Das Verkehrslexikon

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OVG Lüneburg Beschluss vom 27.10.2000 - 12 M 3738/00 - Zur Interessenabwägung im Fahrerlaubnisverfahren bei der Prüfung eines Verwertungsverbots

OVG Lüneburg v. 27.10.2000: Zur Interessenabwägung im Fahrerlaubnisverfahren bei der Prüfung eines Verwertungsverbots


Zum flexiblen Umgang der Fahrerlaubnisbehörde mit gesetzlichen Beweisverwertungsverboten hat das OVG Lüneburg (Beschluss vom 27.10.2000 - 12 M 3738/00) Stellung genommen:
Eine erforderliche Interessenabwägung kann dazu führen, dass Beweisverwertungsverbote eines Rechtskreises im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren wegen des hohen Rangs der Verkehrssicherheit zurücktreten.


Siehe auch Verwertungsverbote


Aus den Entscheidungsgründen:

Die streitige Fahrerlaubnisentziehungsverfügung, die ihre Grundlage in §§ 3 Abs. 1 StVG n.F, 46, 11, 14 FeV i. V. m. 9.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV findet, ist rechtmäßig. Der Antragsteller war ein regelmäßiger Konsument von Cannabis, wie aus dem - rechtskräftigen - Urteil des AG vom 8.11.1999 hervorgeht, und hat sich von dem Betäubungsmittelmissbrauch noch nicht hinreichend lösen können, wie das Gutachten des Medizinisch-Psychologischen Institutes des TÜV - Begutachtungsstelle für Fahreignung - vom 3.5.2000 erschließt, das festgehalten hat, der Antragsteller könne noch nicht hinreichend sicher zwischen dem Genuss von Cannabis und dem Führen eines Kfz trennen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Gutachten vom 3.5.2000 verwertbar. Das Verwertungsverbot des § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO greift nicht durch (wobei der Senat zugunsten des Antragstellers unterstellt, die Voraussetzungen der Vorschrift seien in Bezug auf die polizeiliche Vernehmung des Antragstellers vom 19.4.1999 erfüllt, ohne sich indessen hierzu abschließend zu äußern). Das Verwertungsverbot des § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO gilt - zunächst - nur für das Strafverfahren.

Inwieweit Verwertungsverbote in bestimmten Rechtsbereichen in die gesamte Rechtsordnung übergreifen, ist umstritten (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, Strafprozeßordnung, 43. Aufl. 1997, Rdn. 54 ff. Einleitung; Greger, in Zöller: Zivilprozeßordnung, 18. Aufl. 1996, Rdn. 15 a ff. zu § 286; Grüner, Jus 1999, 122; vgl. auch zu der ähnlichen Interessenlage der Schweigepflicht des Arztes in Kollision mit der Verkehrssicherheit: BGH, Urt. v. 11. 6. 1968 -VI ZR 116167-, NJW 1968,2291; Schlund, Grundsätze ärztlicher Verschwiegenheit im Rahmen der Verkehrssicherheit, DAR 1995, 50; siehe auch § 34 StGB - Rechtfertigender Notstand -).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Einzelfall - soweit nicht ein den jeweiligen Rechtskreis betreffendes Verwertungsverbot besteht - eine Interessenabwägung zwischen widerstreitenden Interessen zu erfolgen hat.

Auf - allgemein - verbindliche Regeln, unter welchen Voraussetzungen ein solches Verbot besteht, haben sich Rspr. und Lehre bisher nicht einigen können (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. 0.).

Die Abwägungslehre entscheidet nach der Sachlage und der Art des Verbotes (Rogall, JZ 1996, 947). Danach kommt es darauf an, ob höherwertige Rechtsgüter die Verwertung von Beweisergebnissen unabweislich machen. Diese Verwertung ist im Interesse der Verkehrssicherheit geboten, dem Interesse an der Einhaltung des § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO in der gesamten Rechtsordnung stehen die Interessen der Sicherheit des Straßenverkehrs durchgreifend entgegen; denn es bestehen große Gefahren, die dem Leben und der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer drohen, wenn fahruntaugliche Personen am Straßenverkehr teilnehmen. Bei dem Umfang des heutigen Verkehrs überwiegt das Interesse daran, fahruntaugliche Personen von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen gegenüber dem Interesse des Einzelnen an der Beachtung des § 136 a Abs. 3 Satz 2 StPO im Bereich dieses Teils des Ordnungsrechts.

Hiernach waren die Sachverständigen, die das Gutachten vom 3.5.2000 gefertigt haben, nicht gehalten, den Beschluss des LG B. vom 10.5.1999 nicht zu berücksichtigen, in dem die Aussagen des Antragstellers aus der polizeilichen Vernehmung wiedergegeben worden sind."







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