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Verwaltungsgericht Gera Beschluss vom 09.01.2019 - 3 E 2255/18 - Verzicht auf die Fahrerlaubnis durch einen Betreuer

VG Gera v. 09.01.2019: Wirksamkeit der Erklärung des Verzichts auf die Fahrerlaubnis durch einen Betreuer


Das Verwaltungsgericht Gera (Beschluss vom 09.01.2019 - 3 E 2255/18) hat entschieden:

   Hat der gerichtlich bestellte Betreuer das Verwaltungsverfahren an sich gezogen, muss der Betreute den durch den Betreuer erklärten Verzicht auf die Fahrerlaubnis gegen sich wirken lassen.


Siehe auch
Verzicht auf die Fahrerlaubnis
und
Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein


Gründe:


I.

Der Antragsteller begehrt die Herausgabe seines Führerscheins.

Der 1958 geborene Antragsteller war seit 1973 bzw. 1983 Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, B, BE, C1, C1E, L und AM. Seit dem 19. Mai 2016 stand der Antragsteller auf Anordnung des Amtsgerichts J... unter vorläufiger Betreuung, die u.a. den Aufgabenkreis der „Vertretung gegenüber Behörden“ umfasste. Im August 2016 erhielt die Antragsgegnerin durch den gerichtlich bestellten Betreuer Kenntnis davon, dass bei dem Antragsteller durch das Universitätsklinikum J… eine wahnhafte Störung (...) diagnostiziert worden sei. Mit Schreiben vom 2. September 2016 ordnete die Antragsgegnerin die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens zu der Frage an, ob der Antragsteller trotz seiner Erkrankung den Anforderungen zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen der innegehabten Klassen gerecht werde.

Im Auftrag des Amtsgerichts J... erstellte der Facharzt für Psychiatrie L... am 9. September 2016 ein Gutachten, ausweislich dessen er bei dem Antragsteller eine wahnhafte Störung mit Tendenz zur Chronifizierung (...) diagnostizierte. Mit Beschluss des Amtsgerichts J vom 26. September 2016 wurde die Betreuung des Antragstellers auf sieben Jahre verlängert.

Am 26. Oktober 2016 teilte der Betreuer der Antragsgegnerin mit, dass ein Gutachten nicht vorgelegt werde. Die Antragsgegnerin übersendete sodann an den Betreuer ein Anhörungsschreiben zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis sowie eine auf den 8. November 2016 datierte Verzichtserklärung. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 32 ff. des Behördenvorgangs verwiesen. Am 22. November 2016 besuchte der Betreuer den Antragsteller in dessen Wohnstätte in A.... Im Laufe des Gesprächs unterzeichnete der Antragsteller die Verzichtserklärung. Diese übergab der Betreuer zusammen mit dem Führerschein des Antragstellers am 25. November 2016 an die Antragsgegnerin.

Im Dezember 2017 beantragte der Antragsteller bei dem Amtsgericht J die Aufhebung der Betreuung. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde er durch den psychiatrischen Gutachter Dr. C... untersucht. Dieser kam in seinem Gutachten vom 12. Januar 2018 zu dem Ergebnis, dass bei dem Antragsteller eine „neurotische Entwicklung des taktierenden Handelns nach rapidem sozialen Abstieg bei paranoider Persönlichkeitsstörung (...)“ vorliege, eine Schizophrenie oder eine bloße wahnhafte Störung sei aktuell nicht beweisbar.




Am 7. März 2018 suchte der Antragsteller den Leitenden Stadtrechtsdirektor der Antragsgegnerin auf, schilderte seine Krankheitsgeschichte und teilte mit, dass er die Fahrerlaubnis wiedererlangen wolle.

Mit Beschluss vom 26. April 2018 hob das Amtsgericht J... die Betreuung auf.

In einem persönlichen Gespräch am 18. Juni 2018 sowie mit Schreiben vom 22. Juni 2018 forderte der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Herausgabe seines Führerscheins. Er führte aus, dass der Entzug seines Führerscheins nichtig sei, seine Fahrtauglichkeit sei durch vorliegende Gutachten bewiesen. Die Antragsgegnerin lehnte die Herausgabe des Führerscheins mit Schreiben vom 25. Juni 2018 ab. Mit Schreiben vom 16. Juli 2018 führte der Antragsteller aus, dass der Entzug seiner Fahrerlaubnis schwerwiegende Rechtsfehler aufweise. Es habe eine Zusammenarbeit von seinem Betreuer mit der Fahrerlaubnisbehörde gegeben. Die Schreiben vom 8. November 2016 habe er nicht bekommen. Am 8. November 2016 sei er nicht in der Fahrerlaubnisbehörde gewesen, eine Anhörung habe er nicht bekommen, eine Aufklärung der rechtlichen Lage nicht erfahren. Er sei zu dieser Zeit in einem geschlossenen Heim in A... untergebracht gewesen, zuvor in der Psychiatrie. Den Verzicht habe er durch arglistige Täuschung und Ausnutzung seiner Situation unterschrieben. Auf seine Fahrerlaubnis würde er niemals verzichten wollen. Am 7. September 2018 sprach der Antragsteller erneut bei der Antragsgegnerin vor. Er erklärte, dass es zwischen seinem Betreuer und der Fahrerlaubnisbehörde eine „Kungelei“ gegeben habe. Seinen Führerschein habe ihm sein Betreuer abgenommen und an die Fahrerlaubnisbehörde zurückgegeben. Die Erklärung sei ihm von seinem damaligen Betreuer „untergeschoben“ worden. Der Antragsteller legte ein Attest seines behandelnden Arztes Dr. H..., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 1. Juni 2018 vor, ausweislich dessen der Antragsteller an einer „leichten psychischen Erkrankung“ leide. Dr. H... führte aus, der Antragsteller sei „aus fachärztlicher Sicht in der Lage (…), uneingeschränkt am Straßenverkehr teilzunehmen“; es gäbe aus fachärztlicher Sicht keine Gründe, ihm seine Fahrerlaubnis weiter vorzuenthalten.

In einem Schreiben vom 12. September 2018 erklärte der Fachbereichsleiter Recht und Personal der Antragsgegnerin gegenüber dem Dezernenten für Finanzen, Sicherheit und Bürgerservice, dass nach seiner Rechtsauffassung dem Antragsteller die Fahrerlaubnis ohne eine medizinisch-​psychologische Untersuchung wiederzuerteilen sei. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Verzichtserklärung. Diese sei nicht in der Fahrerlaubnisbehörde abgegeben worden und der Antragsteller nicht über die Konsequenzen aufgeklärt worden. Der Antragsteller habe sich stets gegen den Verlust der Fahrerlaubnis gewehrt und schlüssig sowie glaubhaft dargelegt, dass sein Betreuer ihm die Verzichtserklärung „untergeschoben“ habe. Der Antragsteller habe aufgrund der damaligen Situation nicht gewusst, was er alles unterschrieben hätte. Es stehe zu seiner Überzeugung fest, dass der Antragsteller die Verzichtserklärung nicht willentlich abgegeben habe. Das Attest des Dr. H… attestiere uneingeschränkte Fahrtüchtigkeit.

Den mit Schreiben vom 26. September 2018 gestellten Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zog der Antragsteller mit Schreiben vom 27. September 2018 mit der Begründung zurück, er wolle ohne weitere Begutachtung und ohne Kosten seinen Führerschein wiedererlangen. Die Entziehung beruhe auf Urkundenfälschung, Betrug und arglistiger Täuschung.

Am 1. Oktober 2018 erhob der Antragsteller Klage zu dem Verwaltungsgericht Weimar, mit welcher er die Herausgabe seines Führerscheins begehrt. Der Verwaltungsakt sei wegen schweren Formfehlern nichtig; seine Lebensgrundlage sei das Autofahren, er wolle den Beruf des Dienstwagenfahrers wieder ausüben. Mit Beschluss vom 1. November 2018 wurde das Verfahren an das Verwaltungsgericht Gera verwiesen (3 K 2203/18 Ge).

Der Antragsteller trägt vor, nicht gewusst zu haben, welchen Inhalt die von ihm am 22. November 2016 unterschriebene Erklärung hatte. Der Führerschein sei bereits im Besitz des Betreuers gewesen. Die Abgabe des Führerscheins sei nichtig. Der Betreuer habe ihm in seinem Wohnheim aufgesucht und ein Gespräch geführt. Über die Verzichtserklärung sei nicht gesprochen und diese ihm nicht gezeigt worden. Erst als der Betreuer habe gehen wollen, habe er diese dem Antragsteller vorgelegt, um schnell zu unterschreiben. Der Betreuer habe gesagt, dass es um den Führerschein gehe, damit der Antragsteller nichts bezahlen müsse. Da er weder eine Wahl, noch eine rechtliche Aufklärung gehabt habe sowie einer Abhängigkeit und dem Wohlwollen seines Betreuers ausgesetzt gewesen sei, habe der Antragsteller einfach unterschrieben. Es handele sich um arglistige Täuschung und Ausnutzung seiner schwierigen Situation.

Am 26. November 2018 hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Er verweist auf die erhobene Klage. Ergänzend führt er aus, seine berufliche Arbeits- und Existenzgrundlage sei sein Führerschein. Die Verzichtserklärung habe er nicht lesen können und sollen. Er hätte niemals auf seinen Führerschein verzichten wollen. Seinem Betreuer habe er vertraut, aber dieser habe die Situation des Antragstellers ausgenutzt.

Der Antragsteller beantragt,

  1.  ihm seinen Führerschein herauszugeben,
  2.  ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

   den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.

Die Antragsgegnerin meint, dass ein Anordnungsgrund nicht bestehe. Der Antragsteller habe sich aufgrund seines Verzichts auf die veränderte Situation einstellen müssen. Eine wesentliche Veränderung der Situation, die eine Vorwegnahme der Hauptsache bedinge, sei nicht erfolgt. Allein der Wunsch, als Berufskraftfahrer wieder tätig zu werden, begründe keine Eilbedürftigkeit. Der Anspruch auf Herausgabe des Führerscheins sei durch die Verzichtserklärung erloschen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Beteiligten im vorliegenden Verfahren und im Rechtsstreit 3 K 2203/18 Ge sowie auf die den Antragsteller betreffende Behördenakte der Antragsgegnerin (1 Heftung) verwiesen, die zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung gemacht worden sind.





II.

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO bleibt ohne Erfolg.

a) Der Antrag ist bereits unzulässig, weil die Stattgabe des Begehrens des Antragstellers in vollem Umfang auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufen würde.

Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Dies wäre vorliegend bei der Herausgabe des Führerscheins indes der Fall. Eine Vorwegnahme der Hauptsache in einem lediglich auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Eilverfahren ist nur dann zulässig, wenn es dem Rechtsschutzsuchenden mit Blick auf das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Gebot, Rechtsschutz effektiv zu gewähren, angesichts der andernfalls zu erwartenden und nicht wieder rückgängig zu machenden Folgen schlechterdings nicht zuzumuten ist, zwecks der Verfolgung seiner rechtlichen Interessen auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 11. Juli 2013 - 6 B 96/13 - Juris; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl., § 123 Rn. 14). Solche unzumutbaren Nachteile können existentielle Nachteile wirtschaftlicher Art sein; sie können aber auch darin bestehen, dass irreversible Grundrechtsverletzungen zugefügt werden (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 25. Januar 2011 - 13 B 1764/10 - Juris). Hierfür hat der Antragsteller auch nicht ansatzweise etwas substantiiert dargetan. Insbesondere kommen hierfür nicht Verzögerungen bzw. behördliche Fehler im Rahmen der Aufklärung der Adoption des Antragstellers in Betracht. Das Fahrerlaubnisrecht dient nicht der Korrektur von Fehlern, die (möglicherweise) durch andere Behörden gemacht wurden. Das Vorbringen erfüllt im Übrigen schon nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, denn diesem ist nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller aus beruflichen oder sonst rechtserheblichen Gründen sofort auf einen Führerschein angewiesen sein könnte.

b) Der Antrag ist auch unbegründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung dafür ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch sowie einen Anordnungsgrund, das heißt, die Eilbedürftigkeit seines Rechtsschutzbegehrens, glaubhaft machen kann (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Dem Antragsteller steht weder ein Anordnungsgrund zur Seite, noch hat er es vermocht, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Es spricht vielmehr alles dafür, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Herausgabe des Führerscheins gegen die Antragsgegnerin hat.

aa) Antragsteller hat keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Gemessen an den o.g. Anforderungen hat der Antragsteller weder ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes noch die Erforderlichkeit einer eilbedürftigen vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht. Der Antragsteller ist seit mehreren Jahren nicht berufstätig und lebt von staatlichen Sozialleistungen. Es ist keinerlei Grund ersichtlich, weshalb nun eine eilbedürftige gerichtliche Entscheidung mit einer vorläufigen Regelung zugunsten des Antragstellers erforderlich sein soll. Allein der Wunsch, nach Wiedererlangung seines Führerscheins zukünftig wieder als Berufskraftfahrer tätig zu werden, genügt hierfür nicht. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter a) verwiesen.

bb) Der Antragsteller hat auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller in der Hauptsache bei summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird. Maßgebend sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft machen können, dass ihm ein Anspruch auf Herausgabe des Führerscheins gegen die Antragsgegnerin zusteht, denn er hat auf seine Fahrerlaubnis wirksam verzichtet.


Anspruchsgrundlage für die Herausgabe des Führerscheins ist § 22 Abs. 3 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde den Führerschein auszuhändigen, wenn alle Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis vorliegen. Diesem Anspruch steht vorliegend entgegen, dass die Fahrerlaubnis des Antragstellers durch die am 25. November 2016 bei der Antragsgegnerin eingegangene Verzichtserklärung erloschen ist. Der Verzicht auf die Fahrerlaubnis ist zwar gesetzlich nicht geregelt, nach allgemeinen Grundsätzen aber möglich und wird im StVG vorausgesetzt. Der Verzicht auf die Fahrerlaubnis ist gemäß § 3 Abs. 6 StVG dem Entzug der Fahrerlaubnis gleichgestellt. Durch den Verzicht wird das den rechtlichen Vorteil gewährende Rechtsverhältnis als beendet angesehen, weshalb mit dem Verzicht, der gegenüber der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde erklärt wurde, die Fahrerlaubnis erlischt (vgl. OVG Sachs-​Anh, Beschl. v. 20. November 2015 - 3 L 102/15 -; VG Düsseldorf, Urt. v. 16. Februar 2017 - 6 K 8088/16 - jeweils Juris; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 3 StVG Rn. 35).

Bei der Verzichtserklärung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die entsprechend § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB in dem Zeitpunkt wirksam wird, in dem sie der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde zugeht. Besondere Formerfordernisse sind beim Verzicht auf die Fahrerlaubnis nicht zu beachten. Der Verzicht muss zwar nicht ausdrücklich, aber eindeutig und unmissverständlich erklärt werden und darauf gerichtet sein, das Erlöschen der Fahrerlaubnis herbeizuführen (vgl. OVG Sachs-​Anh, Beschl. v. 20. November 2015 - 3 L 102/15 -; VG Düsseldorf, Urt. v. 16. Februar 2017 - 6 K 8088/16 - jeweils Juris). Wird der Führerschein zurückgegeben, endet die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen. Für den Verzicht auf die Fahrerlaubnis ist somit allein die freiwillige Abgabe des Führerscheins ausreichend; der Grund (Gesundheitszustand, Alter usw.) ist dabei grundsätzlich ohne Belang und ein entgegenstehender Wille des Erlaubnisinhabers nur dann von Belang, wenn er aufgrund eines (beachtlichen) Irrtums zur Anfechtung berechtigt (vgl. OVG Sachs-​Anh, Beschl. v. 20. November 2015 - 3 L 102/15 - Juris).

(1) Der Antragsteller hat wirksam auf seine Fahrerlaubnis verzichtet.

Der Antragsteller hat den Verzicht wirksam erklärt, insbesondere stand dem weder sein Aufenthalt in einer psychiatrischen Wohneinrichtung, noch die amtsgerichtliche Anordnung der Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB entgegen.

Da keine besonderen Formvorschriften bestehen, ist es für die formelle Rechtmäßigkeit unerheblich, dass der Verzicht außerhalb der Fahrerlaubnisbehörde erklärt worden ist. Der Antragsteller vermag auch nichts daraus herzuleiten, dass die Angabe von Ort und Datum auf der Verzichtserklärung (Bl. 36 BA 1) nicht dem tatsächlichen Hergang entsprechen, weil er das Formular nicht am 8. November 2016 in J…, sondern erst am 22. November 2016 in A… unterschrieben hat. Zum einen hätten die Angaben - welche von dem Verwenden eines Vorlagen-​Formblatts herrühren dürften - handschriftlich korrigiert werden können, zum anderen lassen sie den übrigen Inhalt der Erklärung unberührt. Orts- und Datumsangaben vermögen zwar im Hinblick auf einen Rechtsbindungswillen sekundäre Beweiskraft zukommen, vorliegend ist jedoch unstreitig, dass beide Angaben falsch wiedergeben sind, der Antragsteller jedoch gleichwohl die Erklärung unterschrieben hat und diese von seinem Betreuer zusammen mit dem Führerschein an die Antragsgegnerin übergeben wurden. Der Wortlaut der Verzichterklärung geht dahin, dass der Antragsteller auf die ihm erteilte Fahrerlaubnis aller Klassen verzichtet und seinen Führerschein zurückgibt. Weiter wird darauf hingewiesen, dass er ab sofort nicht mehr berechtigt ist, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Anlass für die Abgabe der Verzichtserklärung war die Anhörung der Antragsgegnerin zur Entziehung der Fahrerlaubnis mangels gesundheitlicher Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. In diesem Rahmen wurde der Antragsteller zugleich auf die Möglichkeit des freiwilligen Verzichts durch Rücksendung der als Anlage beigefügten unterschriebenen Verzichterklärung und Beifügung des Führerscheins hingewiesen.

Unerheblich ist, dass der Antragsteller aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts J… vom 26. September 2016 unter Betreuung stand. Die Betreuung umfasste zwar den Aufgabenkreis der „Vertretung gegenüber Behörden“, enthielt jedoch keinen Einwilligungsvorbehalt (vgl. §§ 1902, 1903 BGB). Die Betreuerbestellung nimmt dem Betroffenen nicht seine bürgerlich-​rechtliche Geschäftsfähigkeit, sofern er nicht wegen einer nicht nur vorübergehenden krankhaften Störung seiner Geistestätigkeit gemäß § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig ist. Der Betreute ist daher i.S.v. § 12 ThürVwVfG grundsätzlich handlungsfähig und kann selbstständig wirksame Verfahrenshandlungen vornehmen. Das gilt auch, wenn Handlungen i.S.d. ThürVwVfG in den Aufgabenbereich fallen, für den der Betreuer bestellt ist (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. § 12 Rn. 21).

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn der Verzicht ist bereits deshalb wirksam, weil der Betreuer diesen selbst konkludent vorgenommen oder aber zumindest genehmigt hat. Da der Betreuer in dem nach § 286 Abs. 1 Nr. 1 FamFG festgelegten Aufgabenkreis den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 1902 BGB), kann der Betreuer auch ein Verwaltungsverfahren jederzeit an sich ziehen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. § 12 Rn. 22). Ein solches Ansichziehen kann vorliegend bereits darin gesehen werden, dass es der Betreuer war, der das gesamte Verwaltungsverfahren bei der Fahrerlaubnisbehörde in Gang gesetzt hat, denn er hat nicht nur den Entlassungskurzbrief an die Antragsgegnerin übersendet, sondern auch mitgeteilt, dass ein Gutachten nicht übersendet wird, und letztlich sowohl die Verzichtserklärung als auch den Führerschein an die Antragsgegnerin übergeben. Hierin ist zumindest ein - aufgrund der Formfreiheit möglicher - (konkludenter) Verzicht durch den Betreuer als Vertreter des Antragstellers gemäß § 1902 BGB selbst zu sehen.

Den von seinem Betreuer erklärten Verzicht muss der Antragsteller gegen sich wirken lassen. Insbesondere kann er nicht damit gehört werden, dass die Betreuung mit Beschluss vom 26. April 2018 aufgehoben wurde. Eine rückwirkende Aufhebung der Betreuung kam nicht in Betracht. Bei der Bestellung eines Betreuers handelt es sich um eine rechtsgestaltende Entscheidung, die mit der Bekanntmachung an den Betreuer wirksam wird. Das Gesetz sieht deshalb in § 1908 d) Abs. 1 BGB nur die Aufhebung der Betreuung mit Wirkung für die Zukunft vor. Eine rückwirkende Aufhebung kommt wegen der gestaltenden Wirkung und des Vertrauens des Rechtsverkehrs auf die Wirksamkeit der in diesem Zeitraum vorgenommenen Rechtsgeschäfte des Betreuers nicht in Betracht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 13. August 2013 - 11 Wx 63/13 -; BayObLG, Beschl. v. 4. Juni 2003 - 1 Z BR 81/03 - jeweils Juris).

Anhaltspunkte für eine sonstige Fehlerhaftigkeit der Verzichtserklärung sind nicht gegeben. Zwar ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die Verzichtserklärung meint, soweit er vorträgt, „der Verwaltungsakt“ sei nach § 44 ThürVwVfG nichtig, bei dieser handelt es sich jedoch nicht um einen Verwaltungsakt, sodass § 44 ThürVwVfG keine Anwendung findet. Einen anderen Verwaltungsakt hat die Antragsgegnerin nicht erlassen, denn einer Fahrerlaubnisentziehung ist der Antragsteller durch den Verzicht zuvorgekommen.

(2) Die Verzichtserklärung ist nicht durch eine Anfechtung analog § 142 Abs. 1 BGB erloschen oder aus sonstigen Gründen unwirksam. Erklärungen von Privatpersonen, in denen diese auf materielle Positionen des öffentlichen Rechts verzichten, sind zwar in entsprechender Anwendung der §§ 119 ff. BGB anfechtbar (vgl. BayVGH, Beschl. v. 4. Juli 2018 - 11 ZB 18.719 -; VG Düsseldorf, Urt. v. 16. Februar 2017 - 6 K 8088/16 - jeweils Juris). Indes liegt - ungeachtet der Frage, ob eine Anfechtung noch fristgerecht, d.h. unverzüglich erfolgt ist (vgl. § 121 Abs. 1 BGB analog) - kein Anfechtungsgrund vor.

aa) Ein beachtlicher Inhaltsirrtum in Form des Rechtsfolgenirrtums, der zur Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB analog berechtigen würde, ist nicht gegeben. Nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB liegt ein beachtlicher Inhaltsirrtum vor, wenn das Rechtsgeschäft nicht die erstrebten, sondern davon wesentlich verschiedene Rechtsfolgen erzeugt. Einem solchen Irrtum war der Antragsteller nicht erlegen. Sollte er sich bei Abgabe seiner Verzichtserklärung trotz des eindeutigen Wortlauts über deren rechtliche Tragweite nicht vollständig im Klaren gewesen sein, handelte es sich allenfalls um einen Irrtum über die rechtlichen Folgen der Erklärung, der als bloßer Motivirrtum grundsätzlich - so auch hier - nicht zur Anfechtung berechtigt.


bb) Schließlich wurde der Antragsteller auch nicht arglistig getäuscht. Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann die Erklärung anfechten, wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste (§ 123 Abs. 2 Satz 1 BGB). Anhaltspunkte dafür, dass die Behörde den Antragsteller arglistig über die Rechtslage getäuscht hat (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB) sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist deutlich darauf hinzuweisen, dass etwaige Mängel in der Beratung durch Sachbearbeiter nicht mit einer arglistigen Täuschung gleichzusetzen sind. Zudem hätte es dem Antragsteller offen gestanden, sich zu dieser Frage anwaltlich beraten zu lassen (vgl. VG München, Urt. v. 26. Januar 2018 - M 6 K 16.4365 - Juris). Soweit der Antragsteller vorträgt, sich durch seinen Betreuer getäuscht und in seiner Krankheit ausgenutzt zu fühlen, erfüllt dies nicht die Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dahinstehen kann, ob eine Täuschung i.S.d. § 123 BGB, also die Erregung eines Irrtums durch Vorspiegeln unwahrer oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-​BGB, 8. Aufl. 2017, § 123 BGB Rn. 10) vorlag, denn bei dem Betreuer handelt es sich bereits nicht um einen „Dritten“ i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist „Dritter“ nur eine am Vertragsschluss - hier der Verzichtserklärung - völlig unbeteiligte Person. Dies trifft auf den Betreuer des Antragstellers jedoch nicht zu, denn dieser stand „in seinem Lager“. Wer - wie ein Vertreter - auf Seiten des Erklärenden steht und maßgeblich am Zustandekommen des Rechtsgeschäfts mitgewirkt hat, ist nicht als Dritter nach § 123 Abs. 2 BGB anzusehen. Insoweit dürften die Ausführungen in dem internen Schreiben des Fachbereichsleiters Recht und Personal der Antragsgegnerin vom 12. September 2018 fehlgehen, denn Erklärungen des Betreuers des Antragstellers muss sich die Antragsgegnerin i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB nicht zurechnen lassen.

cc) Anders als der Antragsteller meint, sind Anhaltspunkte für eine „Kungelei“ oder „Kumpanei“ in der (bloßen) Zusammenarbeit zwischen seinem Betreuer und der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu erkennen.

Es vermag das Gericht auch nicht zu überzeugen, wenn der Antragsteller geltend macht, er sei nicht in der gebotenen Weise darauf hingewiesen worden, dass mit der Rückgabe des Führerscheines ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis einhergehe bzw. die Rückgabe als Verzicht gewertet werde. Gegen eine solche Annahme spricht der Umstand, dass dem Antragsteller das Formular zur Abgabe einer ausdrücklichen Verzichtserklärung vorgelegt worden ist. Soweit der Antragsteller nunmehr vorträgt, die Erklärung ungelesen unterschrieben zu haben, ist dies nicht glaubhaft, weil die Angaben des Antragstellers widersprüchlich sind. Während er davon ausging, die Fahrerlaubnis ohne Schwierigkeiten zurückerlangen zu können, weil der Entzug nach Aufhebung der Betreuung „wegfalle“, machte er keinerlei Angaben zu einem Irrtum bzw. einer Täuschung (Gespräch am 7. März 2018 [Bl. 38 BA 1], Schreiben aus Oktober 2017 [Bl. 68 ff. BA 1], Gespräch am 18. Juni 2018 [Bl. 89 BA 1], Schreiben vom 22. Juni 2018 [Bl. 90 BA 1]). Erst als der Antragsteller feststellte, das die Antragsgegnerin seinem Herausgabebegehren nicht nachkommen würde, begann er zunächst vorzutragen, dass die Fahrerlaubnisbehörde ihn gemeinsam mit dem Betreuer getäuscht (Schreiben vom 18. Juli 2018 [Bl. 94 BA 1] bzw. der Betreuer ihm das Formular untergeschoben habe (Gespräch vom 7. September 2018 [Bl. 115 BA 1]. Dass er das Formular überhaupt nicht lesen „sollte und wollte“, erklärte er erstmals im gerichtlichen Verfahren (Bl. 28 der Gerichtsakte). Zugunsten des Antragstellers bleibt zwar anzumerken, dass sich zumindest aus den Akten nicht zweifelsfrei ergibt, ob dieser in dem Gespräch mit seinem Betreuer auf alle ihm zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen hingewiesen worden ist und er ausreichend Zeit hatte, sich über seine Lage und über die für ihn am besten geeigneten weiteren Schritte Gewissheit zu verschaffen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da der Betreuer, der selbst Rechtsanwalt ist, das Verwaltungsverfahren an sich gezogen hatte. Insoweit wird unter die Ausführungen zur Verzichtserklärung durch den Betreuer (vgl. b) bb) [1]) verwiesen. Einer gesonderten Anhörung des Antragstellers bedurfte es hierzu nicht (vgl. OVG Sachs-​Anh, Beschl. v. 20. November 2015 - 3 L 102/15 - Juris).

Der Antragsteller muss sich demzufolge an der Verzichtserklärung sowie dem rechtlich wirksamen Realakt der Rückgabe des Führerscheines festhalten lassen.

3. Im Hinblick auf den zu erwartenden Fortgang des Verfahrens wird darauf hingewiesen, dass ein (Wieder-​)Erteilungsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG voraussetzt, dass der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 11 Abs. 1 FeV geeignet ist. Dazu gehört auch, dass keine der nach Anlage 4 zur FeV genannten eignungsausschließenden Erkrankungen vorliegen. Deshalb wird es maßgeblich auf die weitere Aufklärung der bei dem Antragsteller bestehenden psychischen Erkrankung ankommen. Während der behandelnde Arzt Dr. H... von einer „leichten psychischen Störung“ spricht, wurde in dem psychiatrischen Gutachten des Dr. C… eine „neurotische Entwicklung des taktierenden Handelns nach rapidem sozialen Abstieg bei paranoider Persönlichkeitsstörung (...)“ diagnostiziert (Bl. 75 f. BA 1). Es spricht viel dafür, dass die Frage, ob es sich hierbei um eine der in Anlage 4 FeV genannten Erkrankungen handelt, die die Fahreignung des Antragstellers ausschließt, nur durch ein von der Behörde anzuordnendes Gutachten geklärt werden kann. Dem steht insbesondere nicht das ärztliche Attest des Dr. H… vom 1. Juni 2018 entgegen, denn weder ist dieses inhaltlich detailliert genug, noch verfügt er über eine verkehrsmedizinische Qualifikation. Im Übrigen ist der behandelnde Arzt wegen des bei ihm anzunehmenden Interessenkonflikts nach § 11 Abs. 2 Satz 5 FeV regelmäßig auch nicht dazu berufen, sich zur Fahreignung seines Patienten zu äußern (vgl. BayVGH, Beschl. v. 21. November 2018 - 11 CS 18.1237 - Juris). Der weiteren Aufklärung steht auch nicht das Schreiben des Fachbereichsleiters Recht und Personal der Antragsgegnerin vom 12. September 2018 entgegen, denn dieses stellt keine Zusicherung i.S.d. § 38 ThürVwVfG dar.


4. Vor diesem Hintergrund war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten für das Verfahren abzulehnen (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 46.1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Bei einer Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, B, BE, C1, C1E, L und AM sind allein die Klassen A, BE und C1E maßgeblich. Die anderen Fahrerlaubnisklassen sind damit abgedeckt (vgl. § 6 Abs. 3 FeV; vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. Oktober 2015 - 3 B 31/15 -; BayVGH, Beschl. v. 30. Januar 2014 - 11 CS 13.2342 - Juris). Demnach sind die Fahrerlaubnisklassen A, BE und C1E jeweils mit 5.000,00 € anzusetzen. Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich gebotene Halbierung dieses Werts hat hier zu unterbleiben, weil der Antragsteller eine die Hauptsache vorwegnehmende Entscheidung begehrt (vgl. VG Hamburg, Beschl. v. 18. August 2009 - 15 E 1380/09 - Juris).

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