Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 16.12.1991 - 12 U 202/91 - Haftungsabwägung bei Unfall mit Sonderrechtsfahrzeug

KG Berlin v. 16.12.1991: Zur Haftungsabwägung bei Unfall mit Sonderrechtsfahrzeug


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 16.12.1991 - 12 U 202/91) hat in einer äußerst gründlichen und ausführlichen Entscheidung sowohl zur Haftungsabwägung bei einem Zusammenstoß zwischen Kfz und Wegerechtsfahrzeug wie auch zum Innenausgleich zwischen Amtsträger und Haftpflichtversicherer beim Bestehen eines Teilungsabkommens mit einem Sozialversicherungsträger Stellung genommen:
  1. Nimmt ein Amtsträger bei der dienstlichen Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr Sonderrechte in Anspruch, so wirkt sich das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nur auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung, insbesondere beim Schmerzensgeldbegehren, aus.

  2. Hat ein Haftpflichtversicherer für seinen versicherten Halter und Fahrer dem SVT des Verletzten aufgrund eines Teilungsabkommens nur einen Teil der Aufwendungen ersetzt, so kommt es auf den Inhalt des Teilungsabkommens an, ob er vom weiteren gesamtschuldnerisch haftenden Fahrzeughalter Ausgleich seiner Zahlung an den SVT nach der Haftungsquote fordern kann oder ob zu berücksichtigen ist, daß der SVT von dem weiteren Halter Ersatz seiner noch nicht ausgeglichenen Aufwendungen fordern darf.

Siehe auch Sonderrechte - Einsatzfahrzeuge - Rettungsfahrzeuge - Wegerechtsfahrzeuge


Zum Sachverhalt: Die Kl. machte kraft gesetzlichen Forderungsübergangs bzw. Abtretung auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 15.10.1987 gegen 14.35 Uhr ereignete. Die Zeugin S. fuhr mit dem bei der Kl. gegen Haftpflicht versicherten Taxi des Halters L. bei für sie grünem Ampellicht in nordwestlicher Richtung über die nordöstliche Richtungsfahrbahn des F.-Damms in den Einmündungsbereich ein. Im Taxi befand sich als Fahrgast die Zeugin J. Zu derselben Zeit fuhr der Bekl. zu 1, ein Polizeibeamter, mit dem Schaufellader des Bekl. zu 2 bei rotem Ampellicht von rechts, nämlich aus dem A.-Ring kommend, in den Einmündungsbereich ein, um dort nach links in südöstlicher Richtung in den F.-Damm abzubiegen. Im Schnittpunkt der Fahrtrichtungen beider Fahrzeuge stießen diese zusammen. Hierbei geriet die Schaufel des Radladers gegen die rechte Seite des Taxis, wodurch dort insbesondere das Dach eingedrückt wurde.

Hierbei kam die Zeugin J. zu Schaden, die stationär behandelt werden mußte. Der Bekl. zu 1 hatte sich mit dem Schaufellader auf einer Einsatzfahrt befunden, um in einem anderen Stadtteil bei Löscharbeiten der Feuerwehr mit dem Gerät mitzuwirken. Hinter dem von ihm geführten Schaufellader befand sich der Zeuge R. mit einem weiteren gleichartigen Gefährt, dahinter ein weiterer Polizeibeamter mit einem Mannschaftswagen.

Die Kl. erbrachte folgende Leistungen: an die Zeugin J. gemäß Abfindungserklärung vom 25.9.1988 7.000,00 DM, an die AOK abkommensgemäß 55 % aus den Rechnungen in Höhe von 9.920,50 DM, also 5.426,57 DM und damit insgesamt 12.456,27 DM. Hiervon verlangte die Kl. nach einer Quote von 3/4 9.342,20 DM ersetzt.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte gegenüber der Bekl. zu 2 teilweise Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

I. Der Kl. steht gegen den Bekl. zu 1 schon deshalb kein Schadensersatz zu, soweit dieser auf sie übergehen konnte, weil er den Unfall vom 15.10.1987 nicht vorsätzlich, sondern lediglich fahrlässig mitverursacht und verschuldet hat, wie noch bei der Prüfung der Haftung des Bekl. zu 2 auszuführen ist.

Dieser handelte bei der Einsatzfahrt des Schaufelladers des Polizeipräsidenten in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amts. Aus diesem Grunde tritt an die Stelle der persönlichen Haftung des Beamten (§ 839 BGB) die Verantwortlichkeit des Staates, Landes oder der sonstigen Körperschaft, also des Bekl. zu 2, in dessen Diensten der Bekl. zu 1 steht (Art. 34 S. 1 GG). Das gilt auch für die nach dem StVG (§ 18 Abs. 1) in Betracht kommenden Ansprüche insoweit ist die persönliche Haftung des Bekl. zu 1 ausgeschlossen (BGH VersR 58, 320 = DAR 58, 160 = VRS 14, 334; 59, 455 = DAR 59, 181 = VRS 16, 334; 1977, 541 = NJW 77, 1238 KG VersR 1976, 193 = DAR 76, 15 vom 23.1.1989 - 12 U 2218/88).

II. Dagegen haftet der Bekl. zu 2 der Kl., allerdings lediglich für den Ausgleich materieller Schäden in genannter Höhe.

Wenn ein Verkehrsteilnehmer - ungeachtet eines eventuellen Mitverschuldens - allein durch das Verhalten eines Amtsträgers bei der dienstlichen Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr zu Schaden kommt, steht die Haftung des Staates, Landes oder der Körperschaft für materielle und immaterielle Schäden außer Frage. Die Haftung richtet sich nach den Vorschriften über die Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG). Daneben kommt die Gefährdungshaftung (§ 7 Abs. 1 StVG) zum Zuge. Beide Haftungsarten stehen selbständig nebeneinander (BGH VersR 68, 997; 1991, 925 = DAR 91, 139 KG VersR 1972, 444; 1975, 955; 1979, 24 VerkMitt 82, 37 vom 26.6.1989 - 12 U 3716/88). Die Tatsache, daß es sich bei dem Schaufellader des Bekl. zu 2 um eine Arbeitsmaschine handelt, steht der Gefährdungshaftung nicht entgegen, da sich der Unfall gerade infolge des Betriebs, nämlich während der Fahrt dieses Geräts auf einer öffentlichen Straße, ereignet hat.

Allerdings ist vorliegend zu beachten, daß die Zeugin J. - wie noch auszuführen ist - nicht nur durch den Sonderrechte in Anspruch nehmenden Bekl. zu 1, sondern auch durch fahrlässiges Verhalten der Zeugin S. zu Schaden gekommen ist. Neben den Ansprüchen aus Amtshaftung und Gefährdungshaftung gegen den Bekl. zu 2 standen der Zeugin J. als zahlender Verkehrsgast auch Ersatzansprüche gegen den Halter des Taxis, die Zeugin S. als Fahrerin und die Kl. als Haftpflichtversicherer zu (§§ 7 Abs. 1, 8 a, 18 Abs. 1 StVG, 823 BGB, 3 Nr. 1 PflVG). Ebenso hatte sie Anspruch bezüglich der Heilungskosten gegenüber ihrer Versicherung, der AOK, die insoweit auch eingetreten ist. Soweit die AOK für Heilkosten eingetreten ist, sind die Ersatzansprüche der Zeugin J. auf diese Versicherung übergegangen (§ 116 SGB X).

Mit den Zahlungen der Kl. an die AOK nach Teilungsabkommen und unmittelbar an die Zeugin J. sind nicht nur Ersatzansprüche, sondern auch Ausgleichsansprüche auf sie nach § 67 VVG übergegangen. Diese Vorschrift findet auch im Haftpflichtversicherungsrecht Anwendung. Die Zeugin war als Fahrgast im Taxi Versicherte im Sinne des VVG, da sie die Kl. unmittelbar als Haftpflichtversicherer in Anspruch nehmen konnte. Auch dieser Versicherte ist VN nach der genannten Vorschrift (vgl. BGH VersR 60, 724 f. = NJW 60, 1903 (1905) Prölss/Martin, VVG 24. Aufl. § 67 Anm. 1 B, 2 a vgl. auch BGH VersR 1981, 134 = NJW 81, 681). Soweit der Bekl. zu 2 Zahlungen der Kl. an die AOK auszugleichen hat (§ 426 BGB), ist bei der nachfolgenden Ermittlung des Ausgleichsumfangs auf die sich aus dem Teilungsabkommen zwischen der Kl. und der AOK ergebenden Besonderheiten einzugehen.

Allerdings führt die Subsidiaritäts- bzw. Verweisungsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB (sogenanntes Verweisungsprivileg) dazu, daß der Bekl. zu 2 Ausgleichung nur schuldet, soweit die Kl. Leistungen auf den materiellen Schaden der Zeugin J. erbracht hat, nicht dagegen, soweit die Kl. Schmerzensgeld gezahlt hat, weil der Bekl. zu 1 als Amtsträger entsprechend den nachfolgenden Ausführungen lediglich fahrlässig gehandelt hat. Weder ist der Ansicht der Kl. zu folgen, daß vorliegend § 839 Abs. 1 S. 2 BGB überhaupt keine Anwendung finde, noch derjenigen des Bekl. zu 2, daß diese Vorschrift auch dem Ausgleich des materiellen Schadens entgegenstünde. Insoweit ist entgegen der Anregung der Kl. nicht die Revision zuzulassen, weil die hier sich ergebenden Rechtsfragen durch den BGH geklärt sind und von dessen Rechtsprechung der erkennende Senat nicht abweicht (vgl. § 546 Abs. 1 S. 2 ZPO).

Mit der Begründung des BGH und seiner Entscheidung vom 27.1.1977 (BGHZ 68, 217 = VersR 1977, 541 = NJW 77, 1238) ist die Vorschrift des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht anwendbar, wenn ein Amtsträger bei der dienstlichen Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr durch seine Pflichtwidrigkeit Körperschäden und/oder Sachschäden verursacht hat. Dies gilt dann, wenn der Geschädigte selbst Staat, Land oder Körperschaft in Anspruch nimmt (BGH aaO). In gleicher Weise können sich Staat, Land oder Körperschaften nicht auf § 839 Abs. 1 S. 2 BGB berufen, wenn ein SVT auf ihn übergegangene Ansprüche des Geschädigten geltend macht (BGH VersR 1979, 547 = NJW 79, 1602) oder der Haftpflichtversicherer Ausgleichsansprüche verfolgt (vgl. BGH VersR 1981, 134 = NJW 81, 681 - dort fehlte es lediglich an einem übergangsfähigen Anspruch).

Dasselbe gilt auch, wenn ein Amtsträger durch eine Verletzung der ihm als hoheitliche Aufgabe obliegenden Straßenverkehrssicherungspflicht schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht hat (BGH VersR 1979, 1009 = NJW 79, 2043 OLG Celle VersR 1980, 387 = NJW 79, 724 vgl. zu allem BGB- RGRK 12. Aufl. § 839 Rdn. 490). Diese Rechtsprechung des III. Zivilsenats des BGH (VersR 1977, 541 = NJW 77, 1238; 1979, 547 = NJW 79, 1602) betrifft nur Sachverhalte, in denen der Amtsträger nicht Sonderrechte nach § 35 StVO in Anspruch genommen hatte.

Hierzu hat der BGH ausdrücklich hervorgehoben, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB finde jedenfalls dann keine Anwendung, wenn der Amtsträger ohne Inanspruchnahme solcher Sonderrechte am allgemeinen Straßenverkehr teilnimmt.

Wie die Situation zu beurteilen ist, wenn der Amtsträger Sonderrechte in Anspruch nimmt, hat der III. Zivilsenat des BGH mit seiner Entscheidung vom 13.12.1990 (VersR 1991, 925 = DAR 91, 139) abschließend geklärt. Der den materiellen Schaden umfassende Anspruch nach § 7 StVG wird nicht durch § 839 BGB verdrängt, weil der Anspruch aus Gefährdungshaftung selbständig neben dem Amtshaftungsanspruch steht. Dagegen gilt die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bezüglich des immateriellen Schadens, da sich dessen Ersatz nur aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG ergeben kann. Die zuvor angeführte Rechtsprechung des BGH, soweit die Subsidiaritätsklausel keine Anwendung findet, beruht darauf, daß alle Verkehrsteilnehmer einschließlich des dienstlichen Verkehrs gleich zu behandeln sind, ihnen gleiche Rechte und Pflichten im Straßenverkehr obliegen. Die Unanwendbarkeit der Subsidiaritätsklausel erstreckt sich folglich nicht auf die dienstliche Teilnahme am Straßenverkehr, bei der der Grundsatz gleicher Rechte und Pflichten durch Sonderrechte (§ 35 StVO) aufgehoben ist. In diesen Fällen ist eine besondere Gefahrenlage geschaffen. Deshalb kann der amtspflichtwidrig handelnde Amtsträger nicht jedem anderen Verkehrsteilnehmer gleichgestellt werden.

1. Weil der Bekl. zu 1 entsprechend den nachfolgenden Ausführungen Sonderrechte in Anspruch genommen hat, war die Zeugin J. wegen § 839 Abs. 1 S. 2 BGB gehindert, gegen den Bekl. zu 2 ein Schmerzensgeld durchzusetzen, da ihr ein solcher Anspruch gegen die Zeugin S. wegen der fahrlässigen Verursachung des Unfalls zustand und hierfür die Kl. einzustehen hatte (§§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PflVG). Die Subsidiaritätsklausel hat ihre rechtliche Bedeutung nicht etwa dadurch verloren, daß die Kl. das Schmerzensgeldbegehren der Zeugin J. ausgeglichen hat. Damit verlangt die Kl. erfolglos anteilsmäßige Ausgleichung ihrer Schmerzensgeldzahlung an die Zeugin J. 2. Somit ist der Bekl. zu 2 lediglich bezüglich der materiellen Schäden der Zeugin J. nach § 426 BGB ausgleichspflichtig, soweit entsprechende Ansprüche auf die Kl. übergegangen sind. Dies betrifft die Zahlung der Kl. an die AOK in Höhe von insgesamt 9920,50 DM - hiervon hat der Bekl. zu 2496,02 DM auszugleichen - (s. unten b) und etwaige Zahlungen der Kl. an die Zeugin J. persönlich, soweit sie deren materiellen Schaden betreffen (s. unten c).

a) Die Ausgleichsverpflichtung des Bekl. zu 2 ist nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen. Denn der Unfall stellt sich für den Bekl. zu 1 nicht als ein unabwendbares Ereignis dar. Dem steht entgegen, daß der Bekl. zu 1 nicht die äußerste ihm mögliche Sorgfalt hat walten lassen (vgl. KG DAR 76, 240 VersR 1971, 864; 1979, 234). Die deshalb nach § 17 Abs. 1 StVG gebotene Abwägung unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr führt zu dem Ergebnis, daß der Bekl. zu 1 und die Zeugin S. den Schaden der Zeugin J. gleichermaßen verursacht und verschuldet haben. Deshalb führt der Ausgleichsanspruch der Kl. dazu, daß der Bekl. zu 2 alle Beträge auszugleichen hat, soweit die Kl. mehr als die Hälfte der materiellen Schäden der Zeugin J. beglichen hat, und zwar aus folgenden Gründen:

Der Bekl. zu 1 war berechtigt, Sonderrechte nach § 35 StVO in Anspruch zu nehmen. Es gehörte zu den hoheitlichen Aufgaben des Bekl. zu 2, eilends mit dem vom Bekl. zu 1 geführten schweren Gerät, dem Schaufellader, der Feuerwehr zur Hilfe zu eilen, um einen Großbrand unter Kontrolle zu bringen und zu löschen. Aus diesem Grunde war der Bekl. zu 1 befugt, vor Einfahrt in den Einmündungsbereich A.-Ring/F.-Damm - F.-Chaussee bei rotem Ampellicht Blaulicht und Martinshorn einzuschalten (§ 38 Abs. 1 S. 1 StVO). Es braucht nicht erst darauf abgestellt zu werden, daß das Sonderrecht mit dem Gebot nach § 38 Abs. 1 S. 2 StVO, freie Bahn zu schaffen, nach richtiger und allgemein anerkannter Auffassung nicht nur in den unter S. 1 aufgeführten Fällen, sondern allein durch die Signale des Einsatzfahrzeugs ausgelöst wird und von den anderen Verkehrsteilnehmern sofort und unbedingt ohne Prüfung des Wegerechts zu befolgen ist (KG VersR 1976, 193 VerkMitt 82, 37 (38).

Zwar gewährt das Sonderrecht des § 38 Abs. 1 S. 1 StVO freie Fahrt auch gegenüber dem an sich durch eine Lichtzeichenanlage bevorrechtigten Verkehrsteilnehmer, wenn Blaulicht und Martinshorn rechtzeitig eingeschaltet worden sind. Die Verpflichtung, dem Einsatzfahrzeug freie Bahn zu schaffen, trifft die anderen Verkehrsteilnehmer, nachdem sie das Blaulicht und das Martinshorn wahrgenommen haben oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten wahrnehmen können. Allerdings darf der Fahrer des Einsatzfahrzeugs sein Sonderrecht erst in Anspruch nehmen, wenn er sich davon überzeugt hat, daß ihn alle anderen Verkehrsteilnehmer wahrgenommen und sie sich auf seine Absicht, in den Einmündungsbereich einzufahren oder die Kreuzung zu überqueren, eingestellt haben. Nur unter diesen Voraussetzungen darf er darauf vertrauen, daß ihm von den anderen Verkehrsteilnehmern freie Fahrt gewährt wird (§ 35 Abs. 8 StVO BGHZ 63, 327 = VersR 1975, 380 = NJW 75, 648 = VRS 48, 260 = DAR 75, 111 KG VersR 1976, 887 = DAR 75, 78; 1976, 193 = DAR 76, 16 VerkMitt 85, 4 vom 2.2.1987 - 12 U 5986/85).

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß die erörterten Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Sonderrechts auf freie Fahrt vorgelegen haben, trägt derjenige, der sich darauf beruft, also der Halter des Einsatzfahrzeugs. Dies folgt aus den allgemeinen Regeln der Beweislast. Damit hat der Bekl. zu 2 auch zu beweisen, daß sich der Bekl. zu 1 über das Vorfahrtrecht der anderen Verkehrsteilnehmer aus dem F.-Damm hinwegsetzen durfte (BGH VersR 62, 834 (836) KG vom 17.12.1981 - 12 U 3545/81). Zu beachten ist andererseits, daß ein längere Zeit vor dem Einfahren eines Einsatzfahrzeugs in die Kreuzung bzw. Einmündung eingeschaltetes Martinshorn von einem aufmerksamen Fahrer wahrgenommen werden kann und muß (KG vom 9.3.1987 - 12 U 3597/86).

Aufgrund der Beweisaufnahme vor dem LG steht fest, daß der Bekl. zu 1 am Schaufellader Blaulicht und Martinshorn in ausreichender Entfernung vor dem Einmündungsbereich eingeschaltet hatte und akustische Signale ständig zu vernehmen waren. Dies ergibt sich aus der polizeilichen Vernehmung des Zeugen K. vom 26.10.1987, die im Wege des Urkundenbeweises zu berücksichtigen war.

Er hörte schwache Töne eines Martinshorns und sah dann das Blaulicht, als sich das Taxi etwa fünf Fahrzeuglängen vor ihm bewegte. Deshalb hätte die Zeugin S. damals als Taxifahrerin wie jeder aufmerksame Verkehrsteilnehmer dieselben Wahrnehmungen treffen können und müssen (KG vom 9.3.1987 - 12 U 3597/86). Denn sie befand sich mit dem von ihr geführten Taxi nach dem Überholvorgang vor dem vom Zeugen K. geführten Kfz und damit noch näher als dieser Zeuge zu den beiden Schaufelladern und dem Mannschaftswagen der Polizei. Bedenken gegen die Richtigkeit dieser sowie der übrigen Angaben des Zeugen K. bestehen nicht (wird ausgeführt).

Allerdings hätte der Bekl. zu 1 den für ihn von links kommenden, bei grünem Ampellicht in den Einmündungsbereich einfahrenden Verkehrsteilnehmern Gelegenheit geben müssen, sich auf seine Absicht einzurichten (vgl. BGH VersR 1975, 380 = NJW 75, 648 = DAR 75, 111 KG VersR 1976, 193 VerkMitt 91, 95). Er hätte trotz der Inanspruchnahme von Sonderrechten erst dann in den Einmündungsbereich einfahren dürfen, wenn er sich davon überzeugt hätte, daß die vom F.-Damm - von links - kommenden Verkehrsteilnehmer anhalten und ihm die Vorfahrt einräumen würden. Der Bekl. zu 1 hat diesen seinen Pflichten in keiner Weise genügt erst zu spät hat er den Schaufellader abgebremst. Auch dies ist aufgrund der Angaben des Zeugen K. anläßlich seiner polizeilichen Vernehmung vom 26.10.1987 festzustellen, denen zufolge sich der Bekl. zu 1 überhaupt nicht auf den fließenden Verkehr eingestellt hatte, als er in den Einmündungsbereich einfuhr. Wenn der Bekl. zu 1 hierauf geachtet hätte, hätte er das von der Zeugin S. geführte Taxi und das gleichfalls in Fahrt befindliche, vom Zeugen K. geführte Kfz wahrnehmen müssen (wird ausgeführt).

Weil der Bekl. zu 1 im Fall der Beachtung der sich von links nähernden Fahrzeuge hätte feststellen können, daß die Fahrer noch keine Anstalten gemacht hatten anzuhalten, hätte er allenfalls Schrittgeschwindigkeit einhalten dürfen, um jederzeit noch vor dem engeren Einmündungsbereich anhalten zu können (KG VerkMitt 82, 37 vom 12.6.1989 - 12 U 4127/88)...

Entgegen der Annahme des Bekl. zu 2 ist nicht davon auszugehen, daß die Zeugin S. mit dem Taxi die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO) überschritten haben könnte. ...

Hiernach läßt sich nicht feststellen, daß der Verursachungs- und Verschuldensanteil der Zeugin S. oder des Bekl. zu 1 überwiegt. Die Zeugin hätte Martinshorn hören und Blaulicht erkennen und dann auch rechtzeitig unfallverhütend reagieren müssen. Letzteres wäre aber auch dem Bekl. zu 1 möglich gewesen, wenn er nach links geblickt und dann die beiden sich weiterhin in Bewegung befindlichen, von den Zeugen S. und K. geführten Fahrzeuge wahrgenommen hätte. An dieser Wahrnehmung war er nicht gehindert.

Dabei mußte sich der Bekl. zu 1 des Umstands bewußt sein, daß er mit dem Schaufellader ein schweres Gerät führte, durch welches bei einem Aufprall erheblicher Schaden angerichtet werden konnte, selbst falls er zuletzt nur noch eine Geschwindigkeit von 10 bis 15 km/h eingehalten haben sollte. Deshalb ist der Verursachungs- und Verschuldensanteil des Bekl. zu 1 nicht geringer als derjenige der Zeugin S. anzusehen, weshalb ferner kein Anlaß besteht, die Betriebsgefahr beider Fahrzeuge unterschiedlich zu bewerten. Somit haften im Innenverhältnis der Bekl. zu 2 und die Kl. anstelle der Zeugin S. zu gleichen Anteilen (vgl. KG vom 12.6.1989 - 12 U 4127/88). Wie die Ausführungen gezeigt haben, ist dagegen nicht der Annahme der Kl. zu folgen, daß der Bekl. zu 1 den Unfall vorsätzlich, absichtlich herbeigeführt hätte...

b) Wenngleich hiernach die Kl. und der Bekl. zu 2 unter Beachtung von § 426 BGB den Schaden der Zeugin J. und die für sie aufgewendeten, unfallbedingten Kosten je zur Hälfte zu tragen haben, schuldet der Bekl. zu 2 der Kl. lediglich 496,02 DM, soweit die Kl. an die AOK unstreitig 5459,27 DM gezahlt hat. Mit diesen Zahlungen hat die Kl. 55 % der Aufwendungen der AOK für die Zeugin J. ausgeglichen, die insgesamt unstreitig 9920,50 DM aufgewendet hat... Da die Kl. nach dem mit dem Bundesverband der Ortskrankenkassen geschlossenen Rahmen-Teilungsabkommens (RTA) vom 10.12.1985/17.3.1986, dem die betroffene AOK mit Erklärung vom 24.3.1986 beigetreten ist, lediglich 55 % der Aufwendungen gezahlt hat, sie aber im Verhältnis zum Bekl. zu 2 die Hälfte, also 50 %, zu tragen hat, stehen der Kl. gegenüber dem Bekl. zu 2 nur 5 % von 9920,50 DM, nämlich 496,02 DM, zu. Hierbei ist davon auszugehen, daß der Zeugin J. mangels Mitverschuldens Ersatz ihres gesamten Schadens zustand. Wegen des Übergangs gem. § 116 SGB X gilt dies auch für die von der AOK verauslagten Heilungskosten.

Mehr, nämlich 1/2 von 5459,27 DM, hätte die Kl. nur dann fordern können, wenn dem Teilungsabkommen zu entnehmen wäre, daß die Regreßansprüche der Kasse mit der abkommensgemäßen Beteiligung abgefunden wären, wie es noch in § 7 Abs. 1 des RTA der AOK in der bis zum 31.12.1986 geltenden Fassung hieß und § 7 Abs. 3 des RTA in der seit dem 1.1.1987 geltenden Fassung zu entnehmen war.

In einem solchen Fall erlischt der Erstattungsanspruch der Kasse im Umfang der abkommensgemäßen Regulierung. Es läge insoweit ein berechtigender Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328 BGB mit Wirkung des § 423 BGB vor (vgl. BGH VersR 1984, 526 (527) = NJW 84, 1819 (1820) OLG Stuttgart NZV 89, 112).

Mit den im voranstehenden Absatz angeführten RTA stimmt das von der Kl. mit der AOK geschlossene RTA nicht überein. Dies verdeutlicht bereits ein Vergleich von § 7 in den RTA. Dort wird unter § 7 das Erlöschen des Erstattungsanspruchs der Kasse geregelt, hier die Zeit, in der die Kl. die abkommensmäßige Leistung an die AOK zu erbringen hatte. Das hier zu beachtende RTA umfaßt gem. § 8 Schadensfälle bis zu einem Betrag von 30000 DM. Gem. § 5 Abs. 1 ist ausdrücklich klargestellt, daß die AOK mit der Erstattung der abkommensmäßigen Zahlung der Kl. auch gegenüber den bei der Kl. versicherten Personen und gegenüber solchen Haftpflichtversicherern abgefunden ist, die ihrerseits ein Abkommen mit der AOK unterhalten. Hieraus ergibt sich eindeutig, daß die AOK gegenüber dem Bekl. zu 2 nicht mit der Zahlung der Kl. abgefunden ist, weil die Kl. selbst nicht behauptet, daß der Bekl. zu 2 etwa gleichfalls ein Teilungsabkommen mit der Kasse unterhält.

Damit ist der über die von der Kl. geleisteten 55 % hinausgehende Regreßanspruch der AOK von restlichen 45 % - gegenüber dem Bekl. zu 2 - nicht erloschen.

Nichts anderes läßt sich § 5 Abs. 2 des RTA entnehmen, wonach die AOK bei mehreren Schädigern grundsätzlich denjenigen Schädiger in Anspruch nehmen soll, der mit ihr kein Teilungsabkommen unterhält, lediglich der Rest nach diesem Abkommen abgewickelt werden soll. Im Gegenteil wird hieraus deutlich, daß die AOK einen solchen Schädiger in voller Höhe ihrer Kosten in Anspruch nehmen darf, ohne auf die Geltendmachung von 55 % der Aufwendungen beschränkt zu sein dieser wäre dann berechtigt, von Mitschädigern Ausgleich nach dem Verursachungs- und Verschuldensanteil zu fordern. Nichts läßt sich damit dafür anführen, daß vorliegend der weiter gehende Anspruch der AOK - 45 % - mit der abkommensgemäßen Leistung der Kl. in Höhe von 55 % erloschen ist. Da der AOK der weitere Anspruch über 45 % gegenüber dem Bekl. zu 2 erhalten geblieben ist und es in ihrer freien Entscheidung steht, diesen Anspruch noch geltend zu machen, steht der Kl. Ausgleich nur in Höhe von 5 % zu. Soweit die Kl. vollständige Abtretung an sie behauptet hat, fehlt es an jeder Darlegung...

c) Soweit die Kl. unmittelbar an die Zeugin J. einen Abfindungsbetrag von 7000 DM gezahlt hat, fehlt es an einer ausreichenden, nachprüfbaren Darlegung desjenigen Teilbetrags, der auf den materiellen Schaden entfällt, den sie nach § 426 BGB zur Hälfte vom Bekl. zu 2 ersetzt verlangen könnte. ..."