Das Verkehrslexikon
Landgericht München Urteil vom 22.09.2005 - 19 S 8377/05 - Zur Haftung für einen hochgeschleuderten Stein
LG München v. 22.09.2005: Zur Haftung für einen hochgeschleuderten Stein
Das Landgericht München (Urteil vom 22.09.2005 - 19 S 8377/05) hat entschieden:
Das Hochschleudern einer Piccoloflasche durch den Reifen eines Linienbusses ist für dessen Halter ein unabwendbares Ereignis, so dass der Geschädigte keinen Ersatz verlangen kann.
Siehe auch Haftung für hochgeschleuderte Steine, Dreck, Fahrzeugteile, Reifen und Unabwendbares Ereignis / höhere Gewalt - Gefährdungshaftung
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 540 Abs. l ZPO abgesehen.
[Pressemitteilujng des Gerichts:
"An einem Freitag Ende August 2004 gegen 23.00 Uhr befuhr die in München wohnende spätere Klägerin mit ihrem PKW Mercedes (A-Klasse) die Heinrich-Wieland-Straße im München in Richtung stadteinwärts auf der linken Fahrspur. Zu diesem Zeitpunkt befuhr der Bus der späteren beklagten Stadtwerke München der Linie 192 den rechten Fahrstreifen in gleicher Fahrtrichtung schräg versetzt vor der Klägerin. Etwa in Höhe der U-Bahn-Haltestelle Michaelibad bemerkte die Klägerin den Aufprall eines Gegenstandes auf der Motorhaube ihres Fahrzeugs. Die Klägerin nahm zunächst an, dass sich ein Gegenstand von dem Bus gelöst habe und auf ihr Fahrzeug gefallen sei. Da beide Fahrzeugführer den Unfall bemerkten hielten sie an und sahen sich die Sache näher an. Dabei stellte sich heraus, dass auf der Fahrspur des Busses eine Piccoloflasche gelegen hatte. Diese wurde von einem Rad des Busses hochgeschleudert und ist daraufhin auf die Motorhaube des klägerischen PKW geprallt. An der Unfallörtlichkeit fanden die Beteiligten dann auch die zerstörte Flasche auf dem linken Fahrstreifen. Der Busfahrer hat angegeben, dass er die Flasche in letzter Sekunde bemerkt habe, ihr aber nicht mehr habe ausweichen können.
Die Klägerin war der Auffassung, dass die Stadtwerke München als Betreiberin der Buslinie, für den ihr entstandenen Schaden in vollem Umfang haften müsse. Sie habe keinerlei Chance gehabt, den Unfall in irgendeiner Weise zu vermeiden. So machte sie den ihr entstandenen Schaden in Höhe von € 1.445,92 bei den Stadtwerken geltend. Diese lehnten jedoch eine Kostenübernahme ab. So kam der Fall vor das Amtsgericht München."]
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Kammer folgt auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens dem amtsgerichtlichen Urteil. Die Kammer ist ebenso wie das Amtsgericht der Ansicht, dass es sich bei einer dem dunklen auf der Fahrbahn liegenden Piccolo-Flasche für den Busfahrer um ein unabwendbares Ereignis handelt. Bei der H-W-Straße handelt es sich um eine breite ausgebaute Straße, auf der ein Kraftfahrer nicht mit dem Liegen von Gegenständen rechnen muss. Eine dunkle kleine Flasche hebt sich vom Asphalt schlecht ab, auch wenn die Straßenbeleuchtung eingeschaltet ist. Das Erstgericht hat rechtsfehlerfrei ein unabwendbares Ereignis angenommen, zumal die H-W-Straße mit 50 km/h befahren werden darf und auch befahren wird.
Eine andere Bewertung der Betriebsgefahr ist auch nach der Neufassung des § 7 Abs. 2 StVG nicht geboten, Hintergrund der Einführung des Begriffs "höhere Gewalt" in § 7 Abs. 2 StVG war in erster Linie das Bemühen zu verhindern, dass bei Unfällen mit Kindern, deren Verhalten oft als unabwendbares Ereignis qualifiziert werden musste, der Kraftfahrer sich von der Betriebsgefahr befreien kann. Die reine Betriebsgefahr eines PKW-Fahrers tritt beim Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses gegenüber einem anderen motorisierten Kraftfahrer zurück (vgl. OLG Nürnberg, NZV 2005, Seite 422).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Nichtzulassung der Revision basiert auf § 543 Abs. 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO in Verbindung mit § 1214 GKG.