Das Verkehrslexikon

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Die Gefährdung des Versicherungsschutzes bei Nichtbenutzung von Winterreifen in der Fahrzeugversicherung

Die Gefährdung des Versicherungsschutzes bei Nichtbenutzung von Winterreifen in der Fahrzeugversicherung


Zweifellos erhöht sich die Gefahr des Eintritts eines Versicherungsfalls in der Kaskoversicherung, wenn bei extremen Witterungsverhältnissen die gebotene Benutzung von Winterreifen unterlassen wird. Da es jedoch keine durchgehende Winterreifenpflicht über einen bestimmten Zeitraum gibt, sondern diese Pflicht je nach der Umgebung, in der man sich befindet, und je nach den wechselnden Wetterverhältnissen mal gegeben ist und mal wiederum nicht, handelt es sich nicht um eine typische Gefahrerhöhung, zumal eine stets rechtzeitige Anzeige an den Versicherer nicht möglich sein dürfte.

Man wird daher einen Verstoß gegen die straßenverkehrsrechtliche Benutzungspflicht von Winterreifen im Versicherungsrecht jeweils unter dem Gesichtspunkt einer grobfahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls beurteilen müssen.


Schon vor der Einführung der sog. Winterreifenpflicht in der StVO ab 2006 hatte das OLG Frankfurt am Main VersR 2004, 1260 f. = Schaden-Praxis 2003, 427 (Urt. v. 10.07.2003 - 3 U 186/02) entschieden, dass es grobfahrlässig ist, mit Sommerreifen in ein hochgebirgiges Skigebiet zu fahren, sofern die dadurch herbeigeführte Fahrinstabilität voraussehbar ist.

Dem werden sicherlich ab 2006 weitere Entscheidungen folgen, in denen der Versicherungsschutz versagt werden wird, wenn unter extremen winterlichen Witterungsbedingungen keine Winterreifen benutzt werden.

Engelbrecht/Seutter DAR 2006, 109 (110) meinen hierzu:
"... Im Sinne dieser Rechtsprechung und insbesondere nach Einführung des § 2 Abs. 3a StVO n.F. handelt daher objektiv grob fahrlässig, wer ein Fahrzeug benutzt, dessen Fahrstabilität auf Grund unzweckmäßiger Bereifung bei winterlichen Straßenverhältnissen nicht mehr gegeben ist. Erkennt der Versicherungsnehmer dies oder hätte er dies bei gehöriger Sorgfalt erkennen müssen, setzt aber gleichwohl sein Fahrzeug in Bewegung, so handelt er auch subjektiv grob fahrlässig, da er elementare Sicherheitsregeln nicht beachtet hat.

Befindet sich der Versicherungsnehmer mit seinem Fahrzeug allerdings bereits auf der Fahrt und wird z.B. von plötzlich einsetzendem Schneefall überrascht, so ist jedenfalls die subjektive Komponente der groben Fahrlässigkeit bei Fortsetzung der Fahrt solange zu verneinen, bis er die Möglichkeit hatte, sein Fahrzeug sicher und ohne Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer zum Stehen zu bringen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die einsetzenden winterlichen Verkehrsverhältnisse auch bei gehöriger Sorgfalt nicht so rechtzeitig zu erkennen waren, dass man sich bereits bei Antritt der Fahrt darauf einstellen konnte.

Um eine grobe Fahrlässigkeit zu begründen, müssen die winterlichen Verkehrsverhältnisse jedoch zu einer deutlichen und für den Versicherungsnehmer auch erkennbaren Verschlechterung der Fahrbahnbeschaffenheit geführt haben oder vorhersehbar führen können, andernfalls fehlt es an dem für die Annahme der groben Fahrlässigkeit erforderlichen schweren Verschulden. Ein solches schweres Verschulden wird man bei Schneefall nur dann annehmen können, wenn es auf der Fahrbahn zu einer geschlossenen Schneedecke gekommen ist bzw. kommen kann oder erkennbare bzw. zu erwartende ausgeprägte Glättebildung die Fahrbahnbeschaffenheit negativ beeinflusst hat. Andernfalls wird man jedenfalls die subjektive Komponente der groben Fahrlässigkeit nicht begründen können. Sind also die Straßen bereits geräumt und ist mit erneutem Schneefall und/oder ausgeprägter Glättebildung nicht zu rechnen, dann kann eine grobe Fahrlässigkeit i.S.d. § 61 VVG bei Benutzung von Sommerreifen nicht bejaht werden.

Dem entspricht es auch, dass der Gesetzgeber eben gerade keine Winterreifenpflicht für die Wintermonate hat einführen wollen und er nach der Gesetzesbegründung durch die Neueinführung des § 2 Abs. 3a StVO n.F., wie oben dargelegt, insbesondere dem Missstand der Benutzung von Sommerreifen bei extremen winterlichen Straßenverhältnissen begegnen wollte. Damit ist der Umstand, dass es in den Wintermonaten kalt ist, schneien und auch glatt werden kann, allein nicht ausreichend, um die Annahme der groben Fahrlässigkeit zu begründen. Um eine grobe Fahrlässigkeit begründen zu können, müssen zu den oben genannten Faktoren immer besondere Umstände hinzutreten, die eine Realisierung der winterlichen Gefahr bei der Benutzung von Sommerreifen gerade bei Antritt oder Durchführung der dann zum Schaden führenden Fahrt konkret als wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können sich daraus ergeben, dass man im Winter im Gebirge unterwegs ist, aber auch aus der sonstigen Missachtung der tatsächlichen bzw. zu erwartenden Wetterverhältnisse, wenn danach konkret zu erwarten steht, dass sich die am Fahrzeug vorhandene Bereifung als unzweckmäßig erweisen wird. Die bloße abstrakte Gefahr von winterlichen Verkehrsverhältnissen reicht nicht aus, um den schweren Sorgfaltsverstoß einer groben Fahrlässigkeit annehmen zu können. Eine generelle Winterreifenpflicht begründet das Vorhandensein einer Kaskoversicherung damit nicht. Die Frage, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist vielmehr immer eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung.

Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherer. Der Versicherungsnehmer kann sich entlasten, wenn er darlegt, dass der Unfall auch dann geschehen wäre, wenn er sein Fahrzeug mit Winterreifen geführt hätte. Dies kann z.B. bei starker und unvorhersehbarer Glatteisbildung der Fall sein, wenn auch die Seitenführungskräfte von Winterreifen versagt hätten. Der entsprechende Entlastungsbeweis wäre dann durch den Versicherungsnehmer zu führen. ..."



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