Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 14.06.2005 - 1 StR 338/04 - Keine Verwertung einer freiwillig übersandten Fax-Aussage ohne vorherige Belehrung

BGH v. 14.06.2005: Keine Verwertung einer freiwillig übersandten Fax-Aussage ohne vorherige Belehrung


Der BGH (Urteil vom 14.06.2005 - 1 StR 338/04) hat entschieden, dass schriftliche Äußerungen in einem freiwillig übersandten Fax-Schreiben nicht verwertet werden dürfen, wenn der Betroffene an sich zu einer Vernehmung vorgeladen, dort erschienen, aber nicht belehrt worden war, sondern sich mit dem Vernehmungsbeamten auf die Übersendung des Fax geeinigt hatte:
Macht ein Zeuge in der Hauptverhandlung berechtigterweise von einem ihm gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, darf seine Einlassung in einem früheren, gegen ihn selbst gerichteten Strafverfahren nicht gegen den nunmehr angeklagten Angehörigen verwendet werden. Eine schriftliche Stellungnahme des Zeugnisverweigerungsberechtigten in dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren ist auch dann im Zusammenhang mit seiner Vernehmung als Beschuldigter entstanden und unterliegt deshalb dem Verwertungsverbot, wenn der Vernehmungsbeamte bei Abbruch der Vernehmung durch den Zeugen auf die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme hingewiesen und dadurch die dann zwei Wochen später eingegangene Stellungnahme initiiert hat.


Siehe auch Verwertungsverbote


Aus den Entscheidungsgründen:

"1. Der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge liegt folgendes zugrunde:

Die Zeugin E. T. ist seit September 2001 mit dem Bruder R. des Angeklagten verheiratet. Beide waren bis zu ihrem Ausscheiden im Sommer des Jahres 2000 ebenfalls in der Firma T. GmbH tätig, die Zeugin E. T. dabei insbesondere mit der Abwicklung von Warenausfuhren ins Ausland betraut. Aufgrund dessen war sie nach Entdeckung der Vorgänge mehrfach - teilweise als Zeugin, teilweise als Beschuldigte - dazu vernommen worden. In der Hauptverhandlung hat sie dann jedoch von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO Gebrauch gemacht, so daß die Verwertung der vorangegangenen Angaben in Frage steht. So wurde sie, nachdem sie bereits am 23. Mai 2002 durch einen Beamten des Zollfahndungsamtes Nürnberg und am 5. Juli 2002 durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Kaufbeuren als Zeugin vernommen worden war, am 12. August 2003 erneut - dieses Mal als Beschuldigte - durch einen Beamten des Zollfahndungsamtes Nürnberg, Herrn ZOI G. , vernommen. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Vernehmungen war sie aber zu Angaben nicht bereit, nachdem der Vernehmungsbeamte sich auf ihre Bitte nicht in der Lage sah, ihr eine Abschrift des zu erstellenden Vernehmungsprotokolls nach der Vernehmung auszuhändigen. Dabei sagte er ihr aber, falls sie es sich noch anders überlege, könne sie auch eine schriftliche Stellungnahme einreichen. Am 26. August 2003 ging beim Zollfahndungsamt München - Dienstort Nürnberg - ein Faxschreiben der Zeugin T. ein. In dem Faxschreiben, das folgende Überschrift trägt: "Schriftliche Stellungnahme zur Ladung vom 12.8.2003 (Strafverfahren)", beschuldigt sie den Angeklagten sinngemäß, er habe Kenntnis von der Notwendigkeit einer Ausfuhrgenehmigung für die Werkzeuge gehabt, weil sie ihm bereits 1995 oder 1996 nach dem Besuch eines Seminars dieses Erfordernis mitgeteilt habe.

Zur Überführung des Angeklagten hat sich das Landgericht auf die Angaben der Zeugin in diesem Faxschreiben gestützt, weil es nach Ansicht der Strafkammer nicht im Zusammenhang mit einer Vernehmung entstanden, sondern von der Zeugin aus freien Stücken verfaßt worden sei.

2. Die Revision sieht in der Verwertung der schriftlichen Stellungnahme der Zeugin T. vom 20. August 2003 mit Recht einen Verstoß gegen § 252 StPO. Verweigert ein Zeugnisverweigerungsberechtigter in der Hauptverhandlung gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO das Zeugnis, so darf auch seine Einlassung in einem früheren, gegen ihn selbst gerichteten Verfahren nicht gegen den nunmehr angeklagten Angehörigen verwendet werden (BGHSt 20, 384; NStZ 2003, 217). Der Auffassung der Strafkammer, das Schreiben vom 20. August 2003 sei nicht im Zusammenhang mit einer Vernehmung entstanden, folgt der Senat nicht. Dies ist bereits aus der Überschrift des Schreibens herzuleiten, wodurch ein direkter Bezug zur Ladung zur Beschuldigtenvernehmung und dem gegen die Zeugin damals geführten Ermittlungsverfahren hergestellt wird. Insbesondere handelt es sich nicht um Angaben, die sie "aus freien Stücken" und nicht im Bewußtsein ihrer späteren Verwendungsmöglichkeit im Verfahren abgegeben hat (BGH NStZ-RR 2001, 171, 172; BGHR StPO § 252 - Verwertungsverbot 16). Wie die Strafkammer selbst festgestellt hat, war die Vernehmung der Zeugin T. am 12. August 2003 abgebrochen worden, nachdem sich der Ermittlungsbeamte nicht in der Lage sah, dem Wunsch der Zeugin nach Aushändigung einer Abschrift des Vernehmungsprotokolls nachzukommen. Indem er sie dabei darauf hingewiesen hatte, sie könne, falls sie es sich noch anders überlege, auch eine schriftliche Stellungnahme einreichen, hat er eine motivationsfördernde Wirkung ausgeübt und dadurch die dann zwei Wochen später eingegangene Stellungnahme initiiert. Auch der zeitliche Abstand zwischen dem Zeitpunkt des Vernehmungsversuchs und dem Eingang der schriftlichen Stellungnahme ist vorliegend nicht so groß, daß dadurch ein Zusammenhang mit der Vernehmung in Frage gestellt würde."







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