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Landgericht Braunschweig Urteil vom 05.04.2018 - 1 O 3734/16 (305) - Unfall zwischen Linksabbieger in _Grundstück und Überholer

LG Braunschweig v. 05.04.2018: Kollision zwischen einem links in eine Grundstückseinfahrt Abbiegenden und einem überholenden Pkw


Das Landgericht Braunschweig (Urteil vom 05.04.2018 - 1 O 3734/16 (305)) hat entschieden:

   Bei Zusammenstößen zwischen einem links in eine Grundstückseinfahrt abbiegenden Kfz und einem in gleicher Richtung fahrenden, den Linksabbieger überholenden Pkw spricht der Beweis des ersten Anscheins wegen der dem Linksabbieger abverlangten äußersten Sorgfalt für ein Verschulden des Linksabbiegers (OLG München, Urteil vom 23. Januar 2015 - 10 U 299/14 -, juris; LG Hamburg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 302 O 220/14 -, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 20. März 2012 - 15 U 15/12 -, juris; KG Berlin, Urteil vom 16. August 2010 - 22 U 15/10 -, juris; OLG Bremen, Beschl. v. 01.09.2009, 3 U 35/09, Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 9 StVO Rn. 44, jeweils m. w. N.).




Siehe auch
Anscheinsbeweis gegen Linksabbieger
und
Stichwörter zum Thema Abbiegen


Tatbestand:


Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.

Der Beklagte zu 1. war zum Unfallzeitpunkt Fahrer des unfallbeteiligten Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen Pkw Bentley, amtl. englischen Kennzeichen ..., der Beklagten zu 2.. Am 31.07.2014 gegen 09:20 Uhr befuhr der bei dem Kläger haftpflichtversicherte Zeuge ... mit dem Pkw Ford Mondeo Kombi, amtliches Kennzeichen ..., die B244 von Brome in Richtung Rühen. Vor dem Zeugen fuhr der Beklagte zu 1. langsam hinter einem Traktor her. Der Zeuge beabsichtigte, die vor ihm befindlichen Fahrzeuge zu überholen. Der Beklagte zu 1. bog vor dem Zeugen nach links ab, um in die dort befindliche Grundstückseinfahrt Zufahrt zu dem dahinter gelegenen Hotel Hubertus abzubiegen ein. Der PKW Ford stieß mit der rechten Kotflügelseite gegen die A-​Säule und Fahrertür des PKW Bentley. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1. und 2., vorgerichtlich vertreten durch den ..., lehnte mit Schreiben vom 24.11.2015 jedwede Haftung ab.

Der Kläger begehrt neben dem Ersatz geleisteter Reparaturkosten für den Versicherungsnehmer ... (14.806,33 €) die negative Feststellung seiner Ersatzpflicht für Schäden und/oder Schmerzensgeldansprüche aus dem Verkehrsunfall wegen in Großbritannien drohender klageweiser Ansprüche der Beklagten, nachdem dieser mit (16.000,00 £ =) 17.967,44 € zu bewertende Schmerzensgeldansprüche und Sachschäden in Höhe von (6.045,66 £ =) 6.771,44 € geltend macht und in Großbritannien Ansprüche angemeldet hat.




Der Kläger behauptet, der Zeuge ... habe den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt, sei auf den linken Fahrstreifen gewechselt und habe sein Fahrzeug beschleunigt. In dem Augenblick, als sich der Zeuge mit dem PKW Ford unmittelbar in Höhe des Bentley befunden habe, sei dieser plötzlich nach links gezogen. Der Zeuge ... habe sich bereits eine längere Zeit auf der linken Fahrspur befunden und die Höhe des Bentley erreicht habe, als Beklagte zu 1. den Bentley nach links gelenkt habe; die Fahrzeuge seien zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes parallel nebeneinander gefahren. Der Kläger ist der Auffassung, der Unfall sei für den Zeugen ... unvermeidbar gewesen.

Der Kläger beantragt

      - soweit in der Klageschrift vom 09.11.2016 der Zahlungsantrag mit 14.506,33 € angegeben ist, war unter Berücksichtigung der mit der Klagebegründung dargelegten Reparaturkosten von 14.806,33 € (nebst Rechnung) von einem Schreibfehler auszugehen -,

  1.  die Beklagten zu 1.-​3. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 14.806,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.11.2015,

  2.  festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, den Beklagten zu 1. und 2. aus dem Verkehrsunfall vom 31.07.2014 in ..., Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, vor dem Beklagten zu 1. sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 45 km/h ein Traktor gefahren. Hinter diesem habe er sich, weil er kurze Zeit später nach links in die Zufahrt zum Hotel habe einbiegen wollen, eingeordnet, dessen Geschwindigkeit angenommen und den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt habe der Zeuge ... noch nicht zu der Kolonne aufgeschlossen gehabt. Der Beklagte zu 1. habe sich, bevor er nach links abgebogen sei, ordnungsgemäß durch den Blick in den Spiegel und durch Schulterblick nach hinten darüber vergewissert, dass er dabei keinen nachfolgenden Verkehr, der sich auf der Gegenfahrbahn zum Überholen habe befinden können, gefährde. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Zeuge ... nicht auf der Gegenfahrbahn zum Überholen befunden. Er müsse, als der Beklagte zu 1. nach links abgebogen sei, unter Missachtung des Abbiegevorgangs ausgeschert sein, um die Kolonne zu überholen. Die Beklagten sind der Auffassung, betreffend den Klageantrag zu 2. sei die Klage bereits unzulässig, weil es sich um die Klage eines Versicherers handele, so dass die Klage aufgrund des Wohnsitzes der Beklagten zu 1. und 2. in Großbritannien zu erheben sei.




Das Gericht hat den Beklagten zu 1. angehört sowie Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin ... und .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.10.2017 verwiesen (Bl. 108 ff. d.A.). Darüber hinaus hat das Gericht Beweis gemäß Beschluss vom 02.11.2017 (Bl. 120 d.A.) erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-​Ing. ... über den Unfallhergang. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2018 verwiesen (Bl. 127 ff. d.A.). Die beigezogenen Verkehrsordnungswidrigkeitsakten des Landkreises Gifhorn, AZ: FB3.3 - 140271411 - HU 41/951 - waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die Klage ist insgesamt zulässig; insbesondere ist das erkennende Gericht für die negative Feststellungsklage des Haftpflichtversicherers des unfallgeschädigten Versicherungsnehmers gegen den im Vereinigten Königreich ansässigen Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1. international und örtlich zuständig gemäß Art. 7 Nr. 2 EU-​Verordnung Nr. 2015/2012 (Brüssel-​la-​Verordnung) als das für den Ort der unerlaubten Handlung zuständige Gericht und gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Der den Gegenstand der negativen Feststellungsklage bildende Verkehrsunfall stellt eine unerlaubte bzw. eine dem gleichstehende Handlung dar. Danach ist Art. 7 Abs. 2 EuGVVO grundsätzlich anwendbar. Die Zuständigkeit ist nicht durch die speziellere Regelung des Art. 14 EuGVVO n.F. ausgeschlossen. Es fehlt an einer für die Anwendung erforderlichen vertraglichen Beziehung zwischen den Beklagten und dem Kläger. Die Beklagten sind insbesondere weder Versicherungsnehmer des zwischen dem Kläger und dem Halter des verunfallten klägerischen Fahrzeugs geschlossenen Versicherungsvertrages noch von diesem erfasst oder begünstigt (vgl. LG Potsdam, Urteil vom 22.12.2016 - 11 O 65/16 -, Anl. zum Schriftsatz vom 12.04.2017, Bl. 75 d.A., Anlagenband Kläger). Entsprechend wurde auch der geschädigte Unfallgegner nicht als dem Anwendungsbereich Art. 9 Absatz 1 b) EuGVVO a.F., entspricht Art. 11 Abs. 1 b) EuGVVO n.F. unterfallende Person angesehen, nach dem es dem Versicherungsnehmer, dem Versicherten und dem Begünstigten möglich ist, an ihrem Wohnsitz den Versicherer zu verklagen (BGH, Urteil vom 6. Mai 2008 - VI ZR 200/05 -, NZV 2015, 286-289; EuGH, Urteil vom 13.12.2007 - C -463/06 -, zitiert nach: juris.).


2. Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Erstattung der gezahlten Reparaturkosen in Höhe von 14.806,33 € gegenüber dem Beklagten zu 1. aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 17 Abs. 2 und 1 StVG, § 86 VVG und gegenüber der Beklagten zu 2. aus §§ 86, 115 Abs. 1 S. 4 VVG zu.

Nach § 7 Abs. 1 StVG ist, wenn bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs eine Sache beschädigt wird, der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird. Soweit der Halter haftet, ist nach § 18 Abs. 1 StVG auch der Führer des Kraftfahrzeugs zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist. Nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG hängt, wenn ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wird, im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Diese Verpflichtung zum Schadensersatz ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat.

Danach besteht dem Grunde nach eine Haftung des Beklagten zu 1, nachdem das klägerische Fahrzeug bei dem Betrieb des Beklagtenfahrzeugs beschädigt wurde. Der Unfall ist auch nicht durch höhere Gewalt verursacht worden.

Für keinen der Beteiligten Fahrer lag ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG vor, so dass sich die Haftungsverteilung nach den Umständen, insbesondere danach richtet, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Verursachungsanteile können allerdings nur solche Umstände berücksichtigt werden, die entweder unstreitig oder bewiesen sind. Diese Abwägung ergab ein so weit überwiegendes Verschulden des Beklagten zu 1. als Fahrer des unfallgegnerischen Pkw Bentley, dass hierhinter die Betriebsgefahr des von dem Zeugen ... geführten Pkw Ford Mondeo zurücktritt.

Dem Beklagten zu 1. ist ein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO vorzuwerfen. Gegen ihn spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins, da es unstreitig nach Beginn des Abbiegevorgangs in die Grundstückszufahrt zum Hotel zu der Kollision gekommen ist.

Bei Zusammenstößen zwischen einem links in eine Grundstückseinfahrt abbiegenden Kfz und einem in gleicher Richtung fahrenden, den Linksabbieger überholenden Pkw spricht der Beweis des ersten Anscheins wegen der dem Linksabbieger abverlangten äußersten Sorgfalt für ein Verschulden des Linksabbiegers (OLG München, Urteil vom 23. Januar 2015 - 10 U 299/14 -, juris; LG Hamburg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 302 O 220/14 -, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 20. März 2012 - 15 U 15/12 -, juris; KG Berlin, Urteil vom 16. August 2010 - 22 U 15/10 -, juris; OLG Bremen, Beschl. v. 01.09.2009, 3 U 35/09, Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 9 StVO Rn. 44, jeweils m. w. N.). Denn dieser kann den Unfall im Allgemeinen vermeiden, wenn er den ihm nach dem Verkehrsrecht obliegenden Pflichten genügt, insbesondere sich gemäß § 9 Abs. 1 StVO durch Rückschau davon überzeugt, dass die von ihm zu überquerende Spur frei ist.




Der Anscheinsbeweis ersetzt bei typischen Geschehensabläufen aufgrund von Erfahrungssätzen den Nachweis eines schuldhaften Verhaltens. Der typische Geschehensablauf muss dabei feststehen, also unstreitig oder bewiesen sein. Dies ist hier der Fall. Es ist unstreitig, dass es zu einer Kollision zwischen dem nach links in eine Grundstückseinfahrt abbiegenden Pkw des Beklagten zu 1) und dem im Überholvorgang begriffenen, in gleicher Richtung fahrenden Pkw des Zeugen ... . Nach der Lebenserfahrung lässt der Unfall auf die Außerachtlassung der nach § 9 Abs. 5 StVO erforderlichen besonderen Sorgfalt beim Abbiegen schließen. Denn wer abbiegen will, muss dies nach § 9 Abs. 1 StVO rechtzeitig und deutlich ankündigen, wer nach links abbiegen will, muss sich rechtzeitig möglichst weit links einordnen. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Nach § 9 Abs. 5 StVO muss sich der Fahrzeugführer beim Abbiegen in ein Grundstück darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. An die Sorgfaltspflicht ist dann ein besonders hoher Maßstab anzulegen, da der nachfolgende Verkehr nicht mit gleicher Wahrscheinlichkeit wie bei einer abzweigenden Straße mit einem Abbiegen des Vordermannes rechnen muss. Da es zu dem Unfall gekommen ist, lässt sich nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises darauf schließen, dass der Beklagte zu 1. seinen Sorgfaltspflichten beim Abbiegen nicht gewissenhaft nachgekommen ist. Denn ein solcher Unfall läuft auf den ersten Blick regelmäßig und typisch nach dem Muster ab, dass der Linksabbieger nicht genügend vorsichtig auf ihn überholende Fahrzeuge achtet und ihnen den Vortritt lässt.

Die Beklagten haben diesen Anschein auch nicht zu erschüttern vermocht. Sie haben bereits keine Umstände vorgetragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, untypischen Geschehensablaufs ergibt. Vielmehr hat der persönlich angehörte Beklagte zu 1. in seiner Anhörung lediglich angeben, er habe seine Geschwindigkeit reduziert gehabt, als er hinter dem Traktor gewesen sei und eine Weile vor dem Abbiegen, geschätzt 10 Sekunden, den Blinker eingeschaltet. Er habe den Traktor nicht überholt, sondern die Geschwindigkeit reduziert, um hinter ihm zu bleiben und dann abzubiegen. Hingegen hat der Beklagte zu 1. schon nicht angegeben, sich zur Mitte eingeordnet und dadurch das beabsichtigte Abbiegemanöver dem nachfolgenden Verkehr angezeigt zu haben. Er hat gleichfalls nicht angeben, sich unmittelbar vor dem Abbiegen noch einmal durch Rückschau einer ausgeschlossenen Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs Gewissheit zu haben. Damit hat der Beklagte zu 1. bereits nach seinen eigenen Angaben nicht den Anforderungen des § 9 Abs. 1 StVO genügt.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist zur Überzeugung der Kammer auch nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 1. seine Absicht, links abzubiegen, durch (rechtzeitiges) Blinken angekündigt hat. Zwar hat der Beklagte zu 1. in seiner Anhörung angegeben, links geblinkt zu haben, geschätzt 10 Sekunden vor dem Abbiegen. Diese Angabe wird aber durch das Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme nicht bestätigt. Die in der Beweisaufnahme vernommenen Zeugen ... haben die Schilderung des Beklagten zu 1), vor dem Unfall geblinkt zu haben, nicht bestätigt. Der Zeuge ... angegeben, als er den Fahrstreifen gewechselt habe und mit dem Blinker links auf der linken Spur gewesen sei, habe der Bentley noch nicht den Blinker gesetzt gehabt. Er sei sich nicht sicher, ob der Blinker gesetzt gewesen sei, als der Bentley nach links gezogen sei, um in die Einfahrt abzubiegen. Er habe, als er sich von hinten dem Bentley und dem vor diesem fahrenden Traktor genähert habe, keinen Blinker beim Bentley gesehen. Gleichfalls hat die Zeugin ... angegeben, keinen Blinker gesehen zu haben, als ihr Mann im Überholvorgang auf der linken Spur gewesen sei.

Ein Mitverschulden ist dem Kläger nicht anzulasten.

Der Sachverständige ... hat vereinzelt und überzeugend weiter ausgeführt, dass die Unfallschilderung der Beklagten, der klägerische Ford sei nach links zum Überholen der Kolonne ausgeschert, als der Beklagte zu 1. nach links abgebogen sei, nicht zugrundezulegen sei. Aus Sachverständigensicht sei davon auszugehen, dass der Fahrer des Bentley das klägerische Fahrzeug im Rückspiegel habe erkennen müssen, ein Übersehen erscheine nicht möglich, insbesondere bei einem unterstellten Befahren des rechten Fahrstreifens durch den Ford. Es sei anhand der festgestellten Spuren und festgestellten Schäden nach den ermittelten bzw. geschilderten Geschwindigkeiten allerdings möglich, dass der Ford nach links zum Überholen ausgeschert sei, als der Beklagte letztmalig vor dem Abbiegen den rückwärtigen Verkehr beobachtet habe.

Nach den übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen ... hatte jedoch der Zeuge ... frühzeitig geblinkt und auf die linke Spur gefahren, um den Bentley und den Traktor zu überholen. Bei eingeschaltetem Blinker war aber, wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat, aus Sachverständigensicht der Unfall entweder durch Verringerung der Geschwindigkeit oder absehen von dem Abbiegevorgang vermeidbar. Aus Sachverständigensicht sei davon auszugehen, dass der Fahrer des Bentley das klägerische Fahrzeug erkannt haben müsse.

Die Beklagten haben nicht beweisen können, dass der Kläger gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO oder § 5 Abs. 7 StVO verstoßen hat. Eine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 StVO liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf (KG NZV 2003, 89). Dies ist anzunehmen, wenn die Verkehrslage unübersichtlich bzw. ihre Entwicklung nach objektiven Umständen nicht zu beurteilen ist. Es kommt hierbei nicht auf das Gefühl des Überholwilligen an. Danach sind bei einer Verlangsamung der Geschwindigkeit des Vorausfahrenden die konkrete Verkehrssituation und die Örtlichkeit mit zu berücksichtigen. Wenn diese geeignet sind, Zweifel über die beabsichtigte Fahrweise des Vorausfahrenden aufkommen zu lassen, kommt eine unklare Verkehrslage in Betracht.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beklagten haben, wie bereits ausgeführt, nicht beweisen können, dass der Beklagte zu 1. sein Abbiegemanöver durch Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers angezeigt hat. Dass der Beklagte zu 1. sein Fahrzeug verlangsamt haben mag, würde selbst dann nicht für die Annahme einer unklaren Verkehrslage ausreichen, wenn der Beklagte zu 1. sich bereits, was vorliegend nicht der Fall war, etwas zur Mitte eingeordnet hätte. Für eine Reduzierung der Geschwindigkeit kann es eine Vielzahl harmloser Ursachen geben, vorliegend kommt bereits als Erklärung einer Reduzierung der vor dem Bentley fahrende und auch von dem Zeugen ... wahrgenommene Traktors in Betracht. Von einer unklaren Verkehrslage kann aus diesem Grund auch nicht wegen der auf der linken Seite befindlichen Zufahrt zum Hotel ausgegangen werden, zumal sich in Fahrtrichtung der verunfallten Fahrzeuge auch kein Hinweis auf die Zufahrt befindet.

Im Übrigen ist es den Beklagten schon nicht gelungen zu beweisen, dass sich der Beklagte zu 1. in die Mitte der Fahrbahn eingeordnet hatte. Dies geht zulasten der für ein Mitverschulden des Klägers beweisbelasteten Beklagten.

Eine zu einem Mitverschulden führende überhöhte Geschwindigkeit des Klägers steht nach den Ausführungen des Sachverständigen ... ebenfalls nicht fest. Dieser hat angegeben, es sei für das klägerische Fahrzeug eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 45 km/h im Kollisionszeitpunkt zugrunde zu legen, welche Geschwindigkeit vor der Kollision gefahren worden sei, sei nicht berechenbar (Protokoll S. 2, 1. Absatz). Die Beklagten haben auch nicht beweisen können, dass der Kläger vor dem Beginn des Überholmanövers erkennen konnte, dass der Beklagte zu 1. nach links abbiegen wollte. Gleichfalls ergab sich auch nicht aus den Witterungs- oder Lichtverhältnissen eine unklare Verkehrslage.

Wegen des Verstoßes des Beklagten zu 1. gegen die sich aus § 9 Abs. 5 StVO ergebenden besonderen Sorgfaltspflichten haften die Beklagten allein, die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs tritt zurück.

Auf Grundlage dieses Beweisergebnisses haften die Beklagten für den Verkehrsunfall allein.



3. Der gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsantrag hat gleichfalls Erfolg.

Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis dahingehend, dass festgestellt wird, dass er nicht verpflichtet ist, den Beklagten zu 1. oder 2. aus dem Verkehrsunfall Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld zu zahlen. Der Beklagte zu 1. hat in Großbritannien Ansprüche angemeldet und berühmt sich gegenüber dem Kläger mit (16.000,00 £ =) 17.967,44 € zu bewertender Schmerzensgeldansprüche und Sachschäden in Höhe von (6.045,66 £ =) 6.771,44 €.

4. Der Anspruch auf Verzinsung ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB. Durch die, gemäß § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG auch für die Beklagten zu 1. und 2. wirkenden, ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Zahlung von Schadensersatz mit Schreiben der ... vom 24.11.2005 erfolgten befanden sich die Beklagten gemäß § 286,288 ab dem 25.11.2015 im Verzug. In sich dieses weitergehenden Zinsanspruchs unterlag die Klage der Abweisung.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Der Streitwert ist gemäß § 3 ZPO, § 48 GKG festgesetzt worden.

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