1. | Die von der Physikalisch-technischen Bundesanstalt zugelassenen Systeme zur Geschwindigkeitsmessung sind grundsätzlich als standardisierte Messverfahren anzusehen. |
2. | Ist das Tatgericht nicht zur Bildung einer eigenen Überzeugung in der Lage, hat es vor einem Freispruch des Betroffenen alle Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Hiervon wird z.B. auch die Fragestellung zur ergänzenden Stellungnahme der PTB zwecks Erhalt einer schriftlichen Stellungnahme umfasst. Bei einem der verfahrensgegenständlichen Messung widerstreitenden Sachverständigengutachten kann das Tatgericht eine für das Rechtsbeschwerdegericht prüfungsfähige eigene Bewertung vornehmen, oder was im Hinblick auf die Materie naheliegend ist, das strukturelle Problem der PTB als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde des Bundes zur ergänzenden Begutachtung vorlegen. |
"Mit Bußgeldbescheid vom 27. Oktober 2016 hat der Landrat des Kreises E gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 120 Euro festgesetzt. Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Jülich diesen mit Urteil vom 8. Dezember 2017 - 12 OWi 122/16 - freigesprochen. Gegen dieses in Abwesenheit eines Vertreters der Staatsanwaltschaft (Bl. 148 d.A.) verkündete Urteil hat die Staatsanwaltschaft Aachen nach Eingang der Akten am 14. Dezember 2017 (Bl. 161R d.A.) mit Schreiben vom 18. Dezember 2017, per Telefax bei dem Amtsgericht Jülich eingegangen am selben Tag (Bl. 169, 177 d.A.), Rechtsbeschwerde eingelegt. Nach Zustellung des Urteils an die Staatsanwaltschaft am 12. Januar 2018 (Bl. 186 d. A.) hat diese ihre Rechtsbeschwerde mit - beim Amtsgericht am 1. Februar 2018 eingegangener - Zuschrift vom 17. Januar 2018 begründet (Bl. 198 ff. d. A.)." |
"Hinsichtlich der Vorgaben zur Resistenz gegen hochfrequente elektromagnetische Felder des Gehäuses (Ziff. 4-3) und der Leitungen (Ziff. 4-6) sowie Magnetfeldern mit energietechnischen Frequenzen (Ziff. 4-8) ist jedoch das Gerät nicht ausreichend auf Magnetfeldresistenz überprüft worden. Insbesondere bezüglich der Prüfungen zu Ziff. 4-8 ist das Gerät nur in der X-Achse geprüft worden, in Y- und Z-Achse wurde das Gerät jedoch nicht geprüft. Warum die Prüfung insoweit nur in Teilen erfolgt ist, ist nicht nachvollziehbar. Aus den Gutachten der hierzu beauftragten Firma N GmbH ergibt sich, dass diese Prüfung auf Vorgabe des Herstellers auf die X-Achse beschränkt wurde (S. 8 des EMV Gutachtens Anlage A4 des Gutachtens C, Anmerkung 2: "Auf Kundenwunsch nur in der X-Achse auf >115 A/m durchgeführt"). Die PTB erklärte in ihrer Stellungnahme vom 3.11.2017 hierzu, dass Magnetfeldresistenzprüfungen nicht erforderlich gewesen seien, da das Gerät keine magnetfeldsensiblen Bauteile enthalte. Nachdem der Sachverständige C im Termin erläuterte, dass dies für ihn nicht nachvollziehbar sei und mit Sicherheit magnetfeldsensible Bauteile in dem Gerät verbaut seien, wurde im Hauptverhandlungstermin vom 08.12.2017 mit der PTB telefonisch Rücksprache genommen. Der durch den Sachbearbeiter T hinzugezogene Fachbereichsleiter für Geschwindigkeitsmessgeräte Dr. N2 erklärte diesbezüglich, dass er versichern könne, dass magnetfeldsensible Bauteile nicht verbaut seien. Er sei sich dessen sicher, da die Bauteile durch den Hersteller durch Offenlegung der kompletten Bauanleitung mitgeteilt worden seien. Auf Nachfrage, warum die Prüfung dann nur in dem Blick auf die X-Achse erfolgt sei, erklärte Dr. N2, dass auch diese Prüfung nicht erforderlich gewesen wäre. Auf Nachfrage, wie es zu der Beschränkung der Prüfung auf die X-Achse gekommen sei, erklärte er, dies könne auf Seiten der PTB nicht mehr nachvollzogen werden, da der damalige Sachbearbeiter für Rückfragen nicht mehr zur Verfügung stehe. Der Sachverständige C bestätigte hierzu nochmals, dass es aus seiner sachverständigen Sicht nicht möglich sei, dass keine magnetfeldsensiblen Teile verbaut wären. In dem Gerät seien mit Sicherheit Platinen und ähnliche Geräteteile verbaut, die magnetfeldsensibel reagierten. Da der hinzugezogene Sachverständige C als renommierter und öffentlich vereidigter Sachverständiger für Geschwindigkeitsmesstechnik zu dem eindeutigen Ergebnis kam, dass diese Prüfungen bei dem vorliegenden Gerät erforderlich gewesen wären, bestehen insoweit zumindest begründete Zweifel, zumal nicht mehr nachvollziehbar war, warum eine Prüfung teilweise durchgeführt worden ist, wenn sie grundsätzlich nicht erforderlich sein soll. Zugunsten des Betroffenen war daher im Zweifel von einer Notwendigkeit der gesamten Prüfung auf Magnetfeldresistenz auszugehen. Nach Angaben des Sachverständigen C hätten die Abweichungen von den Zulassungsbedingungen der PTB.A auch nach § 16 Abs. 3 Eichordnung in der Zulassung festgelegt werden müssen. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Außerdem betreffe der vorliegende Test im Wesentlichen auch das Gehäuse und nicht nur Bauteile des Gerätes. Im Hinblick darauf, dass vorliegend keine ordnungsgemäße Zulassung durch die PTB vorliegt, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass im Sinne eines standardisierten Messverfahrens unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse erzielt werden." |
"Soll der mögliche Fehler hingegen wie im Beschluss dargelegt in der Messtechnik, der Messsoftware oder der Auswertesoftware strukturell angelegt sein und damit eine Vielzahl von Messvorgängen an unterschiedlichen Orten und Zeiten betreffen, steht diesem Vortrag grds. die Zulassung durch die PTB als antizipiertes Sachverständigengutachten entgegen. Zunächst muss der die Zweifel begründende Vortrag ergeben, dass ein Phänomen vorliegt, das bei der Zulassung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden ist, bevor beim Gericht Zweifel an der Richtigkeit der Messung aufkommen müssen. Bestellt ein Gericht in diesen Fällen einen Sachverständigen und kommt dieser zu der Bewertung es liege trotz einer Messung innerhalb der PTB-Zulassung eine Fehlmessung vor, muss der Sachverständige in einer für das Gericht verständlichen und nachvollziehbaren Form darlegen, wie diese Fehlmessung trotz Zulassungsprüfung durch die PTB möglich ist. Erst wenn er das kann, liegen zwei widerstreitende Sachverständigengutachten vor, dass Gutachten der PTB in Form der Zulassung und das gerichtliche Gutachten. In diesen Fällen kann das Gericht eine für das Rechtsbeschwerdegericht prüfungsfähige eigene Bewertung vornehmen, oder was angesichts der Materie naheliegend ist, das beschriebene strukturelle Problem der PTB als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde des Bundes zur ergänzenden Begutachtung vorlegen. Die PTB verfügt über die notwendigen technischen Prüfungsmöglichkeiten und hat Zugriff auf die patent- und urheberrechtlichen geschützten Herstellerinformationen. Sollte sich die Fehlmessung als Strukturfehler herausstellen, ist die PTB in der Lage die Zulassung entsprechend der neuen Erkenntnisse aufzuheben oder anzupassen, wozu auch eine gesetzliche Verpflichtung besteht (§ 25a EO-AV)." |