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OLG Zweibrücken Urteil vom 04.12.1992 - 1 U 155/89 - Zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach dem Tod des Ehemannes

OLG Zweibrücken v. 04.12.1992: Zur Berechnung des Schadensersatzanspruchs gem. § 844 Abs. 2 BGB nach dem Tod des Ehemannes


Siehe auch Unterhaltsschaden nach teilweise oder ganz unverschuldetem Verkehrsunfall und Stichwörter zum Thema Personenschaden




Das OLG Zweibrücken (Urteil vom 04.12.1992 - 1 U 155/89) hat zur Berechnung des Unterhaltsschadens ausgeführt:
I. Dem erstinstanzlichen Urteil ist zunächst in seinem Ausgangspunkt beizupflichten: Nach der Bestimmung des § 844 Abs. 2 BGB, die als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommt, ist nicht die Wiederherstellung der gleichen Vermögenslage geschuldet, wie sie ohne den Tod des Unterhaltsschuldners bestanden hätte. Schadensersatz ist nur insoweit zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Unterhaltsleistung gesetzlich verpflichtet gewesen wäre (zur Berechnung vgl. BGH VersR 1988, 1166 und 1987, 1243). Insofern ist unerheblich, was der verstorbene Ehemann der Kl. aus dem Gewinn seines Betriebs für den Unterhalt der Familie entnommen und dieser tatsächlich zugewandt hätte.



II. Die Berechnung des durch den Unfall in Wegfall gekommenen Unterhaltsanspruchs (Bestimmung des für Unterhaltszwecke - ohne Vermögensbildung - verfügbaren Einkommens, vorläufige Aussonderung der unabhängig vom Wegfall des Ehemannes/Vaters in jedenfalls nahezu unveränderter Höhe anfallenden festen Kosten des Haushalts, Verteilung des verbleibenden Einkommens auf den Getöteten und die Familienmitglieder nach Quoten und schließlich Erhöhung der danach auf die Hinterbliebenen entfallenden Beträge um die - nur unter ihnen aufzuteilenden - festen Kosten des Haushalts) entspricht im Prinzip der Methode zur Ermittlung von Unterhaltsschäden, die der BGH in seiner ständigen Rechtsprechung billigt (vgl. Drees, Schadensberechnung bei Unfällen mit Todesfolge 1990 S. 29 ff. m. w. N. BGH VersR 1990, 317 = NJW-RR 90, 221; 1983, 726 = NJW 83, 2315). Im einzelnen sind allerdings in verschiedener Hinsicht Änderungen veranlasst.

1. Im Zusammenhang mit der Ermittlung des anrechnungsfähigen Familieneinkommens rügt die Kl. zunächst zu Recht, dass das LG nicht das volle Nettoeinkommen des Ehemannes berücksichtigt hat. Der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht, dass der Berechnung für das Jahr 1984 als "(Ober-) Grenze" nur ein Betrag von monatlich "allenfalls 5000 DM" und für die folgenden Jahre nicht mehr als nur jeweils um 3 % erhöhte Beträge zugrunde gelegt werden könnten, vermag der Senat nicht zu folgen.

Zutreffend ist - wie erwähnt - dass es für die Höhe des Anspruchs aus § 844 Abs. 2 BGB auf den gesetzlich geschuldeten - nicht den tatsächlich gewährten - Unterhalt des Getöteten ankommt. Ein "Nettospitzeneinkommen" wäre danach in der Tat für die Berechnung des Unterhaltsschadens nicht ungekürzt einzusetzen. Ein derart außergewöhnlicher Fall ist aber hier nicht gegeben. ...

2. Das vermutliche Einkommen des Ehemannes ist unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu schätzen (§ 287 ZPO). In dem Jahr vor seinem Tod belief sich das Bruttoeinkommen des Ehemannes "aus Gewerbebetrieb" auf insgesamt 89896 DM. Im ersten Halbjahr 1984 lag es - unstreitig - bereits bei 52404 DM. Schon dieser Umstand rechtfertigt es, mit der Kl. anzunehmen, dass bis zum Ende des Jahres zumindest dasselbe Ergebnis wie 1983 erzielt worden wäre. ...

3. Ebenfalls im Zusammenhang mit der Bestimmung des für Unterhaltszwecke anrechnungsfähigen Familieneinkommens rügt die Kl. unter Hinweis auf BGHZ 39, 249 (= VersR 63, 545) weiter zu Recht, dass der Erstrichter in dem angefochtenen Urteil die zur Alterssicherung aufgewendete Lebensversicherungsprämie (monatlich rd. 650 DM) vom Einkommen abgesetzt hat.

Lebensversicherungsprämien sind - anders als die Sozialversicherungsbeiträge, die der in abhängiger Stellung tätige Lohn- oder Gehaltsempfänger bezahlt - kein mit der Erzielung des Einkommens zwangsläufig verbundener Aufwand und deshalb vom Gesamteinkommen nicht abzuziehen (vgl. BGH VersR 62, 1008 BGHZ 39, 249 (254) = VersR 63, 545 insoweit von BGHZ 73, 109 = VersR 1979, 323 nicht aufgegeben). Soweit sie allein zur Vermögensbildung bestimmt sind, kann etwas anderes gelten so lag es hier aber nicht:

Selbständige haben für den Fall ihres Alters und der Arbeitsunfähigkeit selbst vorzusorgen. Das kann in der Weise geschehen, dass sie - wenn ihr Einkommen hoch genug ist (wie hier) - entsprechende Rücklagen bilden oder Beiträge für eine Lebensversicherung zahlen (BGH VersR 52, 97; 54, 325; 56, 38; 63, 545; 1971, 717). Zu einer derartigen Vorsorge sind sie - bei entsprechenden Einkommens- und Vermögensverhältnissen - nicht nur berechtigt, sondern auch unterhaltsrechtlich verpflichtet (BGH aaO vgl. auch BGH VersR 60, 551 = NJW 60, 1200).

Die Rücklagen oder Beiträge zur Lebensversicherung dienen dann nicht nur der Alterssicherung des Unterhaltspflichtigen selbst, sondern stellen zugleich eine besondere Form der Leistung von Unterhalt dar. Vorliegend war die Kl. durch ihr Vermögen und einen geringen Rentenversicherungsbeitrag aus eigener Erwerbstätigkeit für den Fall ihres Alters nur unzureichend geschützt. Einer mindestens gleich hohen Absicherung bedurfte andererseits der Ehemann der Kl. selbst. Unter diesen Umständen stehen die Lebensversicherungsprämien einer Ausgabe für die Befriedigung der jeweiligen persönlichen Bedürfnisse gleich und sind - anteilig - dort einzusetzen (vgl. BGH VersR 52, 97).

4. Mit den Beiträgen zur Kranken- und Unfallversicherung verhält es sich ähnlich: Den vorliegenden Unterlagen für 1983 ist zu entnehmen, dass der Ehemann vor seinem Tod als Beitrag zur Krankenversicherung - für sich und die Familie - monatlich rd. 570 DM und als Beitrag zur Unfallversicherung monatlich rd. 125 DM gezahlt hat. In beiden Fällen lagen freiwillige Leistungen vor, die zur Einkommenserzielung nicht zwangsläufig aufgewandt werden mussten. Andererseits war der Ehemann unterhaltsrechtlich zu einem entsprechenden Aufwand verpflichtet. Auch was die Krankenversicherung angeht, kann insoweit nichts anderes gelten. ...

5. Vorweg abzuziehen ist aber der Beitrag, der nach den vorliegenden Unterlagen zur Alterskasse als Pflichtbeitrag abgeführt werden musste er belief sich im Jahr 1983 auf monatlich 105 DM.

6. ... (zum Einkommen des Ehemannes)

7. Das LG rechnet, als hätte der Ehemann seine Familie allein unterhalten das trifft indes nicht zu. Es ist unstreitig, dass die Kl., solange ihr Ehemann lebte, durch ihre Mitarbeit in dessen Gewerbebetrieb eigene Einkünfte hatte.

Die Kl. hatte darüber hinaus nach dem unstreitigen Vortrag in einem nicht unerheblichen Umfang Vermögen, das auch Erträge abwarf (wird ausgeführt).

Nach dem Gesagten hat die Kl. einen Beitrag zum Unterhalt der Familie nicht nur mit ihrer Arbeit im Haushalt, sondern zugleich in der Weise geleistet, dass sie nicht völlig unerhebliche Mittel selbst zur Verfügung gestellt hat.

Die eigene Beteiligung des überlebenden Ehegatten am gemeinsamen Barunterhalt muss aus einem doppelten Grund bei der Berechnung des Unterhaltsschadens berücksichtigt werden: Als Unterhalt durch den Tod des Ehemannes entgangen ist nur der Anteil, den er zur Führung des Haushalts und zum Bestreiten der sonstigen notwendigen Ausgaben beisteuern musste (BGH VersR 1983, 726 = NJW 83, 2315; 1984, 79). Unter dem - davon zu unterscheidenden - Gesichtspunkt der sogenannten Vorteilsausgleichung ist außerdem in der sogenannten Doppel- oder Zuverdienerehe dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Witwe nach dem Tod des Ehemannes von der eigenen Verpflichtung zur Mitfinanzierung auch seines Unterhalts befreit ist und den darauf entfallenden Anteil ihres Einkommens nun für sich selbst einsetzen kann (BGH VersR 1983, 726 = NJW 83, 2315). ...

8. Es entspricht - wie erwähnt - der ständigen Rechtsprechung des BGH, die festen Kosten des Haushalts (zunächst) auszusondern. Sie müssen nach dem Tod des Unterhaltspflichtigen weiter bestritten werden, ohne dass sich der Wegfall des einen (getöteten) Familienmitglieds nennenswert auswirkt (vgl. Eckelmann/Nehls, Schadensersatz bei Verletzung und Tötung 1987 S. 113 ff.).

a) Der Erstrichter hat diese Kosten unter Hinweis auf Eckelmann/Schäfer (DAR 81, 365) in Anlehnung an eine am Nettoeinkommen ausgerichteten Quote (vgl. Eckelmann/Nehls aaO S. 112 ff., 114 f.) für 1984 auf monatlich 1700 DM und für die Folgezeit jeweils 3 % höher geschätzt. Die Parteien beanstanden das und verlangen eine konkrete Berechnung. Ihnen ist zuzugeben, dass eine konkrete Berechnung den Vorzug vor einer Schätzung verdient. Eine konkrete Berechnung ist aber im vorliegenden Fall ohne einen nicht mehr vertretbaren Aufwand nicht möglich.

Der Kl. ist entgegenzuhalten, dass es Sache des Geschädigten ist, den für die Schadensschätzung bedeutsamen Tatsachenstoff hinreichend konkret darzulegen wer dieser Pflicht nicht genügt, hat nicht unbedingt Anspruch darauf, durch eine richterliche Schätzung der Schadenshöhe über den dem Strengbeweis zugänglichen Rahmen hinaus begünstigt zu werden (BGH VersR 1988, 954 (956) = NJW 88, 2365 (2368) 81, 464 = NJW 81, 1454). ...

Andererseits ist eine exakte Erfassung aller in Frage kommenden Kosten für einen Zeitraum, der in der Vergangenheit liegt und sich auf sechseinhalb Jahre erstreckt, auch für die Partei, die einen Unterhaltsschaden darlegen soll, nur schwer möglich. Aus einer Reihe kleinerer, überschaubarer, nach Grund und Höhe unproblematischer Positionen (Rundfunk und Fernsehen, Zeitungen, Telefongrundkosten) ergibt sich zudem, dass die Kl. jedenfalls dort um eine korrekte Abrechnung der belegbaren Kosten durchaus bemüht ist. Sie hat auch ersichtlich bei weitem nicht alle Kosten geltend gemacht, an die in diesem Zusammenhang hätte gedacht werden können (vgl. dazu im einzelnen Drees aaO S. 34 f.). Sie bleibt dementsprechend mit ihren Zahlen - für alle in Rede stehenden Jahre - weit hinter den Werten zurück, die sich ergäben, wenn mit der von Eckelmann/Nehls (aaO) für die Schätzung der festen Kosten empfohlenen Quote von 40 % des Nettoeinkommens gerechnet würde (für 1984: 6720 DM * 0,40 = 2688 DM monatlich statt nach der Rechnung der Kl. 20131,15 DM : 12 = 1677,60 DM).

Der Senat macht deshalb - ebenso wie das LG - gem. § 287 Abs. 2 ZPO von der Möglichkeit einer Schätzung des Mindestschadens Gebrauch. Mit dem LG ist er der Ansicht, dass es ein gangbarer Weg ist, sich in Anlehnung an Eckelmann/Schäfer (DAR 81, 365) und Eckelmann/Nehls (aaO) bei dieser Schätzung am Nettoeinkommen der Eheleute zu orientieren. ...

b) Indessen ist es - wie die Kl. zu Recht geltend macht - im vorliegenden Fall verfehlt, die festen Kosten des Haushalts auf die Kl. und ihren Sohn zu gleichen Teilen "nach Köpfen" zu verteilen.

Das LG stützt sich hier möglicherweise auf die Ausführungen von Eckelmann/Nehls (aaO S. 109 und 124, die jedoch in dem Berechnungsbeispiel S. 168 ff. selbst so nicht rechnen). Die Frage kann im Ergebnis dahinstehen, denn nach der Rechtsprechung des BGH (VersR 1988, 954 (956 f.) = NJW 88, 2365 (2368) muss auf den Einzelfall abgestellt werden. Die Verteilung zu gleichen Teilen ist nicht von vornherein fehlerhaft es bedarf jedoch dafür einer besonderen Begründung (BGH aaO). Besondere Gründe, die hier eine Verteilung nach Köpfen rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere genügt dafür nicht, dass der Sohn schon volljährig ist und am Unfalltag volljährig war. Denn er lebt im Haushalt der Mutter wie früher im Haushalt der Eltern als Kind. Zugunsten der Kl. fällt darüber hinaus ins Gewicht, dass ein beträchtlicher Teil der in Rede stehenden Kosten für die Aufrechterhaltung der Lebens- und Unfallversicherung aufgewandt werden muss und diese vor allem für ihren eigenen Schutz bestimmt sind. Der Senat veranschlagt den Anteil, der der Kl. zusteht (zur Schätzung nach Quoten vgl. BGH VersR 1988, 954 = NJW 88, 2365 und Drees aaO S. 42), mit 70 % und den des Kindes mit 30 %.

9. Die Bestimmung des Anteils der Kl. an dem nach Abzug der fixen Kosten verbleibenden - zum Bestreiten des übrigen (persönlichen) Lebensbedarfs bestimmten - Familieneinkommen mit einer Quote von 40 % kann nicht beanstandet werden. Der BGH hat eine - aus praktischen Gründen und im Interesse der Einheitlichkeit pauschalierende - Bemessung der Unterhaltsrenten mit einer geeigneten Quote im Grundsatz gebilligt (vgl. BGH VersR 1987, 507 = NJW-RR 87, 538; 1987, 1243; 88, 954 = NJW 88, 2365). Die Bemessung nach Quoten (vgl. dazu Drees aaO S. 37 ff. Wussow/Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden 5. Aufl. 1990 Rdz. 240 ff.

Eckelmann/Nehls aaO S. 115 ff.) darf jedoch nicht schematisch geschehen, sondern hat nach dem konkreten Bedarf zu erfolgen (BGH VersR 1987, 1243).

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Eheleute am Familieneinkommen in gleicher Weise teilhaben (BGH VersR 1987, 507 = NJW-RR 87, 538 Eckelmann/Nehls aaO S. 117 m. w. N.). Mit diesem Grundsatz ist es zwar nicht unvereinbar, einem erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen eine höhere Quote seines Einkommens zuzubilligen, als dem anderen Ehegatten, um dem besonderen Aufwand und Einsatz Rechnung zu tragen, der mit einer solchen Berufstätigkeit verbunden sein kann (BGH VersR 1987, 507 = NJW-RR 87, 538). Hiervon ist aber - abweichend vom angefochtenen Urteil - vorliegend nicht auszugehen. ..."