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Oberlandesgericht Köln Beschluss vom 27.12.2018 - I-16 U 118/18 - Ersatzanspruch nur bei kompatiblen Fahrzeugschäden

OLG Köln v. 27.12.2018: Ersatzanspruch nur bei kompatiblen Fahrzeugschäden


Das Oberlandesgericht Köln (Beschluss vom 27.12.2018 - I-16 U 118/18) hat entschieden:

   Bei bestehenden Vorschäden seines Kraftfahrzeuges kann der Eigentümer die mit dem späteren Schadensereignis kompatiblen Schäden nur ersetzt verlangen, wenn gemäß § 287 ZPO mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass diese bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind. Dazu muss der Eigentümer grundsätzlich, vor allem aber im Fall von Schadensüberlagerungen, den Umfang des Vorschadens und gegebenenfalls dessen Reparatur belegen, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten erstreckt, die zur Wiederherstellung des vorherigen Zustandes erforderlich sind. Zudem ist zu berücksichtigen, dass selbst eine weitere Beschädigung bereits vorgeschädigter Fahrzeugteile jedenfalls nicht stets zu einer schadensersatzrechtlich bedeutsamen Vertiefung des Vorschadens führt. Im Fall von direkt überlagerten oder eng benachbarten Vorschäden kann es daher auch bei kompatiblen Beschädigungen an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit fehlen, dass sie auf dem Unfallereignis beruhen.


Siehe auch
Fahrzeugschaden
und
Alt- bzw. Vorschäden am Fahrzeug


Gründe:


A.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO).


B.

Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel nach einstimmiger Überzeugung des Berufungsgerichts offensichtlich nicht begründet ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

I.

Zur Begründung der offensichtlichen Erfolglosigkeit der Berufung wird zunächst auf den Hinweisbeschluss vom 14.11.2018 Bezug genommen. Darin heißt es:

   "Dem Kläger stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht zu. Das Landgericht hat im Ergebnis zurecht ausgeführt, dass der Kläger den ihm durch den streitgegenständlichen Unfall vom 01.10.2016 entstandenen Fahrzeugschaden nicht hinreichend dargetan hat.

1. Nach dem beidseits nicht angegriffenen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-​Ing. T hatte der B des Klägers zum Unfallzeitpunkt bereits Vorschäden auf der durch die Kollision mit dem W des Beklagten zu 2. betroffenen rechten Fahrzeugseite.

2. Gemäß gefestigter Rechtsprechung des Senats (s. Urteile v. 05.02.1996 - 16 U 54/95 = NZV 1996, 241 und v. 22.02.1999 - 16 U 33/98 = NZV 1999, 378) und weiterer Obergerichte (s. nur OLG Köln, Beschl. v. 08.04.2013 - 11 U 214/12 = NZV 2013, 445 = r+s 2013, 305; v. 17.1.2017 - 11 W 1/17, NZV 2018, 273 m. Anm. Franzke; v. 04.06.2018 - 15 U 7/18 = BeckRS 2018, 22217; OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.03.2017 - 1 U 31/16 = VersR 2017, 1032; KG, Urt. v. 27.08.2015 - 22 U 152/14 = DAR 2016, 461) kann der Geschädigte bei bestehenden Vorschäden die mit dem späteren Schadensereignis kompatiblen Schäden nur unter folgenden Voraussetzungen ersetzt verlangen: Es muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO auszuschließen sein, dass diese bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind. Dazu muss der Geschädigte grundsätzlich, vor allem aber im Fall von Schadensüberlagerungen, den Umfang des Vorschadens und gegebenenfalls dessen Reparatur belegen, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten erstreckt, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich sind. Insoweit muss der Geschädigte geeignete Schätzgrundlagen beibringen, welche Anhaltspunkte für die Einschätzung des Schadens und seiner Höhe bieten. Eine Schätzung ist unzulässig, wenn sie mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde. Nur soweit der geltend gemachte Schaden technisch und rechnerisch eindeutig vom Vorschaden abgrenzbar ist, besteht ein Ersatzanspruch des Geschädigten. Ist hingegen eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens aufgrund der Wahrscheinlichkeit von erheblichen Vorschäden nicht möglich, so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge. Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst eine weitere Beschädigung bereits vorgeschädigter Fahrzeugteile jedenfalls nicht stets zu einer schadensersatzrechtlich bedeutsamen Vertiefung des Vorschadens führt.




3. Nach dem Klagevorbringen und dem unstreitigen Sachverhalt kann nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO ausgeschlossen werden, dass die vom Sachverständigen Dipl.-​Ing. T auf Seite 44 seines Gutachtens aufgeführten "kompatiblen Beschädigungen" an bereits vorbeschädigten Fahrzeugteilen eingetreten sind.

Wie der Sachverständige auf Seite 21 seines Gutachtens ausgeführt hat, umfasst die Kompatibilität die gegenseitige Zuordnung der Beschädigungen und Spurzeichnungen sowie der Beschädigungsintensitäten unter Beachtung der Struktursteifigkeiten der an der Kollision beteiligten Fahrzeugzonen. Die von ihm als kompatibel bezeichneten Beschädigungen lassen sich also mit dem von den Parteien übereinstimmend geschilderten Unfallgeschehen in Einklang bringen.

Mit der bloßen Feststellung der Kompatibilität ist aber nicht mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass in den jeweiligen Schadensbereichen bereits eine Vorschädigung vorlag. Denn das Fahrzeug des Klägers wies jedenfalls im unmittelbaren räumlichen Nähebereich der kompatiblen Schäden zahlreiche Vorbeschädigungen auf, die der Sachverständigen - ebenfalls auf Seite 44 seines Gutachtens - als "nicht kompatible Beschädigungen" festgehalten hat:

So finden sich aus der Aufzählung der "kompatiblen Beschädigungen" insbesondere die Fahrzeugteile Stoßfängerverkleidung sowie Beifahrer- und Fondstür explizit auch in der Aufstellung der "nicht kompatiblen Beschädigungen" wieder.

Die grundsätzlich kompatible Beschädigung der Verschürfung der Seitenwand wird von dem Gerichtssachverständigen ausdrücklich nur teilweise dem Unfallereignis zugeordnet.

Die nicht kompatiblen Beschädigungen der Deformation und Verkratzung der (Tür-​)Schweller und der Verschürfung der Türabdeckungen belegen im Zusammenhang mit den Abbildungen 17 bis 20 auf den Seiten 15-​17 des Gerichtsgutachtens, dass im unteren Bereich der Türen erhebliche Vorschäden vorlagen, die es nahelegen, dass diese auch im Bereich der von kompatiblen Beschädigungen betroffenen Türblätter vorgelegen haben könnten.




Aufgrund dieser umfassenden Näheverhältnissen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Sachverständigen punktuell festgestellten Vorschäden sich über die gesamte rechte Seite erstreckten und damit auch die Fahrzeugzonen erfassten, bei denen als kompatibel bewertete Neuschäden vorliegen, etwa auch im Bereich des Scheinwerfers und des Außenspiegels.

Der Kläger hat auch in der Berufungsschrift nicht substantiiert dargelegt, inwiefern die - nunmehr noch in Höhe von 5.446,66 EUR - geltend gemachten Netto-​Reparaturkosten technisch und rechnerisch eindeutig von den unstreitigen Vorschäden abgrenzbar sein sollen. Unabhängig davon, dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, einen technisch und rechnerisch abgrenzbaren Schaden von Amts wegen zu ermitteln (s. auch KG Berlin, a.a.O., Rz. 42), ist dies auch schon deshalb nicht möglich, weil - gemäß obigen Ausführungen - die Bereiche der Vorschäden und der kompatiblen Beschädigungen sich entweder direkt überlagern oder jedenfalls so eng verbunden sind, dass eine Ausbreitung des Vorschadens auf die kompatibel beschädigten Fahrzeugbereiche nicht mit der gebotenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann."


II.

An dieser Begründung des Hinweisbeschlusses vom 14.11.2018 hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest. Die von dem Kläger dagegen mit Schriftsatz vom 18.12.2018 erhobenen Einwendungen geben keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung:

1. Der Kläger verweist zunächst darauf, dass zur Feststellung des ihm durch das streitgegenständliche Ereignis entstandenen Schadens gemäß § 287 ZPO eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht, so dass entgegen der Ansicht des Senates zur Beweisführung nicht erforderlich sei, eine Vorschädigung auszuschließen.

Dieser Einwand vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Bereits in dem Hinweisbeschluss vom 14.11.2018 hat der Senat unter Zitierung weiterer obergerichtlicher Entscheidungen ausdrücklich dargelegt, dass im Rahmen des § 287 ZPO das von dem Kläger genannte Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit anzuwenden ist. Unter Beachtung dieses - gegenüber der Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO - eingeschränkten Beweismaßes muss dann aber ausgeschlossen werden können, dass die geltend gemachte Schadenspositionen bereits durch eine vorherige Beschädigung entstanden sind. Dies bedeutet indes nicht, dass es der klagenden Partei generell obliegt, andere Ursachen für die begehrten Schadenspositionen auszuschließen, sondern lediglich, dass bei feststehenden Vorschäden überwiegend wahrscheinlich sein muss, dass diese nicht von dem geltend gemachten Schaden umfasst werden. Letzteres ist dem Kläger aus den im Hinweisbeschluss vom 14.11.2018 genannten Gründen nicht gelungen.




2. Sofern der Kläger meint, der Reparaturaufwand für die unfallursächlichen Beschädigungen lasse sich bereits deshalb technisch und rechnerisch von Vorschäden trennen, weil der Sachverständige T eine Abgrenzung zwischen kompatiblen und nicht kompatiblen Beschädigungen vorgenommen habe, verkennt er die bereits im Hinweisbeschluss vom 14.11.2018 betonte - eingeschränkte - Bedeutung der Kompatibilität. Die von dem Sachverständigen als kompatibel bezeichneten Beschädigungen lassen sich mit dem von den Parteien vorgetragenen Unfallgeschehen in Einklang bringen, ohne dass damit im Fall von direkt überlagerten und/oder eng benachbarten Vorschäden aber zugleich ausreichend wahrscheinlich ist, dass die kompatiblen - sprich: theoretisch passenden - Beschädigungen auch tatsächlich auf dem Unfallereignis beruhen.

3. Der Hinweis des Klägers darauf, eine unsubstantiierte Klage dürfe nicht abgewiesen werden, wenn diese aufgrund von Zeugenaussagen oder eines Gutachtens substantiiert werde, verhilft der Berufung ebenfalls nicht zum Erfolg. Der von dem Kläger mit dem Zitat BGH GRUR 2004, 50,52 belegte Rechtssatz, eine Partei mache sich eine ihr günstige Zeugenaussage regelmäßig als Sachvortrag zu eigen, findet im Streitfall bereits deshalb keine Anwendung, weil entsprechende, für den Kläger günstige Ergebnisse aus einer durchgeführten Beweisaufnahme fehlen.

4. Soweit der Kläger rügt, der Sachverständige T habe keine Überlagerung der Bereiche der Vorschäden und der kompatiblen Beschädigungen festgestellt, geht dieser Einwand schon deshalb fehl, weil der Sachverständige die beschädigten Fahrzeugteile Stoßfängerverkleidung sowie Beifahrer- und Fondtür sowohl in seiner Aufstellung der kompatiblen Beschädigungen als auch der nicht kompatiblen Beschädigungen aufführt. Dass es sich bei den nicht kompatiblen Beschädigungen um Vorschäden handelt, stellt auch der Kläger nicht in Abrede, wenn er etwa auf Seite 2 unten seines Schriftsatzes vom 18.12.2018 ausdrücklich die Vorbeschädigung mit den nicht kompatiblen Schäden gleichstellt.




5. Schließlich hat auch der Einwand des Klägers, die Vorschäden seien unrepariert, so dass sich die Kosten zweifelsfrei her ausrechnen ließen, keinen Erfolg. Wie ebenfalls bereits in dem Hinweisbeschluss vom 14.11.2018 ausführlich ausgeführt, ist es zum einen nicht Aufgabe des Gerichts, einen technisch und rechnerisch abgrenzbaren Schaden von Amts wegen zu ermitteln und zum anderen eine solche Berechnung wegen der möglichen Ausbreitung des Vorschadens auf die kompatibel beschädigten Fahrzeugbereiche auch nicht durchführbar.


C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711, 713 ZPO.

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