1. |
Der Verkäuferin steht - bei von der Käuferin erstmals ca. 2 Wochen nach Gefahrübergang gerügten umfangreichen Kratzer an einem Neufahrzeug - die Möglichkeit offen, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB ausnahmsweise deswegen ausgeschlossen ist, weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag, mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar (§ 476 letzter Halbsatz BGB) ist.
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2. |
Die Vermutung des § 476 BGB, dass ein Mangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen hat, ist dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn es sich um äußerliche Beschädigungen der Kaufsache handelt, die auch einer fachlich nicht versierten Käuferin auffallen müssen. Denn in einem solchen Fall ist zu erwarten, dass die Käuferin den Mangel bei Übergabe beanstandet. Hat sie die Sache ohne Beanstandung entgegengenommen, so spricht dies folglich gegen die Vermutung, der Mangel sei schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen.
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3. |
Die Verkäuferin trägt zunächst die volle Beweislast i.S.v. § 286 BGB für die Widerlegung der Vermutung des § 476 BGB im Sinne eines Gegenbeweises gemäß § 292 ZPO. Nach Führung dieses (Gegen-)Beweises durch die Verkäuferin trägt sodann die Käuferin (wieder) die volle Beweislast i.S.v. § 286 BGB. Zur Führung dieser Vollbeweise im Sinne von § 286 ZPO genügt jeweils - insoweit anders als bei der sog. Glaubhaftmachung im Sinne von § 294 ZPO - als Beweismaß keine überwiegende Wahrscheinlichkeit der jeweiligen Beweistatsache, sondern es bedarf für den Vollbeweis im Sinne von § 286 ZPO vielmehr eines für das praktische Leben brauchbaren Grades persönlicher Gewissheit im Sinne einer Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der jeweiligen Beweistatsache, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.
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4. |
Der Käufer kann in Einzelfällen gehalten sein, nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast Vortrag zu seinem Umgang mit der Sache nach Gefahrübergang zu halten, da es sich um Sachverhalte aus der persönlichen Sphäre einer Partei (des Käufers) handelt, in die die andere Partei (der Verkäufer) naturgemäß in aller Regel keinen Einblick hat.
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