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"Gegen die Preisermittlung der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage bestehen begründete Zweifel. Es ist fraglich, ob die den Erhebungen zugrunde gelegten, angeblich langfristig geltenden Preislisten mit Rücksicht auf die Abhängigkeit der am Markt realisierbaren Preise von der konkreten Wettbewerbssituation und einer nicht auszuschließenden Manipulationsmöglichkeit überhaupt geeignet sind, tatsächlich realisierte Marktpreise auch nur annähernd zutreffend zu erfassen (OLG Frankfurt Urt. v. 3.3.2015, 4 U 164/15 Rn. 18 zitiert nach Juris und OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.3.2015, 1 U 42/14, Rn. 31 ff. zitiert nach Juris). Die Annahme der Schwacke-Autoren, die in den eingeholten Preislisten der Mietwagenunternehmen angegebenen Preise würden den tatsächlich auf dem Markt realisierten Mietpreisen entsprechen, ist nicht belegt. Dagegen spricht, dass der Marktpreis sich nicht nach den von Schwacke eingeholten statischen Preislisten, die laut Schwacke-Liste "für einen sehr langen Zeitraum gelten" (vgl. z.B. Schwacke-Liste 2012, Seite 8), sondern nach den Preisen richtet, mit denen ein Kunde in der Situation des Geschädigten tatsächlich konfrontiert wird (OLG Düsseldorf a.a.O.). Diese Preise wiederum bemessen sich nach der aktuellen Angebots- und Nachfragesituation und unterliegen typischerweise Schwankungen, die sich ständig auf das Preisniveau auswirken. Diese Schwankungen können von für einen "sehr langen Zeitraum" erstellten Preislisten also nicht hinreichend abgebildet werden. Außerdem ist es nicht unüblich, dass Waren und Dienstleistungen dem Endkunden zu einem u.U. deutlich günstigeren als dem in einer Preisliste aufgeführten Preis offeriert werden, nämlich zu der im Zeitpunkt der Buchung aktuellen Angebots- und Nachfragesituation. Dies liegt gerade für den Mietwagenmarkt nahe, auf dem bedingt durch zahlreiche Anbieter eine nicht unerhebliche Konkurrenzsituation herrscht (OLG Düsseldorf a.a.O.).
Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass sich eine Abfrage durch Einholung von Internetangeboten und mittels anonymer Telefonabfragen, wie sie dem Fraunhofer-Mietspiegel zugrunde liegen, zur Feststellung realer Marktpreise besser eignet. Aufgrund der wachsenden Bedeutung des Internets für Preisvergleiche und zur tatsächlichen Buchung von Dienstleistungen, ist die Erhebung von Preisen ohne Einbeziehung des Internets, wie sie die Schwacke-Erhebung durchführt, nicht mehr zeitgemäß und nicht zu rechtfertigen. Da das Internet als Medium des Preisvergleiches größte Bedeutung hat beeinflusst es auch die Preisbildung als solche, da eine Anmietung zu Preisen, die über den im Internet angebotenen liegen, praktisch erheblich erschwert sein dürfte.
Aber auch die Erhebung nach Fraunhofer vermag letztlich nicht zu überzeugen. Ihre Schwäche liegt insbesondere darin, dass sich ihre Erhebungen auf ein Gebietsbeschränken, das nach nur zweistelligen Postleitzahlen ausgewählt ist. Ihr Raster ist räumlich daher vergleichsweise groß angelegt. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Schwacke-Erhebung genauer und überzeugender, denn ihr liegt eine nach dreistelligen Postleitzahlengebieten differenzierte Abfrage zugrunde. Damit ist dem Umstand besser Rechnung getragen, dass sich der Geschädigte grundsätzlich nur auf den regional zugänglichen Markt verweisen lassen muss. Für die Schwacke-Liste spricht außerdem, dass bei ihr auch Zuschläge berücksichtigt werden, die bei der Anmietung in der Praxis tatsächlich verlangt werden.
Aufgrund der aufgezeigten Mängel beider Erhebungen sieht die Kammer in beiden Listen jeweils für sich genommen keine geeignete Schätzungsgrundlage gemäß § 287 Abs. 1 ZPO für die Ermittlung des Normaltarifs. Vielmehr hält es die Kammer für sachgerechter, zwecks Ausgleichs der jeweiligen Schwächen beide Listen derart zu kombinieren, dass als Schätzungsgrundlage das aus der Summe der Mietpreise beider Listen gebildete arithmetische Mittel ("Fracke") herangezogen wird (so auch LG Frankfurt - 16. Zivilkammer, Urteil vom 10.10.2018, Az. 2-16 S 218/17, und 15. Zivilkammer, Urteil vom 31.10.2018, Az.: 2-15 S 76/18; OLG Saarbrücken, Urteil vom 22.12.2009, Az.: 4 U 294/09, NJW-RR 2010, 541 [OLG Saarbrücken 22.12.2009 - 4 U 294/09-83]; OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2013, Az.: 1 U 130/12, BeckRS 2014, 02868; OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013, Az.: 15 U 186/12, NZV 2014, 314; OLG Zweibrücken, Urteil vom 22.01.2014, Az.: 1 U 165/11, BeckRS 2014, 21180; OLG Hamm, Urteil vom 18.03.2016, Az.: 9 U 142/15, NZV 2016, 336; OLG Celle, Urteil vom 01.02.2017, Az.: 14 U 61/16, BeckRS 2017, 140012). Auf diese Weise lässt sich ein angemessener Ausgleich zwischen den erheblichen Differenzen beider Listen erreichen. (...).
Gegen die Anwendung des arithmetischen Mittels als Schätzungsgrundlage kann nicht mit Erfolg vorgebracht werden, dass damit letztlich Abstand von dem Ansatz genommen würde, als Grundlage für den Schadensersatzanspruch den tatsächlichen Marktpreis anhand einer empirischen Schätzungsgrundlage zu ermitteln (so aber OLG Düsseldorf BeckRS 2015, 06715, Rn. 48 u. 49). Dem ist entgegenzuhalten, dass auch die beiden Markterhebungen nach Schwacke und Fraunhofer lediglich als Grundlage der Schätzung dienen und es dem Tatrichter im Rahmen seines Ermessens nach § 287 ZPO frei steht, von den sich aus den Markterhebungen ergebenden Tarifen etwa durch Zuschläge abzuweichen (so auch OLG Celle NJW-RR 2016, 1119, Rn. 30 und 31). Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass das Ergebnis der richterlichen Schätzung die Wirklichkeit regelmäßig ohnehin nicht exakt abbildet. Demgemäß hat der BGH - wie bereits ausgeführt - die Bildung des arithmetischen Mittels grundsätzlich nicht als rechtsfehlerhaft erachtet (z.B. BGH NJW-RR 2010, 1251 [BGH 18.05.2010 - VI ZR 293/08]; BGH NJW-RR 2011, 823 [BGH 22.02.2011 - VI ZR 353/09])."
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