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Landgericht Essen Beschluss vom 17.06.2019 - 10 S 51/19 - Freie Bahn schaffen für Einsatzfahrzeug

LG Essen v. 17.06.2019: Freie Bahn für Einsatzfahrzeuge schaffen


Das Landgericht Essen (Beschluss vom 17.06.2019 - 10 S 51/19) hat entschieden:

   Ein Verstoß gegen das an den Vorausfahrenden gerichtete Verbot, ohne zwingenden Grund zu bremsen wie auch gegen das Gebot zur Rücksichtnahme liegt nicht vor, wenn damit lediglich das Gebot aus § 38 Abs. 1 StVO befolgt wird, einem Einsatzfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn freie Bahn zu verschaffen.


Siehe auch
Sonderrechte - Einsatzfahrzeuge - Rettungsfahrzeuge - Wegerechtsfahrzeuge
und
Unfalltypen - typische Unfallgestaltungen


Gründe:


I.

Die Kammer ist einstimmig der Überzeugung, dass die gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthafte und gemäß § 511 Abs. 2, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung des Klägers in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, §§ 513Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2,546 ZPO, noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen, §§ 520Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO, eine abweichende Beurteilung.

Das Amtsgericht ist mit einer überzeugenden Begründung, die die Kammer sich zu eigen macht, zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger die geltend gemachten Ersatzansprüche gegen die Beklagte nach dem Verkehrsunfall v. 11.10.2017 auf der W...straße in Essen nicht zustehen. Zutreffend ist das Amtsgericht bei der Bewertung der Verursachungsbeiträge zu einer alleinigen Haftung des auffahrenden Klägers gelangt. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Soweit der Berufungsvortrag Anlass zur Erörterung gibt, beruht dies auf folgenden Überlegungen:




Der Anspruch des Klägers auf Schadenersatz gegen die Beklagte aus dem Unfallereignis ergibt sich nicht aus §§ 7, 17,18 StVG, 115 VVG, 249 ff., 823 BGB.

Das Amtsgericht hat die Verantwortungsanteile für das Entstehen des Unfallereignisses zutreffend ermittelt und hierbei die Pflichtigkeit der Beklagten verneint. Zunächst wurden die Schäden für beiden Seiten nicht durch höhere Gewalt verursacht, § 7 Abs. 2 StVG. Denn es liegt kein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter betriebsfremder Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis vor, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden konnte.

Des Weiteren haben dir Parteien den Unabwendbarkeitsnachweis gemäß § 17 Abs. 3 StVG nicht geführt, noch nachweisen können, dass der Unfall nicht auf ein Verschulden der jeweiligen Fahrer zurückzuführen ist, § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG. Bei dem Unabwendbarkeitsnachweis kommt es darauf an, ob auch für eine besonders sorgfältigen Kraftfahrer bei der gegebenen Sachlage der Unfall unvermeidbar gewesen wäre. Das Gesetz verlangt eine über den Rahmen des § 276 Abs. 2 BGB hinausgehende Sorgfalt. Hierzu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen Maßstab hinaus, wenn Unabwendbarkeit auch nicht absolute Unvermeidbarkeit bedeutet (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1972, Az. VI ZR 104/71, NJW 1973, 44 [45]). Es ist vorliegend nicht auszuschließen, dass besonders sorgfältige Fahrer den Unfall vermieden hätten. Ein besonders sorgfältiger Fahrer des klägerischen Fahrzeugs hätte jedenfalls keineswegs unter den Umständen des Falles darauf vertraut, die Fahrerin des bei der Beklagten versicherten KfZ würde auch bei Wahrnehmung des Sonderrechtssignals weiterfahren und nicht – und sei es auch stärker – abbremsen.


Die Verneinung der klägerseits verfolgten Ansprüche ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Verhältnis der Parteien zueinander hängt die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß § 17 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Ausgegangen wird hierbei gedanklich zunächst von einer hälftigen Verantwortungsteilung zwischen den beteiligten Fahrzeughaltern, kommt es zu einem Unfall zwischen zwei Pkw. Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit ein Umstand allgemein geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art herbeizuführen. Hierbei richtet sich die Schadensverteilung auch nach dem Grad eines etwaigen Verschuldens eines Beteiligten. Im Rahmen dieser Abwägung werden zu Lasten einer Partei nur solche Umstände berücksichtigt, die als unfallursächlich feststehen. Nicht zu beanstanden ist, dass der Zeugin … amtsgerichtlich kein Verstoß gegen § 4Abs. 1 Satz 2 oder § 1 Abs. 2 StVO angelastet worden ist. Ein Verstoß gegen das an den Vorausfahrenden gerichtete Verbot, ohne zwingenden Grund zu bremsen wie auch gegen das Gebot zur Rücksichtnahme liegt nicht vor. Gem. § 38 Abs. 1 StVO bedeutet blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn: „Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen.“ Und zwar meist durch Anhalten (vgl. Koehl, in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl., 2017, § 38 Rdnr. 8). Dem hat die Zeugin nach Wahrnehmung der Sonderrechtzeichen entsprochen. Eine Konstellation, in der ein sofortiges freie Bahn Schaffen vor der Engstelle durch Abbremsen nicht möglich gewesen wäre, war nach den eigenen Angaben des Klägers ebenfalls nicht gegeben. Dem Umstand, dass möglicherweise auch bei Durchfahrt der Zeugin und des Klägers durch die Baustelle das sonderberechtigte Feuerwehrfahrzeug störungsfrei hätte passieren können, vermag keine Rückwirkung auf die Regelkonformität des Bremsens der Zeugin zu bewirken.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Bejahung wie die Begründung des rücksichtsgebotswidrigen Verhaltens des Klägers durch das Amtsgericht das auch ohne die Bejahung eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO, im Falle die Annahme einer 100 %igen Verantwortlichkeit des Klägers trägt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer Bezug auf die zutreffenden und in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts in dem mit der Berufung angefochtenen Urteil, denen sich die Kammer umfänglich anschließt.



II.

Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil des Berufungsgerichts nicht erfordern sowie eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, beabsichtigt die Kammer eine Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege.

III.

Auf die mit einer Berufungsrücknahme verbundene Kostenreduktion weist die Kammer vorsorglich hin.

IV.

Die Wertfestsetzung ist auf den mit der Berufung weiterverfolgten Betrag zur Hauptforderung beabsichtigt.

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