Das Verkehrslexikon

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OLG Düsseldorf Beschluss vom 25.08.1992 - 5 Ss (OWi) 295/92 - Zu den Sorgfaltspflichten des Kfz-Führers an Zebrastreifen

OLG Düsseldorf v. 25.08.1992: Zu den Sorgfaltspflichten des Kfz-Führers an Zebrastreifen


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25.08.1992 - 5 Ss (OWi) 295/92) hat entschieden:
Allein die Feststellung, daß ein Fußgänger den Überweg bereits betreten hat und dort zwei Schritte gegangen ist, als der Kraftfahrzeugführer diesen passierte, belegt nicht eine Zuwiderhandlung des Fahrzeugführers gegen § 26 I StVO.


Siehe auch Fußgängerüberweg - Zebrastreifen


Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen "wegen fahrlässiger Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 26 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 24 b StVO, 24 StVG" zu einer Geldbuße von 150,– DM verurteilt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, deren Zulassung er beantragt. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts.

Der Senat läßt die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG).

Das somit zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.


I.

Das Amtsgericht hat festgestellt:

Der Betroffene befuhr am 1. Oktober 1991 gegen 8.50 Uhr mit seinem PKW in R die B aus Richtung M Straße. Am dortigen Fußgängerüberweg wollte eine dunkel gekleidete Fußgängerin den Überweg aus der Sicht des Betroffenen von rechts nach links überqueren. Sie war bereits mit ein bis zwei Schritten auf dem Überweg, als der Betroffene diesen mit seinem Fahrzeug erreichte. Der Betroffene beachtete den Vorrang der Fußgängerin nicht, sondern fuhr weiter. Er hätte bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können und müssen, daß die Fußgängerin den Überweg habe überqueren wollen.

Die Einlassung des Betroffenen, die Fußgängerin habe ihm mit dem Kopf ein Zeichen gegeben, daß er weiterfahren solle, hat das Amtsgericht aufgrund der Aussage des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten, der den Vorfall aus einer Entfernung von etwa 15 Meter auf der Gegenfahrbahn aus dem Streifenwagen heraus beobachtet hat, als widerlegt angesehen.


II.

Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen einer Zuwiderhandlung gegen § 26 Abs. 1 StVO nicht. Die der Verurteilung zugrunde liegende Rechtsauffassung des Amtsgerichts, "der Autofahrer habe zweifellos anzuhalten, wenn eine Fußgängerin schon mit ein bis zwei Schrittlängen den Fußgängerüberweg betreten habe", trifft nicht zu.

1. Eine Verurteilung wegen Verletzung des § 26 Abs. 1 StVO setzt voraus, daß ein Fußgänger auf einem Fußgängerüberweg vermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt oder überhaupt in seinem Verhalten irgendwie durch das herannahende Fahrzeug beeinflußt worden ist (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. März 1980 in VRS 59, 381 = ZfS 1981, 128 = StVE § 26 StVO Nr. 14 und vom 28. Februar 1983 in VRs 64, 461 = r+s 1983, 110 = OLGSt StVO § 26 Nr. 1 m.w.N.; OLG Hamm VRS 47, 468; 48, 148). Diese Voraussetzungen mögen zwar oft gegeben sein, wenn ein Kraftfahrer den Fußgängerüberweg befährt, obwohl ein Fußgänger diesen bereits betreten hat. Das gilt aber schon dann nicht, wenn der Kraftfahrer seine Fahrt mit so großem seitlichen Abstand zum Fußgänger fortsetzt, daß dieser nicht gefährdet, erschreckt oder verwirrt wird und sich auch nicht veranlaßt sieht, seinen Schritt anzuhalten oder auch nur zu verlangsamen (vgl. Senatsbeschlüsse a.a.O.). In einem solchen Fall stellt das Passieren des Fußgängerüberweges durch den Kraftfahrer keine Zuwiderhandlung gegen § 26 Abs. 1 StVO dar.

2. Die Urteilsfeststellungen belegen nicht, daß die Fußgängerin durch das herannahende Fahrzeug des Betroffenen gefährdet, behindert, belästigt oder auch nur irgendwie in ihrem Verhalten beeinflußt worden ist. Zwar befand sie sich bereits auf dem Überweg (sie hatte ihn schon betreten und war dort zwei Schritte gegangen), als der Betroffene den Überweg überquerte. Dies allein genügt jedoch zur Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen § 26 Abs. 1 StVO nicht. Es fehlt an der Feststellung, in welchem seitlichen Abstand der Betroffene an der Fußgängerin vorbeigefahren ist und wie diese auf das Vorbeifahren des Betroffenen reagiert hat, ob sie – wenn sie nicht gar gefährdet worden war – etwa veranlaßt wurde, ihren Schritt anzuhalten oder auch nur zu verlangsamen (vgl. Senatsbeschlüsse a.a.O.). Aufgrund dieser unzureichenden Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Betroffene die Fußgängerin in einer den Tatbestand des § 26 Abs. 1 StVO erfüllenden Weise im oben beschriebenen Sinn durch sein Verhalten beeinträchtigt hat.

Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Es unterliegt mit den Feststellungen der Aufhebung (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 353 StPO).

Da nicht auszuschließen ist, daß in einer neuen Hauptverhandlung ergänzende Feststellungen getroffen werden, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 354 Abs. 2 StPO).

Der Senat hält es für sachgerecht, von der nach § 79 Abs. 6 OWiG gegebenen Möglichkeit, die Sache an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, keinen Gebrauch zu machen.


III.

Der neu entscheidende Tatrichter wird gegebenenfalls Anlaß haben festzustellen, aufgrund welcher Umstände der den Vorfall beobachtende Polizeibeamte in der Lage war, auszuschließen, daß die Fußgängerin dem Betroffenen das von diesem behauptete Zeichen mit dem Kopf gegeben habe, er solle weiterfahren. Da der Polizeibeamte etwa 15 Meter entfernt in einem Streifenwagen in der Gegenrichtung saß, versteht es sich nicht von selbst, daß er ein dahingehendes Zeichen auf jeden Fall wahrgenommen hätte, zumal die Fußgängerin, wenn sie zu dem herannahenden Betroffenen hinsah, ihr Gesicht von dem Polizeibeamten hat abwenden müssen. Gegebenenfalls wird die Fußgängerin, sollte sie namhaft gemacht werden können, zu befragen sein. Dies wäre im übrigen in derartigen Fällen stets zweckdienlich.



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