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Landgericht Köln Urteil vom 15.01.2019 - 11 S 8/18 - Schätzgrundlage der angemessenen Mietwagenkosten

LG Köln v. 15.01.2019: Schätzgrundlage zur Ermittlung der angemessenen Mietwagenkosten


Das Landgericht Köln (Urteil vom 15.01.2019 - 11 S 8/18) hat entschieden:

   Sowohl die „Schwacke-Liste, den Fraunhofer Marktpreisspiegel oder einen Durchschnittswert beider Erhebungen kann das _Gericht als Schätzgrundlage für die Ermittlung, der angemessenen Mietwagenkosten zugrunde legen. Die Anwendung der Listen bedarf nur dann der Klärung, wenn konkret aufgezeigt wird, dass Mängel der Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken, indem deutlich günstigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufgezeigt werden.


Siehe auch
Unfallersatztarif: Schwacke oder Fraunhofer? Rechtsprechung mit neutraler Position
und
Ersatz der unfallbedingten Mietwagenkosten


Gründe:


I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, §§ 313 Abs. 1 S. 1, 540 Abs.  2 ZPO.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung der Klage im erkannten Umfang stattgegeben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Mietwagenkosten in Höhe des ausgeurteilten Betrages gemäß §§ 7, 17 StVG, 249 BGB, 115 VVG aus abgetretenem Recht der jeweils durch die stattgefundenen Verkehrsunfälle geschädigten Zedenten. Auf die Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Ergänzend ist allein das folgende auszuführen:

Das Amtsgericht ist entgegen der Auffassung der Berufung zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (= angemessener Normaltarif, BGH Urteil vom 12. Oktober 2004 - VI ZR 151/03, BGHZ 160, 377, 383 f.; BGH Urteil vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07, VersR 2008, 699 Rn. 7; BGH Urteil vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07, VersR 2008, 1706 Rn. 9 mwN).




Die Ermittlung der Schadenshöhe und damit des angemessenen "Normaltarifes" ist sodann Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Eine bestimmte Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Das Amtsgericht war daher grundsätzlich weder gehindert, seiner Schadensschätzung die "Schwacke-​Liste" noch den Fraunhofer-​Marktpreisspiegel oder einen Durchschnittswert beider Erhebungen zugrunde zu legen. Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen (BGH, Urteil vom 12. April 2011 - VI ZR 300/09 -, Rn. 17, juris).

Das Amtsgericht hat ausweislich der Urteilsgründe auch tatsächlich nicht - wie von der Berufung behauptet - die Prüfung einer (möglichen) Schadensminderungspflicht der Prüfung dieser vom Geschädigten zu beweisenden Erforderlichkeit der Mietwagenkosten nach § 249 BGB vorangestellt. (Das Amtsgericht hat die Prüfung des § 254 BGB - unter ausführlicher Begründung seiner Vorgehensweise lediglich im Fall 1 aufgrund der Frage einer verzögerten Reparatur nach neuntägiger Reparaturdauer und der insoweit gebotenen Sorgfaltspflicht bei der Auswahl und Überwachung der Werkstatt vorgezogen.)

Das Amtsgericht hat ferner nicht verkannt, dass die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, mithin auch die hier zur Anwendung gebrachte "Schwacke-​Liste", dann, aber auch nur dann, der Klärung bedarf, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Die Anwendung der Listen durch den Tatrichter begegnet nämlich nur dann Bedenken, wenn die Parteien deutlich günstigere bzw. ungünstigere Angebote anderer Anbieter für den konkreten Zeitraum am Ort der Anmietung aufzeigen (OLG Düsseldorf, MDR 2015, 454; BGH, NJW 2013, 1539; BGH NJW 2011, 1947). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte aber durch die Vorlage beispielhafter Tarife anderer Mietwagenunternehmen tatsächlich keine günstigeren Angebote für eine vergleichbare Anmietsituation aufgezeigt. Jedenfalls ergeben sich diese nicht aus den vorgelegten Anlagen (BLD 11, 13, 14 und 15), weil sich die Vergleichsangebote letztlich nicht auf vergleichbare Bedingungen beziehen (tägliche Verfügbarkeit; Selbstbeteiligung ab 950,00 Euro ggü. 150,00 Euro bei der Klägerin - insofern war das Bestreiten der Beklagten, dass eine Selbstbeteiligung unter 500,00 Euro wirksam vereinbart worden sei, schon nicht erheblich). Nach alledem war das Amtsgericht nicht gehindert gemäß § 287 ZPO in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (siehe oben) die "Schwacke-​Liste" entsprechend seiner durchgreifenden Begründung, zu der die Berufungsklägerin ebenfalls nicht Substantielles äußert, heranzuziehen.


Der Erforderlichkeit der Mietwagenkosten steht im Fall 1) auch eine Anmietdauer von 9 Tagen nicht entgegen: Die Reparaturdauer für das verunfallte Fahrzeug von 9 Tagen ergibt sich aus dem von der Beklagten selbst vorgelegten Reparaturablaufplan, gegen den konkrete Einwendungen nicht vorgebracht werden. Die Erforderlichkeit der Dauer der Anmietung im Sinne des § 249 BGB ist damit belegt. Der Umstand, dass der Geschädigte sein Fahrzeug nicht an einem Montag in die Werkstatt gebracht hat, um zu verhindern, dass das Fahrzeug auch über das Wochenende in der Werkstatt verbleiben muss, begründet im Weiteren auch keinen Verstoß gegen Schadenminderungspflichten, § 254 BGB. Hier ist schon nicht zu unterstellen, dass der Geschädigte überhaupt Kenntnis von der voraussichtlichen Dauer der Reparatur hatte, die ihn überhaupt erst in die Lage versetzt hätte, den Beginn der Reparatur schadensbegrenzend auf einen Montag zu legen.

Nachdem festgestellt werden kann, dass die geltend gemachten Mietwagenkosten nach alledem im Sinne des § 249 BGB erforderlich waren, ist auch im Weiteren kein Verstoß der Geschädigten gegen Schadensminderungspflichten im Sinne des § 254 BGB erkennbar. Insoweit wird nicht verkannt, dass dem Geschädigten eine kostengünstigere Anmietung gemäß § 254 BGB grundsätzlich zugemutet wird, wenn fest- steht, dass ihm ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation "ohne Weiteres" zugänglich war (BGH, Urteil vom 26.04.2015 VI ZR 563/15; LG Köln, Urteil vom 01.08.2017, 11 S 473/15 und vom 16.01.2018, 11 S 38/16). Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch durch die Verweisungsschreiben der Beklagten vom 02.01.2014 (Fall 1) und vom 20.11.2014 (Fall 2) sowie durch das geführte Telefonat im Fall 5 schon nach dem Vortrag der Beklagten nicht erfüllt, weshalb insoweit eine Beweisaufnahme, deren Unterlassung die Beklagte mit der Berufung rügt, nicht veranlasst war. Beide vorgenannten Verweisungsschreiben (Fall 1 und 2) lassen jeweils ein konkretes Angebot vermissen. Sie enthalten lediglich Hinweise zu Tageshöchstpreisen, die nicht überschritten werden sollten und deren Berechtigung schon nicht erkennbar ist. Eine hinreichend konkrete Verweisung, aufgrund derer die Geschädigten "ohne Weiteres" eine kostengünstigere Anmietung hätten realisieren können, liegt hierin jeweils nicht.

Auch im Fall 5) hat die Beklagte tatsächlich nicht dargelegt, dass der Geschädigte in die Lage versetzt worden wäre, ein vergleichbares Ersatzfahrzeug zu günstigeren Konditionen "ohne Weiteres" anzumieten. So trägt die Beklagte zwar vor, das sie dem Geschädigten telefonisch am 31.03.2017 ein Mietfahrzeug der C. Autovermietung vermittelt hat und der Geschädigte dieser Vermittlung zunächst zugestimmt und sodann dennoch bei der Klägerin angemietet hat. In einem weiteren Telefonat am 11.04.2017 habe die Beklagte den Geschädigten darauf hingewiesen, dass ein Richtpreis von 52,00 Euro pro Tag nicht überschritten werden sollte.



Eine hinreichend konkrete Verweisung auf ein vergleichbares Angebot trägt die Beklagte zu dem Telefonat am 31.03.2017 jedoch tatsächlich nicht vor. Welches Fahrzeug zu welchem Preis hier angemietet werden konnte, bleibt offen. Auch der Verweis auf einen Richtwert von 52,00 Euro im weiteren Telefonat vom 11.04.2017 stellt keinen hinreichend konkreten Verweis nach obiger Maßgabe dar. Eine diesbezügliche Beweisaufnahme wäre daher mangels hinreichenden Vortrags der Beklagten auf Ausforschung gerichtet und hatte daher im Ergebnis zu Recht zu unterbleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren:  2.851,68 Euro

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