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OLG Celle Urteil vom 09.06.2005 - 8 U 182/04 - Leistungfreiheit des Fahrzeugversicherers bei Ermöglichung des Diebstahlsschadens

OLG Celle v. 09.06.2005: Zur Leistungfreiheit des Fahrzeugversicherers bei Ermöglichung des Diebstahlsschadens


Das OLG Celle (Urteil vom 09.06.2005 - 8 U 182/04) hat zum Vorliegen grober Fahrlässigkeit in der Fahrzeugversicherung beim Einwurf der Fahrzeugschlüssel in einen ungesicherten Außenbriefkasten der Werkstatt entschieden, dass die Versicherung leistungsfrei ist:
Der Versicherer ist gemäß § 61 VVG leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Diebstahl des kaskoversicherten Kraftfahrzeugs dadurch ermöglicht, dass er die zur Entwendung genutzten Fahrzeugschlüssel in einen Briefkasten einer Vertragswerkstatt einwirft, um damit eine Reparatur am Folgetag zu veranlassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um einen nicht besonders gesicherten Außenbriefkasten handelt, auch wenn der Werkstattbetrieb seinen Kunden ein solches Vorgehen ermöglicht.


Siehe auch Fahrzeugschlüssel und Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Voraussetzung für die Annahme der grobfahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls ist, dass der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit gegenüber der Diebstahlgefahr objektiv deutlich unterschritten hat (vgl. BGH VersR 1989, 141). Das bedeutet, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer acht gelassen und das Nächstliegende, das jedem in der gegebenen Situation einleuchtet, nicht beachtet hat.

Davon ist hier nach den Umständen des Einzelfalles im Ergebnis auszugehen.

Die Gefahr des Diebstahls wurde objektiv dadurch deutlich erhöht, dass der Pkw auf dem frei befahrbaren und zu beobachtenden Gelände des Autohauses abgestellt und der zugehörige Fahrzeugschlüssel in den in unmittelbarer Nähe befindlichen Außenbriefkasten der Werkstatt, der über keine besonderen Sicherungen verfügt, eingeworfen wurde. Diese Umstände ermöglichten es dem Dieb, sich den Fahrzeugschlüssel zu verschaffen und das Fahrzeug und sodann Bestandteile und Zubehör, hier insbesondere das Navigationsgerät, zu entwenden.

d) Ferner erfordert die Annahme grober Fahrlässigkeit ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten. Es muss sich auch in subjektiver Hinsicht um ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit deutlich gesteigertes Verschulden handeln (vgl. BGH, a. a. O.; Knappmann in Prölss/Knappmann, VVG, 27. Aufl. 2004, § 61 VVG, Rn. 12 ff). Der Vorwurf eines auch subjektiv groben Verschuldens ergibt sich insbesondere daraus, dass der Fahrzeugschlüssel in dem Briefkasten gegen den Zugriff Dritter erkennbar unzureichend gesichert war. Der Briefkasten befand sich frei zugänglich und der Beobachtung Dritter ausgesetzt auf dem Gelände der Streitverkündeten. Es handelte sich zwar um einen massiven Außenbriefkasten. Dieser verfügte jedoch als Sicherung gegen Eingriffe durch den Einwurfschlitz lediglich über ein quer verlaufendes Blech (Bl. 87 d. A.). Dies ist nunmehr unstreitig, sodass es der von der Beklagten beantragten Augenscheinseinnahme (Bl. 10 f. d. A.) und der Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 82 d. A.) nicht bedarf. Die vorhandene Sicherung war nicht geeignet, den Einblick in den Briefkasten (z. B. mit Zahnarztspiegel und Taschenlampe) und den durch zur Sicherung bereite Personen unbeobachteten Zugriff (z. B. mit speziellen flexiblen Greifwerkzeugen, wie sie in jedem Baumarkt erhältlich sind) zu verhindern. Die vorhandene unzureichende Sicherung konnte den Zugriff allenfalls geringfügig erschweren. Damit war der Briefkasten - auch für den Kläger ersichtlich - kein geeigneter und sicherer Aufbewahrungsort für Fahrzeugschlüssel, die das Ingangsetzen und ungestörte teilweise Zerlegen des wertvollen Fahrzeugs ermöglichten (wie hier OLGR Köln, 2001, 29, OLGR Düsseldorf 2001, 160).

Anders mag es allenfalls dann liegen, wenn ein Briefkasten in der Eingangstür oder Hauswand angebracht ist und die Schlüssel in nicht ohne Weiteres erreichbarer Entfernung auf den Boden fallen und der Versicherungsnehmer aufgrund besonderer Umstände auch nicht mit einer Einblicknahme rechnen musste (OLGR Hamm, 2000,152, vgl. auch Prölss/Knappmann, a. a. O., Rn. 114 zu § 12 AKB, für grobe Fahrlässigkeit auch insofern wohl Römer/Langheid, 2. Aufl. 2003, Rn. 62 zu § 61 VVG) sowie bei besonderen Sicherungen, wie sie bei den von Banken oder Sparkassen verwendeten Nachttresoren gegeben sind, die ein Herausnehmen des Inhalts auch mit Werkzeug weitestgehend ausgeschlossen erscheinen lassen.

Wenn in den Abendstunden Fahrzeuge auf dem Gelände eines Autohauses mit Reparaturwerkstatt stehen und ein Briefkasten vorhanden ist, liegt es nahe und musste es sich auch dem Kläger aufdrängen, dass ein möglicher Dieb das Abstellen des Fahrzeugs und das Einwerfen der Fahrzeugschlüssel in den Briefkastenschlitz beobachten und in dem Briefkasten nachsehen konnte, ob sich dort die passenden Schlüssel für das in unmittelbarer Nähe abgestellte Fahrzeug befanden. Auch in subjektiver Hinsicht ist dem Kläger daher der Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens zu machen. Er hat sich angesichts der geschaffenen beträchtlichen Risiken für erhebliche Werte sorglos und leichtsinnig verhalten. Dass allerdings die Abgabe von Schlüsseln nach Geschäftsschluss am Vorabend eines Werkstatttermins nicht allgemein unüblich ist, ist bekannt. Regelmäßig werden die Schlüssel dann aber durch ausreichend gesicherte Briefkastenschlitze in das Innere des Gebäudes geworfen, sodass sie nicht zugänglich sind. Die behauptete örtliche Üblichkeit seines Verhaltens entlastet den Kläger daher nicht. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um ein von der Streitverkündeten allgemein und schon lange ohne Störungen durchgeführtes Verfahren handelte, weil der Kläger selbst den Sicherheitsstandard zu überprüfen hatte und ohne Schwierigkeiten feststellen konnte, dass der notwendige Sicherheitsstandard eben nicht erreicht wurde.

e) Die Kausalität ist zu bejahen. Der Pkw des Klägers ist von dem Dieb mit dem Schlüssel, der sich im Briefkasten befunden hat, gefahren worden. Dies ergibt sich daraus, dass beim Auffinden des Fahrzeugs keinerlei auf einen Aufbruch des Fahrzeugs hindeutende Spuren gefunden wurden. ..."







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