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BayObLG Beschluss vom 23.07.2003 - 1 ObOWi 219/03 - Zur Einordnung eines Kfz als Kombilimousine in den Fahrzeugpapieren

BayObLG v. 23.07.2003: Zur Einordnung eines Kfz als Kombilimousine in den Fahrzeugpapieren


Das BayObLG (Beschluss vom 23.07.2003 - 1 ObOWi 219/03) hat entschieden:

  1.  Dass ein Kraftfahrzeug in den Zulassungspapieren als "Kombilimousine" bezeichnet ist, ändert an der rechtlichen Einordnung als Lastkraftwagen jedenfalls dann nichts, wenn sein zulässiges Gesamtgewicht 3,5 to übersteigt.

  2.  Der Fahrer eines solchen Kraftfahrzeugs darf sich nicht auf die Auskunft seines Arbeitgebers verlassen, das Fahrzeug sei wie ein Personenkraftwagen zu behandeln.

  3.  Beruht ein Geschwindigkeitsverstoß nicht auf besonderer Rücksichts- oder Verantwortungslosigkeit des Betroffenen, sondern auf seiner Verbotsunkenntnis, kann es im Einzelfall an der Notwendigkeit fehlen, mit der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes erzieherisch auf den Betroffenen einzuwirken.


Zum Sachverhalt:

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 74 km/h zur Geldbuße von 500 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Bei dem von ihm gelenkten Fahrzeug handle es sich laut Eintrag im Fahrzeugschein um einen Pkw. Er sei deshalb nicht an die in § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO vorgeschriebene Geschwindigkeitsbeschränkung gebunden gewesen. Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hatte teilweise Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:


"... 1. Das Amtsgericht hat den Betroffenen zu Recht wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO, § 24 StVG verurteilt. Denn bei dem vom Betroffenen gesteuerten Kraftfahrzeug handelte es sich nicht um ein von der Geschwindigkeitsbeschränkung des § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO ausgenommenen Personenkraftwagen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war das Fahrzeug nach Bauart und Einrichtung nicht zur Personenbeförderung, sondern zum Gütertransport, nämlich zur Automatenbeförderung, bestimmt. Außer der Sitzbank für Fahrer und Beifahrer befanden sich keine weiteren Sitzgelegenheiten im Fahrzeug. Die Sitzbank war durch eine feste Wand von der Ladefläche getrennt. Das Fahrzeug war auch am Tattag als Lastkraftwagen (zur Definition vgl. BayObLGSt 1997, 69/70) zum Transport von Automaten eingesetzt gewesen. Außerdem überschritt sein zulässiges Gesamtgewicht mit 4,6 t den in § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO angeordneten Grenzwert von 3,5 t, ab welchem für Lastkraftwagen die Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h gilt.

Das Amtsgericht hat aber auch zu Recht verneint, dass es sich bei dem Tatfahrzeug um einen Personenkraftwagen im Sinne von § 23 Abs. 6 a StVZO handelt. Als Personenkraftwagen sind nach dieser Bestimmung auch Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t zu bezeichnen, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen, und die außer dem Führersitz Plätze für nicht mehr als acht Personen haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Einordnung eines solchen Fahrzeugs als Personenkraftwagen nach Umrüstung zur Güterbeförderung ausgeschlossen ist (OLG Hamm VRS 47, 469; OLG Karlsruhe VRS 68, 383) oder, ob unabhängig von der baulichen Einrichtung und Verwendung, auf seine Bezeichnung durch den Hersteller und seine Zulassung durch die Zulassungsstelle (als Pkw) abzustellen ist (OLG Stuttgart VRS 68, 302/303). Denn die Einordnung des Tatfahrzeugs als Pkw nach § 23 Abs. 6a StVZO scheitert hier, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, bereits daran, dass es mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 4,6 t den Grenzwert von 2,8 t überschritten hat.




Dass das Tatfahrzeug in den Zulassungspapieren und in der Betriebserlaubnis des Kraftfahrzeugbundesamtes als "Pkw geschlossen", "entspricht Kombilimousine" bezeichnet ist, ändert an dieser Einordnung nichts (OLG Düsseldorf NZV 1991, 483; BayObLGSt 1997, 69/70). Angesichts seiner Bauart und lastwagentypischen Ausstattung sowie seiner Bestimmung zur Güterbeförderung kommt eine Einordnung als Personenkraftwagen daher nicht in Betracht (zur Einordnung eines alternativ als Kraftomnibus oder Lkw zugelassenen Kraftfahrzeugs, das nach Ausbau der Fahrgastsitze zur Güterbeförderung verwendet wurde, BayObLGSt 2001, 154/156). Der Betroffene durfte unter diesen Umständen nach § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO mit dem Tatfahrzeug nicht schneller als 80 km/h fahren.

2. Zutreffend ist das Amtsgericht von einer vorsätzlichen Tatbegehung ausgegangen. Denn der Betroffene kannte bei der Geschwindigkeitsüberschreitung alle zum gesetzlichen Tatbestand gehörigen Umstände. Nicht zu beanstanden ist, dass das Amtsgericht im Hinblick darauf, dass der Betroffene das Tatfahrzeug irrtümlich als Pkw eingeordnet und deshalb davon ausgegangen ist, auf Autobahnen nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung des § 18 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StVO gebunden zu sein, von einem Verbotsirrtum (§ 11 Abs. 2 OWiG) ausgegangen ist (OLG Düsseldorf VM 1960, 18; Göhler OWiG 13. Aufl. § 11 Rn. 6 und 9; KK/OWiG - Rengier 2. Aufl. § 11 Rn. 111). Die Ausführungen des Tatrichters, dass der Betroffene bei Anwendung der ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass er zum Tatzeitpunkt mit einem Lkw und nicht mit einem Pkw unterwegs gewesen sei, er also aufgrund eines vermeidbaren Verbotsirrtums gehandelt hat, begegnen im Ergebnis keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nicht zu beanstanden ist, dass das Amtsgericht dem Betroffenen angelastet hat, sich lediglich auf Rechtsauskünfte verlassen zu haben, die sein Arbeitgeber bei den Zulassungsstellen und dem Kraftfahrt-Bundesamt, nicht aber bei einer für die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen Stelle erholt habe. Gerade im Hinblick darauf, dass das Tatfahrzeug nach seinen Maßen und nach Art seines Ausbaus sich von üblichen Personenkraftwagen erheblich unterschied und typische Merkmale eines Lkw aufwies sowie in Kenntnis der Zweifel über seine Einordnung, die seinen Arbeitgeber veranlasst haben, Erkundigungen über die rechtliche Wertung des Fahrzeuges als Pkw oder Lkw anzustellen, hatte der Betroffene die Pflicht, selbst alle zumutbaren Erkenntnisquellen auszuschöpfen. Er durfte sich mit der Auskunft seines Arbeitgebers nicht begnügen, da es auf der Hand lag, dass die von seinem Arbeitgeber befragten Behörden, deren Tätigkeitsschwerpunkt im Zulassungsbereich liegt, zu Auskünften über Rechtsfragen, die die Straßenverkehrsordnung betreffen, nicht die erforderliche Kompetenz haben würden.


3. Der Rechtsfolgenausspruch hält allerdings der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat zwar die Tatsache, dass der Betroffene im Bewusstsein gehandelt hat, beim Überschreiten der Geschwindigkeit von 80 km/h nichts Unerlaubtes zu tun, zutreffend als schuldmindernd gewürdigt. Dieser Umstand lässt die Indizwirkung des Regelfalls entfallen (Deutscher NZV 2001, 101/102) und erlaubt es daher nach § 1 Abs. 2 BKatV, von den Regelsätzen der Bußgeldkatalogverordnung nach unten abzuweichen.

a) Das Amtsgericht hat trotz der Feststellung, dass der Betroffene aufgrund eines vermeidbaren Verbotsirrtums gehandelt hat, die Geldbuße jedoch nicht reduziert, sondern diese über den Regelsatz von 375 Euro auf 500 Euro angehoben. Zur Begründung hierfür hat das Amtsgericht sich auf weitere vom Betroffenen am Tattag begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen gestützt. Diese Bewertung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Laut Tenor und der im Urteil getroffenen Feststellungen ist Gegenstand der Verurteilung allein die vom Betroffenen am 19.2.2002 kurz vor 10 Uhr begangene Geschwindigkeitsüberschreitung. Unabhängig von der verfahrens- und sachlich-rechtlichen Einordnung der 10 weiteren Geschwindigkeitsüberschreitungen, die der Betroffene am Tattag begangen hat (vgl. BayObLGSt 1997, 18) und der Frage, ob sich bereits aus dem Bußgeldbescheid eine wirksame Teileinstellung nach § 47 Abs. 1 OWiG hinsichtlich dieser Verstöße durch die Verfolgungsbehörde ergibt, hat das Amtsgericht übersehen, dass die weiteren Tathandlungen ebenfalls eine Folge des Verbotsirrtums sind und dass deshalb Gegenstand der Bewertung des Fehlverhaltens des Betroffenen im subjektiven Bereich lediglich der Vorwurf ist, sich nicht über die richtige rechtliche Einordnung des Tatfahrzeugs durch Auskunft bei den richtigen Behörden rechtzeitig Klarheit verschafft zu haben. Die weiteren Tathandlungen weisen daher unabhängig davon, ob sie eine natürliche Handlungseinheit mit der Tat bilden oder ob sie als selbständige Taten, die in Tatmehrheit stehen, zu beurteilen sind - die erforderlichen Feststellungen zur Abgrenzung werden im Urteil nicht mitgeteilt -, keinen an der Vielzahl der Verstöße zu messenden erhöhten Handlungsunwert auf.



b) Auch die Entscheidung über die Verhängung des Fahrverbots ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Amtsgericht hat im Hinblick auf den Verbotsirrtum des Betroffenen das Regelfahrverbot von drei Monaten (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 des Anhangs) auf einen Monat reduziert. Wenn wie hier ein Regelfall nach der Bußgeldkatalog-Verordnung vorliegt, scheidet die Anordnung eines Fahrverbotes dann aus, wenn dem Betroffenen, der objektiv grob und/oder beharrlich seine Pflichten im Straßenverkehr verletzt hat, subjektiv ein solcher schwerer Pflichtenverstoß nicht angelastet werden kann. Da der der Verurteilung zugrunde liegende Geschwindigkeitsverstoß nicht auf besonderer Rücksichts- oder Verantwortungslosigkeit des Betroffenen, sondern auf seiner Verbotsunkenntnis beruht, ist es hier daher nicht geboten, mit der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes auf den Betroffenen erzieherisch einzuwirken (vgl. KG NZV 1994, 159; OLG Düsseldorf VRS 85, 296/298).

4. Die fehlerhafte Rechtsfolgenentscheidung erfordert nicht die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Der Senat kann vielmehr auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen selber über die Rechtsfolgen entscheiden. Angesichts der durch den vermeidbaren Verbotsirrtum erheblich geminderten Schuld und des Umstandes, dass der Betroffene bisher verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, hält der Senat eine Geldbuße von 250 Euro für tat- und schuldangemessen. ..."

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