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OLG Saarbrücken Urteil vom 15.05.2012 - 4 U 54/11 - Zur Warnung durch den Verkehrssicherungspflichtigen vor versenkbaren Pollern

OLG Saarbrücken v. 15.05.2012: Zur Warnung durch den Verkehrssicherungspflichtigen vor versenkbaren Pollern




Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 15.05.2012 - 4 U 54/11) hat entschieden:

   Beim Aufstellen absenkbarer Poller muss der Verkehrssicherungspflichtige die Verkehrsteilnehmer nachhaltig davor warnen, dass die Polleranlage nur einzeln passiert werden darf. Genügt der Verkehrssicherungspflichtige dieser Warnpflicht, ist es zur Verkehrssicherung nicht erforderlich, die Polleranlage so zu konstruieren, dass sich der Poller auch dann wieder absenkt, wenn sich ein Fahrzeug dem ausfahrenden Poller nähert.

Siehe auch Poller - versenkbare Sperren - Sperrpfosten und Verkehrssicherungspflicht

Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den beklagten Landkreis unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz für die Folgen eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am 24.6.2007 gegen 8:20 Uhr im Bereich der zentralen Ein- und Ausfahrt des Seegeländes Bostalsee ereignete.

Eine Mitarbeiterin der Klägerin, die Zeugin, fuhr mit einem im Eigentum der Klägerin stehenden Transporter vom Seegelände kommend auf die zentrale Zu- und Ausfahrt. Diese Ein- und Ausfahrt zum Seegelände wird durch eine Polleranlage geregelt:

Die Fahrbahn wird im Bereich der Polleranlage durch eine Verkehrsinsel geteilt, auf der das Verkehrszeichen Nr. 325 angebracht ist. Darunter befindet sich ein weißes Schild mit der schwarzen Aufschrift „Polleranlage einzeln einfahren“. Im Ein- und Ausfahrtbereich der Polleranlage befindet sich eine Lichtzeichenanlage, die entweder grünes oder rotes Licht zeigt. Beim Ausfahren des Poller ertönt ein akustisches Warnsignal.




Vor der Zeugin fuhr zum Unfallzeitpunkt ein weiteres Transportfahrzeug, das vor der Polleranlage anhielt. Als sich die Zeugin diesem Fahrzeug näherte, setzte dieses seine Fahrt fort. Die Zeugin folgte unter Missachtung der rotes Licht zeigenden Ampel ohne anzuhalten. Beim Überfahren des Pollers fuhr der Poller aus und beschädigte das Fahrzeug der Klägerin im Unterbodenbereich.

Die Klägerin hat behauptet, die Zeugin habe beim Durchfahren der Polleranlage den relativ leisen Warnton nicht gehört, da dieser von den beiden Dieselmotoren übertönt worden sei. Der Poller sei erst hochgefahren, als sich das Fahrzeug der Klägerin bereits über ihm befunden habe. Dies ergebe sich daraus, dass der Schaden nicht im Frontbereich, sondern im Bereich des Unterbodens entstanden sei. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe durch die konkrete Gestaltung der Polleranlage seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Das Schild „Polleranlage - einzeln einfahren“ sei klein; seine Aufschrift sei nichts sagend. Die Rundleuchten der Lichtzeichenanlage seien mit einem Durchmesser von lediglich 8 cm nicht groß genug und befänden sich nicht in einer Höhe, in der mit anderen Anlagen zu rechnen sei. Die Polleranlage habe den maßgeblichen Sicherheitsanforderungen nicht entsprochen, indem sie auf das herannahende Fahrzeug nicht reagiert und den Ausfahrvorgang auch dann noch fortgesetzt habe, als sich das klägerische Fahrzeug bereits über dem Poller befunden habe.

Die Klägerin hat beantragt,

   den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin

  1.  6.006,85 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.7.2010 zu zahlen;

  2.  vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 507,50 EUR nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.



Dem ist der Beklagte entgegengetreten.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Unfall sei auf die Unaufmerksamkeit der Zeugin ... zurückzuführen. Diese habe sämtliche Warnhinweise missachtet, so dass ein etwaiges geringfügiges Verschulden des Beklagten gemäß § 254 BGB wegen des überwiegenden Eigenverschuldens der Zeugin zurückzutreten habe.


Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Betrages von 2.747,54 EUR stattgegeben. Es hat hierbei ausgeführt: Der Beklagte sei der Klägerin gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG und § 9 SaarlStrG dem Grunde nach zum Ersatz des entstandenen Sachschadens verpflichtet, da der Beklagte den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht nicht gerecht geworden sei. Die Klägerin könne gleichwohl nicht Ersatz des vollen unfallbedingten Schadens beanspruchen, da der Zeugin ... ein schadensursächliches Mitverschulden zur Last falle, welches mit 50% zu bewerten sei. Hinsichtlich der Mietwagenkosten sei nach dem Schadensgutachten des Sachverständigen Völker nur von einer Reparaturdauer von insgesamt vier Tagen auszugehen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung erstrebt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Der Beklagte vertritt zunächst die Auffassung, dass ihm hinsichtlich der Gestaltung der Polleranlage keine Verletzung der gebotenen Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden könne. Entscheidend sei, dass der Poller nicht hochfahren könne, solange sich ein ordnungsgemäß einfahrendes Fahrzeug während der Grünphase über dem Poller beziehungsweise in dessen unmittelbarer Nähe befinde. Dies verhindere die Sicherheitsschleife. Auf diese Weise sei sichergestellt, dass ein verkehrsgerecht fahrender Fahrzeugführer die Polleranlage ohne Ausfahren der Poller passieren könne. Zudem werde auf die Poller mehrfach hingewiesen. In der Gesamtschau aller Sicherungsmaßnahmen sei davon auszugehen, dass ein durchschnittlich aufmerksamer Verkehrsteilnehmer ausreichend über die Gefahren der Polleranlage informiert werde. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Polleranlage der Zeugin ... bestens vertraut gewesen sei. Sie habe die Anlage nicht nur am Unfalltag bei der Einfahrt passiert, sondern sei schon zuvor zwei bis dreimal unter Benutzung der Polleranlage in das Seegelände eingefahren.

Insbesondere der letzte Aspekt belege, dass eine eventuelle Pflichtverletzung seitens des Beklagten vollständig hinter dem überwiegenden Eigenverschulden der Zeugin zurücktreten müsse. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Zeugin das unmittelbar vor ihr befindliche Bäckereifahrzeug habe beobachten können. Dieses habe aufgrund der Rotschaltung angehalten und die Polleranlage erst passiert, nachdem die Ampel auf Grün gestanden habe. Der Poller sei überdies bereits ein Stück ausgefahren gewesen, als die Zeugin gegen ihn gefahren sei. Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht angenommen, dass die tatsächliche Geschwindigkeit der Zeugin für das streitgegenständliche Unfallereignis unerheblich sei. Wäre die Zeugin tatsächlich nur mit den zulässigen 5 km/h unterwegs gewesen, so hätte ihr der vor ihr befindliche Poller auffallen müssen und sie hätte angesichts der geringen Geschwindigkeit die Möglichkeit gehabt, rechtzeitig zu bremsen und das Unfallgeschehen gänzlich zu vermeiden.

Der Beklagte beantragt,

   unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils vom 14.1.2011 - 4 O 389/10 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

   die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 17.3.2011 (Bl. 112 ff. d. A.), auf die Berufungserwiderung vom 15.4.2011 (Bl. 119 ff. d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 2.5.2011 (Bl. 125 f. d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 24.4.2012 (Bl. 137 f.) verwiesen.




II.

A.

Die zulässige Berufung des beklagten Landkreises hat Erfolg. Die angefochtene Entscheidung begegnet im Prüfungsmaßstab des § 513 ZPO durchgreifenden Bedenken, soweit das Landgericht dem Beklagten eine Verletzung der gebotenen Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen hat (1.). In jedem Fall scheiden Ansprüche auf Schadensersatz wegen eines ganz überwiegenden Mitverschuldens der Fahrerin, welches sich die Klägerin zurechnen lassen muss, aus (2.).

1. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der beklagte Landkreis im fraglichen Straßenbereich verkehrssicherungspflichtig ist. Demnach könnte sich eine mögliche Haftung des Beklagten aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG und § 9 SaarlStrG ergeben. Die Rechtsgrundsätze werden vom Landgericht zutreffend herausgearbeitet:

a) Gemäß § 9 Abs. 3a SaarlStrG sind dem Träger der Straßenbaulast die sich aus der Überwachung der Verkehrssicherheit der öffentlichen Straßen ergebenden Aufgaben als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit übertragen. Demnach obliegt es dem Träger der Straßenbaulast in Erfüllung dieser Amtspflicht, die Straße in einem hinreichend sicheren Zustand zu erhalten und in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die zur Herbeiführung und Erhaltung eines für die Benutzer hinreichend sicheren Zustandes erforderlich sind. Hierbei ist keine absolute Gefahrlosigkeit herzustellen. Dies ist mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen. Vielmehr muss sich der Straßenbenutzer grundsätzlich den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Demgegenüber ist es Sache des Verkehrssicherungspflichtigen, alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (st. Rspr. OLG Saarbrücken: Urt. v. 10.1.2012 - 4 U 480/10-145-; DAR 2010, 23; NJW-RR 2010, 602; 97; BGHZ 108, 273, 274 f.; Urt. v. 21.6.1979, III ZR 58/78, VersR 1979, 1055, vgl. Urt. v. 11.12.1984, VI ZR 218/83, NJW 1985, 1076; Staudinger/Hager, BGB, Neubearbeitung 2009, § 823 Rdnr. E 74; MünchKomm(BGB)/Wagner, 5. Aufl., § 823 Rdnr. 416 ff.; 438 f.; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rdnr. 221; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2. Aufl., § 823 Rdnr. 314; P/W/W/Schaub, BGB, 7. Aufl., § 823 Rdnr. 137).


Die bei der Aufstellung von absenkbaren Pollern zu beachtenden Verkehrssicherungspflichten hat der Senat zuletzt in der Entscheidung vom 31.8.2004 (MDR 2004, 1351) konkretisiert. Demnach hat die verkehrssicherungspflichtige Körperschaft mit dem bloßen Aufstellen eines absenkbaren Pollers zwar kein Verkehrshindernis i.S.v. § 32 StVO geschaffen. Mithin kann alleine in dem Aufstellen des Pollers noch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht erblickt werden. Jedoch stellt eine elektronisch zu steuernde Sperrvorrichtung eine besondere Gefahrenquelle im Straßenraum dar, die vor allem daraus resultiert, dass der Poller in abgesenktem Zustand für die Benutzer der Straße nicht immer leicht zu erkennen ist, weshalb ein sich mitten auf der Fahrbahn befindlicher Poller, der unbemerkt ausfährt, ein erhebliches Gefahrenpotenzial für den fließenden Verkehr darstellt. Diese Gefahren rechtfertigen es, an die Verkehrssicherungspflicht besondere Anforderungen zu stellen (so auch OLG Hamm, NZV 2010, 353).

Welche konkreten Gestaltungen diesen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verkehrssicherung Genüge tun, ist Sache des jeweiligen Einzelfalls: So genügt eine Beschilderung, die auf den Poller hinweist, für eine wirksame Verkehrssicherung alleine jedenfalls dann nicht, wenn die Beschilderung den genauen Standort des Pollers nicht signalisiert und es in der konkreten Verkehrssituation leicht möglich ist, die Beschilderung zu übersehen. Andererseits ist es zur Verkehrssicherung nicht zwingend erforderlich, den Poller stets derart zu konstruieren, dass sich der Poller in jedem Falle auch dann wieder absenkt, wenn sich ein Fahrzeug dem noch nicht vollständig ausgefahrenen Poller nähert. Von einer solch weit gehenden Sicherungsmaßnahme kann jedenfalls dann abgesehen werden, wenn der Verkehrssicherungspflichtige die situationsadäquat aufmerksamen Verkehrsteilnehmer in der konkreten Verkehrssituation durch andere Maßnahmen wirksam davor warnt, dass die Polleranlage nur einzeln passiert werden darf (vgl. OLG Hamm, NZV 2010 353; OLG München, Beschl. v. 25.1.2012 - 1 U 4134/11).

b) Wendet man diese Rechtsgrundsätze auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt an, so ist zunächst festzuhalten, dass sich der vorliegende Sachverhalt in wesentlichen Aspekten vom Sachverhalt der früheren Senatsentscheidung (MDR 2004, 1351) unterscheidet: Das Lichtbild (Bl. 77 d. A.) zeigt, dass sich ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer über das Vorhandensein einer Polleranlage und auch über die genaue Lage des Pollers mitten auf der Fahrbahn nicht in Zweifel befinden kann. Der Ein- und Ausfahrtsbereich wird durch die rechts und links aufgestellten Stelen, die zugleich das Lichtzeichen für den Pollerbetrieb aufnehmen, und durch die Verkehrsinsel portalartig gestaltet. Auf das Vorhandensein der Polleranlage wird durch das Zusatzschild: „Polleranlage – einzeln einfahren“ hingewiesen. Während des Betriebs ertönt ein akustisches Warnsignal. Auch wird der Zugang zur Polleranlage durch ein Lichtzeichen geregelt: Unmittelbar nach dem Passieren der Poller schaltet die Anlage wieder auf „Rot“. Schließlich ist zu berücksichtigen – hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Sachverhalt der vom OLG Hamm entschiedenen Rechtssache (NZV 2010, 353) –, dass die Polleranlage den Zugang zu einer nicht für den allgemeinen Verkehr zugänglichen Freizeitanlage regelt, in deren Bereich die Geschwindigkeit auf 5 km/h beschränkt ist.

Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Gläser der Lichtzeichenanlage einen eher kleinen Durchmesser besitzen, in einer ungewöhnlichen Höhe von circa 170 cm aufgestellt sind und das Warnschild eher kleinformatig ist und keinen amtlichen Text besitzt: Bei der isolierten Betrachtung jeder einzelnen Sicherungsmaßnahme mag man der Plausibilität dieser Argumente folgen können. Jedoch wird die zergliedernde Betrachtungsweise der Lebenswirklichkeit nicht gerecht: In der konkreten Verkehrssituation tritt die Polleranlage dem herannahenden Verkehr in ihrer ganzen Komplexität gegenüber, weshalb eine hinreichende Verkehrssicherheit auch durch das Ineinandergreifen der verschiedenen Einzelmaßnahmen gewährleistet werden kann. In der demnach gebotenen Zusammenschau sind die akustischen und optischen Warnsignale auch unter Berücksichtigung der strengen Anforderungen beim Aufstellen versenkbarer Poller hinreichend geeignet, um den Verkehr nachhaltig vor den Gefahren des plötzlich ausfahrenden Pollers zu warnen (so auch das OLG München in einem vergleichbaren Sachverhalt: Beschl. v. 25.1.2012 - 1 U 4134/11).

2. In jedem Fall überwiegt das Mitverschulden der Zeugin, das sich die Klägerin als einen die Betriebsgefahr des PKWs erhöhenden Umstand in rechtsanaloger Anwendung von § 254 BGB auch gegenüber der Verschuldenshaftung des Beklagten anrechnen lassen muss (vgl. MünchKomm(BGB)/Oetker, 6. Aufl., § 254 Rdnr. 5 und 14), eine eventuelle Verantwortlichkeit des Beklagten so deutlich, dass seine Haftung vollständig zurücktritt.

Das streitgegenständliche Unfallereignis wurde auf der mit der Klageerwiderung eingereichten CD dokumentiert. Das Landgericht hat das dort gespeicherte Video in Augenschein genommen und zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht. Die landgerichtlichen Feststellungen zum Verlauf des Unfallgeschehens binden den Senat schon deshalb, weil sie im Berufungsrechtszug nicht angefochten werden. Sie sind darüber hinaus in der Sache überzeugend:



a) Demnach fuhr die Zeugin unmittelbar hinter einem Bäckereifahrzeug in die Anlage ein. Dieses Fahrzeug hatte gut sechs Sekunden vor dem herausgefahrenen Poller angehalten. Nur ca. zwei Sekunden nachdem das Bäckereifahrzeug angefahren war, gerät das klägerische Fahrzeug in das Blickfeld der Kamera, was belegt, dass die Zeugin bei der Annäherung an die Polleranlage das haltende Bäckereifahrzeug sah. Wenngleich die Zeugin glaubhaft ausgesagt hat, dass sie zur Länge dieses Anhaltens nichts sagen könne, musste ihr bewusst gewesen sein, dass sich die Polleranlage, die sie aus vorangegangenen Fahrten kannte, in Betrieb befand. Diese Erkenntnis musste sich der Zeugin jedenfalls deshalb erschließen, weil der Poller auf der gegenüberliegenden Fahrbahn ausgefahren war. Die Zeugin musste also damit rechnen, dass das vor ihr fahrende Fahrzeug nur deshalb angehalten hatte, weil der Poller noch nicht abgesenkt war. Sodann ist auf der Videosequenz erkennbar, dass das Lichtzeichen unmittelbar nach dem Passieren des Bäckereifahrzeugs von „Grün“ auf „Rot“ umsprang. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt war die Zeugin von der Polleranlage noch so weit entfernt, dass sie das Licht leicht hätte wahrnehmen können. Nur knapp eine Sekunde nach dem Umschalten auf „Rot“ fuhr der Poller wieder heraus.

b) Es sei dahingestellt, ob die Zeugin das Ausfahren des Pollers aus ihrer erhöhten Sitzposition im Weiterfahren noch wahrnehmen konnte. In jedem Fall hätte sie den Poller nicht übersehen, wenn sie - wie dies aufgrund des aufgestellten Schildes „Polleranlage einzeln einfahren“ geboten gewesen wäre - nur kurz vor dem Weiterfahren angehalten hätte. Dass sich die Zeugin dann dennoch trotz des für einen mit der gebotenen Sorgfalt fahrenden Verkehrsteilnehmer gut sichtbaren roten Lichtes und trotz des Hinweises, wonach die Polleranlage nur einzeln angefahren werden darf, dazu entschied, die „Gunst der Stunde“ zu nutzen und zügig durch die offene Ausfahrt herauszufahren, stellt eine grobe Verletzung der gebotenen Sorgfalt dar, die eine - vom Senat nicht für gegeben erachtete - Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vollständig zurücktreten ließe: Verkehrssicherungspflichten dienen nicht dazu, Risiken aus besonders leichtfertigem Handeln zu kompensieren. Schutzobjekt der Verkehrssicherungspflicht ist vielmehr der mit der situationsgebotenen Sorgfalt handelnde Verkehr.

B.

Die Kostenfolge beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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