Zur Wirksamkeit einer Revisionsbeschränkung auf die Rechtsfolgenentscheidung bei einem Verstoß gegen die Kognitionspflicht der Berufungsstrafkammer (Abgrenzung zu Senat, 22. Januar 1999, Ss 616/98, NStZ-RR 2000, 49). |
"Spätestens am 28.01.2015 verschaffte sich der Angeklagte auf nicht näher geklärte Weise den Schlüssel zu dem in der L.-straße in M. abgestellten schwarzen PKW des Typs ... mit dem amtlichen Kennzeichen ..., dessen Halterin die Zeugin G. D., die Mutter der Zeugin U., war. Er, der - wie ihm bewusst war - zwar nie über eine Fahrerlaubnis verfügt hatte, für den aber das Autofahren in Zeiten von innerer Anspannung und von Stress, den er auch am Tattag verspürte, nach wie vor entspannend wirkte, nutzte in der Nacht vom 28. auf den 29.1.2015 das Fahrzeug, um damit zu einem Freund nach M.-R. zu fahren. Darüber, dass er wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis bereits vielfach bestraft worden war und er den Widerruf der Strafaussetzungen zur Bewährung riskierte, machte er sich keine Gedanken. Auf welche Dauer sich eine Freiheitsentziehung bei einem Widerruf aller Strafaussetzungen zu Bewährung summieren würde, war dem Angeklagten nicht klar. Am 29.01.2015 gegen 01.30 Uhr befuhr er mit diesem PKW die S.-Straße in Fahrtrichtung Q. Bei seiner Fahrt mit dem vorgenannten Pkw überfuhr er das Rotlicht einer vor Ort befindlichen Ampel. Als er deswegen durch die Zeugen PHK'in N. und POK C. auf dem Gelände einer Tankstelle, die er angefahren hatte, kontrolliert werden sollte, ergriff er mittels des von ihm geführten PKWs die Flucht, um sich der Kontrolle und der Feststellung seiner Person und seiner fehlenden Befugnis zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen. Die Polizeibeamten versuchten, dem Angeklagten den Weg in dem Gewerbegebiet abzuschneiden. An einer Eimündung zur S.-Straße näherte sich der Angeklagte - aus Sicht der Beamten - auf dieser Straße von links und fuhr unter Mitbenutzung der Fahrbahn des Gegenverkehrs mit niedriger Geschwindigkeit an dem Streifenwagen der Zeugen vorbei, den der Zeugen POK C. auf der Fahrbahn quer gestellt hatte, um ihm den Weg abzuschneiden. Sodann fuhr er mit dem von ihm geführten Pkw, das Anhaltezeichen "Stop, Polizei" sowie das Blaulicht und Martinhorn des Streifenwagens missachtend, mit einer derartigen Geschwindigkeit auf der S.-Straße, einer Straße in einem guten Ausbauzustand mit dem Charakter einer Durchgangsstraße, an die sich Gewerbeflächen wie auch Wohnbebauung anschlossen, weiter, dass ihn die Polizeibeamten mit ihrem Streifenwagen mit einer Geschwindigkeit von teils bis zu 120 km/h - innerorts - verfolgten, ohne dass sich dabei der Abstand verkürzte. Andere Verkehrsteilnehmer waren auf der S.- Straße nicht unterwegs. Auf Höhe der Kreuzung S.-Straße/T.- Straße verlor der Angeklagte, der auf die T.-Straße abbiegen wollte, nicht ausschließbar ausschließlich wegen nicht angepasster Geschwindigkeit, die Kontrolle über das Fahrzeug und kollidierte mit einem im Eigentum der Stadt M. befindlichen, auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung stehenden Lichtmast, wodurch daran ein Schaden in Höhe von 224,23 Euro entstand. Es ist nicht festgestellt worden, dass sich im Kreuzungsbereich andere Verkehrsteilnehmer aufgehalten und/oder dass sich bei dem Unfall die mit Straßenkreuzungen typischerweise verbundenen Risiken verwirklicht hätten. Der Angeklagte war bei Begehung der Tat strafrechtlich voll verantwortlich. Der Angeklagte, der sich der Feststellung seiner Person weiterhin entziehen wollte, verließ das Fahrzeug zu Fuß und entfernte sich vom Unfallort, ohne dass er die angesichts seiner Unfallbeteiligung erforderlichen Feststellungen ermöglicht hätte. Es gelang ihm, sich so gut zu verbergen, dass er für die ihn verfolgenden Polizeibeamten nicht auffindbar war. Bei der Durchsuchung des zurückgelassenen Fahrzeugs durch die Polizeibeamten kam der Personalausweis des Angeklagten zutage, bei dessen Inaugenscheinnahme die Zeugen POK C. und PHK ´in N. den Angeklagten als den Fahrer wiedererkannten. Als der Angeklagte gegen 2.47 Uhr an seiner Wohnanschrift erschien und das Haus betreten wollte, nahm er zwei Polizeibeamte - die Zeugen POK´in E. und POK I. - wahr, die ihn ansprechen wollten, und ergriff erneut die Flucht. Wiederum gelang es ihm zu entkommen. Bei der Zeugin U. erkundigten sich die Polizeibeamten ohne Erfolg nach seinem Verbleib. Geraume Zeit später kehrte der Angeklagte zum Haus zurück und begab sich in seine Wohnung. Dies wurde der Polizei von einem namentlich nicht bekannten Zeugen mitgeteilt. Daraufhin begaben sich die Zeugen POK ´in B. und PK H. erneut zur Wohnung des Angeklagten, wo sie ihn - gedrängt hinter einem Bett zwischen Bett und Wand liegend - entdeckten. Ein Atemalkoholtest verlief ohne Befund. Hinweise auf einen vorangegangenen Konsum von Betäubungsmitteln sahen die Polizeibeamten nicht." |
"Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar gemacht, § 21 Abs. 1 StVG. Nachdem sich die inneren Risiken von Straßenkreuzungen nicht feststellbar verwirklicht haben, sondern nicht ausschließbar ausschließlich erhöhte Geschwindigkeit zu dem Unfall geführt hat, hat der Angeklagte den Tatbestand des § 315 c Abs. 1 Nr. 2d) StGB nicht erfüllt (vgl. dazu BGH, B. v. 21.11.2006, 4 StR 459/06 - juris; OLG Bamberg, B. v. 23.2.2010, 1 U 161/09 - juris). Soweit der Angeklagte sich nach der Fahrt unerlaubt im Sinne von § 142 StGB vom Unfallort entfernt hat, ist diese eigenständige Tat nicht angeklagt worden und somit auch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens." |
"Die Vollstreckung der Strafe konnte unter Zurückstellung erheblicher Bedenken nunmehr gemäß § 56 Abs.1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Kammer hat nicht verkannt, dass der Angeklagte vielfach, auch einschlägig, vorbestraft ist, er zur Tatzeit mehrfach unter laufender Bewährung und zudem unter Führungsaufsicht stand. Die äußeren Lebensumstände des Angeklagten haben sich im Vergleich mit denen der Vergangenheit, als er in kurzer Folge mehrere gleichartige Taten beging und Verurteilungen noch nicht einmal kurzzeitig zu einer Verhaltensänderung geführt hatten, bislang erst wenig verändert. Insbesondere hat er sich durch die Verantwortung für seine Familie nicht von der Begehung der gegenständlichen Tat abhalten lassen, die der beging, um in Zeiten innerer Spannung Druck abzubauen und Entspannung zu erreichen. Es ist damit zu rechnen, dass es auch künftig Probleme in familiären, schulischen und beruflichen Angelegenheiten geben wird, die ihn belasten werden. Daher ist das Rückfallrisiko nicht unerheblich. Allerdings zeichnet sich bei dem Angeklagten seit einigen Monaten eine Veränderung zum Positiven ab. Der Bewährungshelfer des seit über fünf Jahren unter Führungsaufsicht stehenden Angeklagten hat in der Berufungshauptverhandlung eine erneute Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung befürwortet und ausgeführt, dass nach seinen Beobachtungen ein Wandel bei dem Angeklagten stattgefunden habe. Habe dem Angeklagten, bei dem alles etwas länger dauere, lange Zeit die erforderliche Motivation gefehlt, seine persönliche Lage zu verändern, wobei über Jahre hinweg diverse Beziehungskonflikte, mit denen er nicht zurecht gekommen sei, und Wohnungswechsel mit Folge der Wechsel von Zuständigkeiten - damit verbunden beispielsweise auch Fragen des Leistungsbezugs, des Krankenversicherungsschutzes oder der Wohnungsfinanzierung - für Unruhe und Chaos gesorgt hätten, so dass eine ruhige Basis für den Aufbau von Zukunftsperspektiven nicht vorhanden gewesen sei, habe der Angeklagte, der zwar auch in der Vergangenheit Veränderungsbereitschaft geäußert habe, inzwischen erkannt, dass ein Schulabschluss die Eintrittskarte in ein Berufsleben sei, und den ersten erforderlichen Schritt - Schulanmeldung -, getan. Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin habe sich stabilisiert. Die zunächst schleppende Kontakthaltung zur Bewährungshilfe habe sich verbessert. Auf welche Dauer sich die Freiheitsentziehung für den Fall der Widerrufe der derzeit offenen Bewährungen belaufe, sei dem Angeklagten erst bei einem Gespräch kurz vor der Berufungshauptverhandlung klar geworden. Die nunmehr erkennbare Veränderungsbereitschaft, die in Umsetzung derselben auch zu - wenn auch späten - ersten Schritten in die richtige Richtung geführt hat, gilt es zu nutzen. Nach Auffassung der Kammer kann nur eine grundlegende Veränderung der Lebensverhältnisse, die vor allem durch einen Schulbesuch und -abschluss bewirkt werden kann, eine nachhaltige Veränderung der bisherigen, zumindest auch durch Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit geprägten Denk- und Verhaltensweisen des nur über begrenzte intellektuelle Kapazitäten verfügenden Angeklagten herbeiführen. Wenn er schulischen bzw. beruflichen Erfolg sieht, wird dies Spannungszuständen entgegen wirken, die ihn zu der gegenständlichen wie auch zu den früheren Taten veranlasst hatten, und es ihm wegen des Umstandes, dass er Erreichtes verlieren würde, erleichtern, Tatanreizen zu widerstehen. Der Angeklagte hat die Voraussetzungen für einen unmittelbar nach der Berufungshauptverhandlung beginnenden Schulbesuch geschaffen, eine konkrete und buchstäblich unmittelbar anstehende Maßnahme, die somit nicht lediglich eine vage Aussicht für die ferne Zukunft darstellt. Hierdurch ist die Erteilung einer Weisung möglich, die sich nicht in der Formulierung von vagen Zielen erschöpft, sondern die dem Angeklagten konkrete und gut zu überwachende Verhaltensweisen abverlangt und die eine rasche Reaktion bei Fehlverhalten ermöglicht. Entgegen der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung folgt aus dem Umstand, dass der Angeklagte bereits in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung geäußert hatte, ab dem 1.3.2016 den Schulabschluss nachholen zu wollen, nicht die fehlende Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen, denn er hat sich im Frühjahr 2016 in der Schule beworben und an einem Eignungstest teilgenommen, der zu der Zusage vom 9.6.2016 führte. Dass er den Kurs erst ab dem 24.8.2016 besuchen kann, liegt an dem für ihn nicht beeinflussbaren Kursbeginn zu Schuljahrsanfang. Nachdem der Angeklagte seinerseits vor bereits einigen Monaten die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen und nunmehr einen Lehrgangsplatz erhalten hat, besteht aufgrund seiner - wenn auch noch in dem Anfangsstadium befindlichen - Bemühungen die begründete Erwartung, dass die Umorientierung von Dauer sein wird und sich der Angeklagte, anders als in der Vergangenheit, schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird, zumal er inzwischen auch verstanden hat, auf welche Zeiten sich die inzwischen angesammelten "Bewährungsstrafen" summiert haben, so dass es trotz der Gefährlichkeit seines Handelns bei Begehung der - nunmehr eineinhalb Jahre zurückliegenden - Tat verantwortet werden kann, ihm die Möglichkeit der nachhaltigen Veränderung seiner Lebensverhältnisse und Verbesserung seiner Zukunftsperspektiven einzuräumen. Dem Angeklagten ist in der Berufungshauptverhandlung mit aller Deutlichkeit und von ihm verstanden mitgeteilt worden, dass von ihm ein hohes Engagement in der Schule erwartet werde, und dass er damit zu rechnen habe, dass im Rahmen der Bewährungsüberwachung angesichts der Zahl der offenen Bewährungsverfahren strenge Maßstäbe angelegt werden würden." |