Das Verkehrslexikon
BayObLG Beschluss vom 02.11.2004 - 1St RR 109/04 - Zur Abgrenzung einer nur informatorischen Anhörung von einer Beschuldigtenvernehmung
BayObLG v. 02.11.2004: Zur Abgrenzung einer nur informatorischen Anhörung von einer Beschuldigtenvernehmung
Das BayObLG (Beschluss vom 02.11.2004 - 1St RR 109/04) hat zur Abgrenzung einer nur informatorischen Befragung und einer Vernehmung des Beschuldigten entschieden:
Zur Abgrenzung einer informatorischen Befragung von einer Vernehmung des Beschuldigten.
Siehe auch Verwertungsverbote
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Soweit der Angeklagte rügt, das Landgericht habe zu Unrecht seine Angaben zur Fahrereigenschaft, die er ohne über seine Beschuldigtenrechte belehrt worden zu sein, gegenüber den beiden Polizeibeamten gemacht habe, für verwertbar gehalten, ist dies zutreffend.
Denn entgegen der vom Landgericht vertretenen Rechtsauffassung handelt es sich bei der Befragung des Angeklagten durch die beiden Polizeibeamten auf dem Parkplatz nicht lediglich um eine informatorische Befragung, für die regelmäßig eine Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 2 StPO nicht erforderlich ist (Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. Einl. Rn. 79).
Für die Unterscheidung zwischen einer informatorischen Befragung und einer Beschuldigtenvernehmung ist einerseits die Stärke des Tatverdachts bedeutsam. Hierbei hat der Polizeibeamte einen Beurteilungsspielraum, den er freilich nicht mit dem Ziel missbrauchen darf, den Zeitpunkt der Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO möglichst weit hinauszuschieben.
Neben der Stärke des Verdachtes ist auch von Bedeutung, wie sich das Verhalten des Beamten nach außen in der Wahrnehmung des Befragten darstellt. So gibt es polizeiliche Verhaltensweisen, die schon nach ihrem äußeren Befund belegen, dass der Polizeibeamte dem Befragten als Beschuldigten begegnet, mag er dies auch nicht zum Ausdruck bringen (BGHSt 38, 214/228).
Nach den Urteilsfeststellungen hat es sich den beiden Polizeibeamten aufgedrängt, dass der in unmittelbarer Nähe zum Tatort in alkoholisiertem Zustand unweit des Tatfahrzeuges aufgefundene Angeklagte, der noch dazu der Halter des Tatfahrzeuges ist, als wahrscheinlicher Täter in Betracht kommt. Dementsprechend hat der Zeuge M bekundet, dass er dem Angeklagten vorgehalten hat, er sei zwischen N und R Schlangenlinie gefahren. Anders als bei einer verdachtsunabhängigen Verkehrs-Alkoholkontrolle (vgl. BayObLG NStZ-RR 2003, 343) wäre daher vor der Befragung durch den Zeugen M der Angeklagte nach § 136 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 163 a Abs. 4 Satz 2 StPO über sein Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren gewesen. Die erforderliche Belehrung ist unterblieben.
Eine Verwertung der Äußerung des Angeklagten gegenüber dem Polizeibeamten, die er vor der Belehrung über sein Auskunftsverweigerungsrecht gemacht hat, ist daher unzulässig, nachdem der Verteidiger sich in der Hauptverhandlung einer Verwertung rechtzeitig widersetzt hat (BGHSt 42, 15/22).
Da das Landgericht, wie es ausdrücklich ausgeführt hat, von der Täterschaft des Angeklagten ohne vernünftigen Zweifel allein aufgrund der Indizienlage bereits überzeugt war, lässt es sich aber ausschließen, dass das Urteil auf den „ergänzenden“ Ausführungen zur Verwertbarkeit der Angaben des Angeklagten bei seiner „informatorischen Befragung“ durch die Polizei beruht. ..."