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BGH Beschluss vom 24.06.2004 - VII ZB 35/03 - Zur Verlässlichkeit jahrelang bewährter EDV-Programme mit Telefax-Nummern
BGH v. 24.06.2004: Zur Verlässlichkeit jahrelang bewährter EDV-Programme mit Telefax-Nummern
Der BGH (Beschluss vom 24.06.2004 - VII ZB 35/03) hat entschieden:
Zur Ermittlung der Faxnummer eines Gerichts darf sich der Rechtsanwalt auf ein seit Jahren bewährtes EDV-Programm in der jeweils neuesten Fassung in der Regel verlassen. Eine organisatorische Anweisung des Anwalts an seine Bürokraft, eine Abgleichung der Faxnummer mit den Angaben in Anschreiben des Gerichts oder im Telefonbuch vorzunehmen, ist grundsätzlich nicht erforderlich.
Siehe auch Fax - Telefaxschreiben - Schriftform und Sendeprotokoll - Telefax - OK-Vermerk - Anscheinsbeweis?
Zum Sachverhalt: Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts, das ihm am 29. April 2003 zugestellt worden ist, am 28. Mai 2003 beim Landgericht unter der Faxnummer 455 Berufung eingelegt. Er hat am Montag, dem 30. Juni 2003 per Telefax beantragt, die Berufungsbegründungsfrist zu verlängern. Der Antrag wies die Telefaxnummer des Amtsgerichts (453) aus und in Klammer eine weitere Nummer (256), bei der es sich nach in den Akten befindlichen Schriftstücken des Landgerichts um die Faxnummer des Landgerichts handelt. Er ging beim Amtsgericht am 30. Juni 2003 um 16.07 Uhr ein und wurde von dort an das Landgericht weitergeleitet, wo er am 1. Juli 2003 einging.
Die Berufungsbegründung, deren Frist bis zum 29. Juli 2003 verlängert worden war, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erneut unter derselben Faxnummer eingereicht. Sie ging am 29. Juli 2003 nach Dienstschluss beim Amtsgericht ein und wurde am 30. Juli 2003 an das Landgericht weitergeleitet.
Nach Hinweis auf die verspätet eingelegte Berufungsbegründung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin fristgerecht Wiedereinsetzung beantragt und glaubhaft gemacht: In den Anträgen sei eine falsche Faxnummer deswegen verwendet worden, weil es zwischenzeitlich wegen eines Updates zur Veränderung der Adressdateien im Programm RA Micro gekommen sein müsse. In der Kanzlei werde das seit Jahren bewährte Programm RA Micro benutzt. Dabei würden nach Aufruf des Programms die Adresse und die Faxnummer ausgedruckt und auf die Schriftsätze gedruckt. Die Berufung sei unter der Nr. 455 gefaxt worden, der Verlängerungsantrag und die Berufungsbegründung unter der Nr. 453.
Es bestehe zudem die Weisung, die Faxnummer abzugleichen. Die sonst zuverlässige Fachangestellte L. sei der Weisung nicht nachgekommen und habe sich auf das Programm RA Micro verlassen.
Das Landgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen.
Die Berufungsbegründungsfrist sei versäumt worden. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin schuldhaft die Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten habe. Es entlaste ihn nicht, wenn das Programm RA Micro die falsche Faxnummer ausweise. Es bestünden zudem Bedenken, ob dies tatsächlich der Fall gewesen sei, da die Berufung die richtige Faxnummer aufweise. Es entlaste ihn auch nicht, dass schon der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist an das Amtsgericht gefaxt worden sei. Schon mit dessen Eingang am 1. Juli 2003 hätte die Berufung verworfen werden können.
Die dagegen fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde war erfolgreich.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil die Versäumung der Berufungsbegründung nicht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruht, das sich die Klägerin zurechnen lassen müsste (§ 85 Abs. 2 ZPO).
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Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründung und die Berufungsbegründung selbst sind deswegen verspätet eingereicht worden, weil sie jeweils unter Verwendung einer falschen Faxnummer nicht an das Landgericht, sondern an das Amtsgericht gesandt worden sind. Bei der Verwendung des Telefax handelte es sich um eine einfache technische Verrichtung, die der Prozessbevollmächtigte der Klägerin der damit vertrauten Fachangestellten überlassen durfte (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1993 - VII ZB 22/93, NJW 1994, 329).
Sollte die Angestellte des Klägervertreters hier die falsche Faxnummer deswegen verwendet haben, weil das EDV-Programm RA Micro im betreffenden Update die Faxnummer des Landgerichts fehlerhaft aufwies, so liegt hierin weder ein Verschulden des Klägervertreters noch seiner Angestellten. Auf die Richtigkeit dieses Programms in seiner jeweils neuesten Fassung darf sich der Anwalt in der Regel verlassen.
Sollte es hingegen deshalb zur Verwendung einer falschen Faxnummer gekommen sein, weil die Angestellte den Ausdruck aus dem Programm fehlerhaft gehandhabt hat, so läge ein Fehlverhalten der Bürokraft vor, das der Klägerin nicht als Verschulden angerechnet werden kann.
Auf die glaubhaft gemachte Anweisung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an seine Kanzleikraft, bei Verwendung des Programms RA Micro jeweils noch eine Abgleichung der Faxnummer mit den Angaben in Anschreiben des Gerichts oder im Telefonbuch vorzunehmen, kommt es nicht an. Die Organisation des Anwalts muss derartige Maßnahmen, die dem Einsatz des EDV-Programms seine Rationalisierungswirkung nehmen würden, grundsätzlich nicht vorsehen, solange sichergestellt ist, dass das EDV-Programm jeweils in seiner neuesten Fassung verwendet wird.
Der Gewährung der Wiedereinsetzung steht nicht entgegen, dass bereits der Verlängerungsantrag vom 30. Juni 2003 verspätet beim Landgericht eingegangen ist und die Begründungsfrist daher schon seinerzeit versäumt war.
Auch dies beruht auf den gleichen Umständen wie die Versäumung der auf den 29. Juli 2003 verlängerten Frist, so dass auch insoweit ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist. ..."