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OLG Brandenburg Urteil vom 18.07.2017 - 2 U 39/16 - Keine Täuschungszurechnung beim Händler

OLG Brandenburg v. 18.07.2017: Keine Täuschungszurechnung beim Händler


Das OLG Brandenburg (Urteil vom 18.07.2017 - 2 U 39/16) hat entschieden:

   Soweit beim Hersteller des Fahrzeugs Kenntnisse über den durch Täuschung verursachten Mangel vorliegen sollten, können diese der Händlerin nicht nach § 166 BGB zugerechnet werden. Insbesondere führen die für juristische Personen entwickelten Grundsätze hier nicht zu einer Wissenszurechnung. Diese Rechtsprechung betrifft die Zurechnung des Wissens von Organvertretern im Verhältnis zur juristischen Person. Letztere muss sich das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organwalter zurechnen lassen, selbst wenn das "wissende" Organmitglied an dem betreffenden Rechtsgeschäft nicht selbst mitgewirkt hat bzw. nichts davon gewusst hat (BGH, Urteil vom 17.05.1995 – VIII ZR 70/94 –, Rn. 15, juris). Die Herstellerin des Fahrzeugs, die Audi AG und die Beklagte stehen sich jedoch als juristisch selbständige Personen gegenüber. Die Beklagte ist auch nicht als Handelsvertreterin der Audi AG anzusehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Vorlieferant des Verkäufers i.Ü. nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft (BGH, Urteil vom 02.04.2014 – VIII ZR 46/13 –, BGHZ 200, 337-350).



Siehe auch

Autokauf - Schummelsoftware - Konzernzurechnung

und

Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Gründe:


I.

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines mit der Beklagten am 3.04.2012 geschlossenen, teilfinanzierten Kaufvertrages über einen am 8.11.2012 übergebenen Pkw AUDI Q5 Quattro 2.0 TDI unter Hinweis darauf, dass das Fahrzeug mit einem vom Hersteller manipulierten Motor ausgestattet sei.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat die Klage mit Urteil vom 25.10.2016 und der Begründung zurückgewiesen, die Gewährleistungsansprüche des Klägers seien verjährt. Auf das Urteil wird wegen der tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen verwiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 4.11.2016 zugestellte Urteil am 28.11.2016 Berufung eingelegt und diese am 21.12.2016 begründet. Er trägt vor, das Landgericht gehe zu Unrecht von der Verjährung der Gewährleistungsansprüche aus. Eine Gewährleistungsfrist habe gar nicht zu laufen begonnen, da die vereinbarte Sollbeschaffenheit der Einhaltung der Schadstoffklasse EU 5 ebenso wie die Typengenehmigung bereits vor Vertragsschluss gefehlt hätten. Die Gewährleistung sei nach der Entscheidung des BGH (Urt. v. 29.11.2006, VIII ZR 92/06) deshalb nicht betroffen, da Vereinbarung und Gewährleistung nebeneinander gleichrangig seien. Die Auffassung des Landgerichts habe i.Ü. zur Folge, dass nach Ablauf von 2 Jahren trotz der gezielten Manipulation keine Gewährleistungsansprüche bestünden und zuvor die Geltendmachung der Rechte mangels Kenntnis und Kenntnismöglichkeit vom Mangel nicht möglich sei. Dies sei mit Sinn und Zweck des Gewährleistungsrechts nicht vereinbar.




Er sei zudem aufgrund der Manipulation der Volkswagen AG nicht verpflichtet, eine Nacherfüllung zu versuchen. Schließlich habe das Landgericht das gesetzliche Erlöschen der EG-​Typengenehmigung nach § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO unberücksichtigt gelassen.

Das Berufen der Beklagten auf die Einrede der Verjährung sei unbillig. Wegen § 478 BGB käme die Verjährung einzig der Herstellerin zugute. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Herstellerin den Händlern und mithin auch der Beklagten nahe gelegt habe, gegenüber den Käufern auf die Einrede der Verjährung bis zum 31.12.2017 auch betreffend bereits verjährter Ansprüche zu verzichten. Der Rückgriff der Beklagten gegenüber der Herstellerin wäre mithin nicht verwehrt. Zudem habe die Herstellerin den Gewährleistungsanspruch mit ihren Schreiben zur Freigabe des Software-​Updates anerkannt. Dies müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.

Er beantragt,

   unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25.10.2016 - 12 O 602/11 - die Beklagte zu verurteilen,

  1.  an ihn 52.400 € aus dem Kaufvertrag mit Rechnung vom 8.11.2012 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9.11.2012 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Audi Q5 2.0 TDI Quattro, Fahrgestellidentifikationsnummer: … zu zahlen;

  2.  an ihn 4.473,14 € des gebundenen Sollzinssatzes aus dem Nettodarlehensbetrag in Höhe von 32.400 € zu zahlen; hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn von den vergangenen und zukünftigen Zinszahlungen aus dem Darlehensvertrag vom 3.04.2012 zum im Antrag zu 1. näher beschriebenen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug freizustellen.

  3.  Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Antrag zu 1. näher bezeichneten Fahrzeugs seit dem 10.11.2015 in Annahmeverzug befindet.

  4.  Die Beklagte wird verurteilt, ihn von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.892 € freizustellen.


Die Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.


Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Zu Recht habe das Landgericht die Klage wegen Verjährung zurückgewiesen. Darüber hinaus liege jedoch schon kein Sachmangel vor. Denn die Parteien hätten konkrete Abgaswerte nicht vereinbart und die Typengenehmigung habe nach wie vor Bestand. Diese angeblichen Mängel seien unerheblich. Der Mangelbeseitigungsaufwand liege unter 1 % des Kaufpreises und deshalb unterhalb der Bagatellgrenze. Jedenfalls aber müsse sich der Kläger auf eine Nachbesserung der behebbaren Mängel verweisen lassen. Eine Mangelbeseitigung habe der Kläger jedoch zu keiner Zeit gefordert.

Es liege auch mangels Angebot kein Annahmeverzug vor. Im Falle der Rückabwicklung müsse sich der Kläger zudem einen Nutzungsvorteil anrechnen lassen.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.



II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.Zu Recht geht das Landgericht von einem wirksamen Kaufvertrag sowie der Verjährung etwaiger Gewährleistungsansprüche aus.

1. Ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Nichteintritts einer aufschiebenden Bedingung, der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Unmöglichkeit besteht nicht.

a) Die Parteien haben am 3.04.2012 einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen. Wie auch der Kläger nicht in Abrede stellt, kam eine Einigung der Parteien über den wesentlichen Inhalt des Geschäfts zustande. Danach hatte die Beklagte dem Kläger gegen Zahlung des Kaufpreises einen Audi Q5 2.0 TDI Quattro zu verschaffen. Dass die Parteien die Erteilung einer EG-​Typengenehmigung oder das Erreichen der Bedingungen für die Einordnung des Fahrzeuges in die EU 5-​Norm im Sinne einer aufschiebenden Bedingung dahin vereinbart hätten, dass die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts als solchem vom Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses abhängig sein soll, ist weder dem Vortrag des Klägers noch den vorgelegten Anlagen mit der erforderlichen Substantiierung zu entnehmen.

b) Eine Rückabwicklung nach §§ 123, 142, 812 BGB wegen arglistiger Täuschung durch die Beklagte kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Die Erregung eines Irrtums durch Vorspiegeln unwahrer oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen setzt voraus, dass der Verkäufer den Mangel der Kaufsache kennt, damit rechnet oder weiß, dass der Käufer diesen Mangel nicht kennt, und er die Vorstellung hat, der Käufer würde bei Kenntnis des Mangels den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abschließen (BGH, Urteil vom 31. Januar 1996 – VIII ZR 297/94 –, Rn. 9, juris). Diese Kenntnis bzw. leicht verschaffbare Kenntnis muss beim Vertragspartner selbst vorliegen oder diesem zurechenbar sein. Daran fehlt es hier. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger behauptet die Kenntnis der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs in der Organisation der Beklagten als Verkäuferin nicht. Soweit beim Hersteller des Fahrzeugs entsprechende Kenntnisse vorliegen sollten, können diese der Beklagten nicht nach § 166 BGB zugerechnet werden. Insbesondere führen die für juristische Personen entwickelten Grundsätze hier nicht zu einer Wissenszurechnung. Diese Rechtsprechung betrifft die Zurechnung des Wissens von Organvertretern im Verhältnis zur juristischen Person. Letztere muss sich das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organwalter zurechnen lassen, selbst wenn das "wissende" Organmitglied an dem betreffenden Rechtsgeschäft nicht selbst mitgewirkt hat bzw. nichts davon gewusst hat (BGH, Urteil vom 17.05.1995 – VIII ZR 70/94 –, Rn. 15, juris). Die Herstellerin des Fahrzeugs, die Audi AG und die Beklagte stehen sich jedoch als juristisch selbständige Personen gegenüber. Die Beklagte ist auch nicht als Handelsvertreterin der Audi AG anzusehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Vorlieferant des Verkäufers i.Ü. nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der Verkäuferpflichten gegenüber dem Käufer; ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft (BGH, Urteil vom 02.04.2014 – VIII ZR 46/13 –, BGHZ 200, 337-​350, Rn. 31). Ein Weisungsrecht gegenüber der Beklagten - soweit es hierauf überhaupt ankäme - wird vom Kläger zudem lediglich pauschal und ohne Substanz in den Raum gestellt.

c) Soweit der Kläger auf die Unmöglichkeit der Leistung abstellt, richtet sich mit der Übergabe der Kaufsache die weitere rechtliche Einordnung nicht nach §§ 275, 326 BGB, sondern nach §§ 434 ff BGB (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.2005 – VIII ZR 281/04 –, BGHZ 163, 234-​248, Rn. 11). Dem entspricht auch die vom Kläger im Zusammenhang mit dem Beginn der Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Urteil vom 29.11.2006 (VIII ZR 92/06). Der Bundesgerichtshof hat dort lediglich festgestellt, dass ein vertraglich vereinbarter Gewährleistungsausschluss keine Auswirkungen auf eine daneben getroffene Beschaffenheitsvereinbarung haben kann, da letztere sonst keinen Sinn entfalte. Ein vertraglich vereinbarter Gewährleistungsausschluss liegt hier jedoch nicht vor. Eine Ausdehnung der Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Fall entbehrt zudem jeder Grundlage (vgl. auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 9.12.2016, Az. 5 U 2026/16 - ).

2. Etwaige Gewährleistungsansprüche aus §§ 346, 323,434, 435, 437 BGB sind gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjährt.

a) Dabei bleibt unerheblich, ob die vom Kläger behaupteten Mängel Sach- (§ 434 BGB) oder Rechtsmängel (§ 435 BGB) darstellen. Denn die Gewährleistungsfristen sind gleichlaufend. Für die Annahme einer von der Beklagten übernommenen Garantie i.S.d. § 443 BGB oder auch nur Beschaffenheitsvereinbarung dahin, auch über die gesetzliche Gewährleistungsfrist hinaus für die hier behaupteten Beschaffenheitsangaben einstehen zu wollen, hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger substantiiert nicht vorgetragen.

b) Die Verjährungsfrist von 2 Jahren beginnt danach einheitlich gemäß § 438 Abs. 2 BGB mit der Übergabe der Sache, hier am 9.11.2012. Da Gründe für eine Ablaufhemmung innerhalb der 2-​Jahres-​Frist nicht vorgetragen sind, waren weder das Schreiben vom 22.10.2015 noch die am 22.01.2016 erhobene Klage geeignet, die bereits abgelaufene Verjährung zu hemmen (vgl. BGH Urteil vom 25.04.2017, VI ZR 576/15).

Auch die Mitteilungen der Herstellerin des Fahrzeugs, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen sei und an einer Lösung gearbeitet werde als auch, dass das Software-​Update zur Verfügung stehe, muss sich die Beklagte nicht zurechnen lassen. Denn die Herstellerin ist – anders im Fall der vom Kläger zitierten Entscheidung des BGH (Urt. vom 02.06.1999, VIII ZR 322/98 – juris) – erkennbar in eigenem Namen und in eigenem Interesse aufgetreten. Ein Handeln in Vollmacht oder im Auftrag der Beklagten, die alleinig Vertragspartnerin geworden ist, liegt nicht vor. Dafür spricht schon der Umstand, dass die Herstellerin in ihrem Schreiben vom Januar 2017 (Bl. 244) nicht etwa auf die Nachbesserung durch die Beklagte, sondern darauf hingewiesen hat, die Reparatur könne bei "einem autorisierten Audi Partner" erfolgen. Damit ist auch aus Sicht des Klägers nicht das Vertragsverhältnis mit der Beklagten tangiert.

Auch das Schreiben der Beklagten ohne Datum, vorgelegt als Anlage K 11 (Bl. 245), ist kein Anerkenntnis etwaiger Gewährleistungsansprüche. Ob in der Ankündigung von Nachbesserungsarbeiten ein Anerkenntnis der Gewährleistungspflicht des Verkäufers liegt, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei, ob der Verkäufer aus der Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Nachbesserung verpflichtet zu sein (BGH, Urteil vom 02.06.1999 – VIII ZR 322/98 –, Rn. 11, juris). Das war hier nicht der Fall. Das Schreiben der Beklagten stellt lediglich ein allgemeines Informationsschreiben dar. Zugleich verweist die Beklagte darauf, als persönlicher Ansprechpartner bereit zu stehen, sowie auf die etwaige Kostenübernahme durch die Volkswagen AG. Damit offeriert die Beklagte lediglich die Option, als Partner des Klägers bei der bevorstehenden technischen Umrüstung zur Verfügung zu stehen. Dem Schreiben kann hingegen keine eigene, unabhängig vom Schuldgrund begründete Einstandspflicht entnommen werden.

c) Auf § 438 Abs. 3 BGB kann sich der Kläger nicht berufen. Danach verjähren die Mängelansprüche in Arglistfällen in der regelmäßigen Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB. Gerade vor dem Hintergrund, dass der arglistig Handelnde ansonsten privilegiert würde, erstreckt sich die Verweisung auf das allgemeine Verjährungsrecht nicht nur auf die Frist des § 195 BGB, sondern auch auf den Fristbeginn nach § 199 BGB. Damit beginnt die Verjährungsfrist innerhalb der Höchstgrenze erst mit Kenntnis des Mangels. Arglistiges Verschweigen eines Mangels heißt dabei: Der Verkäufer verschweigt einen Mangel, den er zumindest für möglich hält und nimmt dabei billigend in Kauf, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Kenntnis den Vertrag jedenfalls nicht so abgeschlossen hätte (Pammler in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-​BGB, 8. Aufl. 2017, § 438 BGB, Rn. 62). Für eine über § 438 Abs. 2, 3 BGB hinausgehende Ausdehnung des Gewährleistungsrechts auf Fälle, in denen der Verbraucher den Mangel - ohne Arglist des Verkäufers - nicht erkennen konnte, besteht auch mit Blick auf Sinn und Zweck des Gesetzes und der Gesetzesbegründung (BT-​Drs. 14/1640, S. 226 ff) kein Raum.

Mangels eigener Kenntnis der Beklagten vom Mangel als auch - nach den Ausführungen zu oben 1b) - wegen der fehlenden Zurechenbarkeit etwaiger Kenntnisse des Herstellers des Fahrzeuges sind die Voraussetzungen des § 438 Abs. 3 BGB hier nicht gegeben. Aufgrund des unstreitigen Sachverhalts kommt es hierbei nicht auf die Frage der Darlegungs- und Beweislast an. Es ist auch nicht erkennbar, aus welchen rechtlichen Gründen über die unter oben 1 b) dargestellten Grundsätze hinaus das Risiko einer behaupteten Manipulation eines Dritten (hier nach Auffassung des Klägers VW AG) vom Kläger auf den ebenfalls gutgläubigen Händler verlagert werden soll.

d) Die Berufung der Beklagten auf die Einrede der Verjährung ist nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB. So kann im Einzelfall eine Rechtsausübung unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenseite im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Beschl. vom 28.07.2015, XII ZB 508/14, juris). Ebenso kommt der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung im Einzelfall bei einer Mitverursachung der Verzögerung in Betracht.

Da unabhängig vom zugrunde liegenden Anspruch die Erhebung der Einrede der Verjährung nicht per se unzulässig ist, sind an die Voraussetzungen der Treuwidrigkeit der Einrede jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Der Zweck der Verjährungsregelung gebietet es zudem, strenge Maßstäbe anzulegen und diesen Einwand nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen (BGH, Urteil vom 01.10.1987 – IX ZR 202/86 –, Rn. 16, juris).

So liegt der Fall hier nicht. Die unstreitig gutgläubige Beklagte hat beim Kläger - mangels eigener Kenntnisse - im Hinblick auf den Lauf der Verjährung keinen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen oder auch nur eine Mitursache für das Verstreichen der Verjährungsfrist gesetzt (vgl. Staudinger/Dirk Olzen/Dirk Looschelders (2015) BGB § 242, Rn. 553). Die vom Kläger vorgelegten Schreiben der Beklagten waren ebenfalls nicht geeignet, den Eindruck zu erwecken, sie werde auf die Einrede der Verjährung verzichten, soweit der Kläger die Rückabwicklung des Vertrages begehrt bzw. Rechte außerhalb der Rückrufaktion der Herstellerin geltend macht. Es ist auch nicht als treuwidrig zu bewerten, wenn in der hier vorliegenden, im Vertragsrecht üblichen Konstellation und der in § 438 BGB angelegten Risikoverteilung letztlich der Käufer und nicht der ebenfalls gutgläubige Verkäufer das Risiko der Mangelhaftigkeit trägt. Daran ändert § 478 BGB nichts. § 478 Abs. 1 BGB ist keine Anspruchsgrundlage, sondern erleichtert nur die Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche des Unternehmers gegen seinen Lieferanten. Der Rückgriff setzt i.Ü. voraus, dass der Letztverkäufer die mangelhafte Sache vom Verbraucher, dem er sie verkauft hatte, wegen des Mangels zurücknehmen oder eine Minderung hinnehmen musste. Die Rücknahme musste daher zwingende Folge der Mangelhaftigkeit (vgl. z.B. BGH Urt. vom 15.04.2015, VIII ZR 80/14 – juris) und der rechtlichen Durchsetzbarkeit des Gewährleistungsanspruchs sein. Rücknahme aus Kulanz oder eines vereinbarten Rücktrittsrechts genügen ebenso wenig wie der Fall der Erfüllung trotz der Einrede aus den §§ 438, 214, 218 BGB (Ball in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-​BGB, 8. Aufl. 2017, § 478 BGB, Rz. 16).

Auch das Schreiben der Herstellerin vom 11.11.2016 gibt mit Blick auf § 478 BGB keinen Anlass für die Annahme einer Treuwidrigkeit der Verjährungseinrede. Zwar hat die Volkswagen AG darin mitgeteilt, sie habe allen Volkswagen Vertragspartnern nahe gelegt, bis zum 31.12.2017 auf die Einrede der Verjährung auch bzgl. bereits verjährter Ansprüche zu verzichten. Diese gegenüber dem Kläger abgegebene Erklärung hat jedoch keine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber der Beklagten. Die Beklagte hat hingegen ausgeführt, keine entsprechende Erklärung der Volkswagen AG erhalten zu haben. Dass die Volkswagen AG oder eine ihrer Tochtergesellschaften mithin eine Rückabwicklung des Vertrages der Vertragsparteien trotz eingetretener Verjährung auch im Verhältnis zwischen Händler und Hersteller ohne Nachteil für die Beklagte akzeptiert, kann mithin nicht festgestellt werden. Jedenfalls dann aber ist die Verjährungseinrede nicht treuwidrig.




3. Für einen deliktischen Anspruch gegen die Beklagte – auch mit Blick auf etwaige Informationspflichten im Rahmen des Rückrufes – fehlen jegliche Anhaltspunkte. Insbesondere verweigert die Beklagte nicht ihre Mitwirkung im Rahmen der Nach-​/Umrüstung durch die Volkswagen AG, sondern lediglich die Rücknahme des Fahrzeugs im Rahmen behaupteter Gewährleistungsansprüche. Soweit tatsächlich Informationspflichten verletzt worden sein sollten (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Februar 2009 – I-​22 U 157/08 –, juris), ist ein darauf beruhender Schaden nicht erkennbar. Denn selbst im Falle umfassender Informationen wäre allenfalls das Software-​Update durchgeführt, mithin ein Zustand hergestellt worden, der dem Kläger nach wie vor offen steht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Schriftsatz des Klägers vom 12.07.2017 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

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