Das Verkehrslexikon
OVG Münster Beschluss vom 18.12.2017 - 8 B 1104/17 - Fahrtenbuch und verspätete Anhörung im Bußgeldverfahren
OVG Münster v. 18.12.2017: Zur Anwendung der Zwei-Wochen-Frist bei der Überprüfung der Fahrtenbuchauflage
Das OVG Münster (Beschluss vom 18.12.2017 - 8 B 1104/17) hat entschieden:
Die in der Rechtsprechung entwickelte Zweiwochenfrist für die Benachrichtigung des Fahrzeughalters gilt nur „regelmäßig“; sie ist kein formales Tatbestandskriterium des § 31a Abs. 1 StVZO und auch keine starre Grenze. Die Zweiwochenfrist gilt daher für jene vom Regelfall abweichenden Gestaltungen nicht, in denen - bei typisierender Betrachtung - auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Ihre Nichteinhaltung ist außerdem unschädlich, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist.
Siehe auchZwei-Wochen-Frist und Stichwörter zum Thema Fahrtenbuch
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene gerichtliche Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass keine rechtlichen Bedenken gegen die im Hauptsacheverfahren angefochtene Fahrtenbuchauflage vom 25. April 2017 bestehen, nicht durchgreifend in Frage. Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners erweist sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig (dazu I.). Das Beschwerdevorbringen zeigt nicht auf, dass das Aufschubinteresse gleichwohl das Vollzugsinteresse überwiegen könnte (dazu II.).
I.
Die angeordnete Fahrtenbuchauflage findet ihre Rechtsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Danach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind hier bei summarischer Prüfung erfüllt. Der Senat geht davon aus, dass der in Rede stehende Verkehrsverstoß begangen worden ist (dazu 1.), dass es unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO war, den Fahrzeugführer festzustellen (dazu 2.), und dass die in Rede stehende Fahrtenbuchauflage verhältnismäßig ist (dazu 3.).
1. Auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen bestehen keine durchgreifenden Zweifel, dass am 7. Oktober 2016 um 21:33 Uhr mit dem auf den Antragsteller zugelassenen Fahrzeug mit dem Kennzeichen ... in I. auf der Bundesautobahn A in Fahrtrichtung I1. ... , Höhe Kilometer .., eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften - hier Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 84 km/h - begangen worden ist.
Der Verstoß gegen die Verkehrsvorschrift muss in tatsächlicher Hinsicht feststehen. Die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüft, muss daher ebenso wie das Verwaltungsgericht in einem sich anschließenden Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage alle Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift selbstständig prüfen. Dabei können zum Nachweis von Geschwindigkeitsüberschreitungen solche Messergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden; mögliche Fehlerquellen brauchen in einem solchen Fall nur erörtert zu werden, soweit der Einzelfall dazu konkrete Veranlassung gibt.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. März 2015 - 8 B 1213/14 -, juris Rn. 5 f., m. w. N.
Der Senat geht bei summarischer Prüfung davon aus, dass Messungen, die - wie hier - mit einer digitalen Messanlage des Typs "Vitronic PoliScanSpeed M 1" mit der Softwareversion 3.7.4 durchgeführt worden sind, aufgrund der Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (Zulassungszeichen 18.11/06.01) standardisierte Messverfahren im eben genannten Sinne sind.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. März 2015 - 8 B 1213/14 -, juris Rn. 9 ff. (zu einer anderen Version des Geräts), mit zahlreichen weiteren Nachweisen; zu PoliScanSpeed-ÿGeräte ebenso OLG Bamberg, Beschluss vom 24. Juli 2017 - 3 Ss OWi 976/17 -, juris Rn. 3, m. w. N.; OLG Zweibrücken, Beschlüsse vom 21. April 2017 - 1 OWi 2 Ss Bs 18/17 -, juris Rn. 4 ff., und vom 27. Januar 2017 - 1 OWi 1 Ss Bs 53/16 -, juris.
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat in drei ausführlichen Stellungnahmen bestätigt, dass PoliScanSpeed-Geräte unverändert über eine gültige Bauartzulassung verfügen und zuverlässig messen.
Vgl. "Antworten auf häufige Fragen zum Laserscanner-Geschwindigkeitsüberwachungsgerät PoliScanspeed der Fa. VITRONIC", Fassung vom 12. Januar 2017, abrufbar unter https://public.ptb.de/resources/show/10.7795/520.20 161209B; "Unveränderte Gültigkeit der Bauartzulassung zur Eichung des Laserscanner- Geschwindigkeitsüberwachungsgerätes PoliScanspeed der Fa. VITRONIC", Fassung vom 16. Dezember 2016, abrufbar unter https://www.ptb.de/.../PTB-Stellungnahme_PoliScan- Zulassung_DOI.pdf; "Stellungnahme der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zu Messgeräten der PoliScanspeed-Gerätefamilie", Stand: 27. November 2014, abrufbar unter https://www.ptb.de/cms/ptb/fachabteilungen/abt1/fb- 13/fb-13-stellungsnahme.html.
Der pauschale Hinweis des Antragstellers auf den Beschluss des AG Mannheim vom 29. November 2016 - 21 OWi 509 Js 35740/15 -, juris, wonach es aufgrund der Durchführung der Messung Abweichungen oberhalb der Verkehrsfehlergrenze geben könne, stellt diese generelle Annahme nicht durchgreifend in Frage. Dass die konkret in Rede stehende Messung fehlerhaft durchgeführt worden wäre, hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert geltend gemacht.
Seine Ausführungen dazu, ob das Messgerät zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit noch ausreichend geeicht gewesen sei, sind - wie bereits das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - lediglich spekulativ. Insbesondere lässt sich aus dem Umstand, dass das (eigenhändig unterzeichnete) Messprotokoll elektronisch statt handschriftlich ausgefüllt worden ist, nicht ableiten, dass dies unabhängig von der individuellen Messung bereits vorab erfolgt und inhaltlich falsch sein könnte.
2. Das Verwaltungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass es unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO war, den Fahrzeugführer festzustellen.
Dies ist der Fall, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört grundsätzlich, dass der Halter möglichst umgehend - im Regelfall innerhalb von zwei Wochen - von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2016 - 8 B 64/16 -, juris Rn. 5 ff., m. w. N.
a) Bei summarischer Prüfung geht der Senat davon aus, dass der Antragsteller von dem Verkehrsverstoß rechtzeitig benachrichtigt worden ist, obwohl er behauptet, das Anhörungsschreiben des Regierungspräsidiums L. vom 16. November 2016 und das Vorladungsschreiben des Polizeipräsidiums S. vom 22. Dezember 2016 nicht erhalten zu haben.
Zwar reicht es grundsätzlich aus, dass der Zugang eines Schreibens nicht weiter substantiiert bestritten wird, sofern der Zugang als solcher - und nicht lediglich der Zeitpunkt des Zugangs - bestritten wird. Wer einen Brief nicht erhält, hat in der Regel keine Möglichkeit, über das Bestreiten des Zugangs hinaus darzutun, dass oder gar warum er ihn nicht erhalten hat. Da es sich bei dem Nichtzugang eines Briefs um eine negative Tatsache handelt und die Umstände, die den Nichtzugang verursacht haben, in der Regel außerhalb des Einfluss- und Kenntnisbereichs des Empfängers liegen, sind weitere Anforderungen an die Substantiierung des Bestreitens nicht zu stellen. Davon zu unterscheiden ist die im Rahmen der Beweiswürdigung zu prüfende Frage, ob das Bestreiten des Zugangs unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Einzelfalls glaubhaft ist.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. April 2013 - 8 B 173/13 -, juris Rn. 9 ff., m. w. N.
Diese Würdigung fällt nach Aktenlage zu Lasten des Antragstellers aus. Der Senat nimmt an, dass das Anhörungsschreiben und die Vorladung des Polizeipräsidiums S. abgesandt worden sind und den Antragsteller erreicht haben.
Das Absenden erschließt sich in noch hinreichender Weise aus den detaillierten und nachvollziehbaren Erläuterungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom "01.06.2017", eingegangen bei Gericht am 23. November 2017, und dem sonstigen Akteninhalt, auch wenn die genannten Schreiben jeweils keinen Vermerk über die Aufgabe des Schreibens zur Post tragen. Der dem Senat vorliegende Verwaltungsvorgang des Regierungspräsidiums L. besteht aus dem Ausdruck der elektronischen Akte. Nach den Angaben des Antragsgegners, der Rücksprache mit den Sachbearbeitern beim Regierungspräsidium L. und beim Polizeipräsidium S. gehalten hat, hat die zuständige Sachbearbeiterin beim Regierungspräsidium L. das Anhörungsschreiben vom 16. November 2016 erstellt. Der Vorgang wird anschließend an das dortige zentrale Rechenzentrum zum Ausdruck und zur weiteren Veranlassung geschickt. Der Vermerk "Druck Zeugenfragebogen an Herrn B. T. " in der Rubrik "Historie" zu Beginn des Aktenausdrucks wird automatisch mit der Bearbeitung durch das Rechenzentrum ausgelöst und erfolgt nur, wenn tatsächlich gedruckt worden ist. Andernfalls bekäme der Sachbearbeiter einen Hinweis auf die nicht erfolgte Bearbeitung durch das Rechenzentrum. Einen solchen Hinweis gibt es hier nicht. Hinzu kommt, dass dieselbe Sachbearbeiterin, Frau G. , die den Zeugenfragebogen vom 16. November 2016 erstellt hat, einige Tage später, unter dem 28. November 2016, die Polizeiwache E. mit der Bitte um weitere Ermittlungen angeschrieben und darin mitgeteilt hat, dass sie am 16. November 2016 einen Zeugenfragebogen an den Antragsteller versandt habe. Der Umstand, dass die Sachbearbeiterin selbst davon ausging, dass der Fragebogen abgesandt worden ist, spricht ebenfalls für ein Absenden.
Das Polizeipräsidium S. arbeitet ausweislich der Angaben des Antragsgegners im oben genannten Schriftsatz von November 2017 ebenfalls mit einem elektronischen Verwaltungsvorgang. Nach dem dort üblichen Verfahrensablauf werden Originalschreiben und Zweitschrift gleichzeitig verschickt. Die im Verwaltungsvorgang enthaltene Zweitschrift der Vorladung des Antragstellers vom 22. Dezember 2016 deutet demnach darauf hin, dass auch das Originalschreiben versandt worden ist.
Im Übrigen spricht nach allgemeiner Lebenserfahrung grundsätzlich wenig dafür, dass korrekt adressierte und abgesandte Schreiben den Empfänger nicht erreichen, wenn keine besonderen Umstände vorliegen.
Vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 19. Februar 2015 - OVG 1 B 1.13 -, juris Rn. 29; OVG NRW, Beschluss vom 4. April 2013 - 8 B 173/13 -, juris Rn. 14.
Die beiden Schreiben sind nach Aktenlage nicht in den Postrücklauf der jeweiligen Behörde gelangt und das Anhörungsschreiben des Antragsgegners an dieselbe Anschrift hat den Antragsteller erreicht. Außerdem ist dem Antragsteller nach seinen Angaben nicht bekannt, dass ihn weitere Postsendungen ebenfalls nicht erreicht hätten. Dies spricht hier jedenfalls nicht für außergewöhnliche Umstände, die der Annahme eines regulären Postzugangs entgegenstehen könnten.
b) Es ist unschädlich, dass der Antragsteller nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Feststellung des Verkehrsverstoßes vom 7. Oktober 2016 angehört worden ist, sondern erst mit Schreiben vom 16. November 2016.
Die in der Rechtsprechung entwickelte Zweiwochenfrist für die Benachrichtigung des Fahrzeughalters gilt nur "regelmäßig"; sie ist kein formales Tatbestandskriterium des § 31a Abs. 1 StVZO und auch keine starre Grenze. Jene Fristbestimmung beruht vielmehr auf dem Erfahrungssatz, dass eine Person Vorgänge des persönlichen Lebensbereichs aus den letzten 14 Tagen im Regelfall wird erinnern oder jedenfalls noch rekonstruieren können. Deshalb darf angenommen werden, dass ein konkreter Anstoß innerhalb dieser Frist ausreicht, um zu verhindern, dass die Erinnerung entscheidend verblasst oder wesentliche, den Vorgang betreffende Unterlagen vernichtet werden, so dass es dem Fahrzeughalter in den sich an den Verkehrsverstoß anschließenden Verfahren möglich bleibt, seine Verteidigung auf dieser Grundlage einzurichten. Die Zweiwochenfrist gilt daher für jene vom Regelfall abweichenden Gestaltungen nicht, in denen - bei typisierender Betrachtung - auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt. Ihre Nichteinhaltung ist außerdem unschädlich, wenn feststeht, dass die Rechtsverteidigung des Fahrzeughalters durch dessen verzögerte Anhörung nicht beeinträchtigt worden ist.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2013 - 8 A 562/13 -, juris Rn. 8 ff., m. w. N.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, dass die Überschreitung der Zweiwochenfrist hier deswegen unschädlich sei, weil der Anhörungsbogen zusammen mit einem aussagekräftigen Foto übersandt worden sei, auf dem die Fahrerin des Wagens deutlich zu erkennen gewesen sei. Damit sei nur das Wiedererkennungsvermögen gefordert. Der Einwand des Antragstellers, das Bild sei nicht aussagekräftig, weil es unscharf sei und ein Teil des Gesichtsbereichs verdeckt werde, verfängt nicht. Unter Berücksichtigung der Erfahrungen des Senats mit zahlreichen Fotos aus Verkehrsüberwachungssystemen ist das hier vorliegende Bild vergleichsweise scharf und die Person gut erkennbar. Verdeckt ist lediglich der obere Teil der Stirn, wobei die vollständige Augenpartie sichtbar ist. Dies hindert eine Wiedererkennung jedoch nicht in nennenswertem Umfang.
Als weiteres Argument dafür, dass die Überschreitung der Zweiwochenfrist hier unschädlich sei, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass es bei Firmenwagen nach ständiger Rechtsprechung sachgerechtem kaufmännischen Verhalten entspreche, die mit einem solchen Wagen unternommenen Fahrten längerfristig zu dokumentieren. Auf diese Weise sei auch nach mehr als zwei Wochen noch feststellbar, wer das Fahrzeug wann genutzt habe. Es ist weiter davon ausgegangen, dass das Fahrzeug auf den Antragsteller und nicht auf eine Firma zugelassen sei, aber auch von einer nicht näher bezeichneten "Firma" genutzt werde. Es erscheine lebensnah, dass ein Fahrzeug der oberen Mittelklasse wie hier nicht von "jedermann" in dem Unternehmen gefahren werden dürfe, so dass der Kreis der Nutzungsberechtigten übersichtlich sein dürfte. Bei einer "Mischnutzung" des Autos sei eine Aufzeichnung über Geschäftsfahrten zumindest sinnvoll.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist das Verwaltungsgericht ausdrücklich von einer gemischten Nutzung des Fahrzeugs ausgegangen. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob die obergerichtliche Rechtsprechung für Mischfahrzeuge eine Verpflichtung annimmt, geschäftliche Fahrten zu dokumentieren. Denn die Überschreitung der Zweiwochenfrist ist hier unabhängig von etwaigen Dokumentationen bei einer auch geschäftlichen Nutzung des Fahrzeugs schon deswegen unschädlich, weil der Anhörung ein aussagekräftiges Foto beilag.
3. Die streitbefangene Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, ist auch verhältnismäßig.
Der Erlass einer Fahrtenbuchauflage setzt einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht voraus. Auch für die im Einzelfall noch angemessene Dauer der Fahrtenbuchauflage kommt es wesentlich auf das Gewicht des Verkehrsverstoßes an. Darüber hinaus kann in die Ermessensentscheidung einfließen, ob das erste Mal mit einem Pkw des Fahrzeughalters ein Verkehrsverstoß ohne Fahrerfeststellung begangen wurde, oder ob es sich um einen Wiederholungsfall handelt. Die Bemessung des Gewichts einer Verkehrszuwiderhandlung ist dabei an dem in Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) niedergelegten Punktesystem zu orientieren. Dabei ist bereits ab einem Punkt und auch schon bei der ersten derartigen Zuwiderhandlung von einem erheblichen Verstoß auszugehen. Dies gilt umso mehr nach der Reform des Punktesystems zum 1. Mai 2014, wonach Punkte nur noch für Verstöße vergeben werden, welche die Verkehrssicherheit beeinträchtigen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 8 A 1217/15 -, juris Rn. 4 ff., m. w. N.
Gemessen daran begegnet es vorliegend keinen Bedenken, dass der Antragsgegner dem Antragsteller aufgrund der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 84 km/h (nach Toleranzabzug) das Führen eines Fahrtenbuchs für einen Zeitraum von 15 Monaten aufgegeben hat. Nach Nr. 2.2.3 der Anlage 13 zu § 40 der Fahrerlaubnis-Verordnung i. V. m. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 Buchstabe c des Anhangs zur Bußgeldkatalog- Verordnung wäre dieser Verstoß mit zwei Punkten in das Fahreignungsregister einzutragen gewesen, außerdem wären ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten sowie eine Geldbuße von 600 Euro verhängt worden. Bei der hier vorliegenden Schwere des Verkehrsverstoßes fällt es zugunsten des Antragstellers nicht ins Gewicht, dass er bisher verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und sein Fahreignungsregister keinen Punkt ausweist.
Die streitbefangene Verfügung ist auch nicht deswegen unverhältnismäßig, weil der Antragsteller das Fahrtenbuch dem Antragsgegner auf Nachfrage vorlegen muss. Diese allgemeine Verpflichtung ergibt sich unmittelbar aus § 31a Abs. 3 StVZO. Ohne Erfolg wendet der Antragsteller gegen die Verhältnismäßigkeit der Fahrtenbuchanordnung weiter ein, der Antragsgegner habe ihn wiederholt aufgefordert, das Fahrtenbuch vormittags beim Straßenverkehrsamt N.
einzureichen; dies sei für ihn eine erhebliche Belastung, weil er dieser Verpflichtung wegen seiner Berufsausübung nur nachkommen könne, wenn er dazu Urlaub nehme. Dieses Vorbringen berührt die Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Verfügung vom 25. April 2017 schon deswegen nicht, weil sich die vom Antragsteller beanstandeten Zeitvorgaben nicht in der Verfügung selbst finden, sondern in gesonderten Schreiben des Antragsgegners.
II. Da sich die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist, überwiegt - wie regelmäßig - das Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse.
Die Fahrtenbuchauflage ist geeignet, künftige Täterfeststellungen zu erleichtern und dadurch zur Sicherheit im Straßenverkehr beizutragen. Es ist davon auszugehen, dass sich ein Fahrtenbuch positiv auf die Verkehrsdisziplin auswirkt und dadurch dazu beiträgt, Verkehrsverstöße künftig zu vermeiden. Deshalb muss das Fahrtenbuch in einem möglichst engen zeitlichen Zusammenhang mit dem wegen fehlender Fahrerermittlung nicht geahndeten Verkehrsverstoß geführt werden. Die Wahrung eines solchen zeitlichen Zusammenhangs führt dem Halter und künftigen Fahrern des Fahrzeugs plastisch vor Augen, dass Verkehrsverstöße nicht folgenlos bleiben und die Rechtsordnung es nicht hinnimmt, künftige Verkehrsverstöße - und zwar nicht erst nach Abschluss eines längeren Rechtsmittelverfahrens - ebenfalls nicht ahnden zu können. § 31a StVZO zielt dabei auf eine abstrakte Wiederholungsgefahr, die ersichtlich daran anknüpft, dass der verantwortliche Fahrer bei Begehung des Verkehrsverstoßes anonym geblieben ist. Diese abstrakte Wiederholungsgefahr besteht auch im Zeitraum bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens und erfordert deshalb regelmäßig, dass auch schon in diesem Zeitraum das Fahrtenbuch geführt wird.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2014 - 8 B 591/14 -, juris Rn. 31 ff., m. w. N.
Gründe, aus denen sich vorliegend ausnahmsweise dennoch ein das Vollzugsinteresse überwiegendes oder diesem zumindest gleichwertiges Aufschubinteresse ergeben könnte, zeigt das Beschwerdevorbringen nicht auf.
Die Aufforderungen des Antragsgegners an den Antragsteller, das Fahrtenbuch vormittags beim Straßenverkehrsamt N. zur Kontrolle einzureichen, begründen kein schützenswertes Aufschubinteresse. Die Schwierigkeit, gegebenenfalls Urlaub nehmen zu müssen, um das Fahrtenbuch zur Kontrolle vorlegen zu können, tritt hinter die eben genannten Zwecke einer Fahrtenbuchauflage zurück. Unabhängig davon dürfte der Kontrollzweck auch durch die Vorlage zu einem anderen Zeitpunkt, der für den Antragsteller weniger belastend wäre, oder durch eine andere Person als den Antragsteller erfüllt werden können. Die Aufforderung, das Fahrtenbuch ein zweites Mal vorzulegen, geht im Übrigen ausweislich des Schreibens des Antragsgegners vom 19. Juni 2017 darauf zurück, dass sich bei der ersten Vorlage herausgestellt hat, dass der Antragsteller es nicht ordnungsgemäß geführt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt der Senat in Anlehnung an Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 für jeden Monat der hier auf 15 Monate befristeten Fahrtenbuchauflage einen Betrag von 400 Euro zu Grunde (Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs 2013). Der sich daraus ergebende Betrag wird wegen der Vorläufigkeit dieses Verfahrens auf die Hälfte reduziert (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs) und mit einem Viertel der in der Ordnungsverfügung festgesetzten Verwaltungsgebühren nebst Auslagen (insgesamt 142,80 Euro) (vgl. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs) addiert.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).