Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Beschluss vom 04.07.2017 - 3 Ws (B) 5/17 - Verjährungsunterbrechung durch Übersendung eines Anhörungsbogens

KG Berlin v. 04.07.2017: Verjährungsunterbrechung durch Übersendung eines Anhörungsbogens an den Kraftfahrzeughalter


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 04.07.2017 - 3 Ws (B) 5/17) hat entschieden:

   Wenn in einem Anhörungsbogen zu einer Verkehrsordnungswidrigkeit der Vorwurf in persönlicher Anrede ("Ihnen") erhoben wird, hat die Zusendung des Anhörungsbogens auch dem Halter gegenüber verjährungsunterbrechende Wirkung, auch wenn erst später abschließend geklärt wird, dass Halter und der Fahrer identisch sind. Auch wenn die Verdächtigung zunächst ohne ausreichende tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und deshalb später weitere Ermittlungen nach der Person des Fahrzeugführers durchgeführt werden - hier Lichtbildabgleich -, ändert sich nichts daran, dass das Ermittlungsverfahren zunächst gegen den Halter eingeleitet und ihm bekannt gegeben worden ist.



Siehe auch

Der Anhörungsbogen im verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren

und

Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren

Gründe:


Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 – Zeichen 274 -, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO Nr. 1 Satz 7, 49 Abs. 3 Nr. 2StVO nach § 24 StVG zu einer Geldbuße von 400,00 Euro verurteilt, gemäß § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet und nach § 25 Abs. 2 a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hat Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:

   „Die auf die Sachrüge von Amts wegen gebotene Prüfung hinsichtlich des Vorliegens etwaiger Verfahrenshindernisse führt vorliegend zur Feststellung des Eintritts der Verfolgungsverjährung. Die nach der Tatbegehung am 7. Mai 2016 erfolgte erste Anhörung des Betroffenen am 11. Mai 2016 hat die dreimonatige Verjährungsfrist gegen diesen ungeachtet des Umstandes unterbrochen, dass dieser als ermittelter Halter mit dem Tatvorwurf konfrontiert worden ist. In diesem Fall, insbesondere wenn der Vorwurf in persönlicher Anrede (,,Ihnen") erhoben wird (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 3. Mai 2005 - 1 Ss OWi 132/05 - in Juris), hat die Zusendung des Anhörungsbogens auch dem Halter gegenüber verjährungsunterbrechende Wirkung, auch wenn erst später abschließend geklärt wird, dass Halter und der Fahrer identisch sind (vgl. OLG Hamm NStZ 1981, 225). In einem solchen Fall richtet sich die Ermittlungshandlung nicht gegen eine unbekannte Person, sondern gegen eine bestimmte Person, nämlich gegen die der Verwaltungsbehörde bekannte Person des Halters. Auch wenn die Verdächtigung zunächst ohne ausreichende tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und deshalb später weitere Ermittlungen nach der Person des Fahrzeugführers durchgeführt werden - hier Lichtbildabgleich -, ändert sich nichts daran, dass das Ermittlungsverfahren zunächst gegen den Halter eingeleitet und ihm bekannt gegeben worden ist (vgl. OLG Frankfurt NStZ-​RR 1998, 346 f.; BayObLG VRS 75, 218). Es ist daher hier nicht ins Belieben des Adressaten gestellt, ob er sich als Betroffener oder lediglich als Zeuge betrachtet. … Ergeben die Ermittlungen, dass der Halter auch Fahrer war, bedarf es folglich keiner weiteren Anhörung nach § 55 OWiG. Vielmehr wird das Verfahren weitergeführt. Dem Halter gegenüber vorgenommene Ermittlungshandlungen behalten ihre verjährungsunterbrechende Wirkung (vgl. OLG Köln VRS 95, 119 f.). Der erneuten Anhörung des Betroffenen vom 18. Juli 2016 kam daher eine nochmalige verjährungsunterbrechende Wirkung nicht mehr zu (vgl. Gürtler in Göhler, OWIG, 16. Aufl., § 33 Rdnr. 6a). Der Erlass des Bußgeldbescheids am 22. August 2016 wahrte die somit schon ab dem 11. Mai 2016 neu in Gang gesetzte Verjährungsfrist von drei Monaten indes nicht mehr, so dass mit Ablauf des 11. August 2016 Verfolgungsverjährung eingetreten war.“


Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu Eigen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 467 Abs. 1 StPO, diejenige über die notwendigen Auslagen des Betroffenen auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO, weil der Betroffene ausschließlich infolge des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses nicht verurteilt worden ist.

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