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Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss vom 08.01.2019 - 5 K 6324/18 - MPU-Anordnung bei extremer Geschwindigkeitsüberschreitung

VG Freiburg v. 08.01.2019: MPU-Anordnung bei extremer Geschwindigkeitsüberschreitung


Das Verwaltungsgericht Freiburg (Beschluss vom 08.01.2019 - 5 K 6324/18) hat entschieden:

   Eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die erheblich über der höchsten im Bußgeldkatalog vorgesehenen Stufe liegt, kann das Ergreifen von Maßnahmen außerhalb des Fahreignungs-Bewertungssystems wie die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 11 Abs 3 S 1 Nr 4 FeV durch die Fahrerlaubnisbehörde rechtfertigen.


Siehe auch
Das Fahreignungssystem - das neue Punktsystem
und
Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein


Gründe:


Der nach § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 4 und Satz 2 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG und auch sonst zulässige Antrag des Antragstellers,

   die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts Breisgau-​Hochschwarzwald vom 02.11.2018 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, mit der ihm unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis entzogen (Nr. 1), das Führen von Kraftfahrzeugen verboten (Nr. 2), die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins bis spätestens fünf Tage nach Zustellung der Entscheidung auferlegt sowie für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe die Wegnahme desselben angedroht wurde (Nr. 4),

hat keinen Erfolg.

1. Die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins in der Verfügung des Antragsgegners vom 02.11.2018 ist formell rechtmäßig. Sie ist besonders angeordnet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Der Antragsteller hat vor allem auf die Gefahren abgestellt, die sich aus der Teilnahme eines ungeeigneten Fahrzeugführers am Straßenverkehr ergeben. Um die Gefährdung hochrangiger Grundrechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit auszuschließen, werde die sofortige Vollziehung angeordnet. Dasselbe gelte für die sofortige Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins nach § 47 FeV, die verhindern solle, dass das Bestehen einer Fahrerlaubnis durch Vorzeigen des Führerscheins vorgetäuscht werde. Dies lässt sich rechtlich nicht beanstanden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, dass gerade im Bereich des Gefahrenabwehrrechts die Interessen, die Voraussetzung für den Erlass des Verwaltungsakts sind, zugleich die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen können (vgl. nur VGH Bad.-​Württ., Beschluss vom 24.01.2012 - 10 S 3175/11 -, juris, Rn. 4). Der Antragsgegner hat die Gründe angegeben, die nach seiner Ansicht im vorliegenden Fall dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts den Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Antragstellers einräumen. Ob diese Erwägungen der Behörde tatsächlich genügen, um die Anordnung des Sofortvollzugs zu rechtfertigen, ist für die Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht von Bedeutung, da das Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene Interessenabwägung vornimmt, ohne auf die von der Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorgebrachten Gründe beschränkt zu sein (vgl. VGH Bad.-​Württ., Beschluss vom 22.11.2004 - 10 S 2182/04 -, juris, Rn. 3).

2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch in materiell-​rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung überwiegt das private Interesse des Antragstellers, vorläufig weiter im Besitz der Fahrerlaubnis zu bleiben und Kraftfahrzeuge im öffentlichen Verkehr führen zu dürfen. Nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist nämlich aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist und somit ernstlich befürchtet werden muss, dass er bei einer vorläufigen weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden wird.

Die Fahrerlaubnisentziehung in dem angegriffenen Bescheid des Antragsgegners vom 02.11.2018 beruht auf den §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 1c Straßenverkehrsgesetz – StVG – in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 11 Abs. 8 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV –. Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis diese zu entziehen, wenn sich der Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Zur Klärung von Eignungszweifeln kann nach § 11 Abs. 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens angeordnet werden. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV.

Danach ist beim Antragsteller von der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen, denn er hat das vom Landratsamt Breisgau-​Hochschwarzwald geforderte Gutachten bis zum Ablauf der ihm hierfür gesetzten Frist nicht vorgelegt. Daraus konnte das Landratsamt auf seine Nichteignung schließen, da die Anforderung des medizinisch-​psychologischen Gutachtens entgegen der Ansicht des Antragstellers zu Recht erfolgte und auch nicht zu einer unzulässigen Missachtung des Vorrangs des in § 4 StVG normierten Punktesystems führt.

Der – wie hier – gezogene Schluss von der Nichtbeibringung eines seitens der Fahrerlaubnisbehörde geforderten Gutachtens auf die Nichteignung ist nur zulässig, wenn die Anordnung der Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist. In materiell-​rechtlicher Hinsicht ist insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entscheidend, ob die Umstände, die der Behörde Anlass für die Anordnung gegeben haben, einen Fahreignungsmangel des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lassen (VGH Bad.-​Württ., Beschluss vom 05.05.2014 - 10 S 705/14 -, juris, Rn. 5, m.w.N. aus der Rspr.). Nach diesen Maßstäben begegnet die auf § 46 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV gestützte Gutachtensanordnung des Landratsamts Breisgau-​Hochschwarzwald vom 25.09.2017 keinen rechtlichen Bedenken. Nach diesen Vorschriften kann bei einem erheblichen Verstoß oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften zur Klärung von Eignungszweifeln die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-​psychologisches Gutachten) angeordnet werden. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller, da er sowohl erhebliche als auch wiederholte Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften in Form von Geschwindigkeitsübertretungen begangen hat, die im Fahreignungsregister eingetragen sind und dort zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Gutachtensanordnung zum Erreichen von 6 Punkten geführt haben.

Der Einwand des Antragstellers, es habe sich um eine Geschwindigkeitsübertretung in Höhe von 80 km/h anstelle von 81 km/h gehandelt, greift dabei nicht durch. Zum einen dürfte eine derart geringe Abweichung von 1 km/h im Ergebnis keine abweichende Wertung rechtfertigen. Zum anderen steht die Höhe der Geschwindigkeitsübertretung aufgrund des seit 21.06.2018 rechtskräftigen Urteils des AG Rottweil vom 04.06.2018, Az. 7 OWi 25 Js 1897/18, fest und ist als präjudiziell in hiesigem Verfahren zu beachten.

Die Gutachtensanordnung ist auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt die vom Antragsteller geltend gemachte Umgehung des Punktesystems nach § 4 StVG nicht vor.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG hat die nach Landesrecht zuständige Behörde zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften verstoßen, die in Absatz 5 genannten Maßnahmen des Punktesystems (Fahreignungs-​Bewertungssystem) zu ergreifen. Das Fahreignungs-​Bewertungssystem ist hingegen nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 oder einer auf Grund § 6 Abs.1 Nr. 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG). Damit ist zum einen im öffentlichen Interesse sichergestellt, dass ungeeignete Kraftfahrer schon vor Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr wirksam ausgeschlossen werden können oder besondere Eignungszweifel durch weitergehende Maßnahmen, wie z. B. eine medizinisch-​psychologische Untersuchung, sofort geklärt werden können. Zum anderen ergibt sich aus dem Punktesystem aber auch, dass der Gesetzgeber bewusst die weitere Straßenverkehrsteilnahme von Kraftfahrern mit einem nicht unerheblichen „Sündenregister“ in Kauf genommen und die Entziehung der Fahrerlaubnis von der zuvor eingeräumten Möglichkeit, Angebote und Hilfestellungen wahrzunehmen, abhängig gemacht hat. Das Verlassen des Fahreignungs-​Bewertungssystems auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG muss daher auf besondere Ausnahmekonstellationen beschränkt bleiben, etwa wenn ein Fahrerlaubnisinhaber durch einen erheblichen Verkehrsverstoß verkehrsauffällig geworden ist und sich aus einem derartigen Verhalten Fahreignungsmängel oder zumindest Eignungsbedenken in charakterlicher Hinsicht ableiten lassen. Die Fahrerlaubnisbehörde muss dabei im Einzelnen unter Auswertung aller konkreten Umstände näher begründen, warum sie aus besonderen Gründen im Einzelfall, der sich erheblich vom Normalfall sonstiger Verkehrsteilnehmer mit einem Punktestand abheben muss, aufgrund einer Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers oder wegen der Art, der Häufigkeit oder des konkreten Hergangs der Verkehrsverstöße Eignungsbedenken hegt, die sofortige weitergehende Aufklärungsmaßnahmen etwa durch eine medizinisch-​psychologische Untersuchung gebieten, ohne dem Betroffenen die Chance zu belassen, zuvor die abgestuften Hilfsangebote des § 4 StVG wahrzunehmen (vgl. zum Ganzen VGH Bad.-​Württ., Beschluss vom 05.05.2014 - 10 S 705/14 -, juris, Rn. 7, m.w.N. aus der Rspr.).

Diesen Anforderungen werden die allein berücksichtigungsfähigen (vgl. hierzu ausführlich VGH Bad.-​Württ., Beschluss vom 05.05.2014, a.a.O., Rn. 8) Darlegungen des Landratsamts Breisgau-​Hochschwarzwald in der Aufforderung zur Begutachtung vom 26.07.2018 gerecht. Jedenfalls die Zusammenschau der Gesichtspunkte der Wiederholtheit der Verstöße auf der einen und der Erheblichkeit des letzten Verstoßes auf der anderen Seite durfte das Landratsamt dazu veranlassen, aus dem Fahreignungs-​Bewertungssystem herauszutreten und eine medizinisch-​psychologische Untersuchung anzuordnen.

Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, dass allein der Tageszeit der letzten Geschwindigkeitsüberschreitung - ohne Feststellungen zu der konkret vor Ort gegebenen Verkehrslage - keine Aussage zur Erheblichkeit des Verstoßes entnommen werden kann. Jedoch genügen die übrigen Erwägungen des Landratsamts zum Schluss auf die Erheblichkeit des letztmaligen Verkehrsverstoßes.

Hierbei hat das Landratsamt auf die (mehr als) 100%ige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie die damit einhergehende nahezu unausweichliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer abgestellt. Diese Einschätzung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Mit dem Antragsgegner ist die beschließende Kammer der Auffassung, dass der vom Antragsteller am 08.05.2017 begangene Verkehrsverstoß, bei dem er die Bundesautobahn A 81 (Singen – Stuttgart) in einem Abschnitt, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei 80 km/h lag, mit einem Tempo – nach Abzug der Toleranz – von 161 km/h befuhr, von solcher Erheblichkeit ist, dass er geeignet ist, charakterliche Eignungsbedenken zu begründen.

Bei der durch die Fahrerlaubnisbehörde zu treffenden Wertung ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend nicht nur um eine Geschwindigkeitsüberschreitung um (mehr als) 100 % handelt, sondern diese auch absolut gesehen – der Antragsteller war 81 km/h schneller als erlaubt – aus dem Rahmen „üblicher“ Verkehrsverstöße deutlich hervorsticht und sich in ihr ein hohes Maß an Gleichgültigkeit bzw. Gedankenlosigkeit gegenüber den Rechtsgütern anderer Verkehrsteilnehmer offenbart. Dies zeigt nicht zuletzt auch die Tatsache, dass die im Bußgeldkatalog vorgesehene Staffelung bei Geschwindigkeitsverstößen Differenzierungen lediglich bis zu einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 70 km/h vorsieht; alle darüber liegenden Überschreitungen werden einheitlich mit zwei Punkten und drei Monaten Fahrverbot geahndet. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass in der Rechtsprechung daraus verschiedentlich der Schluss gezogen wird, die fehlende Differenzierung jenseits der Grenze einer Überschreitung um 70 km/h beeinflusse die Gewichtung von Geschwindigkeitsüberschreitungen im Fahrerlaubnisrecht in der Weise, dass allein an die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht bereits die Würdigung geknüpft werden kann, der Fahrerlaubnisinhaber sei deswegen in charakterlicher Hinsicht zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten (vgl. VG Neustadt, Beschluss vom 21.03.2017 - 3 L 293/17.NW -, juris, Rn. 17; OVG Rheinl.-​Pfalz, Beschluss vom 27.05.2009 - 10 B 10387/09 -, juris, Rn. 10; NdsOVG, Beschluss vom 02.12.1999 - 12 M 4307/99 -, juris, Rn. 10). Dem vermag sie jedoch für den vorliegenden Fall, der durch eine Geschwindigkeitsüberschreitung gekennzeichnet ist, die erheblich über der höchsten Stufe (von mehr als 70 km/h) im Bußgeldkatalog liegt und sich insoweit auch von den den genannten Gerichtsentscheidungen zugrundeliegenden Fällen unterscheidet (Geschwindigkeitsüberschreitung dort: 51 bzw. 56 km/h), nicht zu folgen. Aus Sicht der Kammer ist es vielmehr überzeugender, die fehlende Differenzierung im Bußgeldkatalog ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 70 km/h als Anhaltspunkt dafür zu sehen, dass gerade in Fällen von Geschwindigkeitsüberschreitungen, die deutlich über 70 km/h liegen, weitere Maßnahmen außerhalb des Fahreignungs-​Bewertungssystems möglich und ggf. sogar angezeigt sein dürften.

Die Kammer hält folglich in Fortführung ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 11.12.2007 - 5 K 2502/07 -, vom 03.05.2018 - 5 K 2343/18 - und vom 26.10.2018 - 5 K 5371/18) dafür, dass ein Geschwindigkeitsverstoß in der hier vorliegenden Größenordnung bereits für sich genommen, d.h. ohne das Hinzutreten weiterer, auf außergewöhnliche Rücksichtslosigkeit oder Aggressivität schließen lassende Begleitumstände, eine aus dem Kreis der „normalen Verkehrssünden“ herausragende, besonders nachlässige Einstellung gegenüber der Einhaltung von Verkehrsregeln offenbart, die geeignet ist, Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers hinsichtlich der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr aufkommen zu lassen. Das gilt namentlich, wenn es sich dabei wie im vorliegenden Fall nicht um die einzige erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung handelt.

Im Übrigen ist nach der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-​Württemberg (Beschluss vom 05.05.2014, a.a.O., Rn. 11) zu berücksichtigen, dass das Landratsamt hier zunächst nur die Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens gefordert und aus dessen Nichtvorlage schließlich auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen hat. Die Anforderungen an die Umstände, die ausnahmsweise ein Abrücken von dem Punktsystem ermöglichen, sind nicht zu überspannen, wenn die von der Fahrerlaubnisbehörde ergriffene Maßnahme zur Aufklärung der Eignungszweifel in ihrer Eingriffsintensität deutlich hinter der unmittelbaren Entziehung der Fahrerlaubnis zurückbleibt.

Die auf § 11 Abs. 3 FeV gestützte Begutachtung setzt – wie § 11 Abs. 7 FeV zeigt - vielmehr voraus, dass die Ungeeignetheit des Betroffenen noch nicht feststeht, sondern lediglich zu befürchten ist (vgl. VGH Bad.-​Württ., Urteil vom 11.10.2017 - 10 S 746/17 -, juris, Rn. 35). Der Einwand des Antragstellers, bei § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV habe der Gesetzgeber nur derart gravierende Verkehrsverstöße wie die Teilnahme an illegalen Straßenrennen im Blick, geht hiernach fehl.

Nach alledem ist die Gutachtensanordnung des Landratsamts auch unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Vorrangs von Maßnahmen nach dem Punktesystem gemäß § 4 StVG rechtlich nicht zu beanstanden. 3. Nachdem die angegriffene Entziehung der Fahrerlaubnis somit rechtlich nicht zu beanstanden sein dürfte, ergibt sich die voraussichtliche rechtliche Unbedenklichkeit auch hinsichtlich der an diese Verfügung anknüpfenden Folgemaßnahmen.

Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins und das Verbot, fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, finden ihre rechtliche Grundlage in § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG sowie § 47 Abs. 1 FeV und stellen lediglich die gesetzliche Folge der Fahrerlaubnisentziehung dar. Die Androhung der zwangsweisen Wegnahme des Führerscheins begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken (§§ 1, 2, 18, 20, 26 und 28 LVwVG).

4. Das Dringlichkeitsinteresse an der sofortigen Vollziehung ist ebenfalls gegeben. Aufgrund der bestehenden Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen eines Fahrzeugs ist zu befürchten, dass dessen weitere Teilnahme am Straßenverkehr die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer gefährden würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen Nr. 1.5 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Anh. § 164). Nach der neueren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-​Württemberg sind bei der Festsetzung des Streitwerts in Verfahren wegen der Entziehung einer Fahrerlaubnis diejenigen Beträge zu addieren, die für die nach § 6 Abs. 3 FeV eigenständig bedeutsamen Fahrerlaubnisklassen nach dem einschlägigen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit jeweils anzusetzen sind (vgl. grundlegend VGH Bad.-​Württ., Beschluss vom 13.12.2007 - 10 S 1272/07 -, juris). Der Antragsteller hatte eine Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C1, C1E und L, T. Davon haben die Fahrerlaubnisklassen A, B, C1, C1E, L und T selbständige, bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigende Bedeutung (vgl. VGH Bad.-​Württ., Beschlüsse vom 19.10.2015 - 10 S 1689/15 -, juris, Rn. 22, und vom 06.08.2015 - 10 S 1176/15 -, juris, Rn. 26). Der danach maßgebliche Hauptsachestreitwert von 22.500,-​- EUR war im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens zu halbieren.

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