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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 14.12.2017 - 11 U 43/17 - Keine Haftung des Autowaschanlagenbetreibers für einen defektem Sensor

OLG Frankfurt am Main v. 14.12.2017: Keine Haftung des Autowaschanlagenbetreibers für einen defektem Sensor


Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.12.2017 - 11 U 43/17) hat entschieden:

   Keine Haftung des Betreibers einer Waschanlage für Beschädigungen, die durch einen Gebläsebalken einer Waschstraße verursacht werden, wenn dessen Sensor defekt ist.



Siehe auch

Autowaschanlage -Carwashing - Ersatzansprüche

und

Stichwörter zum Thema Verkehrszivilrecht


Gründe:


I.

Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils an gemäß § 540 Abs. 1 ZPO in Bezug genommen.

Das Landgericht hat ein Grund- und Teilurteil erlassen und ausgesprochen, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt und der Beklagte zur Zahlung von 7.805,00 € verpflichtet sei. Es stellte fest, dass Grund für die Beschädigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine defekte Platine bzw. ein damit verbundener defekter Sensor der Portalwaschanlage gewesen sei (Bl. 219).

Dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Der Anspruch folge jedenfalls aus § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Zwischen den Parteien sei ein Werkvertrag abgeschlossen worden. Der Beklagte habe durch die Beschädigung des Fahrzeuges seine Pflichten objektiv verletzt. Er könne sich nicht darauf berufen, die Beschädigung nicht vertreten zu haben. Auch wenn nicht ohne weiteres von einer Garantiehaftung ausgegangen werden könne, lägen hier im Hinblick auf Z. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechende Umstände vor. Die Klausel sei wirksam in den Vertrag einbezogen worden und sei dahingehend auszulegen, dass der Waschanlagenbetreiber für unmittelbare Schäden nicht nur entsprechend dem allgemeinen Maßstab des § 276 BGB hafte, sondern allgemein für alle unmittelbaren Schäden, welche durch den Waschvorgang hervorgerufen werden. Eine derartige Auslegung der Klausel entspreche der Sicht eines objektiven Empfängers. Vorliegend handele es sich auch um unmittelbare Schäden.

Im Wege des Teilurteils sei dem Kläger zudem Schadensersatz i.H.v. 7.780,00 € bereits jetzt zuzusprechen, da insoweit Entscheidungsreife vorliege. Die Höhe ergebe sich aus dem als unstreitig zu behandelnden Sachverständigengutachten der Klägerseite. Im Übrigen würden die dortigen Angaben weitgehend durch das von der Beklagtenseite vorgelegte Gutachten bestätigt.




Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er hafte nicht für die Schadensentstehung, da ihn kein Verschulden an der Schadensentstehung treffe. Er habe alles Erforderliche getan, um eine Schädigung der Kunden zu vermeiden. Der Schaden sei allein auf einen nicht vorhersehbaren Defekt der Steuerungsplatine des Gebläsebalkens zurückzuführen. Z. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalte keine Grundlage für eine verschuldensunabhängige Haftung. Es fehle bereits Vortrag zur Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Bei objektiver Auslegung der Klausel auch i.V.m. Z. 1 ergebe sich deutlich, dass hier keine Garantiehaftung ausgesprochen werden sollte. Der Verfasser der Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe lediglich die Haftung des Anlagebetreibers unter gewissen Voraussetzungen einschränken wollen. Für eine Garantiehaftung fehle auch eine Üblichkeit. Auch der Umstand, dass die Betriebshaftpflichtversicherung lediglich verschuldensabhängige Ansprüche absichere, spreche dagegen.

Ergänzend werde weiterhin die Kausalität zwischen Schadensereignis und den Schäden bestritten. Es habe der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurft. Durch das Durchstoßen der Windschutzscheibe könnten allenfalls kleine Glassplitter freigesetzt werden, die jedoch die tatsächlich aufgetretenen Beschädigungen der Sitzpolster nicht hätten verursachen können.

Er beantragt,

   unter Abänderung des am 17.03.2017 verkündeten Grund- und Teilurteils des Landgerichts Gießen die Klage abzuweisen,



hilfsweise

   unter Abänderung des am 17.03.2017 verkündeten Grund- und Teilurteils des Landgerichts Gießen die Sache an das Gericht des 1. Rechtszuges zurückzuverweisen.


Der Kläger beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.


Er verteidigt das angefochtene Urteil. Das Landgericht sei zu Recht von einer vertraglichen verschuldensunabhängigen Haftung ausgegangen. Die AGBs seien wirksam in den Werkvertrag der Parteien einbezogen worden. Unstreitig handelt es sich um einen unmittelbaren Schaden im Sinne der AGBs. Der Passus sei auch nicht mehrdeutig. Auf die Üblichkeit der Regelung komme es nicht an. Selbst wenn man eine Mehrdeutigkeit der Klausel annehmen wollte, habe das Landgericht zu Recht den objektiven Empfängerhorizont für maßgeblich angesehen. Schließlich sei im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zweifel eine Auslegung zulasten des Verwenders vorzunehmen.

Darüber hinaus bestünden deliktische Ansprüche. Hinsichtlich der Schadenshöhe dränge sich eine Beschädigung der Sitzpolster durch die freigesetzten Glassplitter geradezu auf. Unstreitig habe sich der Beklagte auf die Scherben setzen müssen.



II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie Erfolg.

Dem Kläger stehen keine Ansprüche wegen der Beschädigung seines Kraftwagens während des Waschvorgangs gegen den Beklagten als Betreiber der Waschanlage zu.

1. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf Ansprüche nach §§ 280, 241 Abs. 2, 631 sowie § 823 Abs. 1 BGB.

Grundsätzlich haftet der Betreiber einer Autowaschstraße nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zwar für Fahrzeugschäden, die bei der Benutzung seiner Autowaschstraße entstanden sind (Landgericht O1, Urteil vom 14.2.1996 - Az. …, Bl. 47 ff.). Sofern - wie hier - dem Kläger kein Fehlverhalten bei der Benutzung oder ein Defekt des Fahrzeuges nachzuweisen sind, wird auch vermutet, dass die Schadensursache im Organisation- und Gefahrenbereich des Unternehmers liegt. Es entspricht allgemeiner Rechtsprechung, dass - abweichend von der grundsätzlichen Beweislastverteilung, wonach der Geschädigte darlegen müsste, das sein PKW beim Betrieb der Waschanlage beschädigt wurde und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung zurückzuführen ist - für Schadensfälle, die sich in einer Waschstraße ereignen, von der Schädigung auf die Pflichtverletzung des Betreibers geschlossen würden kann, sofern der Geschädigte darlegt und beweist, dass die Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich des Betreibers herrühren kann (OLG Hamm, Urteil vom 12.04.2002 - 12 U 170/01; Landgericht Wuppertal, Urteil vom 13.03.2013 - 5 O 172/11).

Dem Beklagten ist jedoch der ihm obliegende Nachweis seiner Schuldlosigkeit für die Beschädigung gelungen. Ist die Schadensursache grundsätzlich dem Gefahrenkreis des Beklagten zuzuordnen, obliegt es gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung diesem, nachzuweisen, dass der Schaden auch bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt nicht zu vermeiden war (BGH, Urteil vom 23.1.1975 - VII ZR 137/73; Landgericht Hamburg, Urteil vom 26.07.2002 - 313 S 46/02; Landgericht O1, Urteil vom 14.02.1996 - Az. …).

Ausweislich der im Berufungsverfahren gemäß § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachenfeststellungen des landgerichtlichen Urteils wurde die Beschädigung des Kraftfahrzeugs durch eine "defekte Platine bzw. ein damit verbundener defekter Sensor" der Waschanlage verursacht (Bl. 219). Der Kläger ist diesen Feststellungen auch nachfolgend weder mittels eines Tatbestandsberichtigungsantrags noch entsprechender Ausführungen im Rahmen der Berufungserwiderung entgegengetreten. Die landgerichtlichen Feststellungen decken sich zudem mit dem in der Akte befindlichen und unmittelbar nach dem Vorfall erstellten "Einsatzbericht" der Herstellerin, der Fa. X (Bl. 116) sowie den Angaben im Gutachten der Y GmbH (Bl. 117 ff).

Ist damit die Beschädigung des Fahrzeugs auf einen Defekt der Waschanlage selbst zurückzuführen, der die Programmierung des Gebläsebalkens betraf, so kann den Beklagten kein Verschuldensvorwurf gemacht werden. Auch der Kläger behauptet nicht, dass der Beklagte den Defekt des Sensors vor dem Starten des Waschvorgangs hätten erkennen können. Auf die Frage, ob die vom Beklagten behaupteten täglichen Sichtprüfungen etc. durchgeführt wurden, kommt es insoweit nicht an. Der Kläger legt nicht dar, dass die Fehlerhaftigkeit des die Programmierung regelnden Sensors äußerlich sichtbar gewesen ist. Die routinemäßige Wartung selbst wurde durch den sprechenden Einsatzbericht wiederum nachgewiesen und nachfolgend nicht mehr bestritten. Auch insoweit liegt damit kein Ansatz für eine schuldhafte Pflichtverletzung vor.

2. Anhaltspunkte für die Übernahme einer darüberhinausgehende verschuldensunabhängigen Haftung durch den Beklagten lassen sich der Akte, insbesondere auch Z. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nicht entnehmen. Der Kläger selbst hat sich auf eine derartige verschuldensunabhängige Haftung nicht berufen. Selbst nach den entsprechenden landgerichtlichen Hinweisen zur möglichen derartigen Auslegung von Z. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat der Kläger diese Ansicht nachfolgend nicht aufgegriffen.

Z. 3 enthält weder dem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach eine Übernahme einer verschuldensunabhängigen Haftung für unmittelbare Schäden im Zusammenhang mit dem Waschvorgang. Auf die Frage, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorliegend überhaupt wirksam einbezogen wurden und inhaltlich einer Kontrolle hinsichtlich ihrer Wirksamkeit standhalten, kommt es damit nicht an. Die Klausel lautet: "Bei Eintritt eines Schadens durch den Waschvorgang in der Waschanlage haftet der Waschanlagenunternehmer für den unmittelbaren Schaden". Die Klausel befindet sich unterhalb der in Z. 1 enthaltenen Formulierung, wonach eine Haftung des Anlagebetreibers hinsichtlich näher aufgeführter Schadensursachen entfällt, "außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz."




Der Wortlaut der Klausel enthält keine ausdrücklichen Hinweise darauf, dass verschuldensunabhängig gehaftet werden soll. Der Regelungsgehalt bezieht sich ausweislich der Betonung auf eine Haftung für "unmittelbare Schäden". Sinn und Zweck sowie Systematik der Regelungen sprechen ebenfalls nicht dafür, dass mit dieser Klausel eine Erweiterung der Haftung unabhängig vom Verschulden zugesagt werden soll. Zum einen verdeutlicht bereits Z. 1, dass der Maßstab des Verschuldens im Rahmen der Haftung des Waschanlagenbetreibers Geltung haben soll. Zum anderen entspricht es allgemeinen vertraglichen - auch im Werkvertrag geltenden - Grundsätzen, dass im Regelfall nur für verschuldete Schäden einzustehen ist. Dies deckt sich auch mit der allgemein bekannten Versicherbarkeit denkbarer Schäden. Haftpflichtversicherungen treten ebenfalls grundsätzlich nur für Schäden ein, die auf ein schuldhaftes Verhalten des Versicherungsnehmers zurückzuführen sind. Folglich entspricht es - wie bereits vom BGH formuliert - der Lebenserfahrung, dass Unternehmer sich regelmäßig vor Schadensersatzansprüchen schützen wollen, die in ihren Auswirkungen unübersehbar sind, sich einer wirtschaftlich vertretbaren Risikodeckung entziehen (wie hier, da Haftpflichtversicherung nur für schuldhafte Schäden abgeschlossen wird) und über den Wert der Gegenleistung weit hinausgehen (BGH, Urteil vom 23.1.1975 - VII ZR 137/73). Ausgehend hiervon ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung den schutzwürdigen Interessen des Klägers als Besteller hinreichend gedient, wenn der Beklagte als Unternehmer den Beweis für seine Schuldlosigkeit zu führen hat, sofern die Schadensursache in seinem Organisation- und Gefahrenbereich liegt (BGH ebenda). Ist jedoch, wie hier, unstreitig, dass die Schadensursache nicht im Organisations- und Gefahrenbereich des Waschanlagenbetreibers liegt, besteht keine Grundlage, dennoch eine verschuldensunabhängige Haftung - trotz der möglichen Inanspruchnahme des Waschanlagenherstellers - zu zuerkennen. Der Kläger wird insoweit auch nicht rechtlos gestellt, da ihm die Inanspruchnahme des Herstellers der Waschstraße möglich ist.

Eine im Zweifel zulasten des Verwenders auszulegende Unklarheit kann aus den dargestellten Gründen ebenfalls nicht erkannt werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Entscheidung auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall beruht und damit keine Zulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO bestehen.

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