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Kammergericht Berlin Beschluss vom 10.01.2018 - 3 Ws (B) 252/17 - 162 Ss 136/17 - Kein Absehen von Regelfahrverbot bei einer Hebamme in einer notstandsähnlichen Situation

KG Berlin v. 10.01.2018: Kein Absehen von Regelfahrverbot bei einer Hebamme in einer notstandsähnlichen Situation


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 10.01.2018 - 3 Ws (B) 252/17 - 162 Ss 136/17) hat entschieden:

   Geht der Tatrichter bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung einer Hebamme von einer Situation aus, die der eines rechtfertigenden Notstandes im Sinne von § 16 OWiG sehr nahe kommt, rechtfertigt dies jedoch ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nicht. Bei einer möglichen Gefahr für Leib oder Leben von Mutter oder Kind bei der von der Kollegin der Betroffenen betreuten Geburt wäre es vielmehr angezeigt gewesen, sich um ärztliche Hilfe, ggf. auch durch einen Notarzt oder durch Verlegung in ein Krankenhaus, zu bemühen.


Siehe auch
Absehen vom Fahrverbot wegen notstandsähnlicher Situationen
und
Stichwörter zum Thema Fahrverbot


Gründe:


Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen die Betroffene wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 3 2 StVO nach § 24 StVG einen Bußgeldbescheid erlassen, in dem eine Geldbuße in Höhe von 230,00 Euro festgesetzt, gemäß § 25 Abs. 1 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet und nach § 25 Abs. 2 a StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen worden ist. Dagegen hat die Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt und diesen in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Amtsgericht hat die Betroffene daraufhin unter Wegfall des Fahrverbots zu einer Geldbuße in Höhe von 460,00 Euro verurteilt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hat Erfolg.

Aufgrund der wirksamen Beschränkung des Einspruchs steht fest, dass die Betroffene am xxx um xxx mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen xxx die Straße xxx befuhr und dabei fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nach Toleranzabzug um 41 km/h überschritt.

Zwar hat das Amtsgericht nicht verkannt, dass es sich bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften grundsätzlich um eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers handelt, die nach Nummer 11.3.7 der Anlage zur BKatV regelmäßig neben einer zu verhängenden Geldbuße auch mit einem einmonatigen Fahrverbot zu ahnden ist. Gleichwohl hat das Amtsgericht wegen besonderer Umstände des Einzelfalles gemeint, unter Erhöhung des Bußgeldes von der Verhängung eines Fahrverbots absehen zu können.

Dazu hat es im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen: Die Betroffene ist selbständige Hebamme und betreut Patientinnen im gesamten Stadtgebiet. Daneben leitet sie ein Geburtshaus, in dem weitere Kolleginnen freiberuflich tätig sind. In dieser Funktion werde sie häufig von anderen Hebammen zur Unterstützung hinzugezogen. Am Tattag sei sie von einer Kollegin angerufen worden, da es bei einer von dieser betreuten Geburt zu einer Notfallsituation gekommen sei. Die Herztöne des Kindes seien plötzlich stark abgefallen. Zur Unterstützung der Kollegin habe sich die Betroffene daher schnellstmöglich in das Geburtshaus begeben wollen.




Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass das Amtsgericht unter diesen Umständen von einer Situation ausgegangen ist, die der eines rechtfertigenden Notstandes im Sinne von § 16 OWiG sehr nahe kam. Diese Ausführungen rechtfertigen entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Ansicht jedoch ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nicht. Bei einer möglichen Gefahr für Leib oder Leben von Mutter oder Kind bei der von der Kollegin der Betroffenen betreuten Geburt wäre es vielmehr angezeigt gewesen, sich um ärztliche Hilfe, ggf. auch durch einen Notarzt oder durch Verlegung in ein Krankenhaus, zu bemühen.

Ferner lassen die Urteilsausführungen zur Rechtsfolgenbemessung nicht hinreichend erkennen, warum das Amtsgericht der Ansicht gewesen ist, allein die Verhängung einer erhöhten Geldbuße werde zur Einwirkung auf die Betroffene ausreichen. Denn die Betroffene ist einschlägig vorbelastet. Nur 5 Tage vor der hiesigen Tat hat der Polizeipräsident in Berlin gegen die Betroffene ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 2) wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 22 km/h innerorts einen Bußgeldbescheid erlassen. Zwar ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob der Bußgeldbescheid der Betroffenen zum Tatzeitpunkt bereits zugestellt war. Von der Einleitung Bußgeldverfahrens wegen Geschwindigkeitsüberschreitung hat die Betroffene nach Lage der Dinge jedoch Kenntnis gehabt, ohne dass dies sie von einer erneuten und noch dazu erheblich höheren Geschwindigkeitsüberschreitung abgehalten hat. Unter diesen Umständen hätte es einer eingehenden Begründung bedurft, warum das Amtsgericht gleichwohl der Auffassung war, die Betroffene werde sich auch ohne die Verhängung eines Fahrverbots allein die Verurteilung zu einer Geldbuße zur Warnung dienen lassen.

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