder Klarstellungen der Verordnungsgeber hätte vornehmen sollen, um dieses Ergebnis zu stützen.
4.6 Schließlich fügt sich das dargelegte Verständnis des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV auch in das System der ordnungs- und sicherheitsrechtlichen Maßnahmen sinnvoll ein.
Das Fahrerlaubnisrecht als Sicherheitsrecht hat die Aufgabe, Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs zu verhindern. Damit unter Sicherheitsgesichtspunkten ein Einschreiten geboten ist, müssen aus dem bekannt gewordenen Verhalten eines Fahrerlaubnisinhabers zukünftige Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs drohen, die die Gefahren nennenswert übersteigen, die von jedem Teilnehmer am motorisierten Straßenverkehr ausgehen.
Dabei nimmt es der Normgeber grundsätzlich hin, dass Verkehrsteilnehmer in gewissem Umfang Verkehrsordnungswidrigkeiten begehen, ohne dass ihnen sofort die Fahrerlaubnis entzogen wird. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis im Rahmen der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24, 24a StVG ist nicht vorgesehen, sondern es kommt nach § 25 StVG nur die Verhängung eines Fahrverbots in Betracht. Regelmäßig ist auch erst bei Erreichen von acht Punkten im Rahmen des Fahreignungs-Bewertungssystems (§ 4 StVG) zwingend von Fahrungeeignetheit aus charakterlichen Gründen auszugehen und die Fahrerlaubnis zu entziehen. Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nach § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG nur dann nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG oder einer auf Grund § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG erlassenen Rechtsverordnung ergibt. Auch dann bedarf es jedoch zunächst der Abklärung der Fahreignung im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 bis 7 FeV).
Die erstmalige, ggf. nur fahrlässige Übertretung ordnungsrechtlicher Vorschriften, die bei einer Verkehrsteilnahme ab dem von der Grenzwertkommission empfohlenen analytischen Grenzwert von 1 ng/ml THC-Konzentration im Blut regelmäßig auch bei länger zurückliegendem Konsum gegeben ist (vgl. BGH, B.v. 14.2.2017 – 4 StR 422/15 – juris), trägt aber nicht zwingend eine Wiederholungsgefahr in sich, die zu einer Gefahrerhöhung für die anderen Verkehrsteilnehmer führt und deshalb die Annahme der Ungeeignetheit gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Aufklärung rechtfertigt. Die Geldbuße ist in der Regel eine Antwort auf "Bagatellunrecht" und mahnt zur künftigen Beachtung der Vorschriften (König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 24 StVG Rn. 42). Sowohl für einen ersten Verstoß gegen § 24a Abs. 1 StVG als auch gegen § 24a Abs. 2 StVG ist nach Nrn. 241 und 242 der Anlage zur Bußgeldkatalog-Verordnung (Bußgeldkatalog – BKat) ein Bußgeld von 500 Euro und ein Monat Fahrverbot vorgesehen. Es erscheint deshalb auch bei der ersten Verkehrsordnungswidrigkeit unter Cannabiseinfluss nicht ausgeschlossen, dass dies zur Warnung ausreicht und eine Verhaltensänderung hervorruft.
Die Annahme des Verordnungsgebers, Verkehrsordnungswidrigkeiten unter Alkohol- oder Cannabiseinfluss regelmäßig nur als Tatsachen anzusehen, die Bedenken gegen die Eignung i.S.d. § 2 Abs. 8 StVG i.V.m. §§ 13 und 14 FeV begründen und Ordnungswidrigkeiten ansonsten grundsätzlich nur im Rahmen des Fahreignungsbewertungssystems nach § 4 StVG bei Erreichen von acht Punkten als unmittelbaren Anlass zur Entziehung der Fahrerlaubnis zu verwenden, spricht daher ebenfalls für das dargelegte Normverständnis.
Dem steht auch nicht entgegen, dass bei Fahrten mit sehr hohen THC-Konzentrationen im Blut und unmittelbar nach dem Konsum von Cannabis ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine Straftat i.S.v. §§ 315c, 316 StGB, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und deshalb eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht in Betracht kommt, obwohl sich schon ab einer THC-Serumkonzentration von 4 ng/ml ein erhöhtes Unfallrisiko findet (vgl. Tönnes/Auwärter/Knoche/Skopp, Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Feststellung einer mangelhaften Trennung von Cannabiskonsum und Fahren anhand der Konzentration von Tetrahydrocannabinol [THC] im Blutserum, Blutalkohol 53/2016, S. 409). Die von der Rechtsprechung zu den §§ 315c, 316 StGB entwickelten Grenzwerte für relative und absolute Fahrunsicherheit nach Alkoholkonsum finden bisher keine Entsprechung bei Fahrten unter Cannabiseinfluss. Das Fehlen solcher Grenzwerte kann jedoch nicht dazu führen, dass entgegen der abschließenden Festlegung von Anlässen für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung in § 14 FeV Grenzwerte definiert werden, die bei nur ordnungswidrigem Verhalten zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führen. Vorrangig wären dann zuerst Grenzwerte zu bestimmen, bei denen eine relative und absolute Fahrunsicherheit anzunehmen und damit Strafbarkeit gegeben ist und die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen werden könnte.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war angesichts der schwierigen Rechtsfragen und des dadurch entstandenen Beratungsbedarf für den rechtsunkundigen Kläger notwendig (Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG).
6. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es ist klärungsbedürftig, ob einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten schon nach der ersten Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG unter Cannabiseinfluss ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen die Fahrerlaubnis entzogen werden muss.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).