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Ein grundlegendes Prinzip des deutschen Schadensersatzrechts ist es, dass der Geschädigte zwar den Schaden ersetzt erhält, der Schädiger aber keinen „Strafschadensersatz“ zahlen muss und der Geschädigte entsprechend nicht am Schaden verdienen darf (BGH, Urteil vom 04.06.1992, IX ZR 149/91, juris Rn 73 = BGHZ 118, 312; siehe auch Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem. zu §§ 249 ff. Rn 2). Diese Ausgangslage besteht mindestens seit dem Inkrafttreten des BGB im Jahr 1900 und damit mindestens ebenso lang wie § 826 BGB existiert. In 119 Jahren, über zwei Weltkriege hinweg, hat es der Gesetzgeber nicht für erforderlich befunden, für die Fälle der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung eine Ausnahme vom Bereicherungsverbot für den Geschädigten im Sinne der Argumentation des Klägers zu schaffen. Jedenfalls der hiesige Fall ist keiner, in dem eine richterliche Rechtsfortbildung im Sinne des Klägers angezeigt erschiene. Zum einen gilt Folgendes: Auch wenn die Beklagte in großem Stil gehandelt und damit Gewinne nicht unerheblichen Ausmaßes erwirtschaftet hat, erscheint die Rückabwicklung jeglicher Kaufverträge - unabhängig davon, ob die Fahrzeuge neu oder wie hier gebraucht gekauft waren, unabhängig davon, ob das Fahrzeug von der Beklagten stammt oder von einer Tochtergesellschaft, aber mit dem EA189-Motor ausgerüstet ist, mit (bei einem umfassend begründeten Antrag) umfassender Kostentragung - als ausreichende Sanktion, um die Anreize für „deliktsrechtliche Machenschaften“ auszulöschen. Es ist aus Sicht des Gerichts angesichts der Kosten und des Imageschadens, welchen die Beklagte zu vergegenwärtigen hat, nicht ernsthaft zu erwarten, dass die Beklagte - oder ein anderer Autohersteller - in Zukunft erneut auf ähnliche Art und Weise vorgehen werden. Zum anderen ist zu bemerken, dass der Kläger zwar einen unerwünschten Vertrag geschlossen, er aber doch über Jahre hinweg keinen spürbaren Schaden erlitten hat, weil er das VW Golf Cabriolet völlig unbeschränkt nutzen konnte. Eine solche Konstellation ist nach 119 Jahren Existenz von § 826 BGB und dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot keine, die für eine richterrechtliche Durchbrechung des letztgenannten Prinzips spricht.
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Soweit teilweise eine Nutzungsersatzpflicht unter Verweis auf die effektive Durchsetzung von EU-Recht bestritten wird, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. So ist Harke der Auffassung, die Entscheidung des EuGH vom 17. April 2008, in welcher dieser zu dem Schluss kam, Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG (Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie) erlaube keine Nutzungsersatzpflicht des Käufers für die im Rahmen einer Nachlieferung nach § 439 BGB ausgetauschte mangelhafte Sache (Rs. C-404/06, Quelle AG/Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, NJW 2008, 1433) stelle einen „Parallelfall“ dar, weshalb das dortige „Wertungsprinzip“ auch Geltung für die hiesige Fallkonstellation „erheische“ (VuR 2017, 83, 90 f.; siehe auch LG Augsburg, Urteil vom 14.11.2018, 21 O 4310/16, BeckRS 2018, 33801, Rn 13, wo für die Auffassung, ein Nutzungsersatz widerspreche dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung, auf diese Entscheidung verwiesen wird). Diese Entscheidung basiert aber auf einer Auslegung des Begriffs „unentgeltliche Nachbesserung“ in Art. 3 Abs. 3, Abs. 4 der Richtlinie, nicht auf dem (in seiner Reichweite völlig vagen) Gebot der effektiven Durchsetzung des EU-Rechts. Der EuGH lässt in der Entscheidung vielmehr erkennen, dass im Fall einer Vertragsauflösung - welcher der hiesigen Konstellation deutlich näher ist als eine Nachlieferung - der 15. Erwägungsgrund der Richtlinie heranzuziehen sei (siehe EuGH, NJW 2008, 1433 Rn 38 f.). Der 15. Erwägungsgrund lautet wie folgt:
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„Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann, um der Benutzung der Ware Rechnung zu tragen, die durch den Verbraucher seit ihrer Lieferung erfolgt ist. Die Regelungen über die Modalitäten der Durchführung der Vertragsauflösung können im innerstaatlichen Recht festgelegt werden.“
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