Das Verkehrslexikon

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OLG Celle Urteil vom 23.12.2004 - 4 U 138/04 - Zu den Anforderungenn des Führers eines Wegerechsfahrzeugs bei Überfahren von Rotlicht

OLG Celle v. 23.12.2004: Zu den Anforderungenn des Führers eines Wegerechsfahrzeugs bei Überfahren von Rotlicht


Das OLG Celle (Urteil vom 23.12.2004 - 4 U 138/04) hat den bei Rot in eine Kreuzung einfahrenden Fahrer eines Sonderrechtsfahrzeugs mit Blaulicht und Martinshorn mit einem Mitverschulden von einem Drittel belastet, wenn es zu einer Kollision mit einem bei Grün fahrenden Wagen kommt, dessen Fahrer das Sonderrechtsfahrzeug hätte wahrnehmen müssen, und dazu ausgeführt:
Es muss nicht der bei Grün in den Kreuzungsbereich Einfahrende beweisen, dass für den Einsatzfahrzeugfahrer erkennbar gewesen sei, sein Sonderrecht werde nicht beachtet, sondern umgekehrt darf sich das Wegerechtsfahrzeug nur dann über fremden Vorrang hinwegsetzen, wenn für dessen Fahrer selbst positiv erkennbar ist, dass der Verkehr ihm Vorrang einräumen werde. Das aber kann dann, wenn der eigentlich bevorrechtigte Verkehr wegen einer Sichtüberdeckung gar nicht erkennbar ist, nicht angenommen werden.


Siehe auch Sonderrechte - Einsatzfahrzeuge - Rettungsfahrzeuge - Wegerechtsfahrzeuge


Aus den Entscheidungsgründen:

Der Fahrer des Einsatzfahrzeuges des beklagten Landes hat ersichtlich den Kl., der mit seinem Fahrzeug eine ampelgesicherte Kreuzung bei grünem Lichtsignal überqueren wollte, übersehen bzw. zu spät wahrgenommen. Grundsätzlich hatte der Kl., was auch das LG nicht verkannt hat, nach wie vor Vorfahrt. Zwar war er verpflichtet, die wahrnehmbaren Licht- und Schallsignale des Einsatzfahrzeuges zu beachten und von seinem Vorfahrtsrecht keinen Gebrauch zu machen (dies begründet ja auch den Vorwurf eines mit 2/3 erheblich überwiegenden Mitverschuldens). Gleichwohl hätte aber der Fahrer des Einsatzfahrzeuges die Kreuzung trotz Rotlichtes nur dann befahren dürfen, wenn er positiv hätte feststellen können, dass die anderen Verkehrsteilnehmer ihm Vorrang einräumen. Auf die Ausführungen und weiteren Nachweise in dem Beschluss des Senats vom 13. 3. 2003 sei noch einmal hingewiesen. Aus dem vom LG eingeholten Gutachten des Sachverständigen M., dessen Tatsachenfeststellungen auch das beklagte Land nicht in Abrede nimmt, ergibt sich nicht, dass der Fahrer des Einsatzfahrzeuges berechtigten Anlass gehabt haben könnte, darauf zu vertrauen, seine Wegerechtsfahrt werde allseits beachtet. Vielmehr ist der Sachverständige davon ausgegangen, das Fahrzeug des Kl. sei für den Einsatzwagenfahrer erst kurze Zeit vor der Kollision, etwa 1 bis 1,5 Sekunden, überhaupt sichtbar gewesen, offensichtlich weil der Blick auf die vom Kl. befahrene linke der beiden Geradeausspuren der C. Straße durch auf der dazwischen liegenden Linksabbiegerspur stehende Fahrzeuge eingeschränkt gewesen ist. Diese eingeschränkten Sichtverhältnisse, die für beide Unfallbeteiligte zu einer späten unmittelbaren Erkennbarkeit des jeweils anderen unfallbeteiligten Fahrzeuges geführt haben, hätten dem Fahrer des Einsatzfahrzeuges Veranlassung geben müssen, sich vorsichtiger in den Kreuzungsbereich hineinzutasten, gerade weil etwaiger von rechts bei grünem Lichtsignal herannahender Geradeausverkehr wegen der verdeckten Sicht nicht frühzeitig erkennbar gewesen ist. Es muss eben nicht, wie das LG schon bei Abfassung des Beweisbeschlusses, aber auch des angefochtenen Urteils missverständlich formuliert hat, der Kl. beweisen, dass für den Einsatzfahrzeugfahrer erkennbar gewesen sei, sein Sonderrecht werde nicht beachtet, sondern umgekehrt darf sich das Wegerechtsfahrzeug nur dann über fremden Vorrang hinwegsetzen, wenn für dessen Fahrer selbst positiv erkennbar ist, dass der Verkehr ihm Vorrang einräumen werde. Das aber kann dann, wenn der eigentlich bevorrechtigte Verkehr wegen einer Sichtüberdeckung gar nicht erkennbar ist, nicht angenommen werden.

Mit anderen Worten: Entweder konnte der Fahrer des Einsatzfahrzeuges die Geradeausfahrspuren der C. Straße nach rechts nicht einsehen und den Kl. deswegen nicht sehen, dann aber durfte er nicht darauf vertrauen, jeglicher bevorrechtigte Querverkehr werde seine Einsatzfahrt beachten. Oder aber der Kl. wäre für den Fahrer des Einsatzfahrzeuges sichtbar gewesen, dann jedoch durfte Letztgenannter schon deswegen nicht darauf vertrauen, der Kl. werde anhalten, weil dieser ja mit unverminderter Geschwindigkeit (Kollisionsgeschwindigkeit laut Gutachten ca. 45 km/h) in die Kreuzung einfuhr.

Nur am Rande sei noch darauf hingewiesen, dass der Fahrer des Einsatzfahrzeuges wegen der von rechts kommenden, haltenden Linksabbieger auf der C. Straße nicht etwa Rückschlüsse darauf ziehen durfte, auch etwaiger, durch diese Linksabbieger verdeckter Geradeausverkehr werde anhalten. Die Linksabbieger hatten schließlich ein eigenes, nur für sie geschaltetes Lichtsignal zu beachten.

Bei dieser Sachlage trifft auch den Fahrer des Einsatzfahrzeuges ein gewisses Mitverschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalles, welches der Senat aus den mitgeteilten Erwägungen nach wie vor mit 1/3 bewertet.







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