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BGH Beschluss vom 15.01.2019 - II ZB 12/17 - Kosten anwaltlicher Vertretung in einem freiwilligen Güteverfahren

BGH v. 15.01.2019: Erstattungsfähigkeit der Kosten anwaltlicher Vertretung in einem freiwilligen Güteverfahren mit nachfolgendem Rechtsstreit


Der BGH (Beschluss vom 15.01.2019 - II ZB 12/17) hat entschieden:

   Die Kosten anwaltlicher Vertretung in einem freiwilligen Güteverfahren sind im nachfolgenden Rechtsstreit nicht gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO erstattungsfähig.


Siehe auch
Anwaltskosten allgemein
und
Stichwörter zum Thema Rechtsanwaltskosten


Gründe:


I.

Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der außergerichtlichen Kosten, die der Kläger dem Beklagten zu erstatten hat.

Im zugrundeliegenden Rechtsstreit nahm der Kläger den Beklagten als Gründungsgesellschafter im Zusammenhang mit der Beteiligung an zwei Fondsgesellschaften auf Schadensersatz in Anspruch. Vor der Klageerhebung hatte er ein freiwilliges Güteverfahren vor einer von der Landesjustizverwaltung anerkannten Gütestelle eingeleitet, das erfolglos blieb. In dem Güteverfahren wurde der Beklagte von seinem späteren Prozessbevollmächtigten anwaltlich vertreten. Der nachfolgende Rechtsstreit endete durch einen Prozessvergleich, in dem die Parteien hinsichtlich der Kosten vereinbarten, dass der Kläger 90 % und der Beklagte 10 % der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zu tragen haben.

Der Beklagte hat im Kostenfestsetzungsverfahren für das Güteverfahren Anwaltskosten in Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2303 VV RVG unter hälftiger Anrechnung auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG sowie die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG zur Kostenausgleichung angemeldet. Das Landgericht hat die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten als nicht erstattungsfähig angesehen und den vom Kläger zu erstattenden Betrag daher um 630,28 € geringer festgesetzt, als vom Beklagten beantragt.




Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte sein Kostenfestsetzungsbegehren in vollem Umfang weiter.


II.

1. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

2. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, die für das Güteverfahren geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren stellten keine erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO dar. Sie fielen nicht unter § 91 Abs. 3 ZPO, da diese Bestimmung nur die Gebühren der Gütestelle, nicht aber Anwaltskosten erfasse. Auch handele es sich nicht um unmittelbar prozessbezogene, notwendige Vorbereitungskosten gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, zumal das Güteverfahren nicht obligatorisch, sondern freiwillig gewesen sei.

3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

a) Die geltend gemachten Anwaltskosten sind nicht nach § 91 Abs. 3 ZPO als Kosten des Rechtsstreits zu behandeln, da sie keine durch ein Güteverfahren entstandenen Gebühren im Sinne dieser Vorschrift sind.

Die Kosten eines Güteverfahrens vor einer anerkannten Gütestelle zählen, wie auch die Rechtsbeschwerde sieht, nicht zu den Kosten des Rechtsstreits selbst, weil das Güteverfahren nicht Teil des gerichtlichen Verfahrens ist (OLG München, MDR 1999, 380, 381; OLG Hamm, OLGR 2007, 672; Schneider in Prütting/Gehrlein, ZPO, 10. Aufl., § 91 Rn. 8). Hiervon ausgehend regelt § 91 Abs. 3 ZPO einen besonderen Fall vorgerichtlicher Kosten, indem er auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind, zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 zählt, sofern nicht zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.




Von dieser Regelung werden aber nur die Gebühren der Gütestelle erfasst, nicht auch die im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten (OLG Hamburg, OLGR 2002, 19, 20; BayObLG, NJW-​RR 2005, 724; OLG Karlsruhe, OLGR 2008, 761, 762; Muthorst in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rn. 46; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 91 Rn. 9; MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 91 Rn. 35 f.; Hk-​ZPO/Gierl, 7. Aufl., § 91 Rn. 7; Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 91 Rn. 7; BeckOK ZPO/Jaspersen, Stand: 1. Dezember 2018, § 91 Rn. 90; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 91 Rn. 101; Hellstab in v. Eicken/Hellstab/Dörndorfer/Asperger, Die Kostenfestsetzung, 23. Aufl., Rn. B 317; Feller in Göttlich/Mümmler, RVG, 5. Aufl., "Güteverfahren", Anm. 3 "Kostenerstattung"; Pfab, Rpfleger 2005, 412; Schneider, NJW-​Spezial 2010, 155; anders Schneider in Prütting/Gehrlein, ZPO, 10. Aufl., § 91 Rn. 8). Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut der Norm, der nur von Gebühren, nicht aber auch von Auslagen oder allgemeiner gefasst von Kosten spricht. Eine auf Gebühren beschränkte Einbeziehung anwaltlicher Kosten erschiene nicht plausibel. Zwar verweist die Vorschrift, worauf die Rechtsbeschwerde hinweist, mit der Formulierung "im Sinne der Absätze 1, 2" auch auf § 91 Abs. 2 ZPO, der lediglich die Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Kosten betrifft. Die Verweisung besagt im Ganzen aber nur, dass die in Absatz 3 genannten Gebühren zu den zuvor in § 91 Abs. 1, 2 ZPO aufgeführten Kosten des Rechtsstreits hinzutreten. Eine Ausweitung des Regelungsgehalts des Absatzes 3 ergibt sich hieraus nicht. Zudem enthält § 15a Abs. 4 EGZPO für das obligatorische Güteverfahren eine dem § 91 Abs. 3 ZPO nachgebildete Regelung und erklärt ausdrücklich nur die Kosten der Gütestelle zu "den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung". Hieraus hat bereits das Beschwerdegericht zu Recht gefolgert, dass auch die identische Formulierung in § 91 Abs. 3 ZPO keine, auf die Erwähnung von Abs. 2 gestützten, weitergehenden Schlüsse rechtfertigt.

b) Es handelt sich bei den hier geltend gemachten Kosten auch nicht um die Regelung in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterfallende Vorbereitungskosten.

aa) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO gehören neben den durch die Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelösten Kosten auch diejenigen Kosten, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen. Diese werden aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit den Prozesskosten zugerechnet und können im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08, NJW 2013, 2668 Rn. 9; Beschluss vom 26. April 2017 - I ZB 41/16, WRP 2017, 835 Rn. 11, jew. mwN).

Unter diesem Gesichtspunkt wird verbreitet angenommen, dass die in einem obligatorischen Güteverfahren nach § 15a EGZPO aufgewandten Kosten der rechtsanwaltlichen Vertretung Kosten des nachfolgenden Rechtsstreits sind (BayObLG, NJW-​RR 2005, 724; OLG Karlsruhe, OLGR 2008, 761, 762; OLG Köln, NJW-​RR 2010, 431; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 91 Rn. 9; Hk-​ZPO/ Gierl, 7. Aufl., § 91 Rn. 6; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl., § 91 Rn. 7a; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 91 Rn. 101; Hellstab in v. Eicken/Hellstab/Dörndorfer/Asperger, Die Kostenfestsetzung, 23. Aufl., Rn. B 426; Feller in Göttlich/Mümmler, RVG, 5. Aufl., "Güteverfahren", Anm. 3 "Kostenerstattung"; Schneider, NJW-​Spezial 2010, 155 f.; a.A. OLG Hamm, OLGR 2007, 672; kritisch auch Pfab, Rpfleger 2005, 411, 413).


Diese Einschätzung wird insbesondere damit begründet, dass eine Klage, die ohne vorherige Durchführung eines notwendigen Güteverfahrens erhoben wird, ohne weiteres abzuweisen ist. Daher diene die Einleitung und Durchführung eines obligatorischen Güteverfahrens nicht nur der Vermeidung eines Rechtsstreits, sondern bilde zugleich eine notwendige Voraussetzung für eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs und diene insoweit der Vorbereitung eines konkreten Rechtsstreits.

bb) Anwaltskosten, die in einem freiwilligen, nicht obligatorischen Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind, gehören hingegen nicht zu den Vorbereitungskosten, die im Falle ihrer Notwendigkeit nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten sind (LG Mönchengladbach, Rpfleger 2003, 269, 270; Feller in Göttlich/Mümmler, RVG, 5. Aufl., "Güteverfahren", Anm. 3 "Kostenerstattung"; Schons in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., Nr. 2303 VV Rn. 13; Heck/Krafka/U. Schmidt in Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, Rn. 599; Friedrich, NJW 2003, 3534, 3536; im Ergebnis ebenso OLG Hamburg, OLGR 2002, 19, 20; a.A. LG Nürnberg-​Fürth, NJW-​RR 2003, 1508; AnwK-​RVG/Onderka/Schafhausen/Schneider/Thiel, 8. Aufl., VV 2303 Rn. 50; wohl auch MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 91 Rn. 36, 38; BeckOKZPO/Jaspersen, Stand: 1. Dezember 2018, § 91 Rn. 90).

Denn die Durchführung eines freiwilligen Güteverfahrens dient im Wesentlichen einer außergerichtlichen Erledigung der Streitigkeit und nicht zugleich der Vorbereitung eines späteren Prozesses, für den es seiner Funktion nach regelmäßig keine verwertbaren Erkenntnisse oder Resultate erbringen kann. Kosten, die zur Abwendung eines drohenden Rechtsstreits aufgewendet werden, stellen keine Kosten der Prozessvorbereitung dar (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - I ZB 16/07, NJW 2008, 2040 Rn. 8; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., §§ 103, 104 Rn. 21 "Außergerichtliche Anwaltskosten"). Daher lösen Bemühungen, die lediglich die Prozessvermeidung bezwecken, im Allgemeinen keine erstattungsfähigen Vorbereitungskosten aus. Dies gilt etwa für Mahnschreiben (BGH, Beschluss vom 27. April 2006 - VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560 Rn. 7), wettbewerbsrechtliche Abmahnungen (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2005 - I ZB 21/05, NJW-​RR 2006, 501 Rn. 12) und Abwehrschreiben (BGH, Beschluss vom 27. April 2006 - VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560 Rn. 7). Das Gleiche wird für Verfahren vor den Einigungsstellen der Industrie- und Handelskammern (OLG München, MDR 1999, 380, 381; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 91 Rn. 10) und generell für vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen (Muthorst in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rn. 43 mwN auch zu Gegenstimmen) angenommen.

cc) Aus § 91 Abs. 3 ZPO lässt sich demgegenüber auch nicht mittelbar ableiten, dass es sich bei Anwaltskosten, die in einem freiwilligen Güteverfahren entstanden sind, um Kosten des Rechtsstreits handele.

Zwar mag eine Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten nicht bereits durch einen Umkehrschluss aus § 91 Abs. 3 ZPO oder § 15a EGZPO ausgeschlossen sein, da beide Vorschriften die Frage der Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten unberührt lassen (so MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 91 Rn. 36; MünchKommZPO/Gruber, 5. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 55; BeckOK ZPO/Jaspersen, Stand: 1. Dezember 2018, § 91 Rn. 90; AG Schwäbisch Gmünd, NJW 2009, 3441, 3442). Es lässt sich umgekehrt für die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten aber auch nicht anführen, der Gesetzgeber habe in § 91 Abs. 3 ZPO und § 15a EGZPO zum Ausdruck gebracht, dass die Kosten des Güteverfahrens insgesamt dem nachfolgenden Rechtsstreit zuzuordnen seien (so MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 91 Rn. 36). Eine über die Kosten der Gütestelle hinausgehende Zuordnung nimmt das Gesetz nicht vor.



Eine hieraus folgende unterschiedliche Behandlung der Kosten der Gütestelle einerseits und der im Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten andererseits erscheint auch nicht unplausibel. Denn unabhängig von der allgemeinen Frage, ob eine Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten in einem Güteverfahren sachgerecht erscheint, ergibt sich ein wesentliches Unterscheidungskriterium, das geeignet ist, eine differenzierende Behandlung zu rechtfertigen, schon aus den jeweiligen Folgen für den Ablauf des Kostenfestsetzungsverfahrens. Bei diesem Verfahren handelt es um ein Massenverfahren, das einer zügigen und möglichst unkomplizierten Abwicklung bedarf (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 - I ZB 71/13, WRP 2014, 1468 Rn. 13; Beschluss vom 25. Oktober 2016 - VI ZB 8/16, NJW 2017, 672 Rn. 9). Durch die nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO jeweils erforderliche Prüfung der Notwendigkeit der in einem Güteverfahren angefallenen Anwaltskosten würde das Kostenfestsetzungsverfahren erheblich belastet. So hinge etwa die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten des Anspruchsgegners auch von der im Einzelfall zu klärenden Frage nach dessen Einigungsbereitschaft ab.

dd) An der hier vorgenommenen Bewertung ändert nichts, dass die Gütestelle nicht von dem Beklagten, um dessen Anwaltskosten es geht, sondern vom Kläger angerufen worden ist. Der Anspruchsgegner hat keinen Anlass, sich im Güteverfahren eines Anwalts zu bedienen, wenn er sich ohnehin nicht auf eine Einigung einlassen will. Hat er aber grundsätzlich Interesse an einer gütlichen Beilegung der Streitigkeit, dient das Güteverfahren auch aus seiner Sicht der Vermeidung eines Rechtsstreits, nicht dessen Vorbereitung.

c) Gegen die Einschätzung des Beschwerdegerichts, dass die Parteien mit dem von ihnen geschlossenen Prozessvergleich und der darin enthaltenen Kostenregelung keine Vereinbarung über die Erstattung der Anwaltsgebühren aus dem Güteverfahren getroffen haben, erinnert die Rechtsbeschwerde nichts. Diese Einschätzung des Beschwerdegerichts ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden.

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